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    Auf einem ähnlichen Gang nach Canossa befanden sich in diesem Augenblick auch Mikel und Kissara. Sie waren vor dem Gästequartier angekommen, in dem Nugura für die Zeit, die sie auf unserem Schiff verbrachte, wohnte. Saron, ihr Sekretär, wohnte nebenan. „Hoffentlich wird sie es einigermaßen aufnehmen.“, äußerte der erste Offizier. „Das denke ich schon, Mikel.“, tröstete die Kommandantin. „Sie ist eine vernünftige Frau und eine gestandene Politikerin. Sie wird schon nicht in Panik geraten.“

    Ihre tatzenartige rechte Hand betätigte die Sprechanlage. Geduldig warteten Mikel und sie die Antwort ab. „Wer ist dort?“, fragte eine wohl bekannte Stimme von drinnen. „Madam President, hier sind Agent Mikel und Commander Kissara.“, wies Kissara beide aus. „Wir müssen Ihnen dringend neue Erkenntnisse vortragen.“ An ihrer Stimme konnte Nugura gut hören, dass es Kissara sehr ernst war. Deshalb antwortete sie: „Kommen Sie herein.“

    Die Türen glitten auseinander und Kissara führte Mikel in den Flur. Von hier aus betraten sie bald das Wohnzimmer, wo sie auf das Staatsoberhaupt der Föderation, das auch ihre oberste Befehlshaberin war, trafen. „Setzen Sie sich.“, bot die Präsidentin an und zeigte auf die beiden Sessel, die rechts und links vom Sofa um den Tisch standen. Nugura selbst nahm auf ebendiesem Platz, nachdem sie für alle einen starken Kaffee repliziert hatte. „Ich habe den Eindruck, dass Sie den wohl gleich brauchen werden.“, sagte sie, als sie das Tablett mit den Tassen in die Mitte des Tisches stellte. „Zumindest kann ich das Ihren Gesichtern entnehmen.“ „Wenn Sie wüssten, Nugura.“, murmelte Mikel. Dann lenkte er ab: „Danke für den Kaffee, Madam President. Ich finde es höchst ungewöhnlich, dass die Oberbefehlshaberin der Sternenflotte zwei im Vergleich zu ihr niederen Rängen Kaffee serviert.“ „Nun, Agent.“, entgegnete Nugura. „Eine gute Oberbefehlshaberin muss auch wissen, wie man die Truppe in moralisch schwierigen Zeiten bei Laune hält. Sonst gibt es nur böses Blut.“ „Wenn Sie das so sehen, Madam President.“, entgegnete Mikel. „Ja, Agent, das sehe ich so.“, bestätigte Nugura. „Es mag zwar in den Regelbüchern anders stehen, aber ich bin im Laufe meiner Amtszeit Pragmatikerin geworden. Ich sehe heute vieles anders.“

    Kissara nahm einen großen Schluck aus ihrer Tasse, holte tief Luft und stellte sich dann salutierend vor Nugura hin. „Madam President.“, begann sie. „Agent Mikel und ich müssen Ihnen sagen, dass die Welt, wie wir sie kennen, aufgehört hat zu existieren.“ Sie machte eine Pause, um Nuguras Reaktion abzuwarten. „Was meinen Sie genau damit, Commander?“, fragte Nugura nach. „Das kann ich Ihnen zeigen.“, erwiderte Kissara. Dann drehte sie sich zum Computermikrofon: „Computer, die Sensorendaten von zentraler Allzeit 3035,408.1503 auf diesem Bildschirm anzeigen!“

