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Jenna und Joran waren zu einer Patrouille aufgebrochen. Für Zirell war dies nicht nur eine einfache Patrouille gewesen, auf die sie die Beiden geschickt hatte, nein. Für sie hatte diese Patrouille auch den Sinn, Maron zu beweisen, dass die Genesianer keine Ahnung davon hatten, was sie plante. Sie wollte unbedingt beweisen, dass ihre Rebellion bisher unerkannt geblieben war. Deshalb sollte IDUSA auch alle Bilder von der Mission zur Basis senden.

„Denkst du, dass die Genesianer uns das wirklich abkaufen werden, Telshanach?“, fragte der Vendar nachdenklich. „Soll ich ehrlich sein, oder willst du eine Gefälligkeitsantwort, Joran?“, fragte Jenna zurück. „Bedenke, dass Zirell uns hören kann.“, sagte Joran und hielt sich demonstrativ den Finger an die Lippen. „Das ist mir egal!“, sagte Jenna. „Ich werde dir jetzt sagen, was ich von dem Plan mit der weiblichen Begleitung halte, so wie Zirell ihn sich gedacht hat. Ich denke, sie macht einen riesigen Fehler. Irgendwann werden die Genesianer misstrauisch werden und dann …“

IDUSA lud plötzlich beide Tabellen und begann: „Joran, Jenna, ich habe ein genesianisches Patrouillenschiff auf den Sensoren. Es hat uns offensichtlich gesehen und fliegt in unsere Richtung. Soll ich ein Fluchtmanöver initiieren?“ „Wer wird denn?“, scherzte Joran und gab ihr den Gedankenbefehl zum Deaktivieren des Antriebs. „Das wäre ja Widerstand gegen die Staatsgewalt. Hol die Alibi-Datei raus, Telshanach.“ Lächelnd zog Jenna ein Pad, auf dem sie eine Datei voller technischer Fachbegriffe lud und das sie an IDUSA anschloss. Wenn die Genesianer nicht gerade ihre Chefingenieurin schicken würden, wovon nicht auszugehen war, würde die Patrouille sich mit Jennas Erklärung, sie überprüfe den Antrieb, zufrieden geben müssen.

Jenes Schiff, das IDUSA gemeldet hatte, war die Canara. Yanista hatte sich schon seit langem gewünscht, endlich einem Schiff zu begegnen, das zu Zirells Station gehören würde. „Bring uns längsseits und SITCH sie an.“, befahl sie Hera, die ihre Befehle sofort ausführte. „Und nun verbinde mich mit ihnen.“ Auch dies tat die junge Kriegerin und bald sah Yanista Jennas lächelndes Gesicht auf dem Schirm. „Ich bin Techniker Jenna McKnight.“, sagte sie. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ „Ich bin Prätora Yanista vom Clan der Vetash.“, stellte sich jetzt Yanista vor. „Du könntest mir helfen, Terranerin, indem du mir sagst, warum du und dein Begleiter mit dem tindaranischen Schiff hier unterwegs seid. Versteh uns bitte nicht falsch. Wir machen Stichproben, damit keine Dinge oder Informationen irgendwo hin geschmuggelt werden können, wo sie nichts zu suchen haben oder gar Rebellionen gegen uns unterstützt werden könnten.“ „Wir sind ganz harmlos.“, versicherte Jenna. „Wir machen lediglich einen Antriebstest.“ „Einen Antriebstest.“, wiederholte Yanista. „Wenn das so ist, dann habt ihr doch sicher nichts dagegen, wenn ich mir diesen Test und alles, was mit ihm zusammenhängt, mal aus der Nähe ansehe.“ „Aber nein.“, sagte Jenna höflich. „Sie können ruhig an Bord kommen.“

Yanista beendete die Verbindung und drehte sich zu ihrer Tochter. „Minerva, du wirst mich begleiten, damit du lernst, wie so etwas vor sich geht. Ich glaube ihr zwar kein Wort, was den Antriebstest angeht, aber dieses Mal werden wir sie noch einmal ziehen lassen, damit sie sich in falscher Sicherheit wiegt, diese Zirell. Wenn das der Fall ist, wird sie irgendwann einen Fehler machen und dann haben wir sie. Hera, du hast die Brücke!“

„Hoffentlich gehen die Genesianer mir nicht an die Eingeweide.“, äußerte IDUSA. „Keine Angst.“, tröstete Jenna. „Das wird schon nicht passieren. Dafür kann ich hoffentlich mit dieser Datei sorgen. Ah, ich glaube, sie kommen schon.“

Im hinteren Teil des Cockpits materialisierten sich zwei Energiesäulen, die nach und nach die Gestalt zweier genesianischer Kriegerinnen annahmen. „Ich bin Prätora Yanista vom Clan der Vetash.“, stellte sich selbige vor. „Das ist meine Tochter Minerva, die auch unsere Erbprätora ist.“ „Das ließ sich denken.“, lächelte Jenna, die sich gegenüber den Genesianerinnen betont freundlich gab. „Wie heißt er!“, sagte Minerva streng und zeigte auf Joran. „Oh, das ist nur Joran.“, sagte Jenna. „Er ist nur ein einfacher Patrouillenflieger. Er hat nichts zu sagen.“ „Was macht ihr hier?“, fragte Yanista plump, deren Englisch in manchen Situationen ziemlich dürftig war. „Wir testen den Antrieb unseres Schiffes.“, sagte Jenna und hielt ihr das Pad unter die Nase. „Möchtet Ihr nachlesen, Prätora?“

Missmutig nahm Yanista ihr das Pad ab und überflog es kurz, allerdings ohne von seinem Inhalt wirklich Kenntnis zu nehmen. „Davon verstehe ich nichts, Terranerin.“, sagte sie, als sie es Jenna zurückgab. „Aber du scheinst ja technisch ziemlich versiert zu sein. Meiner Interpretation nach ist hier alles in Ordnung und du hast die Wahrheit gesprochen. Also lassen wir euch gehen.“ Sie zog ihr Sprechgerät und gab das Rufzeichen der Canara ein, worauf ein verbaler Befehl auf Genesianisch folgte, nach welchem sie bald wieder in immer durchsichtiger werdenden Säulen verschwanden.

Joran gab einen erleichterten Laut von sich. „Das ist ja gerade noch mal gut gegangen, Telshanach.“, sagte er, während er IDUSA wieder auf Kurs brachte. „Das ist es.“, bestätigte die Ingenieurin. „Aber ich habe das starke Gefühl, dass sie uns nur in falscher Sicherheit wiegen wollen und irgendwann erbarmungslos zuschlagen werden. Bitte bring uns zur Basis zurück.“ Joran nickte und wendete das Schiff. „Zirell macht einen Fehler.“, sagte Jenna halblaut. „Ja doch, Telshanach.“, antwortete Joran tröstend, dem diese Offensichtlichkeit auch klar war, was wohl den Grund darstellte, aus dem er es langsam nicht mehr hören konnte.

Mikel hatte sich noch einmal zur Beweissuche zu Dirans Schiff begeben. Der Agent wollte, wie er es versprochen hatte, die Aussage des Vendar überprüfen. Wenn es wirklich eine Vulkanierin gegeben hatte, mit der er hier zusammengetroffen war, musste es genetische Hinweise auf sie geben. Diese hoffte Mikel nun zu finden. Er hatte seinen Erfasser auf das Erkennen von vulkanischer DNS eingestellt und ging nun außen um das Schiff herum, um die Luke zu finden.

„Suchen Sie etwas, Sir?“ Eine heisere Stimme hatte ihn erschreckt. Langsam drehte sich Mikel um, damit er deren Urheber besser ausmachen konnte. Dann kamen bekannte schwere Schritte auf ihn zu und jemand begrüßte ihn mit starkem britischen Akzent und den Worten: „Ich bin es. Jannings.“ „Techniker.“, sagte Mikel erleichtert. „Ich hätte Sie fast nicht erkannt.“ „Na, da kann ich ja froh sein, dass Sie nicht gleich den Phaser gezogen haben.“, scherzte der Chefingenieur. „Dann würde ich jetzt sicher nicht mehr leben.“ „Na, ich weiß ja nicht, was Betsy so über mich erzählt, wenn Sie zusammen Karten spielen.“, sagte Mikel. „Aber so ein schießwütiger Heißsporn bin ich nun auch nicht. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen, ja, ich suche tatsächlich etwas. Ich suche nach vulkanischer DNS. Diran hat ausgesagt, dass sich Sytania ihm als Vulkanierin angedient hätte, mit dem Ziel, Kairon mit schwarzer Macht zu infizieren. Diesen Teil seiner Aussage versuche ich zu verifizieren. Ich habe meinen Erfasser auf das Auffinden vulkanischer DNS programmiert und …“ „Und jetzt spielen Sie Erfasser, sag mal piep.“, lachte Jannings. „Aber den Gefallen wird er Ihnen nicht tun, solange Sie außerhalb an der Schiffshülle suchen. Oder hat Diran Ihnen etwa gesagt, dass sie sich im Weltraum getroffen haben.“

Er holte ein Überbrückungswerkzeug aus der Tasche und hielt die Anschlussmodule an den Stromkreis für die Luke, worauf diese sich sofort öffnete. Mikel und er stiegen ins Innere des Schiffes, worauf sich die Luke hinter ihnen wieder schloss. „So.“, sagte Jannings. „Ich glaube, hier werden wir eher fündig. Also, was könnte unsere Vulkanierin hier getan haben oder was könnte sie angefasst haben?“ „Sie denken ja schon wie ein richtiger Kriminalist!“, sagte Mikel. „Ist das ein Kompliment?“, fragte Jannings. „Allerdings.“, sagte Mikel und drehte sich einige Male mit dem Erfasser um sich selbst, bis das Gerät plötzlich zu piepen begann. Mikel steckte es in die Tasche, um beide Hände frei zu haben und tastete vor sich, aber Jannings hielt ihn an den Handgelenken zurück. „Sie scheinen schon wieder total aufgeregt, Agent.“, sagte der Engländer ruhig. „Sonst würden Sie merken, dass Sie Ihre schöne Probe mit den eigenen Händen verunreinigen würden, wenn Sie den Gegenstand auch noch berührten. Sie haben doch bestimmt einen ballistischen Hypor in der Tasche, den Sie ja nur an Ihren Erfasser anschließen müssen. Dann wird der von dort mit den Koordinaten gefüttert und beamt eine schöne Zellprobe in das angeschlossene Röhrchen.“ „Oh, Jannings.“, seufzte Mikel. „Wenn ich Sie nicht hätte. Ich finde Ihre Idee viel besser als meine, wenn ich drüber nachdenke.“ Damit zog er das angesprochene Gerät aus der Tasche, um Jannings’ Vorschlag Folge zu leisten.

Kamurus bewegte sich jetzt langsam auf das Sternbild Fische zu. Ginalla hatte ihm befohlen, unter Warp zu gehen, damit er keine all zu starken Spuren hinterlassen würde. Sein Impulsantrieb war in der momentanen Situation nicht vom Hintergrundbild der Galaxie zu unterscheiden, da das Universum sich entsprechend verändert hatte, was wohl den Veränderungen im Raum-Zeit-Kontinuum geschuldet war. Wer die nähere Geschichte kannte, der wusste genau, dass entsprechende politische Umwälzungen schon einmal zu einer solchen Veränderung geführt hatten, nur hatte man es jetzt nicht mit einem Bürgerkrieg, sondern mit etwas noch viel Schlimmerem zu tun, wenn die Situation länger anhielt. Den Grund für die universalen Beben und veränderten galaktischen Strömungen kannten Sedrin, Kamurus und Ginalla jedoch noch nicht. „Warum haben Sie ihm befohlen, unter Warp zu gehen, Ginalla?“, wollte Sedrin wissen. „Ich denke, dass wir keinen Grund haben, uns zu verstecken. Was immer Tamara geplant hat, es wird sicher extrem wichtig sein, dass wir gefunden werden können.“ „Wir nähern uns einem Sternensystem.“, begründete Ginalla. „Da is’ es doch normal, unter Warp zu gehen.“ Sedrin, die gemerkt hatte, dass dies nur eine Ausrede war, erwiderte: „Aber nicht so früh. Ich weiß, dass Sie mir vielleicht nicht wirklich trauen, weil ich Geheimdienstlerin bin und Sie in der Vergangenheit oft mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Aber damals war Ihre Lebenseinstellung eine andere und die Rechtsprechung der Föderation verurteilt niemanden für Verbrechen, die vielleicht schon lange verjährt sind.“ „Sie hat niemals ein Verbrechen begangen.“, verteidigte Kamurus seine Pilotin. „Zumindest nicht, solange wir uns kennen. Was vor meiner Zeit mit ihr war, kann ich nicht beurteilen, aber …“ „Siehst du?“, fragte Sedrin. „Und was immer da war, ließe sich nur durch eine Zeitreise in die Vergangenheit beweisen, was wiederum auch nicht legal wäre, zumal es keinen Anhalt gibt, der dies rechtfertigen würde. Sie mögen zwar eine Herumtreiberin gewesen sein, Ginalla, aber das darf man ja wohl.“ „Finde ich ja nett, dass Sie mir das gestatten.“, scherzte Ginalla. „Und sogar heute kann ich nich’ anders. Ich glaube, ich habe Zigeunerblut.“

Kamurus übernahm plötzlich die Steuerkontrolle und flog eine Wendung, nach der er seinen Antrieb vollständig abschaltete. „Ginalla, Sedrin, ich empfange ein schwaches Transpondersignal.“, erklärte er seine Vollbremsung, bei der die Frauen fast mit den Köpfen auf die Konsolen geknallt wären. „Es scheint tief aus diesem System zu kommen. Ich konnte es nicht früher wahrnehmen, da die Quelle anscheinend eine sehr geringe Reichweite hat.“ „Oder jemand wollte nicht so leicht zu entdecken sein.“, vermutete Sedrin. „Sicher hat derjenige gedacht wie Sie, Ginalla.“ „Könnte sein.“, überlegte die Celsianerin. „Bring uns zur Signalquelle, Kamurus!“

Der Schiffsavatar nickte und das Shuttle setzte sich langsam in Bewegung. Dabei war Kamurus darauf bedacht, auf keinen Fall an der Quelle vorbei zu fliegen. Allerdings musste er seine Sensoren auf die höchste Empfindlichkeit einstellen, um die Quelle nicht zu verfehlen, denn wie ein Flüstern in einer großen Halle war sie auch nur sehr schwach für ihn wahrzunehmen. „Denken Sie, Ihr Chief-Agent hat was mit der Signalquelle zu tun, Sedrin?“, mutmaßte Ginalla und kaute dabei nervös an ihren Fingernägeln, eine Angewohnheit, die sie sich erst kürzlich zugelegt hatte. Immer, wenn es spannend wurde, wurde auch sie leicht nervös, aber sie wollte es ja so. Sie liebte den Nervenkitzel. „Ich schätze ja.“, überlegte Sedrin halblaut. „Wenn sie will, dass wir hier jemanden treffen, dann wird sie es so geschickt eingefädelt haben, dass die Genesianer nicht unbedingt aufmerksam werden. Die haben lange nicht so empfindliche Sensoren wie unser Kamurus hier. Die könnten über einen mit voller Leistung sendenden Fernsehmast aus dem 20. Jahrhundert fliegen, ohne ihn zu bemerken.“ „Ich denke, dein Vergleich hinkt etwas, Sedrin.“, sagte Kamurus. „Einen Fernsehmast würden sie schon bemerken, aber ich weiß schon, was du sagen willst. Was du gerade gesagt hast, war sicher nur als Metapher zu sehen.“ „Genau.“, bestätigte die Agentin.

Am Summen des Antriebs hörten die Frauen bald, dass Kamurus diesen deaktiviert hatte. „Da wären wir, Ladies.“, lächelte er. „Hier ist nichts.“, sagte Ginalla. „Jedenfalls sehe ich nichts, was deine Sensoren mir zeigen könnten.“ „Die Signalquelle ist aber genau vor uns.“, widersprach Kamurus. „Vielleicht ist sie getarnt.“, vermutete Ginalla. „Dann würde ich ein Tarnfeld ausmachen.“, erklärte Kamurus. „Aber hier ist gar nichts.“ „Und du bist sicher, dass du nicht über dein eigenes Antriebsecho gestolpert bist, Kamurus?“, erkundigte sich Sedrin. „Mein Antriebsecho würde kein Rufzeichen übermitteln.“, sagte Kamurus fast beleidigt. Er drehte sich leicht. „Hier sind eine Menge ungünstiger Raumströmungen.“ „Schon gut.“, sagte Ginalla. „Irgendwie musst du ja deinen Kurs halten, damit wir keinen Drehwurm kriegen.“ „Mehr scheint hier aber auch nicht zu sein.“, sagte Kamurus. „Hier ist nur diese Strömung und das schwache Signal, das direkt aus ihrer Mitte zu kommen scheint.“ „Wenn das so ist.“, sagte Sedrin. „Dann sollten wir dem Signalgeber vielleicht mal sagen, dass wir ihn gefunden haben. Vielleicht kommt er dann aus seinem Versteck. Ruf die Signalquelle, Kamurus. Das ist das normale Vorgehen der Sternenflotte. Vielleicht hat sich der Signalgeber mit Absicht so verschanzt, damit er anhand unserer Vorgehensweise herausbekommen kann, wer wir sind.“ „OK.“, sagte Kamurus und war im Begriff, die Verbindung aufzubauen, aber Ginalla hielt ihn zurück. „Und wenn das 'ne genesianische Falle is’?“, fragte sie. „Ich mein’, immerhin hat 'ne Genesianerin mitgekriegt, dass wir …“ „Sie hat keine Ahnung, wer wir sind!“, versicherte Sedrin. „Sie wird nichts an niemanden weitergesagt haben. Sie können mir vertrauen, Ginalla!“ „Na schön, Frau Geheimdienst.“, schnodderte Ginalla. „Dann vertrau’ ich Ihnen mal. Tu, was du nich’ lassen kannst, Kamurus!“

Der Schiffsavatar machte ein erleichtertes Gesicht und sendete ein Rufsignal an das Rufzeichen der Signalquelle. Aber wieder geschah lange Zeit nichts. „Wir haben uns wohl geirrt.“, schlussfolgerte er. „Das Ganze war wohl nur ein … Entschuldigung! Haltet euch fest!“

Er aktivierte seinen Antrieb und stieg mit einer solchen Geschwindigkeit, dass es Sedrin und Ginalla derart in die Sitze presste, dass sie glaubten, sich von ihrem Frühstück verabschieden zu müssen, da die Umweltkontrollen die Auswirkungen der Fliehkräfte nicht schnell genug kompensieren konnten. „Was sollte das?!“, fragte Ginalla empört, als sie wieder zu Atem gekommen war. „Ich musste so handeln.“, rechtfertigte sich Kamurus. „Sonst wären wir mit der Signalquelle zusammengestoßen. Sie war genau unter uns und ich habe das die ganze Zeit nicht bemerkt.“ „Weil dir der eigene Antrieb in die Sensoren gestrahlt hat, Kamurus.“, schlussfolgerte Sedrin. Zwischen den Antriebsspulen eines anderen Schiffes ist der sicherste Platz, wenn man nicht entdeckt werden will. Das ist eine uralte Strategie.“ „Kommt darauf an, wie man Sicherheit definiert.“, sagte Kamurus. „Im Sinkflug hätte ich die Signalquelle schwer beschädigen können.“ „Nicht, wenn sie unseren Bewegungen gefolgt wäre.“, sagte Sedrin. „Und ich gehe davon aus, dass sie das getan hätte. Schon um der eigenen Sicherheit willen.“ „Na hoffentlich täuschen Sie sich da nich’, meine Liebe.“, sagte Ginalla flapsig. „Wer immer dieser Signalgeber is’, der spinnt wohl, sich so nah am Antrieb eines Schiffes aufzuhalten. Eine falsche Bewegung und der wird gegrillt!“ „Ich gehe davon aus, dass unser Signalgeber ein fabelhafter Pilot ist, Ginalla.“, schlussfolgerte Sedrin. „Ich denke, dass er gute Reflexe hat und sich immer im Auge des Sturms aufhalten wird. Sie verstehen schon.“ Ginalla nickte zögerlich.

Der Steigflug, den Kamurus hingelegt hatte, war beendet und er hatte wieder eine normale Vorwärtstendenz. Allerdings schlug er jetzt eine Umlaufbahn um etwas ein. „Die Signalquelle ist jetzt mit uns auf gleicher Höhe.“, sagte er. „Zumindest dann, wenn man meinem Empfänger glauben kann.“ „Meinst du, dass du sie immer noch nicht sehen kannst, Kamurus?“, fragte Ginalla. „Genau das.“, bestätigte der Schiffsavatar. „Anscheinend reagiert unser Signalgeber positiv auf Sternenflottentaktiken.“, überlegte Ginalla laut. „Also, Frau Sternenflotte.“, grinste sie Sedrin an. „Was machen wir jetzt?“

Sedrin wandte sich dem Avatar zu: „Kamurus, ruf die Signalquelle erneut und verbinde dann mit Ginalla. Da du ihr Schiff bist, ist sie die ranghöhere Offizierin hier. Ich trage zwar normalerweise eine Uniform, aber jetzt bin ich ja nur Passagierin.“ „Oh, Mann.“, stöhnte Ginalla. „Ich bin eine miese Diplomatin. Was sage ich denen bloß?“ „Stellen Sie sich erst einmal einfach vor.“, sagte Sedrin. „Das machen wir auch nicht anders. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ja immer noch vorsagen.“ „Na schön.“, sagte Ginalla, rückte ihre Kleidung zurecht und setzte sich im Pilotensitz kerzengerade hin. „Gehen wir die Sache an!“

Kamurus sendete ein erneutes Rufsignal an das Rufzeichen der Signalquelle und sagte dann zu Ginalla: „Du kannst sprechen.“ „Hallo, Fremder.“, begann Ginalla etwas ungelenk, wenn man ihre Begrüßung mit Sternenflottenmaßstäben messen wollte. Wenn man ihr aber zugute hielt, dass sie Zivilistin und noch dazu eine celsianische Zivilistin war, dann war das schon ganz ordentlich. „Also.“, fuhr sie fort. „Du hast uns ganz schön erschreckt. Ich bin Ginalla, das ist Sedrin und mein Schiff heißt Kamurus. Bei uns sind noch drei Androiden Namens Cupernica, Data und den kleinen Novus nich’ zu vergessen. Jetzt haben wir uns vorgestellt. Aber wie is’ denn dein werter Name?“

Kamurus hatte den Sendevorgang beendet und bald darauf sah Ginalla vor ihrem geistigen Auge zwei merkwürdige Gestalten, die ihr das Schiff auf dem virtuellen Monitor präsentierte. Im gleichen Moment hörte man aus Kamurus’ Bordlautsprecher eine Stimme: „Ich bin d/4, vierte Einheit der D-Gruppe. Dies ist Z/9, neunte Einheit der Z-Gruppe. Sie können uns D/4 und z/9 nennen. Er arbeitet für unseren Geheimdienst und ich begleite ihn, da ich Erfahrung im Umgang mit Bioeinheiten habe. Bitte lassen Sie uns zu Ihnen an Bord, damit wir alles Weitere in einer Umgebung besprechen können, die für Sie komfortabel ist.“

Ginalla wurde blass. „Ach du Scheiße!“, rief sie aus. „Borg! