- Schriftgröße +

 

Ginalla und Kamurus waren fast wieder im terranischen Sonnensystem angekommen. „Was glaubst du, hat Sedrins Meinungsumschwung verursacht?“, fragte Ginalla. „Ich meine, für sie war ich doch eigentlich eine Zivilistin, die von nichts 'ne Ahnung hatte.“ „Ich denke, dass irgendjemand sie noch einmal auf unsere nähere Geschichte hingewiesen hat.“, mutmaßte das Schiff. „Schließlich hast du geholfen, einen interdimensionalen Krieg zu verhindern.“ „In gewisser Weise.“, erwiderte Ginalla. „Aber was kann Sedrins Plan sein und warum braucht sie uns dabei? Weißt du, ich würde sie am liebsten damit überraschen, dass hier an Bord schon alles für unseren Plan vorbereitet ist. Dann wäre sie platt wie 'ne Flunder vor Staunen. Also, kannst du vielleicht eventuelle Situationen durchsimulieren?“ „Das könnte ich tatsächlich.“, entgegnete Kamurus. „Ich habe einige Daten über Agent Sedrin Taleris-Huxley. Aber ich frage mich, ob das dann wirklich so kommen wird. Sie ist auch dafür bekannt, dass man bei ihr immer das Unerwartete erwarten muss. Ich wäre eher dafür, dass du von mir zu ihr herunter gebeamt wirst und dir dort alles anhörst, bevor wir meine Energie für Dinge verschwenden, die am Ende nicht gebraucht werden. Das kostet auch nur unnötig Zeit.“ „Du kannst ja richtig ironisch sein!“, lachte Ginalla. „In diesem Zusammenhang von Zeit zu reden, finde ich echt witzig, auch, wenn es eher an schwarzen Humor grenzt.“

Auf der Erde hatte sich auch Sedrin auf den eigenen Plan vorbereitet. Sie war ins Schlafzimmer gegangen und hatte sich dort Zivilkleidung angelegt. „Was bin ich froh, dass du meine Sachen nach meinem Tod nicht entsorgt hast, Jineron.“, lächelte sie ihrem Mann zu, der ihr beim Umziehen zusah. „So eine umsichtige Handlung hätte ich von dir nicht erwartet.“ „Oh, das hat nichts mit Umsicht zu tun.“, erwiderte Jaden. „Ich konnte mich nicht von deiner Kleidung trennen, weil …“ Er begann zu schluchzen.

Sie ließ die Kleidungsstücke fallen, die sie in ihren Händen gehalten hatte und drehte sich zu ihm, um ihn gleich darauf fest in die Arme zu nehmen und an sich zu drücken. Es tat Jaden sehr gut, ihren warmen weichen Körper, ihren lebendigen Körper, an seinem zu spüren. „Schschsch.“, machte sie, während sie sich mit ihm langsam auf das Ehebett zu bewegte, auf das sich beide setzten. „Ganz ruhig. Ich bin ja bei dir.“ „Ja, das bist du.“, schluchzte Jaden. „Obwohl du es eigentlich ja nicht kannst. Ich habe dich in den Tod geschickt! Warum habe ich nicht auf dich gehört, Jinya, warum?!“ „Weil Jaden H. Huxley eben ist wie er ist.“, tröstete die Demetanerin. „Du meintest eben, die Genesianer mit normalen Waffen besiegen zu können. Aber das war nicht so. Aber jetzt bin ich ja da und wir können alles korrigieren. Auch wenn wir dabei auf die Hilfe einer Zivilistin zurückgreifen müssen. Aber das macht ja nichts. Ginalla hat mich von sich überzeugt. Ohne sie wird unser Plan nicht funktionieren.“ „Ist das der einzige Grund, warum du ihre Hilfe willst, Jinya?“, fragte der Terraner. „Weil du eine Taxipilotin brauchst?“ „Oh, nein.“, entgegnete die ausgebildete Agentin. „Ginallas Art zu denken wird, so glaube ich ganz sicher, noch einige Lücken in meinem Plan schließen.“ „Das ist ja mal was ganz Neues.“, entgegnete Huxley. „Dass ein Plan von dir Lücken aufweist.“