    Nach einem kurzen Signal hatte der Rechner ihren Befehl ausgeführt. Nugura staunte über das, was sie sah, konnte aber andererseits mit den Bildern nicht viel anfangen. „Hat Allrounder Betsy sich bei den interdimensionalen Koordinaten vertippt?“, fragte sie, nachdem sie die genesianischen Grenzbojen gesehen hatte, die jetzt auch jedem Raumschiffpiloten zeigten, dass er sich in genesianischem Gebiet befand. „Das hat sie nicht!“, verteidigte Kissara mich und zeigte auf den unteren Rand des Schirms, auf dem Nugura den Kurs des Schiffes ablesen konnte. Als Oberbefehlshaberin der Sternenflotte musste sie über das Koordinatensystem zumindest auch grob informiert sein. „Das würde ja nur den Schluss zulassen, dass das gesamte Gebiet der Föderation genesianisch geworden ist.“, kombinierte Nugura blass. „Aber wie und wann soll dies geschehen sein? Oder sind wir etwa doch in irgendeiner Parallelrealität gelandet?“ „Commander Kissara sagte bereits, dass wir das nicht sind, Madam President.“, mischte sich jetzt Mikel ins Gespräch. „Aber dann müssten wir uns doch erinnern, gegen die Genesianer gekämpft und verloren zu haben.“, entgegnete Nugura. „Das müssten wir nicht.“, widersprach Kissara. „Sie waren mit uns in Zeitland, wenn Sie sich erinnern, Madam President. Dort ist man temporal isoliert. Was also auch immer mit der Geschichte geschieht, man bekommt es nicht mit. Mikel, ab hier beginnt Ihr Part.“

    Sie trat zurück und setzte sich, um ihrem ersten Offizier quasi die Bühne zu überlassen. „Offensichtlich haben die Genesianer vor einem halben Jahr das Gebiet der Föderation erobert.“, begann Mikel, dem man eine starke Nervosität gut anmerken konnte. „Dies weiß ich von Allrounder Betsy, die mir gegenüber ausgesagt hat, dass sie die Informationen aus erster Hand bekommen hat. Sie war auf einem genesianischen Schiff, als man dort das so genannte Wunder von Sachometh feierte. Allerdings ist daran meiner Interpretation der Aussage des Allrounders nach nichts Wunderbares gewesen. Sie hat ausgesagt, dass die Genesianer offensichtlich von einem oder einer Mächtigen benutzt worden sind. Ich werde Ihnen die Vernehmungsprotokolle zukommen lassen.“

    Vor lauter Schreck spuckte Nugura fast den Kaffee wieder aus, den sie im Mund gehabt hatte. „Ich kann mir schon denken, wer diese Mächtige ist, Agent.“, mutmaßte sie. „Meiner Ansicht nach stinkt es hier geradezu nach Sytania!“ Sie räusperte sich und atmete einige Male tief durch. „Verzeihen Sie meine Offenheit, Agent.“ „Geschenkt, Madam President.“, antwortete Mikel. „Ich gehe aber davon aus, dass Sytania nicht die Haupttäterin ist. Sie wird eine Art Trittbrettfahrerin sein, die auch von der momentanen Situation profitiert. Aber wenn sie die Haupttäterin wäre, dann hätte sie uns schon längst aus der Geschichte getilgt, wie sie es immer vorhatte. Nein, da muss es noch jemanden geben, der oder die den Löwenanteil hieran hat. Wenn Sie die Vernehmungsprotokolle lesen und sie vielleicht gemeinsam mit dem Chief-Agent durchgehen, werden Sie meine Ausführungen bestätigt wissen.“ „Genau das werde ich tun, sobald ich wieder auf der Regierungsbasis bin.“, entgegnete Nugura. „Setzen Sie mich ab, Kissara und dann fliegen Sie weiter, um so viel wie möglich über diese neue Situation herauszubekommen! Das ist ein Befehl!“ Mikel und Kissara nickten und verließen das Gästequartier.

