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    Ginalla und Kamurus hatten das terranische Sonnensystem verlassen und waren kurz davor, in den Interdimensionsmodus zu wechseln. Etwas störte das Schiff aber gewaltig! Er wusste nur nicht, wie er es seiner Pilotin beibringen sollte. Diese unangenehme Tatsache benötigte so viel Speicherplatz, dass Kamurus ziemlich schwerfällig reagierte, was Ginalla aufgefallen war. „OK.“, sagte sie. „Wir haben Pluto hinter uns. Wenn wir jetzt noch ein oder zwei Parsec weiter sind, gehst du in den Interdimensionsmodus! Ich frage mich, warum du heute so langsam reagierst, Kamurus. Is’ dir 'n photonischer Floh durch deine Warpgondeln gelaufen?“ „Nein.“, antwortete das Schiff. „Ich habe ein viel schwerwiegenderes Problem, das aber nicht technischer Natur ist.“ „Also gut.“, lenkte Ginalla ein und gab ihm den Gedankenbefehl zum Setzen des Ankerstrahls und zum Deaktivieren des Antriebs. Dann lehnte sie sich erwartungsvoll zurück. „Was is’ los?“, fragte sie flapsig. „Da gibt es dieses rein numerische Rufzeichen.“, begann Kamurus. „Es versucht schon die ganze Zeit über, mit uns in Kontakt zu treten. Meiner Ansicht nach, Ginalla, sollten wir antworten und uns einmal anhören, was Agent Sedrin uns zu sagen hat.“ „Die?!“, lachte Ginalla spöttisch. „Ich kann mir denken, was die uns zu sagen hat, Kamurus. Die will uns doch nur wieder bemuttern. Du hast doch selber mitgekriegt, wie sie mit mir am SITCH umgesprungen is’. Die hält mich für’n Kind, das nich’ auf sich aufpassen kann, nur weil ich Zivilistin bin. Die vom Militär glauben, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen, aber das stimmt nich’. Wer so viel rumgekommen is’ wie ich, der kennt die Welt und das Weltall auch. Ich werd’ so lange nich’ mit der reden, wie sie mich nich’ für voll nimmt. Kapisch?“ „Kapisch, Ginalla.“, erwiderte Kamurus.

    Er tat, als würde er sich mit ihrer Standpauke zufrieden geben, hatte in Wahrheit aber einen ganz anderen Plan. Ohne an sie durchzustellen nahm er den SITCH selbst entgegen: „Hier ist Kamurus. Meine Pilotin ist zur Zeit leider nicht in der Lage, mit Ihnen zu sprechen, Agent. Deshalb habe ich dieses Gespräch selbst entgegengenommen. Darf ich erfahren, was der Grund für Ihren Ruf ist?“ „Natürlich darfst du das, Kamurus.“, erwiderte Sedrin. „Ich hoffe, ich spreche dich korrekt an. Es ist für mich das zweite Mal in meinem Leben, dass ich mit selbstständig denkenden Raumschiffen interagiere.“ „Dafür machen Sie das aber sehr gut.“, lobte Kamurus. „Uns zu duzen ist die allgemein übliche Praxis. Und Sie? Möchten Sie gesiezt oder geduzt werden?“ „Du kannst mich genau so behandeln, wie du es mit deiner Pilotin auch machst.“, erlaubte Sedrin ihm, sie zu duzen. „Schließlich werden wir bald zusammenarbeiten, wenn alles so klappt, wie ich es mir vorstelle. Ich nehme dir übrigens nicht ab, dass Ginalla nicht erreichbar ist. Ich weiß viel eher, dass sie etwas beleidigt ist, weil sie vielleicht den Eindruck hat, dass ich sie nicht für voll nehme, weil sie Zivilistin ist und ich dem Militär der Föderation angehöre. Ich gebe zu, dafür hat sie auch allen Grund, weil ich mich entsprechend benommen habe. Vielleicht hilft eine Entschuldigung. Kannst du mich auf den Bordlautsprecher stellen, damit Ginalla mich hören kann? Die Gegenverbindung brauchst du ja noch nicht zu erstellen. Ich könnte auch damit leben, wenn sie kein Wort mehr mit mir wechseln will. Wenn unser Plan deshalb nicht klappt, hätte ich mir das ganz allein zuzuschreiben. Wenn du das aber nicht über deinen Prozessor bringst, weil es einer Meuterei gegen deine Pilotin gleichkäme, hinter ihrem Rücken diese Verbindung einzufädeln, kann ich das auch verstehen.“

    Kamurus registrierte, dass sie die Sendetaste losgelassen haben musste. „Ich habe damit kein Problem, Sedrin.“, erwiderte er. „Aber du bist und bleibst eine Sternenflottendiplomatin. Aber das ist gegenüber mir nicht notwendig, weil ich verstanden habe, dass eine Zusammenarbeit nötig sein wird, wenn wir unser Ziel, die Korrektur der Zeitlinie, erreichen wollen. Deine schmeichelnden Worte solltest du dir für Ginalla aufheben. Aber ich stelle dich jetzt auf den Bordlautsprecher. Achtung!“

    Ginalla hörte ein leises Klicken im Bordlautsprecher und drehte sich um. „Was machst du da, Kamurus?“, fragte sie. „Das wirst du gleich sehen.“, erklärte der grinsende Schiffsavatar über den Neurokoppler. Dann hörte Ginalla Sedrins Stimme: „Ginalla, hier ist Agent Sedrin. Ich möchte mich bei Ihnen für mein vorheriges Benehmen entschuldigen. Sie müssen mich ja jetzt für eine Art militärische Übermutter halten. Aber das bin ich ganz und gar nicht. Ich bin nur eben keine Zivilistinnen gewohnt, die sich so gut im großen gefährlichen Universum behaupten können wie Sie. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich sogar mit meinem Latein bei einer Sache am Ende, bei der nur Sie mir helfen können. Ich habe einen Plan, den ich gern mit Ihnen erläutern würde. Sollten Sie aber nicht mitmachen wollen, was ich durchaus verstehen könnte, dann werde ich mir eine andere Möglichkeit suchen müssen.“

    Ginalla hatte ihren Ausführungen geduldig gelauscht. „Schalte eine Sprechverbindung für mich, Kamurus!“, befahl sie ihrem Schiff. „Ich will ihr noch einmal verzeihen und für einen coolen abenteuerlichen Plan bin ich auch immer zu haben. Wann kriegt man denn schon mal die Gelegenheit, dem Geheimdienst unter die Arme zu greifen.“ „OK.“, erwiderte Kamurus und führte ihren Befehl aus. „Du kannst sprechen.“

    Ginalla setzte sich kerzengerade im Pilotensitz auf, rückte ihre doch sehr saloppe Kleidung zurecht, fuhr sich in Ermangelung einer Bürste mit den Fingern durchs Haar und räusperte sich. Dann sprach sie in Richtung des Computermikrofons, das auch den SITCH übertragen konnte: „Agent, hier ist Ginalla. Das war ja 'n halber Kniefall, was Sie da vor mir veranstaltet haben. Aber ich will mal nich’ so sein und Ihre Entschuldigung annehmen. Außerdem kann ich bei Plänen, die mir Nervenkitzel versprechen, schlecht nein sagen. 'n Guter Plan is’ wie 'ne Tafel Schokolade. Man kriegt nie genug. Also, raus damit!“ „Langsam, Ginalla.“, erwiderte Sedrin. „Wir sollten nicht alles am SITCH besprechen. Diese Art der Kommunikation kann zwar nicht abgehört werden, aber ein zu langes Gespräch könnte trotzdem Verdacht erregen, weil ein anderes Sprechgerät durchaus sehen kann, dass unsere beiden Geräte in einer Verbindung sind. Wenn diese zu lange andauert, ist das schon verdächtig. Von zu viel Schokolade auf einmal wird einem ja auch übel. Sie kann höchst unbekömmlich sein. Kommen Sie bitte zur Erde zurück. Kamurus soll Sie zu mir beamen und sich dann hinter dem terranischen Mond verstecken. Der dürfte groß genug sein, um ihn zu verdecken. Alles Weitere dort.“ Sie öffnete die Schnalle des Halsbandes, was es deaktivierte und die Verbindung somit trennte.

    „Das ist ein merkwürdiges Rufzeichen.“, bemerkte Kamurus, der sich den Umstand, dass es sich um ein rein Numerisches handelte, nicht erklären konnte. „Von was für einer Art Sprechgerät aus könnte sie uns gerufen haben?“ „Weiß ich nich’.“, flapste Ginalla zurück. „Vielleicht 'ne Wanze oder so was. Aber das muss uns jetzt erst mal nich’ interessieren. Du hast die Lady gehört. Also, kehren wir um und fliegen zur Erde, solange uns die Genesianer noch nich’ auf dem Kieker haben. Dann lässt du mich vor ihrer Nase fallen und machst, dass du hinter den Mond verschwindest. Da spielst du totes Schiff und hältst nur die Energieversorgung für die nötigsten Systeme online. Ich ruf’ dich, wenn ich dich brauch’.“ „Entschuldige, Ginalla.“, entgegnete Kamurus. „Ich soll dich fallen lassen?“ „Ich meinte, dass du mich direkt in ihr Wohnzimmer beamen sollst.“, erklärte die junge Celsianerin. „Alles klar.“, verstand Kamurus. „Manchmal habe ich mit deiner Art zu reden noch meine Schwierigkeiten.“ „Schon gut.“, lächelte Ginalla. „Und nun auf zur Erde!“

    Zirell stand an der Andockrampe und sah dem Shuttle bei eben diesem Vorgang zu. Neben ihr stand Shannon, die einen Blick auf das Shuttle werfen sollte, wie es allgemein üblich war. Jenna würde die Verbindung zwischen Maron und der Marionette überwachen. „Findest du das nicht komisch, dass Sanell so einfach ohne das Einverständnis ihrer Vorgesetzten hier is’?“, fragte die blonde Irin in der ihr so eigenen flapsigen Art. „Sie ist ein ausgebildeter Technical Assistant.“, erklärte Zirell. „Sie wird ganz genau wissen, was sie der IDUSA-Einheit erzählen muss, damit diese ihrer Vorgesetzten glaubhaft machen kann, sie sei noch auf der Station, oder wo auch immer sie stationiert ist. Die Betreuung der Datenbank kann auch vom Planeten aus erfolgen.“ „Na, dein Wort in Gottes Gehörgang.“, erwiderte Shannon skeptisch. Ihr war die ganze Sache höchst suspekt, aber sie traute sich dann doch nicht, ihre Vermutung offen auszusprechen. Sie dachte sich, dass Zirell als geübte Telepathin wohl gespürt haben müsste, wenn da etwas nicht in Ordnung wäre. Trotzdem fand sie es angebracht, einen letzten warnenden Satz loszuwerden. „Ich weiß nich’, Zirell.“, begann sie. „Wenn an der man nich’ was faul is’.“

    Das Shuttle hatte gedockt und eine zierliche schlanke ja fast zerbrechlich wirkende junge Frau mit langen schwarzen Haaren und in der Uniform eines Technical Assistant des tindaranischen Militärs entstieg ihm. Vor Zirell blieb sie stehen und salutierte. Dann sagte sie mit ihrer hohen fast etwas piepsig wirkenden Stimme: „Ich grüße dich, Kommandantin.“ „Auch ich grüße dich, Sanell.“, erwiderte Zirell. Dann gab sie ihr fest die Hand, was im Allgemeinen unter Telepathen als unüblich galt. Theoretiker der Föderation hatten gemutmaßt, dass eine Berührung ja theoretisch eine Verbindung begünstigen könnte, was viele sicher als unangenehm empfinden könnten. Sie drehte sich um und winkte der jungen Frau, ihr zu folgen. Auch Shannon bekam einen Wink, bei dem Zirell auf sie und das Schiff deutete. Die irische technische Assistentin kannte die Bedeutung dieses Zeichens.

