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    Telzan saß mit konzentriertem Blick vor dem Kontaktkelch, den ihm Sytania ausgeliehen hatte. Der Vendar war in dessen Benutzung sehr gut durch seine Gebieterin unterwiesen worden. Deshalb viel es ihm auch nicht sonderlich schwer, ein Ziel zu wählen. Dieses Ziel, das er jetzt beobachtete, war Dirans Schiff. Der eigentlich Tolea treu ergebene Vendar war schon immer einer von Telzans ärgsten Widersachern gewesen, was sich auch durch die Tatsache ergab, dass er sich zu Jorans Truppe gezählt hatte, der Telzans direkter Nebenbuhler war, was die Gunst Sytanias anging, als beide Vendar-Krieger der imperianischen Königstochter noch gedient hatten. Nach Jorans Rebellion hatte Telzan den Führungsposten bei Sytanias Vendar nun sicher. Deshalb genoss er auch jeden Blick auf die verzweifelte Situation, in der sich Diran jetzt befand. Telzan ließ sich vom Kontaktkelch sogar den Bildschirm zeigen, auf dem Diran immer mehr stark rote Ziffern ablas, die auf den immer schlechter werdenden Gesundheitszustand Kairons hinwiesen. Jetzt beobachtete er sogar, wie Diran das Fenster wechselte, um die umliegenden Sensorenbilder zu sehen. „Du kannst dir die Region um dich herum einige tausende von Malen ansehen, Diran.“, grinste er verächtlich. „Es wird dort keine Schiffe mit Telepathen geben, die dir helfen werden.“ Er dachte eine Weile nach. „Zumindest noch nicht.“ Ihm war eine Idee gekommen, mit der sich Sytanias und seine Sorgen auf einen Schlag in Luft auflösen würden. Aber dazu würde er die Hilfe der imperianischen Prinzessin benötigen. Ja, sie würde den Plan sogar selbst ausführen müssen. Er hoffte sehr, dass sie einverstanden sein würde, wenn er ihr den Plan mitteilte.

    Ein schwarzer Blitz! Darauf hatte sich Telzan schon gefreut. Mit zufriedenem Gesicht wendete er sich vom Kelch und beobachtete, wie der Blitz langsam die Gestalt seiner Gebieterin freigab. „Endlich seid Ihr wieder bei mir, Herrin.“, sagte er erleichtert. „Warum hast du solche Sehnsucht nach mir, mein treuer Telzan?“, fragte Sytania. „Weil ich Euch dringend etwas mitteilen muss, Gebieterin.“, antwortete Telzan. „Ich habe die ganze Zeit während Eurer Abwesenheit Diran und Toleas Bruder beobachtet. Dabei ist mir ein Gedanke gekommen, wie wir all unsere Probleme auf einen Schlag lösen können.“

    Sytania setzte sich neben ihn. „Ich bin ganz Ohr.“, antwortete sie. „Also.“, begann Telzan. „Ihr wisst, dass es telepathischer Energie bedarf, damit Kairon wieder gesunden kann. Sonst wird sein Telepathiezentrum absterben. Ihr könntet ihm telepathische Energie geben.“ „Was verlangst du da?!“, erwiderte die Prinzessin empört. „Du verlangst, dass ich einen meiner ärgsten Widersacher mit Energie versorge?! Was ist in dich gefahren?!“ „Bitte vergesst nicht.“, versuchte Telzan sie zu beschwichtigen. „Dass Eure Energie schwarze Macht ist. Wenn Ihr Kairon über Diran damit infiziert, zumal jetzt, wo er sich nicht wehren kann, dann wird er bald genau so auf unserer Seite sein, wie es seine Schwester Tolea schon heute ist.“ „Aber wie soll ich das deiner Meinung nach anstellen, Telzan?“, fragte Sytania. „Kairon ist auf Dirans Schiff. Diran würde mich erkennen und sofort die Rosannium-Waffe zünden, wenn er meiner ansichtig würde.“ „Er muss Euch ja nicht direkt erkennen.“, sagte Telzan. „Und auch nicht das Schiff, mit dem Ihr fliegen werdet.“ „Ein Schiff?“, fragte Sytania. „Was hat das zu bedeuten? Erkläre dich näher!“ „Das werde ich gleich tun, Herrin.“, versicherte Telzan. „Bitte gewährt mir noch einen kurzen Moment der Vorbereitung.“ „Der Moment sei dir gewährt.“, sagte Sytania, die eigentlich schon vor Ungeduld platzte, sich aber zusammennahm. Sie ahnte, dass Telzan einen sehr hinterlistigen Plan hatte, bei dem es einer genauen Vorbereitung bedurfte.