    So gut er konnte, hatte sich Diran um Kairon gekümmert. Aber seine Kenntnisse, das ahnte der Vendar, würden beileibe nicht ausreichen, um ihn angemessen zu versorgen, wenn sich sein Gesundheitszustand noch weiter verschlechtern würde. Der Vendar musste befürchten, dass ihm der Bruder seiner Herrin unter den Händen wegsterben würde. Er wusste auch nicht, an wen er sich in diesem speziellen Fall wenden sollte. Auch Diran hatte gesehen, dass sich im Universum der Föderation nichts mehr so verhielt, wie es sollte. Deshalb traute er sich auch nicht, einfach eine der vielen Sternenflottenbasen zu rufen, deren Rufzeichen ihm der Mishar mittels der Transpondersignale anbot. Diran konnte sich denken, dass sie jetzt alle unter genesianischer Verwaltung standen und die Genesianer waren vielleicht nicht gut auf die Mächtigen aus dem Raum-Zeit-Kontinuum zu sprechen. Sie wussten ja nicht, dass einer von ihnen der Urheber der ganzen Angelegenheit war. Er konnte ihnen aber dies nicht sagen, denn wenn er das täte, würde er etwas Frevelhaftes aussprechen. Ein männliches Wesen, dem es gelungen war, die Genesianerinnen hinters Licht zu führen? Abgesehen davon, dass man in deren Kulturkreis Männer für die dümmsten Geschöpfe überhaupt hielt, hatten die Genesianer ja bereits eine Erklärung, die viel besser in ihr Weltbild passte. Diese wollte er ihnen besser nicht nehmen. Das wäre zunächst besser für das eigene Leben. Die Genesianer würden ihn an den Zehnägeln aufhängen, wenn er diese in ihren Augen ungeheuerliche Behauptung aussprechen würde! Ohne Beweise würde er kein Bein an Deck bekommen. Das wusste Diran. Aber die Beweise waren ja zerstört worden. Bei dem Blitz, den Tolea erzeugt hatte, war eine solche Menge an Energie freigesetzt worden, dass sogar der Datenkristall zu einem undefinierbaren Klumpen Stein zusammengeschmolzen war.

    Diran sah sich noch einmal die Werte auf dem Monitor an. Auch er als Laie sah, wie schlecht es Kairon ging. Sein Telepathiezentrum war fast tot. Das konnte er sehen. Wenn die abgestorbenen Teile nicht sofort entfernt würden, könnte sich eine Infektion entwickeln, die sein gesamtes Gehirn betreffen könnte. Dann wäre dies sein Todesurteil. Da Kairon seine Kräfte im Moment nicht hatte, war er genau so schwach wie jeder Sterbliche. Aber Diran konnte ohne eine Prise mentaler Energie gar nichts für ihn tun. Wenn er Energie finden würde, die er vermehren und ihm früh genug übergeben könnte, dann könnte sich das Zentrum vielleicht noch einmal erholen. Aber ohne das ging gar nichts.

    Die letzte Nacht hatte Diran schlafend verbracht, was in letzter Zeit recht selten geworden war. Aber der Weltraum vor ihm war ruhig gewesen und so hatte er dem Mishar die Kontrolle übergeben, um sich endlich mal wieder nach einigen durchwachten Nächten eine Mütze voll Schlaf zu gönnen. Trotz aller Sorge um Kairon hatte seine Vernunft ihm dies diktiert. Er hatte die Bilder auf dem Schirm schon oft aus Schlafmangel falsch interpretiert und beinahe auf einen bajoranischen Frachter geschossen, der seinen Weg gekreuzt hatte. So konnte es nicht mehr weitergehen!

    Nach dem Aufstehen hatte er seinen Testkristall hervorgeholt und ihn sich die vorgeschriebene Zeit in den Nacken gehalten. Der Kristall war pechschwarz angelaufen. Dies war ein untrügliches Zeichen, dass er mitten in der empfänglichen Phase eines Sifa-Zyklus war. Dies hatten ihm zwar die Signale seines Körpers, die er in einigen Jahren praktizierter Zeit sehr gut deuten konnte, bereits verraten, aber aus irgendeinem Grund wollte er sicher gehen. Sein Blick wanderte zwischen dem leeren Monitor und dem Kristall hin und her. „Ach.“, flüsterte Diran. „Was nützt uns denn das?“ Er legte den Kristall wieder in die Tasche zurück, aus der er ihn geholt hatte.

    Ein plötzliches Signal vom Sprechgerät ließ ihn aufhorchen. „Was gibt es, Mishar?!“, sagte Diran mit starker Aufregung in der Stimme. „Ankommender Ruf.“, erwiderte die Rechnerstimme. „Rufzeichen anzeigen!“, befahl Diran. Er wollte sicher gehen, nicht in eine Falle zu laufen. Er ahnte ja nicht, dass genau dies unausweichlich war.