    „Du kannst mich ruhig Zirell nennen.“, bot die Stationskommandantin an, während die Frauen den langen Gang von der Andockrampe entlanggingen. „Das ist aber recht unüblich.“, stellte Sanell korrekterweise fest. „Auf der Akademie habe ich gelernt, dass …“ „Die Akademie.“, lachte Zirell. „Diese Bürohengste und von mir aus auch Bürostuten wissen ja gar nichts von der rauen Realität hier draußen. Sicherlich kann es zunächst für den Respekt ganz hilfreich sein, die Form zu waren, obwohl man sich ja auf Tindara ohnehin duzt, was du ja sehr genau weißt, Landsmännin. Aber ich halte es auf dieser Station etwas anders. Ich kann auch sehr streng mit meinen Untergebenen sein, aber auch sehr freundlich.“ Zirells eigene Beschreibung des Umgangs stimmte tatsächlich. Sie konnte eine sehr strenge Befehlshaberin sein, wenn es darauf ankam. Auf der anderen Seite konnte sie aber auch sehr freundlich, ja fast mütterlich, sein, wenn jemand ein Trauma erlitten hatte, oder sonst in einer Situation war, die denjenigen in eine Rolle drängte, die ihn oder sie eher als Opfer darstellte. Zirell hatte das Gefühl, sich um Sanell kümmern zu müssen, denn die Telepathin hatte eine große Angst bei ihrem Gegenüber wahrgenommen.

    Sie hatten einen Turbolift bestiegen, der sie auf das oberste Deck der Station brachte. „Ich werde dich zu Agent Marin bringen.“, erklärte Zirell. „Sie ist uns von der Sternenflotte zugeteilt worden, um dich zu vernehmen. Außerdem wird sie mir als erste Offizierin zur Verfügung bleiben.“ „Marin.“, wiederholte Sanell. „Der Name klingt demetanisch. Wolltest du unbedingt eine Demetanerin?“ „Oh, ja.“, sagte Zirell und setzte einen sehnsüchtigen Blick auf. „Sie sind verschlagen und im Hinblick auf Sytania fand ich das angebracht. In den meisten Fällen waren es Demetaner, die ihr das Handwerk gelegt haben oder darauf gekommen sind, dass sie an diesem oder jenem die Schuld trug und nicht Betazoiden oder andere Telepathen, denen man es vielleicht eher zugetraut hätte als den nicht telepathischen Demetanern. Aber vielleicht kommen sie deshalb so schnell und gut dahinter, weil sie selbst ähnlich ticken. Gut, sie würden ihre hinterlistige Ader nie gegenüber einem Freund einsetzen, aber gegenüber ihren Feinden schon und als eine solche Feindin würde ich Sytania durchaus bezeichnen.“ „Maron und Marin.“, verglich Sanell. „Die Namen klingen ähnlich. Hast du sie schon einmal verwechselt?“ „Am Anfang ständig.“, log Zirell und hoffte, dass ihr Gegenüber keine geistige Verbindung zu ihr aufbauen würde, damit sie das Lügengebäude nicht doch noch als ebendieses entlarven würde. Aber da musste sie sich wohl keine Sorgen machen.

    Sie waren vor der Tür des Raumes angekommen und Zirell entsicherte diese mit ihrem biologischen Fingerabdruck. Blitzschnell erstellte die IDUSA-Einheit eine Reaktionstabelle von Sanell. Dann sah die junge Frau in das Gesicht der Marionette. „Hier ist sie, Marin.“, sagte Zirell und wandte sich zum Gehen. „Ich werde euch zwei dann mal allein lassen.“ Damit verschwand sie hinter der sich schließenden Tür.

    Sanell stellte sich aufrecht vor die Simulation hin und sagte salutierend: „Agent Marin, Technical Assistant Sanell bittet um Erlaubnis, eine Aussage zu machen!“ „Erteilt.“, erwiderte Marin, die jetzt bereits von Maron kontrolliert wurde und deutete auf einen Stuhl. „Setz dich erst mal.“

    Die sichtlich nervöse Sanell tat, was ihr gerade gesagt worden war. Dann sah sie, wie die Agentin ein Pad hinter ihrem Rücken hervorzog. „Du brauchst keine Angst zu haben.“, tröstete sie. „Ist das hier deine erste Vernehmung?“ „Ja, Agent.“, stammelte Sanell. „Also.“, entgegnete Marin und drehte sich ihr mit einem lächelnden Gesicht zu. „Solange du dir nichts zuschulden kommen lassen hast, brauchst du nicht nervös zu sein. Du bist ja lediglich eine Zeugin und Zeuginnen brauchen im Allgemeinen bei mir keine Angst zu haben. Ich werde dir auch keine hinterlistigen Fangfragen stellen. Das mache ich nur bei Tätern.“ Sanell lächelte.

    „Also gut.“, begann Marin dann und rückte das Pad vor sich zurecht. „Beginnen wir mit etwas Unverfänglichem. Zunächst muss ich deine Personalien feststellen. Dein Name ist Sanell, du bist Technical Assistant beim tindaranischen Militär. So viel weiß ich schon. Wie lautet deine Dienstnummer?“ „S 2, 8, 5, 7, 9.“, erklärte Sanell deutlich. „Gut.“, sagte Marin. „Das war doch gar nicht so schwer und genau so leicht geht es jetzt weiter. Wann wurdest du abgespalten?“ „Zentrale Allzeit 3014,1205.0302 in der Provinz Natri im Dorf Sanizi. Dort lebe ich noch heute in meinem Elternhaus. Die Namen meiner Eltern lauten Durell und Tabar.“ „Geht doch.“, lächelte Marin. „Dann können wir jetzt ja zum Wesendlichen kommen. Schildere mir doch genau, wie du entdeckt hast, dass sich das vendarische Rufzeichen für die Daten interessiert hat.“ „Sicher.“, erwiderte Sanell. „Meine Vorgesetzte hatte kurz den Raum verlassen. Ich hatte auf den Monitor geschaut. Das ist alle zehn Minuten üblich. Da habe ich es gesehen. Ich war zunächst alarmiert, weil ich vendarischen Rufzeichen eigentlich immer Sytania zugeordnet hatte. Aber der Computer gab keinen Alarm und so dachte ich, dass es sich vielleicht auch um eines der Rufzeichen unserer Freunde handeln könnte. Er schien sich nicht die Mühe zu machen, seine Aktionen irgendwie zu verschleiern. Na ja. Als Freund muss er das sicher auch nicht. Aber das alles war derart offensichtlich, dass ich glaube, er will uns damit irgendwas sagen.“ „Du denkst also.“, versicherte sich Marin, dass er uns einen versteckten Wink geben wollte, weil er gerade diese Daten heruntergeladen hat?“ „ Dessen bin ich mir sicher!“, entgegnete die junge Tindaranerin. „Hast du deine Vorgesetzte über deinen Fund informiert?“, wollte Marin weiter wissen. „Ja.“, antwortete Sanell. „Nachdem wir das Rufzeichen zugeordnet hatten, hat sie gesagt, dass wir dringend Commander Zirell informieren sollten. Für alles, was die Vendar-Rebellen anginge, sei sie zuständig. Aber ich konnte nicht mehr warten und nun bin ich hier.“ „Es ist sehr gut, dass du uns Bescheid gegeben hast.“, lobte Marin. „Jetzt können wir mit Diran reden. Jetzt werden wir ihm sagen, dass wir seinen kleinen Notruf verstanden haben. Dass du deine Vorgesetzte übergangen hast, ist zwar nicht die feine Art, aber du warst in einer Ausnahmesituation. Wir werden mit Branell reden. Sie wird es bestimmt verstehen.“ „Danke, Agent.“, lächelte Sanell erleichtert. „Mehr habe ich leider nicht gesehen.“ „Also gut.“, erwiderte Marin und löschte den Bildschirm des Pads, nachdem sie alles abgespeichert hatte. „Darf ich gehen?“, fragte Sanell. „Sicher.“, nickte Marin. „Du hast uns sehr geholfen.“

    Sanell verließ den Raum, um danach zu einem mitgebrachten Sprechgerät zu greifen, mit dessen Hilfe sie der IDUSA-Einheit ihres Schiffes den Befehl zum Beamen gab. Dann startete sie eilig in Richtung Tindara. Sie hatte ein unbestimmtes merkwürdiges Gefühl bei der Sache.

    Ein merkwürdiges Gefühl, wenn man in dieser Hinsicht überhaupt davon sprechen konnte, hatte wohl auch die Simulation gehabt. Jedenfalls konnte Maron dies aus der Kommunikation zwischen sich und der Marionette ableiten. Es war für den ersten Offizier sehr merkwürdig gewesen, Zirells Bereitschaftsraum und alles, was damit in Verbindung stand, durch die Augen Marins zu sehen. Aber das war nicht das, was er gespürt hatte. „IDUSA, die autoaktive Routine der Simulation Marin aktivieren und meine Reaktionstabelle verknüpfen.“, befahl der demetanische Agent. In der nächsten Sekunde sah er das Bild seiner virtuellen Kollegin. „Was gibt es, Maron.“, fragte Marin, die über den Umstand, von ihm im autarken Modus aktiviert worden zu sein, sehr überrascht war. „Ich hatte das Gefühl, dass dir Sanells Aussage nicht ganz koscher vorkommt.“, erklärte Maron. „Es ist nicht ihre Aussage.“, erläuterte Marin. „Es ist viel mehr die Tatsache, dass ich glaube, dass unser Plan nicht aufgegangen ist. Als sie gegangen ist, war sie sehr kurz angebunden, findest du nicht?“ „Doch, Marin, das stimmt schon.“, erwiderte der Demetaner. „Aber vielleicht hat das ja auch nur damit zu tun, dass sie verschleiern muss, dass ihre Vorgesetzte nichts über ihren heimlichen Flug zu uns weiß.“ „Das glaube ich nicht!“, sagte Marin selbstsicher. „Ihre Vorgesetzte weiß mehr, als du vielleicht denkst.“

    Die Simulation trat auf dem virtuellen Monitor einige Schritte zurück, um einem anderen Bild Platz zu machen. „Was ist das, Marin?“, fragte Maron etwas irritiert, der mit den Kurven und Wellenlinien, die sich ihm boten, nicht wirklich etwas anfangen konnte. „Das ist eine graphische Darstellung von Sanells Neuralmuster.“, erklärte Marin. „Um es mit Worten zu sagen, die auch Laien verstehen können, ich glaube, ich war in ihrem Geist nicht allein. Über den Sensor des Neurokopplers habe ich ein Signal empfangen, das ich zunächst herausgefiltert hatte, um eine arbeitsfähige Neurotabelle erstellen zu können. Aber das Signal war später immer noch da. Offensichtlich unterhielt sie eine telepathische Verbindung mit jemandem und ich kann mir auch gut vorstellen, wer das war.“ „Aber warum sollte sie das tun?“, fragte Maron. „Warum sollte sie uns belügen und dann …?“ „Ich weiß es nicht.“, erwiderte die Simulation. „Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass sie dies tut, weil sie vielleicht Angst vor den Genesianern hat. Ich denke, dass die Konsequenzen, wenn sie uns decken würde, ziemlich schwer werden würden. Das will sie nicht und das will auch ihre Vorgesetzte nicht. Deshalb könnte die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß sein, dass sie uns verrät. Bitte denke über meine Warnung nach!“ Nach ihrem letzten Satz verschwand sie wieder vor Marons geistigem Auge.

    Blass legte er den Neurokoppler ab. Das war genau das, was er die ganze Zeit vermutet hatte. Aber er konnte Sanell keinen Vorwurf machen. Sie war auch nur eine Marionette in diesem Spiel. Wer in seinen Augen die Schuld trug, war Branell, die ihre Assistentin wohl dafür eingespannt hatte. Maron überlegte, mit den neuen Erkenntnissen zu Zirell zu gehen. Hoffentlich konnte er sie überzeugen, dass der Plan doch schief gegangen war, wie er es von Anfang an vermutet hatte.

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