    Aus dem Augenwinkel hatte sie beobachtet, wie Telzan sein Sprechgerät gezogen und einigen seiner Männer Bescheid gegeben hatte. „Bitte seht aus dem Fenster, Gebieterin.“, bat er danach stolz. Neugierig trat Sytania an das Fenster ihres Thronsaales heran, um seiner Bitte Folge zu leisten. Hier sah sie nun zwölf Vendar, die ein vulkanisches Shuttle auf einer Vorrichtung in den Schlosshof zogen, um es dann von ebendieser rutschen zu lassen. „Was hast du mit diesem alten Stück Kriegsbeute vor, Telzan?“, fragte die Königstochter. „Das will ich Euch gern sagen, Gebieterin.“, grinste Telzan. „Seht mit mir durch den Kontaktkelch. Dann wird Euch auch auffallen, wie verzweifelt der gute Diran ist, weil er einfach keinen Telepathen finden kann, der ihm Energie für Kairon gibt. Toleas Bruder liegt bereits im Sterben, wie Ihr sehen könnt. Diran wird also jede Hilfe annehmen, die er bekommen kann, ohne zu fragen. Dafür ist er mittlerweile verzweifelt genug.“ Telzan lachte gemein, während er seinen letzten Satz beendete.

    Sytania legte ihre rechte Hand auf den Fuß des Kelches und gab Telzan die Linke. Dann begann sie, sich in gleicher Weise wie er auf den Kelch zu konzentrieren. „Du hast Recht.“, sagte sie. „Er ist reif. Er ist so reif, dass er keine Fragen stellen wird. Dann sollte ich mich schleunigst in eine passende Pilotin zu diesem Schiff verwandeln. Auch wenn Diran normalerweise bekannt sein dürfte, dass die Vulkanier immer sehr empfindlich sind, was ihren Geist angeht, so wird er dies außer Acht lassen, wenn er mir begegnet und meine Hilfe dankbar annehmen.“

    Es gab einen weiteren schwarzen Blitz und Sytania war scheinbar verschwunden. Vor Telzan stand jetzt eine Vulkanierin mittleren Alters mit blonden langen Haaren, einer Größe von ca. 1,70 cm und in sommerliche Zivilkleidung gehüllt. „Seid Ihr es immer noch, Herrin?“, fragte Telzan mit einem fassungslosen Blick. „Wer sonst?“, fragte Sytania, deren Stimme sich auch sehr verändert hatte. Sie war nicht mehr so hexenartig. Im Gegenteil. Wenn man es nicht besser wusste, hätte man annehmen können, dass sie richtig freundlich klang. Sie war auch viel tiefer als Sytanias eigentliche Stimme.

    Telzan musterte die vor ihm stehende Frau noch einmal genauer. „Diese Verwandlung ist Euch fabelhaft gelungen, Gebieterin.“, lobte er. „Wer es nicht weiß, könnte Euch glatt für eine echte Vulkanierin halten. Hoffen wir, dass Diran wirklich verzweifelt genug ist, um genau das zu tun. Ich werde zu allen bösen Gottheiten aller Dimensionen beten, sie mögen dafür Sorge tragen, dass er nicht nachdenkt.“ „Die Hilfe der Götter benötige ich nicht!“, lachte Sytania. „Das kann ich schon allein. Ich bin ein großes mächtiges Mädchen.“ „Das seid Ihr.“, beschwichtigte Telzan sie. „Aber ich dachte, dass etwas Hilfe von den höllischen Heerscharen nicht verkehrt sein könnte.“ „Dein Verhalten rührt mich, Telzan.“, erwiderte Sytania. „Dennoch ist es völlig unnötig. Du solltest deine Energie nicht für Gebete verschwänden, sondern lieber darauf achten, dass während meiner Abwesenheit hier alles seine Ordnung behält. Ich erhebe dich für diesen Zeitraum in den Stand eines Lords. So kannst du meine Amtsgeschäfte übernehmen, während ich fort bin. Auf die Knie!“