Kamurus hatte in die terranische Umlaufbahn eingeschwenkt. „Da wären wir, Ginalla.“, gab er seiner Pilotin zu verstehen. „OK.“, entgegnete sie. „Dann lade mich mal gleich im Haus der Huxleys ab. Der gute Agent will sicher keine Zeit verlieren und wer weiß, was sie noch mit mir bereden muss.“ „Verstanden.“, entgegnete das Schiff. „Ich kenne ja mein Versteck. Du rufst mich ja, wenn du mich brauchst.“ „Klärchen.“, grinste Ginalla und stand auf: „Von mir aus kannst du.“

Novus war der Erste, der Ginalla ansichtig wurde. „Keine Aufregung, mein Kleener.“, meinte sie. „Ich bin 'ne ganz Liebe. Ich beiß’ nich’.“ „Davon ging ich aus.“, erwiderte der Androidenjunge. „Ich kann mir auch nich’ vorstellen, dass mir deine künstliche Haut schmecken würde.“, scherzte Ginalla. „Ich steh’ dann doch wohl eher auf Naturkost.“

Huxley und Sedrin hatten alles im Schlafzimmer mitbekommen. Langsam öffnete die demetanische Agentin die Tür und trat auf den Flur: „Ginalla, sind Sie da?“ „Sicher.“, gab eine burschikose Stimme aus dem Wohnzimmer zurück. Dann kam die Celsianerin um die Ecke geschlappt. „Ich hab’ den kleenen Novus kennen gelernt.“, sagte sie. „Der scheint 'n ganz helles Köpfchen zu sein.“ „Das ist er auch.“, bestätigte Sedrin. „Schließlich hat er auch keine dummen Eltern. Er ist auch der Grund, aus dem wir Ihre Hilfe benötigen, Ginalla.“ „Interessant.“, antwortete Ginalla. „Aber wir sollten diese Sachen nich’ hier auf dem kalten Flur besprechen. Gehen wir doch ins Wohnzimmer.“ „Wie Sie möchten.“, erwiderte Sedrin.

Sie betraten das Wohnzimmer und setzten sich auf die Couch. Erst jetzt fiel Ginalla auf, wie sehr sich Sedrin nach ihrer letzten Begegnung optisch verändert hatte. Sie trug jetzt einen eleganten weißen Rock, hohe rote Schuhe, eine ebenfalls weiße Bluse und hatte ihre Haare bieder nach hinten gekämmt. Sie sah jetzt richtig seriös aus, als würde sie einen höheren Verwaltungsposten in einer Firma bekleiden. „Wow.“, machte Ginalla, die immer noch ihr Outfit trug, das sie wie eine Frachterpilotin aussehen ließ. „Ich wusste gar nich’, was Sie für eine Verwandlungskünstlerin sind, Agent. Ich dachte immer, ich wäre darin schon gut. Aber Sie schießen ja echt den Vogel ab.“ „Ich bin ausgebildete Geheimdienstlerin.“, erklärte Sedrin. „Sich gut tarnen zu können, das gehört zu meinem Beruf. Aber Sie sollten auch noch an Ihrem Aussehen arbeiten, Ginalla.“ „OK.“, erwiderte die junge Celsianerin. „Ich bin für alles offen. Ich wäre nur ganz froh, wenn Sie mir endlich sagen würden, worauf das hier hinausläuft.“ „Folgendes.“, sagte Sedrin. „Ich bin eine Kursleiterin für Schulungen, wie man mit Robotern für den Alltag umgeht. Sie, meine Beste, stellen eine entsprechende Shuttlepilotin dar. Das bedeutet, dass Sie diesen Overall jetzt gegen etwas schönere Kleidung tauschen werden.“ „Etwas schöner.“, überlegte Ginalla. „Was schwebt Ihnen da vor?“