    Drei Mal hatte sich Diran das Rufzeichen jetzt durchgelesen. „Diese planetare Kennung finde ich merkwürdig.“, sagte er zu sich. „Warum sollte gerade ein vulkanisches Schiff mit mir Kontakt aufnehmen wollen. Die müssen doch gesehen haben, was ich bin. Normalerweise meiden doch alle Telepathen Telepathenjäger. Vor allem, wo sind sie?“

    Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich das vulkanische Schiff vor Diran auf, so dass der Mishar den Annäherungsalarm auslöste und das Schiff selbstständig eine Ausweichbewegung machte, was eine normale Sicherheitseinrichtung von vendarischen Schiffen war. „Ist ja gut, Mädchen.“, lächelte Diran und übernahm die Steuerkontrolle. „Ich hätte mich auch erschrocken, wenn plötzlich jemand vor mir vom Himmel gefallen wäre. Das kannst du mir glauben. Mishar, stell den Ruf durch!“

    Vor Diran auf dem Schirm erschien das Gesicht der blonden Vulkanierin. „Mein Name ist T’Penna.“, stellte sie sich vor. „Ich hörte, dass du in einer Notsituation bist, Vendar. Das war doch richtig so, oder? In deiner Welt duzt man sich doch.“ „Das ist die Wahrheit, T’Penna El Vulkan.“, erwiderte Diran. „Und es ist allgemein bekannt in der Föderation. Aber woher weißt du, dass ich in Not bin?“ „Sagen wir, es gibt genug Gerüchte.“, sagte T’Penna. „Aber lass uns das doch auf deinem Schiff besprechen. Dann kann ich mir auch gleich ein Bild davon machen, wie krank Kairon wirklich ist. Wenn er im Sterben läge, dann wäre es doch höchst unlogisch, ihn sterben zu lassen, weil er doch jetzt nach dem Tode Dills gemeinsam mit Logar noch die einzige Bastion gegen Sytania darstellt. Seine Schwester Tolea soll ihr ja anheim gefallen sein.“

    In Diran keimte eine leise neue Hoffnung. Alles, was sie gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Sie hatte zwar gesagt, es seien Gerüchte, aber er wusste es besser. Er wusste auch, dass er dumm wäre, wenn er ihre Hilfe nicht annehmen würde. Deshalb stoppte er den Antrieb seines Schiffes und erwiderte: „Ist gut, T’Penna El Vulkan. Du darfst gern an Bord meines Schiffes kommen. Ich werde dich herüber beamen.“ „Nicht nötig, Vendar.“, erwiderte T’Penna, alias Sytania, die auf keinen Fall das Risiko eingehen wollte, vielleicht doch noch erkannt zu werden. Sie wusste, dass die Sensoren von Vendar-Schiffen auch auf Neuralmuster programmiert waren und das war das Einzige, was an ihr nicht vulkanisch war, was ja auch beabsichtigt war, denn sonst hätte sie die Sache mit der schwarzen Macht ja kaum ausführen können. „Mein Schiff hat einen eigenen Transporter.“ „Ich dachte, dass ich dich als Geste der Gastfreundschaft vielleicht herholen dürfte.“, begründete Diran. „Dann musst du nicht die Energie deines Schiffes verschwenden. Schließlich würdest du mir sehr helfen, wenn du mir ein bisschen von deiner neuralen Energie geben würdest. Du weißt doch hoffentlich, worauf du dich einlässt.“ „Danke für deine Warnung, Vendar.“, erwiderte die falsche Vulkanierin. „Aber ich habe reiflich darüber nachgedacht und mein Entschluss steht fest! Wie gesagt, die Logik diktiert mir, dies zu tun, wenn wir alle überleben wollen. Sieh die Verschwendung der Transporterenergie meines Schiffes doch einfach als Dreingabe.“

    Diran wollte noch etwas sagen, aber im gleichen Moment stand T’Penna bereits hinter ihm. „Häng das Mikrofon ein, Vendar.“, sagte sie. „Jetzt höre ich dich auch ohne.“ „Ich heiße Diran.“, kam er jetzt endlich auch dazu, sich bei ihr vorzustellen. „Also gut, Diran.“, sagte die blonde Frau mit dem kühlen Gesichtsausdruck. „Dann lass uns nach hinten gehen und alles Notwendige hinter uns bringen. Übergib deinem Schiffsrechner die Kontrolle.“ „Wow! Du kommst aber schnell zur Sache.“, staunte Diran. „Dabei bin ich mir überhaupt nicht sicher, ob du dir aller Konsequenzen bewusst bist, die das für dich bedeutet. Ich weiß auch gar nicht, ob du weißt, was gleich auf dich zukommt und wenn ich weiß, dass du das nicht wissen könntest, dann …“ „Verstehe.“, seufzte T’Penna. „Dann kannst du nicht. Also gut, reden wir erst mal drüber. Aber ich möchte auch deinen Patienten sehen.“ Diran nickte. „Dann ist ja alles klar.“, insistierte T’Penna und machte Anstalten, den Türsensor zu berühren, der die Zwischentür zwischen Cockpit und Achterkabine sicherte. Aus dem Bordlautsprecher erfolgte eine Meldung auf Vendarisch, die T’Penna nicht verstand. „Er kennt deinen biologischen Fingerabdruck nicht.“, übersetzte Diran aufgrund ihres fragenden Blickes. „Er will wissen, ob ich deinen Eintritt trotzdem autorisiere. Warte bitte kurz.“ Er bejahte T’Pennas Wunsch gegenüber dem Computer und folgte ihr, nachdem er dem Computer ebenfalls die Steuerkontrolle übergeben hatte. Er ahnte ja nicht, wem er gerade die Tür geöffnet hatte.

    T’Penna sah sich den fast leblos vor ihr liegenden Körper Kairons genau an. Ein tiefes Gefühl der Befriedigung überkam sie, das sie aber auf keinen Fall zeigen durfte. Sie war froh, dass Diran hinter ihr stand, so konnte er ihren Gesichtsausdruck nicht sehen, der Sytania gerade entglitten war. „ Er sieht wahrhaftig krank aus.“, sagte T’Penna. „In der Tat.“, bestätigte Diran. „Aber wir sollten uns erst einmal setzen und du solltest mir noch einiges über dich erklären, bevor wir das mit der Energie tun. Schließlich muss ich wissen, dass mit dieser Energie alles in Ordnung ist und dass es auch für dich wirklich in Ordnung ist. Schließlich werde ich dich bis zu einem gewissen Grad aussaugen, auch wenn es nur eine Messerspitze ist, die ich dir nehmen werde. Aber für euch Vulkanier ist das ja eigentlich schon ein großer Eingriff.“

    Sytania wurde nervös. Wenn er ihr noch weitere Fragen stellte, musste sie befürchten, dass ihre Falle ihre Wirkung verlieren würde. Sie war aber auch zu unvorsichtig gewesen, als sie sich und das Schiff einfach vor ihm auftauchen lassen hatte. Vielleicht schöpfte er deswegen bereits Verdacht. Diesen musste sie so schnell wie möglich wieder aus dem Weg räumen.

    Sie ging zum Replikator und versuchte, über das Menü an Dirans Replikationsliste der vergangenen Tage zu kommen. So hoffte sie, ihm ein Geschenk machen zu können, das ihn von ihrer Großzügigkeit überzeugen würde und alle Verdächtigungen mit einem Schlag tilgen würde. „Warte.“, sagte Diran. „Leider bist du auch nicht autorisiert, den Replikator zu bedienen.“ „Dann ändere das bitte.“, entgegnete sie. „Dein Schiff ist ja sicherer als die Raumjacht der Präsidentin der Föderation. Warum tust du das? Misstraust du mir?“ „Ich misstraue nicht dir.“, korrigierte Diran. „Ich misstraue nur Sytania und ihren Schergen. Du bist so plötzlich aufgetaucht, dass ich zunächst gedacht hatte, du wärst einer von ihnen, dem sie eine andere Gestalt verliehen hat, oder gar eine ihrer Schöpfungen.“ „Nimm deinen Erfasser und scanne mich.“, schlug T’Penna vor. „Dann wirst du sehen, dass ich die Wahrheit sage und dass ich keine Schöpfung und keine Freundin Sytanias bin. Oder hältst du mich am Ende noch für Sytania selbst? Nimm die Tatsache, dass ich so schnell vor dir aufgetaucht bin, doch einfach als ein Geschenk deiner Götter, die mich vielleicht einfach in deinen Weg geschleudert haben. Ich bin nichts weiter als eine unschuldige Raumzigeunerin, die aus Versehen in ein seltsames Phänomen geflogen ist und dann war ich plötzlich vor deiner Nase. Du kannst mir glauben, das war für mich genau so überraschend.“

    Diran zog seinen Erfasser und stellte ihn auf vulkanische Parameter ein. Wenn sie abweichen würde, würde das Gerät sofort Alarm schlagen. Sytania wusste, dass sie sich nur diesen kurzen Moment lang darauf konzentrieren musste, täuschend echt ein vulkanisches Neuralmuster zu emittieren. Das aber sollte für den Zeitraum des Scannens kein Problem darstellen. Wenn Diran diese Informationen schlucken würde, hätte sie ihn in der Hand. Dafür war ihr das die kurze Mühe wert.

    Diran scannte sie und ließ dann erleichtert den Erfasser sinken. „Es ist wahr.“, sagte er. „Du bist in der Tat eine echte Vulkanierin.“ „Für was hast du mich denn gehalten?“, fragte T’Penna. „Ich weiß es nicht.“, erwiderte Diran. „Aber jetzt bin ich ja sicher. Es war nur, weil ich es so ungewöhnlich finde, dass sich eine Vulkanierin freiwillig dieser Prozedur unterziehen will.“ „Ich sagte dir bereits am SITCH, dass die Logik mir dieses Verhalten diktiert.“, entgegnete sie. „Haben wir jetzt genug geredet? Sag mir lieber, wie ich mich positionieren soll!“ „Also gut.“, lenkte Diran ein. „Aber da gibt es doch noch etwas, das ich dir erklären muss. Versuch bitte nicht, mich in deinem Geist festzuhalten. Ich weiß, dass du Kairon helfen willst, und mir anscheinend all deine Energie geben möchtest. Irgendwann wird es einen Punkt geben, an dem ich das Ganze nicht mehr abbrechen kann und dann bin ich gezwungen, dich bis zum Tode auszusaugen, wenn wir zu lange verbunden sind. Deshalb musst du mir schon vertrauen. Wenn ich dir sage, ich benötige nur eine Messerspitze, dann ist das auch so. Den Rest mache ich mit dem Fütterungsritual.“ „Faszinierend.“, erwiderte T’Penna. „Können wir jetzt endlich beginnen?!“ Diran nickte. „Den Göttern sei Dank!“, rief die blonde Frau erleichtert aus. „Wenn du mit allen, die du bisher gejagt hast, so zimperlich warst, dann wundert es mich, dass du überhaupt Energie bekommen hast, Telepathenjäger.“ „Das waren keine Freunde, sondern Opfer.“, verteidigte sich Diran.

    „Setz dich bitte hin.“, bat Diran, während er mit ausgestreckten Händen auf T’Penna zuging. „Es wird besser für uns sein. Ich will nicht, dass du vielleicht ohnmächtig wirst.“ Sie gab einen verächtlichen Laut von sich und setzte sich auf die Kante der Bank, auf der Kairon lag. „Ich komme jetzt von vorn.“, erklärte Diran. „Dann kannst du mich zumindest sehen. Achtung, ich berühre jetzt deine Schläfen. Dann zähle ich bis drei und beginne dann mit dem Energieabzug. Der Anfang ist für die Meisten am unangenehmsten. Ich werde aber ganz vorsichtig sein. Eins, zwei, drei!“

    Auf diesen Moment hatte Sytania gewartet und schleuderte ihm so viel Energie wie möglich entgegen. „Nimm dir von meiner Energie, Diran.“, flüsterte sie. „Nimm dir so viel du willst und wenn es mich das Leben kosten sollte. Wir müssen Kairon retten.“ „Nimm dich bitte zurück, T’Penna!“, bat Diran angestrengt. „Ich kann die Menge der Energie kaum regulieren, die in meine Sifa fließt. Wenn mir das nicht gelingt, werde ich früher oder später den Punkt überschreiten und dann werde ich dich töten! Ich schätze deine Opferbereitschaft! Aber das kann ich nicht verantworten!“ „Das Wohl einer Einzelnen wiegt nicht so schwer wie das Wohl vieler.“, redete sich Sytania mit einem Grundsatz der vulkanischen Philosophie heraus. Sie durfte ja nicht durchblicken lassen, dass sie Kairon in Wahrheit über Diran als Zwischenwirt mit ihrer schwarzen Macht infizieren wollte. „Das mag für dich gelten!“, entgegnete Diran, der schon nah an dem angesprochenen Punkt war. „Aber meine Moral verbietet mir, jemanden zu ermorden. Der Zweck darf niemals dieses Mittel heiligen. Bitte, du überforderst mich!“

    Die Energiesalven ebbten um die Hälfte ab. „Das ist schon besser.“, lobte Diran. „Noch einmal so viel und ich bin zufrieden. Du musst nichts tun. Wenn du wirklich so viel über uns weißt, wie du am Anfang durchblicken lassen hast, dann müsste dir bekannt sein, dass eine Messerspitze ausreicht.“ Sie ließ den Fluss von ihrer Warte aus gänzlich versiegen, hielt aber ihr Telepathiezentrum offen. „Genau so.“, lächelte Diran. „Jetzt sind wir in Balance.“ Er zog die kleine Menge Energie ab. Sie aber versuchte, Diran in ihrem Geist zu halten. „Ich habe dir gesagt, Das darfst du nicht.“, erklärte er. „Aber wir müssen doch …“, entgegnete sie. „Das werden wir auch.“, fiel er ihr ins Wort. „Und ich brauche wirklich nur ganz wenig. Dann werde ich die Verbindung beenden müssen.“ „Nein, das darfst du nicht!“, erwiderte sie.

    Unter Aufbietung all seiner Willenskraft gelang es Diran schließlich doch, die Verbindung zu unterbrechen. Er ließ auch gleich darauf ihre Schläfen los und sank abgekämpft in einen Sitz. „Das war alles?“, fragte T’Penna fast enttäuscht. „Ja, das war alles. Puh, du kannst einen ganz schön fordern.“, bejahte Diran. „Ich hoffe nur, ich habe dir nicht wehgetan.“ „Das hast du nicht!“, entgegnete sie fest. „Ich bin Vulkanierin. Wir empfinden nichts. Auch keinen Schmerz. Noch nicht einmal bei der Absaugung unserer Energie durch euch Vendar. Sei versichert, mir geht es gut!“ Damit zückte sie ihr Sprechgerät und gab dem Computer ihres Schiffes in akzentfreiem Vulkanisch den Befehl zum Beamen. Diran sah der schimmernden Säule beim Verschwinden zu. Das war ganz anders als das, was er bei ihrer Ankunft gesehen hatte. Dort hatte er nämlich den Eindruck gehabt, einen schwarzen Blitz zu sehen. Aber das schob er dann doch auf den Schlafmangel, den er erlitten hatte.

    Er warf einen Blick auf den Monitor, an den Kairon angeschlossen war. „Bitte haltet noch einen oder zwei Tage durch, Milord.“, beschwor er diesen. „Ich denke, einmal Fütterungsritual könnte ausreichen. Dann werde ich Euch die Energie übergeben können. T’Penna war sehr großzügig. Aber ich werde erst morgen damit beginnen können. Jetzt bin ich zu erschöpft und würde den notwendigen Zustand nicht erreichen. Ich werde zunächst selbst schlafen müssen.“ Dann ging er in den Frachtraum, wo er sich einen Schlafsack zurechtgelegt hatte und legte sich schlafen. Die bleierne Müdigkeit, die er empfunden hatte, sorgte dafür, dass er in der nächsten Sekunde ins Land der Träume entglitt.

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