    Telzan folgte ihrem Befehl. Dann sah er, wie sie von einer der umstehenden Wachen ein Schwert nahm und ihm einen Schlag auf die rechte Schulter verpasste. Dann sagte sie feierlich: „Erhebt Euch, Lord Telzan!“ Danach übergab sie ihm das Zepter und ging. Mit dem Schiff würde sie zurechtkommen. Das wusste Telzan. Als Mächtige konnte sie sich schließlich alles wünschen, was sie wollte, auch die Kenntnisse, die notwendig waren, um ein vulkanisches Schiff fliegen zu können.

    Telzan blieb zurück. Er wusste, dass sein Ritterschlag nur temporärer Natur war. Aber das störte ihn nicht. Er hoffte nur, dass seine Männer Sytania erkennen würden und sie nicht für irgendeine Vulkanierin halten würden. Aber diese Sorge konnte er sich gleich wieder selbst nehmen, denn auch sie würden spüren, dass die geistige Energie, die von ihr ausging, weiterhin die gleiche schwarze Aura hatte, die sie von ihrer Gebieterin gewohnt waren.

    Zufrieden sah er zu, wie Sytania im Hof in ihr Schiff stieg und startete. Er würde sie weiterhin auf ihrem Flug beobachten. Schließlich wollte er sehen, wie Diran in sein Unglück rannte und einen großen Teil zum Unglück Kairons beitrug. Erneut beglückwünschte er sich zu seinem Plan. Hatte er doch dafür Sorge getragen, dass bald beide Vorsitzenden des Hohen Rates des Raum-Zeit-Kontinuums mit schwarzer Macht infiziert und somit Sytania willfährig waren. Dieses Mal würde es mit der Eroberung aller Dimensionen im Schlaf klappen! Niemand würde sich Sytania mehr in den Weg stellen können. Diran würde nicht merken, dass er da eigentlich jemanden vor sich hatte, deren Spezies an sich nicht für die Bereitschaft zur Teilung ihrer Energie bekannt war. Dafür war er zu verzweifelt. Er würde jede Hilfe annehmen, die sich ihm anbot. Fragen würde er nicht stellen. Vielleicht später, aber dann wäre er zu demoralisiert und über das eigene Verhalten derart bestürzt, dass er sich sicher gern umbringen würde. So war man diesen ungeliebten Zeugen auch los.

    Ich war allein auf der Brücke der Granger. Mikel, Kissara und Kang hatten sich in Richtung des Konferenzraumes begeben. So hatte ich genug Zeit zum Nachdenken. Mikel würde mir sicher übel nehmen, dass ich bei Kissaras Aktion so einfach mitgemacht hatte. Schließlich waren wir Freunde und er hätte so etwas von mir sicher nicht gedacht. Gut, er wusste, dass ich, wenn ich einen Grund dafür sah, Befehle von oben gern ausführte. Er wusste, dass ich im Grunde meines Herzens keine Rebellin war. Das durfte ihm schon seit unserer gemeinsamen Jugend auf Terra klar gewesen sein. Aber diese Tatsache bot auch einen gewissen Anlass zum Reden. Sicher würde er mich fragen, warum ich so einfach mitgemacht hatte. Schließlich grenzte das, was Kissara da getan hatte, schon fast an Freiheitsberaubung, obwohl sie ja nicht anders konnte. Nur in einem durfte sich Mikel gründlich geirrt haben. Elektra konnte laut meinem Verständnis des genesianischen Rechts jetzt auch nicht Chefingenieurin unseres Schiffes werden, obwohl sie unserem Verständnis nach ja eine Frau war. Im Rechtsverständnis der Genesianer aber würde sie wahrscheinlich weder als Frau noch als Mann gelten, sondern als Sache. Sie wäre dort nicht mehr als eine Maschine. Die Genesianer konnten unmöglich die selbe Geschichte im Bezug auf Androiden haben wie wir.

    Der Computer riss mich mittels eines Signals aus meinen Gedanken: „Ankommender Ruf!“ „Wer ist es?“, fragte ich zurück. „Rufzeichen ansagen oder wenn möglich Speichernamen nennen!“ „Rufzeichen von Dills Palast mit Unterrufzeichen des leibärztlichen Sprechzimmers.“, antwortete die freundliche weibliche Stimme des Rechners. Mir wurde mulmig. Wenn Malargo uns jetzt rief, dann konnte dies nur zwei Dinge bedeuten. Entweder, Dill war erwacht, oder er war tot.

    Ich drückte die Sendetaste: „Hier ist Allrounder Betsy Scott an Bord der USS Granger. Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Malargo?“ „Woher wussten Sie, dass ich es bin, Allrounder?“, fragte die tiefe freundliche Stimme des Leibarztes. „Der Computer hat es mir gesagt.“, erklärte ich. „Techniker Jannings hat ihn so programmiert. Es gibt ein Hilfsmittelprogramm, das er geschrieben hat.“ Ich war heilfroh, mit Malargo zunächst ein unverfängliches Thema anschneiden zu können. „Interessant.“, sagte er und ich merkte seiner Stimme an, dass er wohl über einen Umstand sehr traurig sein musste. Dies bestätigte immer mehr meine Theorie von Dills Tod. „Warum haben Sie uns gerufen, Malargo?“, fragte ich schließlich doch. „Um ehrlich zu sein, Allrounder, würde ich gern mit Ihrem ersten Offizier sprechen.“, antwortete der Zeitländer. „Tut mir leid.“, ratterte ich einen typischen Standardsatz für Kommunikationsoffiziere herunter. „Agent Mikel ist zur Zeit nicht erreichbar. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?“ „Ja, in gewisser Hinsicht möchte ich das schon.“, entgegnete Malargo. „Aber es tut mir auch für Sie leid, Allrounder. Sie kannten Dill ja auch. Schließlich waren Sie die beste Freundin seines Nennsohnes.“

    Ich fuhr zusammen und eine unsichtbare Faust drohte, mir die Luft abzudrücken. Mein für viele als sehr sensibel geltendes Gehör hatte mir gerade verraten, dass er die englische Vergangenheitsform benutzt hatte. An einen sprachlichen Ausrutscher seinerseits glaubte ich nicht. Dazu war sein Englisch eigentlich immer zu perfekt gewesen. Das konnte nur bedeuten, dass Dill trotz der Bemühungen der Vendar und seiner eigenen nicht mehr am Leben war. „Ich denke, dass ich den Inhalt der Nachricht schon kenne, Malargo.“, sagte ich mitfühlend. „Er lautet: Der König ist tot.“ „Sie haben Recht, Allrounder.“, sagte der Leibarzt und ich gewann den Eindruck, dass er froh darüber war, dass ich ihm abgenommen hatte, diesen Satz selbst über die Lippen bringen zu müssen. „Ich werde es Agent Mikel ausrichten.“, versicherte ich. „Danke, Allrounder.“, sagte er und fügte noch hinzu: „Mein herzliches Beileid.“ „Das Gleiche gilt auch für Sie.“, sagte ich höflich, bevor ich die Verbindung beendete.

    Jannings und Learosh waren sich im Turbolift begegnet. „Warum kann sie mit uns allen reden wollen, Learosh?“, fragte der terranische Chefingenieur den taskonianischen medizinischen Assistenten. „Das weiß ich leider auch nicht, Mr. Jannings.“, erwiderte dieser. „Ich finde die ganze Situation auch höchst merkwürdig. Warum lässt sie Allrounder Betsy eine SITCH-Mail verfassen, nach der sie alle männlichen Offiziere im Konferenzraum sehen will und was war das für eine Merkwürdigkeit mit der neuen falschen Zeitlinie und Sytania?“ „Keine Ahnung, Learosh.“, sagte Jannings, der angesichts der neuen Situation sehr genervt war. Er hasste Veränderungen und dies hier war ohne Zweifel eine solche.

    Die Beiden betraten den Raum, in dessen Mitte Kissara bereits stand und auf sie wartete. Vor ihr auf zwei Sesseln saßen Kang und Mikel. „Nun sind wir ja endlich vollzählig, Gentlemen.“, stellte sie fest. „Der Grund, aus dem ich Sie hierher zitiert habe ist folgender.“ Sie deutete auf den Schirm hinter sich, auf den der Computer auf ihre Anordnung hin sofort die Außensicht schaltete. „Das Gebiet der Föderation, wie wir es kennen, hat aufgehört zu existieren.“, fuhr sie fort. „Anscheinend haben die Genesianer es vor einem halben Jahr erobert. Jetzt sind sie die Herren, oder besser Herrinnen hier. Für jeden männlichen Sternenflottenoffizier bedeutet das normalerweise, dass er seinen Job los ist und in irgendeiner Kristallmine arbeiten muss, sofern er nicht mit den Genesianerinnen biologisch kompatibel ist und somit vielleicht als Ehemannanwärter ausgebildet werden könnte, oder eine Frau aus den eroberten Gebieten sich für ihn interessiert, die ihn nach genesianischem Recht heiratet und auch danach behandelt.“

    Jannings hob die Hand. „Augenblick mal, Commander.“, bemerkte er. „Wenn die Genesianer unser Gebiet vor einem halben Jahr erobert haben, dann müssten wir dass doch eigentlich wissen, oder?“ „Die Eroberung der Föderation, Mr. Jannings, fand in einer Zeitlinie statt, die nicht korrekt ist.“, erklärte Kissara. „Jemand hat offensichtlich die Geschichte verändert. Das Motiv und den Haupttäter kennt Agent Mikel noch nicht. Aber er ist sich sehr sicher, dass Sytania zumindest die Rolle einer Komplizin inne hat. Sie, Gentlemen, haben das Glück, auf meinem Schiff Ihren Dienst zu tun. Das bedeutet, trotz der neuen Fakten wird niemand von Ihnen Angst haben müssen, seinen Posten zu verlieren. Ich will an dem Tag tot umfallen, an dem ich mir von Sytania und ihren Komplizen eine falsche Zeitlinie aufdrücken lasse! Mr. Jannings, Sie werden die Sternenflottenkennung aus unserem Transpondersignal streichen. Soweit ich das gesehen habe, hat sich der Rest der Sternenflotte den Gegebenheiten einfach so angepasst. Aber gerade das werde ich nicht tun!“ „Bedeutet das, dass wir uns ab heute offen gegen die Regierung stellen, Commander?“, fragte Learosh. „Genau das, Medical Assistant.“, bestätigte Kissara. „Von heute an sind wir vogelfrei. Wem das zu heiß ist, der kann gern ein Shuttle nehmen und verschwinden, um sich in der nächsten Kristallmine zu melden. Wenn ich Sie mir alle so ansehe, Gentlemen, dann glaube ich, dass dies höchst wahrscheinlich der Ort sein wird, wo Sie in nächster Zeit Ihr Dasein fristen werden.“

    Es wurde still im Raum. Es wurde so unglaublich still, dass man jedes einzelne Geräusch des Schiffsantriebs doppelt so laut zu hören glaubte. Schließlich stand Mikel auf und sagte: „Kissara, ich werde Sie nicht verlassen. Auch ich habe verstanden, dass dies nicht die korrekte Zeitlinie ist und auch ich weiß, dass es nicht so bleiben kann. Eventuell können Sie auch nur mit Hilfe meiner Expertise dieses Problem in den Griff bekommen. Ich kenne eine Menge Mächtige, die uns vielleicht helfen könnten und die uns sicher auch mehr über das Zustandekommen dieser Situation sagen können.“ „Auch ich werde bleiben, Commander.“, meldete sich Kang und stellte sich neben Mikel. „Wenn wir wirklich vogelfrei sind, dann brauchen Sie ihren besten Strategen und Waffenoffizier, falls wir gegen die eigenen Leute kämpfen müssen.“ „Und ich bleibe auch.“, sagte Jannings. „Wo soll eine Rebellin denn sonst so schnell einen neuen Chefingenieur herbekommen?“ „Ich bleibe auch.“, sagte Learosh. „Ich bin die beste männliche Krankenschwester, die Loridana kriegen kann. Einen Ersatz wird uns die Regierung wohl kaum schicken, wenn wir uns offen gegen sie stellen.“ „Ihr Verhalten ehrt Sie, Gentlemen.“, sagte Kissara und man hatte fast den Eindruck, dass ihre grünen Katzenaugen einige Tränen vergossen. „Na dann alle wieder auf Ihre Posten. Jannings, Sie wissen, was Sie zu tun haben.“ „Aye, Commander.“, nickte der Chefingenieur. Dann gingen alle, nur Mikel blieb zurück. „Kissara, wir müssen Nugura noch über die neue Situation informieren. Wie wir auch war sie zeitlich isoliert und weiß noch nichts von der neuen Zeitlinie.“ „Sie haben Recht, Agent.“, entgegnete Kissara. „Kommen Sie.“

    Nicht nur Kissara und Mikel, nein, auch die Canara war immer noch unterwegs. Der kleine Zwischenstopp wegen uns hatte sie in Yanistas Augen wertvolle Zeit gekostet, die sie jetzt wieder hereinholen wollte. Schließlich hatte Shashana sehr drängend geklungen. Deshalb hatte Hera das Schiff auch auf Warp neun beschleunigt und musste fast eine Vollbremsung hinlegen, als sie zum Rand des Sonnensystems kamen. „Bitte verzeiht, Prätora.“, entschuldigte sich die junge Pilotin. „Ist schon gut, Hera.“, erwiderte Yanista. „Wichtig ist jetzt nur, dass wir den Grund erfahren, aus dem uns Shashana unbedingt zurückhaben wollte. Verbinde mich mit ihr!“

    Hera nickte und gab das Rufzeichen der großen Halle, in der sich die oberste Prätora meistens mit ihren Beraterinnen aufhielt, in das Sprechgerät des Schiffes ein. „Was gibt es, Yanista?“, fragte Shashana, nachdem sich die Verbindung aufgebaut hatte. „Wir sind so schnell zurückgekehrt, wie es uns möglich war, oberste Prätora.“, erklärte Yanista. „Bitte teilt mir nun meine neue Aufgabe mit. Ihr sagtet, dass ich im Universum der Föderation nicht mehr gebraucht würde.“ „Was für ein Unsinn!“, empörte sich Shashana. „Ich habe nie mit dir gesprochen, Yanista. Und eine neue Aufgabe habe ich für dich auch nicht. Aber darüber werden wir in der großen Halle reden. Komm sofort her!“

    Yanista wurde leichenblass. Sie hatte an Shashanas Betonung und an ihrem wütenden Gesichtsausdruck durchaus gemerkt, dass es ihr ernst war. Oh, ja. Verdammt ernst. Sicher waren Shashana auch schon jene Pleiten zu Ohren gekommen, die Yanista im Universum der Föderation bereits erlebt hatte. Insgeheim sollte die Canara nämlich nach Ehemannanwärtern für die oberste Prätora suchen. Aber sie hatten nichts als einen Verrückten und einen Terraner angebracht. Über diese Umstände war Shashana sicher sehr wütend. Wenn jetzt noch die Tatsache dazukäme, dass Yanista und ihre Leute von einer Zivilistin hereingelegt worden waren und obendrein noch ein Sternenflottenschiff mit zwei Männern in Offiziersrängen einfach so seinen Weg fliegen lassen hatten, dann würde sie ihr sicher kräftig die Leviten lesen wollen. Aber als tapfere Kriegerin musste sie da jetzt wohl durch.

    Hera war ein Verdacht gekommen. Sie schaltete das Schiff auf Autopilot und schlich zu ihrer Vorgesetzten hinüber. „Glaubt Ihr, dass sie etwas gemerkt hat, Prätora?“, fragte sie. „Dessen bin ich mir sicher, Hera.“, antwortete die Clanführerin. „Und ich denke, dass es ihr einfach reicht. Wenn es wirklich stimmt, dass sie uns nicht zurückgerufen hat, dann müssen wir auf irgendeinen Trick hereingefallen sein. Das zeugt nicht gerade von Wachsamkeit. Außerdem hat uns unsere geheime Mission ja auch nicht viel eingebracht. Wir haben ja regelmäßig über unseren Fortschritt berichten müssen.“ „Was man so Fortschritt nennt.“, stöhnte Hera. „Einen Verrückten und einen Terraner haben wir erwischt. Beides Exemplare, mit denen sie nichts werden kann.“ „Stimmt.“, bestätigte Yanista. „Aber die Verantwortung dafür trage ich allein. Ich gab die Befehle, wie in der jeweiligen Situation zu verfahren war. Also werde ich auch allein dafür die Konsequenzen tragen. So lauten unsere Gesetze.“ Sie stand vom Kommandosessel auf und sah ihre Tochter an: „Du hast die Brücke, Minerva. Betrachte es als Bewährungsprobe.“ „Danke, Mutter.“, erwiderte die junge Erbprätora. Dann ging Yanista zum nächsten Turbolift, der sie zum Transporterraum brachte.

    Shira und ihre Vorgesetzte, Veleta, eine Kriegerin mit langen schwarzen Haaren und einer kräftigen Statur, die auf Yanistas Schiff den Rang der Chefingenieurin bekleidete, waren etwas überrascht, als sie der Prätora, die einen sehr hektischen Eindruck machte, ansichtig wurden. „Was ist geschehen, Prätora?“, wollte Shira wissen. „Ihr seid ja total durcheinander.“ „Es ist nur, weil mir klar geworden ist, dass ich wahrscheinlich bald für alle Welt eine Lachnummer sein werde.“, erwiderte Yanista. „Ich bin auf eine celsianische Zivilistin hereingefallen, wie es aussieht und einen vernünftigen Ehemannanwärter für Shashana habe ich auch nicht anbringen können. Nur einen Verrückten und einen Terraner haben meine Männerfängerinnen erwischen können. Mit beiden kann sie nichts werden.“

    Shira erkannte ihre Chance, sich bei Yanista wieder einschmeicheln zu können. Der Job im Maschinenraum, zu dem die Prätora sie verdammt hatte, gefiel ihr nämlich gar nicht. „Für die Fehler von Tira und ihrer Schwester könnt Ihr doch nichts, Prätora.“, tröstete sie. „Ihr könnt doch nichts für deren kurzsichtige Entscheidungen. Zumindest auf Celsius hätten sie die Situation übersehen können. Sie hätten ja nicht mit ihrer Truppe heruntergehen müssen. Gut, die Sache mit dem wilden Genesianerjungen verhielt sich vielleicht etwas anders, denn sie haben ihm zunächst nur vor und nicht in den Kopf schauen können. Aber …“ „Es ehrt dich, Shira, dass du mich trösten willst.“, entgegnete Yanista. „Aber im Endeffekt liegt doch die endgültige Befehlsgewalt bei mir. Also habe ich auch dafür geradezustehen, was unter meinem Kommando geschieht.“ Sie betrat die Transporterplattform. „Und nun beamt mich hinunter in die große Halle. Aktivieren!“ Shira sah Veleta fragend an. Diese aber nickte ihr nur zu, während sie den Transporter einstellte.

    Shashana und ihre Beraterinnen saßen um einen großen schweren Tisch aus einheimischem genesianischen Holz auf schmalen harten Bänken, als sich Yanista vor ihnen materialisierte. Direkt hinter der obersten Prätora stand Meduse, ihre schon allen gut bekannte Leibwächterin. Sie war es auch, die jene immer sichtbarer werdende Säule mit dem Erfasser scannte. „Sie ist allein, oberste Prätora!“, meldete sie. „Dann lass sie vortreten!“, befahl Shashana. Die Wächterin nickte und winkte Yanista durch. Jetzt stand diese vor ihrer Vorgesetzten, die auf einem erhöhten Platz am Kopfende des Tisches saß.

    „Vergebt mir, oberste Prätora.“, sagte Yanista, während sie vor Shashana auf die Knie fiel. „Steh auf!“, befahl diese. „Dein Herumgekrieche ist ja erbärmlich! Oder drückt dich dein Gewissen so arg, dass du es nicht mehr vermagst zu stehen?!“ Die umsitzenden Kriegerinnen brachen in schallendes Gelächter aus. Yanista kannte dieses Verhalten. Es war unter Genesianerinnen dann normal, wenn eine Kriegerin der Feigheit beschuldigt wurde. Langsam stand sie auf. „Seht, meine Kriegerinnen.“, sagte Shashana. „Sie kann also doch noch aufstehen. Dann kann dein Gewissen ja nicht so schlecht sein, Yanista. Aber ich frage mich, vor wem du im Universum der Föderation den Schwanz eingekniffen hast. Deine Rechtfertigung, dass ich euch zurückgerufen hätte, ist doch eine reine Erfindung. Das habe ich nämlich nie getan. Also, warum bist du zurück und verbreitest derartige Lügen. Nicht genug damit, dass deine Männerfängerinnen versagt haben, nein, jetzt hast du auch noch selbst die Flucht ergriffen. Ich frage mich, warum du dies getan hast. Schließlich stehen wir doch alle unter dem Schutz der Wächterin von Gore. Oder ist dein Glaube genau so schwach wie dein Mut?!“ Wieder lachten die Kriegerinnen.

    Yanista überlegte, wie sie aus dieser Situation herauskommen konnte. Sicher wusste sie, dass ihre Mission von Beginn an unter keinem guten Stern gestanden hatte. Aber wenn sie jetzt zugab, dass sie wahrscheinlich auf den Trick einer celsianischen Zivilistin und ihres selbstständig denkenden Raumschiffes hereingefallen war, würde Shashana sie sicher ihres Amtes als Führerin der Vetash entheben. Eine feige Kriegerin durfte auf keinen Fall einen Clan führen. Auch ihre direkte Verwandtschaft würde betroffen sein, was bedeutete, dass dann auch Minerva nicht mehr Prätora der Vetash werden konnte. Beide, Mutter und Tochter, würden dann ein Leben als Ausgestoßene auf irgendeinem Randplaneten führen müssen. Das wollte sie auf keinen Fall! Andererseits war eine Lüge unehrenhaft und würde sie erst recht dorthin bringen. Shashana wusste schon zu viel. Also blieb ihr nur die Flucht nach vorn. Sie sah der obersten Prätora direkt in die Augen und sagte mit fester Stimme: „Ja, oberste Prätora, ich gebe es zu. Ich gebe zu, bei der Suche nach einem passenden Ehemannanwärter für Euch versagt zu haben. Außerdem gebe ich zu, auf den Trick einer einfachen Zivilistin hereingefallen zu sein. Das kann ja nicht anders gewesen sein, wenn Ihr mich nicht zurückgerufen habt. Ich weiß, ich hätte alles genauer überprüfen müssen. Ich bin bereit, jede Strafe anzunehmen, die Ihr über mich verhängen wollt.“ Sie senkte demütig den Kopf.

    „Dein Verhalten ehrt dich, Yanista.“, sagte Shashana, nachdem eine ganze Weile lang eisige Stille geherrscht hatte, in der sie nachgedacht hatte. „Die Tatsache, dass du zu deinen Fehlern gestanden hast wie eine ehrenhafte genesianische Kriegerin und dich nicht versucht hast herauszureden wie eine dreckige Ferengi, zeigt mir doch, dass du noch einen Funken Ehre im Leib haben musst. Daher werde ich dich nur ins tindaranische Universum strafversetzen. Vielleicht erhältst du dort eine Gelegenheit, dich noch einmal zu bewähren. Kehre auf dein Schiff zurück und sage deiner Pilotin, sie soll Kurs dort hin setzen.“ „Ich danke Euch, oberste Prätora.“, entgegnete Yanista erleichtert. Dann zog sie ihr Sprechgerät und gab Veleta Bescheid.

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