Sedrin musterte sie kurz, um ihre Kleidergröße zu schätzen. Dann ging sie zum Replikator und ließ diesen einen Hosenanzug aus weichem braunen Baumwollstoff und entsprechende braune Lederschuhe replizieren. Dann präsentierte sie Ginalla diese Kleidung. „Damit kann ich leben.“, sagte die Celsianerin erleichtert. „Ich hatte schon Angst, Sie wollten mich in ein Sonntagskleidchen stecken.“ „Das hätte Ihnen nicht gestanden.“, beruhigte Sedrin sie. „Wir müssen schon ein bisschen bei der Wahrheit bleiben. Zu viel Tarnung kann auch nach hinten losgehen.“

Die demetanische Agentin zog Ginalla in Richtung Schlafzimmer. Dann bedeutete sie ihrem Mann, zu den Androiden ins Wohnzimmer zu gehen. „Dann werde ich mich mal umziehen.“, seufzte Ginalla und warf den Overall auf das Bett. „Wo wir schon mal dabei sind, für welchen Laden arbeiten wir eigentlich und was ist der Zweck unserer Mission?“, fragte sie. „Der Laden, für den wir arbeiten werden.“, erklärte Sedrin. „Heißt Workaholic Roboters. Sie sind die firmeneigene Shuttlepilotin und ich eine leitende Kundendienstmitarbeiterin, die Kunden im Umgang mit den von unserer Firma hergestellten Robotern schult. Sie heißen Mira und ich Yetrin. Ist das angekommen?“ „Allerdings.“, erwiderte Ginalla. „Ich freue mich schon auf meinen falschen Ausweis. Wie ich Sie kenne, haben Sie da auch schon längst vorgesorgt.“ „Ich wäre eine schlechte Agentin, wenn ich das nicht hätte.“, antwortete Sedrin.

Ginalla war mit dem Umziehen fertig geworden und präsentierte sich jetzt Sedrin. „Sie sehen umwerfend aus.“, lächelte die Agentin. „Jetzt müssen wir nur noch was mit Ihren Haaren machen und dann ist Ihre Verwandlung perfekt.“ Sie holte einen demetanischen Haarschmuck aus dem Nachttisch, den sie um einen vorher aus Ginallas Haaren gedrehten Pferdeschwanz schlang. „OK.“, sagte sie dann. „Gehen wir wieder in die gute Stube.“

Huxley und die Androiden hatten bereits auf die Beiden gewartet und der Commander staunte sehr über das Aussehen seines celsianischen Gastes. Dass Sedrin ihr Aussehen wegen ihres Berufes oft verändern musste, war er gewohnt. „Sie machen jetzt ja richtig was her, Ginalla.“, sagte er. „Danke für das Kompliment, Mr. Huxley.“, flapste sie ihm zu. Dann wendete sie sich an Sedrin: „Wieso eigentlich die Roboternummer?“ „Novus hat Daten im Kopf, die beweisen, dass hier ein Mächtiger die Finger im Spiel hatte.“, erklärte Sedrin. „Diese Daten und seine Aussage müssen schleunigst zum Chief-Agent. Für die Genesianer sind Androiden nur Maschinen. Das werden wir ausnutzen. Um ehrlich zu sein, Ginalla, dazu haben Sie mich inspiriert.“

Sie gab der Celsianerin eine Identifikationskarte, die der Replikator ausgespuckt hatte. „Da is’ er ja!“, freute sich Ginalla. „Mein falscher Ausweis!“ „Korrekt.“, entgegnete Sedrin. „Und hier ist meiner.“ Sie hielt eine ähnliche Karte hoch. „Dann kann uns ja nix mehr passieren.“, erwiderte Ginalla.

„Jinya?“ Huxley hatte ihre Aufmerksamkeit auf Novus gelenkt, der sich ausgezogen hatte und in die Frachtkiste geklettert war. „Sehr gut, Novus.“, lobte Sedrin und schloss den Deckel, nachdem sie, wie bei Datas Transport gesehen, seine Kleidung in einer Tüte verstaut und obenauf gelegt hatte. „Dein Name wird übrigens Soong III lauten.“, sagte sie noch während dieser Tätigkeit. „Das dachte ich mir schon.“, erwiderte Novus, fuhr herunter und schloss die Augen. „Sagen Sie Ihrem Schiff, dass wir bereit sind!“, befahl Sedrin. Ginalla nickte ihr nur zu und zog ihr Sprechgerät, um ebendies zu tun.

Sanell hatte das auf Tindara gemietete Shuttle zurückgegeben und machte sich jetzt wieder auf den Weg zum Büro ihrer Vorgesetzten, das sich im Hauptquartier des tindaranischen Militärs befand. Sie wusste, dass Branell sie telepathisch beobachtet hatte, wollte aber jetzt auch noch einmal alles mit ihr verbal bereden. Die Konzentration der jungen Frau hatte nämlich erheblich gelitten.

Vorsichtig betätigte sie den Knopf für die Sprechanlage, als sie vor der besagten Bürotür stand. „Komm herein, Sanell!“, antwortete eine strenge Stimme von drinnen. Die junge Tindaranerin wartete, bis die Tür sich geöffnet hatte und trat dann in den karg eingerichteten Raum. Branell hielt nicht viel von Verzierungen. Deshalb befand sich dort auch nur ein Schreibtisch und ein Stuhl, sowie ein kleines Sofa, falls man doch mal Gäste zu erwarten hatte. In einer Ecke, die von der Tür aus nicht wirklich gut einzusehen war, stand ein Schrank mit allerlei Fächern, in denen sich feinsäuberlich geordnete Datenkristalle befanden.

Mittels eines Fingerzeiges beorderte Branell ihre Untergebene auf das Sofa und sah ihr aus einer gewissen Distanz vom Schreibtisch aus beim Hinsetzen zu. „Nun, Sanell.“, begann sie mit ihrer doch sehr durchsetzungsfähigen Stimme. „Berichte mir. Was hast du bei der Vernehmung erlebt?“ „Ich habe das Gefühl, dass Commander Zirell entweder sehr mutig oder sehr verrückt ist, Kommandantin.“, erwiderte die junge Frau gegenüber der Älteren. „Inwiefern?“, fragte Branell, die ihren telepathischen Eindruck, den sie bei der Beobachtung gewonnen hatte, noch einmal bestätigt wissen wollte. „Es ist diese demetanische Agentin.“, erklärte sich Sanell näher. „Mir war, als hätte sie gar keine wirkliche Substanz, die ich telepathisch wahrnehmen hätte können. Es war nicht, als würde sie ihren Geist vor mir abschirmen, nein, es war eher, als wäre sie gar nicht da.“ „Womit würdest du dieses Gefühl vergleichen?“, verhörte Branell sie weiter. „Ich würde es mit der Wahrnehmung einer IDUSA-Einheit vergleichen!“, sagte Sanell und sie klang dabei im Gegensatz zu sonst sehr sicher. „Also eine künstliche Intelligenz.“, schloss Branell und legte den Kopf in die Hände zum Nachdenken. „Eine Androidin schließe ich aus.“, nahm Sanell ihre Vermutung vorweg. „Androiden sind für die Genesianer keine Lebensformen. Sie sind für sie nur Maschinen. Eine Maschine würde bei ihnen niemals den Stellenwert eines Offiziers einnehmen können. Für die Genesianer haben Maschinen auf Befehl zu handeln und nicht selbst zu befehlen. Wir können froh sein, dass wir eine Ausnahme für die IDUSA-Einheiten erwirken konnten. Die Föderation hatte mit ihren Androiden nicht so viel Glück. Deshalb kann mir Zirell nicht erzählen, dass Agent Marin eine Androidin ist, die wie eine Demetanerin aussieht. Ich habe einen Geist wahrgenommen, aber ich hatte eher das Gefühl, dass dieser sich hinter Marin verstecken würde. Ich kann es nicht erklären, es ist …“ „Erlaube mir, dass ich selbst nachsehe.“, schlug Branell vor. „Vielleicht sind wir dann beide schlauer.“ „Also gut.“, erlaubte Sanell und entspannte sich.

Wenige Momente danach fühlte sie Branells Geist im Ihren und auch, wie ihre Vorgesetzte nach der entsprechenden Erinnerung suchte. Als Branell diese endlich gefunden hatte, kam es Sanell vor, als würde sie dass alles noch einmal erleben, nur eben in verstärkter Form, was ihr etwas Angst machte. „Keine Angst.“, flüsterte Branell ihr zu. „Ich muss es nur so genau sehen, damit mir nichts entgeht. Du willst ja auch nicht, dass wir demnächst alle wegen der Fehlentscheidung einer einzelnen Person vor einem genesianischen Gericht landen.“

Endlich hatte Branell wieder abgelassen. „Hast du gesehen, was du sehen wolltest?“, fragte Sanell ängstlich, die erst jetzt das Erlebte wirklich einordnen konnte. „Das habe ich.“, erwiderte Branell bestürzt. „Und ich bin heilfroh, dass du damit sofort zu mir gekommen bist. Ich werde dir sagen, wessen Geist du wahrgenommen hast. Es war der Geist von Agent Maron, der eine simulierte Marionette ferngesteuert hat. Zirell dachte doch wohl nicht im Ernst, dass wir darauf hereinfallen!“ „Anscheinend dachte sie das aber sehr wohl.“, entgegnete Sanell. „Es kam mir schon komisch vor, dass mich die Basiskommandantin persönlich abholte und dann …“ „Gut, dass du so eine kleine schlaue Füchsin bist.“, lobte Branell. „Das wird mir sehr helfen, wenn ich der für uns zuständigen Prätora einiges erkläre.“ „Du willst Commander Zirell verraten, Kommandantin?“, fragte Sanell und wurde kreidebleich. „Eine andere Möglichkeit gibt es nicht!“, sagte Branell und setzte ihren Neurokoppler auf: „IDUSA, mach mir eine Verbindung zu Prätora Yanista!“

Wenige Sekunden danach erschien das Gesicht der Prätora auf dem virtuellen Schirm. „Was gibt es?“, fragte ihre doch sehr missmutig klingende Stimme. Yanista hatte nämlich gar nicht gefallen, dass die oberste Prätora sie strafversetzt hatte. „Vergebt mir, Prätora.“, begann Branell. „Ihr mögt mich noch nicht kennen. Ich bin Techniker Branell. Ich betreue die Datenbank des tindaranischen Militärs. Eine meiner Untergebenen ist kürzlich auf der Basis 281 Alpha gewesen und hat dort eine beunruhigende Entdeckung gemacht. Die dortige Kommandantin widersetzt sich Euch. Man stelle sich das vor, sie hat immer noch einen Mann als ersten Offizier beschäftigt. Stellt Euch das vor, Prätora! Als ersten Offizier. Wie dreist kann man eigentlich sein?! Das hat sie versucht, vor uns zu verschleiern, aber wir sind ja nicht dumm.“ „Hast du deine Untergebene zu dem Vorfall vernommen, Tindaranerin?!“, fragte Yanista streng. „Das habe ich, Prätora.“, versicherte Branell. „Aber wenn Ihr wollt, dann könnt Ihr …“ „Das wird nicht nötig sein!“, erwiderte Yanista. „Ich werde ihr bei Zeiten eine Lektion erteilen, wenn sie gar nicht damit rechnet. Zunächst werde ich ihre Vorgehensweise genau beobachten, um einen Plan zu schmieden, der sie bis ins Mark treffen wird. Wo ihr erster Offizier ist, da sind bestimmt auch noch die anderen Männer, die sie auf ihrer Basis hatte. Ich habe nachgeforscht. In den Kristallminen ist bisher keiner von ihnen aufgetaucht und tot sind sie auch nicht. Aber das kann sich alles schnell ändern.“ Sie beendete die Verbindung.

Sanell wurde blasser und blasser. Was ihre Vorgesetzte da soeben getan hatte, konnte man gut und gern als Verrat bezeichnen! Nur um die eigene Haut zu retten, hatte Branell soeben eine Kameradin an die Besatzer verraten! Die sehr idealisierte junge Frau kam damit überhaupt nicht zurecht. „Wo liegt dein Problem?“, fragte Branell. „Entweder Zirell springt über die Klinge oder wir. Wenn wir das nicht angezeigt hätten und die Genesianer hätten es irgendwann herausbekommen, dann wären auch unsere Köpfe gerollt, weil es geheißen hätte, wir hätten Zirell gedeckt. Also musste ich so handeln. Oder wärst du gern in einem genesianischen Gefängnis? Die weiblichen Gefangenen werden dort zwar auch weitaus besser behandelt als die Männer, aber trotzdem bleibt es ein Gefängnis. Ich kann dir Berichte zeigen, wie es dort zugeht. Wenn du dir die durchgelesen hast, wirst du meine Entscheidung nicht nur verstehen, sondern sie sogar gut heißen.“ Sie befahl der IDUSA-Einheit, die Daten auf einen Kristall zu ziehen und gab ihn Sanell mit den Worten: „Lies bis morgen den Inhalt und dann teile mir mit, wie du dazu stehst. Ich bin überzeugt, du wirst meine Meinung teilen.“ Sanell nahm den Kristall aus ihrer Hand entgegen, nickte und verließ den Raum, nachdem ihre Vorgesetzte ihr per Handzeichen dazu die Erlaubnis gegeben hatte.

Auf der Brücke der Canara hatte man das Gespräch zwischen der Prätora und Branell gemeinsam mit angehört. „Wie werden wir vorgehen, um diese Rebellin zu zähmen, Prätora?“, wollte Hera wissen. „Ich meine, sie ist Telepathin, Telekinetikerin und sonst noch was. Unsere göttliche oberste Prätora ist nicht hier, um uns mit der Macht der Wächterin von Gore zu beschützen. Wie wollt Ihr …“ „Ganz einfach, Hera.“, setzte Yanista zu einer Erklärung an. „Wenn ihr die Männer auf ihrer Basis das wert sind, was sie ihr anscheinend wert sind, dann werden wir einen von ihnen entführen und nach Nura vier bringen. Aber dazu müssen wir gewitzt vorgehen. Lass uns beobachten, was sie tut und danach unsere Vorgehensweise an ihr Tun anpassen. Mit dem Holzhammer kommen wir sicher nicht weit. Aber wenn wir es klug anfangen, hebt Shashana sicher auch unsere Strafe auf. Bring uns über den Pol eines der Planetoiden dort. Dann können uns die Sensoren nicht aufspüren, aber wir werden den vollen Durchblick haben, wenn Veleta ihn uns verschafft hat. Sag ihr Bescheid und dann setze Kurs.“ Die junge Pilotin nickte strahlend und führte die Befehle aus. Hatte ihre Prätora ihr doch gerade in Aussicht gestellt, vielleicht bald die Heimat wieder zu sehen. Hera fand das tindaranische Universum nämlich extrem trostlos.

Yetron, Scotty und Clytus waren wieder in ihrer Zelle. Der Demetaner und der Terraner hatten einer Wärterin zugesehen, wie sie Clytus ziemlich grob eine Tropfkonsole angelegt hatte. Dann war die misslaunige Kriegerin wieder gegangen. „Von Vorsicht haben die wohl noch nie was gehört.“, beschwerte sich Clytus, der angesichts seiner Situation sehr mit den Nerven am Ende war. „Das könnte sich sofort ändern, wenn du essen würdest.“, entgegnete Scotty. „Ich habe dir gesagt, dass ich das nicht kann!“, schrie Clytus und begann zu weinen. „Ich weiß!“, sagte Scotty hörbar zornig. „Deine Fantasie, ein Mächtiger zu sein. Hör mal! Yetron und ich reißen uns den Arsch auf, damit du am Leben bleibst und was machst du? Du torpedierst unsere …“ „Mr. Scott!“ Yetrons mahnende Tonlage hatte Scotty aufhorchen lassen. Die Betonung des Demetaners hatte ihn jetzt leicht an Spock erinnert, der auch immer so betont hatte, wenn er keinen Widerspruch zu einer seiner unzähligen Theorien geduldet hatte. Yetron war nicht so gefühlskalt, stand dem lange verblichenen Vulkanier aber im Punkte Theorien in nichts nach, so empfand es zumindest Scotty, der sich jetzt mit gesenktem Kopf zu dem Mann umdrehte, der vom Rang her auch sein Vorgesetzter hätte sein können.

Seiner Aufmerksamkeit sicher stand Yetron von dem Strohlager auf, auf welches er sich gelegt hatte und schlich zu Scotty und Clytus herüber. Dann setzte er sich zu ihnen und flüsterte Scotty zu: „Ich halte für möglich, dass diese Fantasie das Einzige ist, das ihm die Duldung dieser Gefangenschaft hier ermöglicht. Sich in die Existenz eines Mächtigen zu träumen, der durch einen ungeklärten Umstand in diese Situation geraten ist, lässt ihn die Realität nicht wirklich wahrnehmen, die für ihn offensichtlich zu schrecklich ist. Seine Psyche scheint diesen Weg gewählt zu haben, damit fertig zu werden. Gerade Sie, Techniker, wissen, dass auch ein Raumschiff Schutzschilde hat, ohne die es im Kampf hilflos wäre. Genau das Gleiche versucht Clytus’ Seele hier. Die Energiezufuhr zu diesem Schild dürfen wir nicht auf einmal kappen, sonst wäre dies sicher sein Tod. Wenn wir ihn überhaupt in die Realität zurückholen dürfen, ohne dass er Schaden nimmt, dann müssen wir das sehr langsam tun. Ich denke, wir sollten zunächst versuchen, in seine Welt vorzudringen, bevor wir sie zerbrechen, beziehungsweise ihn vorsichtig herauslösen. Als geschulter Ermittler sollte ich aber die entsprechenden Fragen an ihn richten. Wir sollten uns ganz unverfänglich mit ihm zu unterhalten beginnen.“ „Na schön.“, meinte Scotty. „Wenn Sie glauben, dass Sie ihn heilen können, bevor die Wärterinnen ihn kalt machen?“ Yetron machte eine überzeugte Kopfbewegung. „Es liegt allerdings nicht primär in meinem Interesse, ihn von irgendwas zu heilen, sondern die Wahrheit herauszufinden. Die Wahrheit über das, was vor einem halben Jahr geschehen ist und die Wahrheit darüber, ob er eventuell wirklich ein Mächtiger sein könnte, der bestraft wurde, wie er behauptet. Setzten wir voraus, dass dies stimmig sei, dann würde nämlich ein Schuh aus diversen Dingen, die jetzt einfach noch nicht zusammenpassen wollen.“

Clytus war auf das Gespräch im Flüsterton aufmerksam geworden. „Was redet ihr zwei da?“, fragte er traurig. „Wir haben über Sternenflottenkram gequatscht.“, meinte Scotty, dem Yetron darauf ein lobendes Lächeln zuwarf. Der Terraner drehte sich um und meinte zu dem demetanischen Agenten ganz unverfänglich: „Ach, Agent, Sie haben etwas davon gesagt, dass Sie mehr oder minder mit Absicht in diese Situation geraten sind. Was meinen Sie damit? Oder können Sie darüber jetzt nicht reden?“ „Oh, doch.“, sagte Yetron, der mit dem Ansprechen der Situation um sich und seine Gefangennahme ein bestimmtes Ziel verfolgte. Dann begann er zu berichten, allerdings so lebendig, dass Clytus und Scotty den Konferenzraum der Basis 818 wirklich glaubten, vor sich zu sehen.

Time hatte alle seine Offiziere dort versammelt. Der Raum an sich unterschied sich nicht sehr von allen anderen Konferenzräumen auf anderen Sternenflottenbasen. Time, Yetron, Sensora und Shorna saßen als Brückenoffiziere am Kopfende und den nah daran anschließenden Seiten des achteckigen weißen Tisches, der in der Mitte des Raumes stand. Dann folgten auf weiteren braunen Stühlen Ketna und Cenda nebst ihren Assistenten.

Der Kommandant stand auf und begab sich an die Wand des Raumes, an der es auch einen Computerbildschirm gab. „Sie alle wissen, warum wir hier sind.“, sagte er. Dann rief er eine Szene auf, die eine Sonde in der Nähe der neutralen Zone beobachtet hatte. Alle sahen, wie ein klingonischer Kampfverband von einem einzigen genesianischen Schiff buchstäblich ins Nichts geschickt wurde. „Achten Sie genau auf die Brücke des genesianischen Schiffes.“, kommentierte Time das Geschehen und zeigte auf ein weiteres Bild. Jetzt sah man die oberste Prätora, die Blitze aus ihren Augen schoss, die für die Niederlage der Klingonen die Ursache bildeten. Die Waffen des genesianischen Schiffes schwiegen.

Shorna, Times Waffenoffizierin und Strategin, stand plötzlich auf und stellte sich neben ihren Vorgesetzten. „Sir, meiner Meinung nach werden die Genesianer von irgendjemandem benutzt. Sie glauben doch wohl nicht wirklich, dass Shashana von sich aus plötzlich solche Kräfte entwickelt hat.“ „Shorna hat Recht, Commander.“, bestätigte jetzt auch Ketna, Times Ärztin. „Für mich sieht es aus, als würde die oberste Prätora total neben sich stehen und gar nicht mitbekommen, was sie tut. Achten Sie bitte genau auf ihr Gesicht, Ladies und Gentlemen.“ „Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie glauben, dass sich jemand Shashanas Körper bemächtigt hat?“, fragte Yetron. Die Zeonide nickte. „Den Namen von der Person kenne ich jetzt schon.“, murmelte Cenda. „Keine voreiligen Schlüsse, Techniker.“, ermahnte sie Yetron. „Ich gehe nicht davon aus, dass Sytania das war. Ihr Neuralmuster wird von jedem Rechner der Sternenflotte, also auch von jeder Sonde, erkannt. Die Sonde hätte Alarm gegeben und die Genesianer haben die gleichen Einrichtungen. Sytania weiß, dass wir ihr spielend draufkommen würden und sie mag es nicht, wenn man ihr draufkommt. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass sie so etwas Offensichtliches getan hat. Nein, wir müssen es hier mit einem anderen Mächtigen zu tun haben, dessen Namen wir noch nicht kennen.“

„Die Regierung will.“, referierte Time weiter. „Dass wir der Sache auf den Grund gehen. Aber es wäre verdammt gut, wenn wir jemanden einschleusen könnten, ohne dass die Genesianer etwas merken. Außerdem sollte jemand die Aktivitäten der Regierung im Auge behalten können, auch wenn wir alle bei diesem Selbstmordkommando draufgehen könnten.“ „Mindestens zwei von uns müssten also überleben.“, schloss Ketna. „Ich werde dann also einiges an zellarem Peptidsenker verteilen müssen.“ „Nur, wer sollte überleben?“

Time winkte Yetron, der sich neben ihn stellte und ausführte: „Ich habe das alles mit dem Chief-Agent besprechen können. Sie kann sich auch nicht vorstellen, dass diese neue Methode zu kämpfen auf dem Mist von Shashana gewachsen ist. Theoretisch wäre ich mit einer Genesianerin biologisch kompatibel, was mich attraktiv genug machen sollte, dass sie mich gefangen nehmen würden. Sie, Techniker, sollten die einzige weibliche Überlebende sein. DA Techniker Chechow nicht auf der Niagara bleiben können wird, wird die Regierung nach einer schnellen Ersatzmöglichkeit suchen.“ „Aber wie wollen Sie an Informationen kommen, Sir?“, fragte Solthea. „Ich meine, Sie sind ein Mann. Die Genesianer …“ „Sie verbieten uns den Mund, Medical Assistant.“, erklärte Yetron. „Augen und Ohren verstopfen sie uns nicht. Es wird bei Zeiten an Ihnen, unseren Kameradinnen sein, mich zu befreien, damit ich die Informationen, die ich gesammelt habe, an die richtigen Stellen weitergeben kann. Techniker, wäre es möglich, die Replikatoren in meinem und Ihrem Quartier so zu programmieren, dass der Peptidsenker gleich gratis mit dem Frühstückskaffee geliefert wird? Jeder Besuch auf der Krankenstation könnte sonst Fragen aufwerfen.“ „Klar doch.“, erwiderte die celsianische Chefingenieurin. „Ich fang’ am besten gleich an.“

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.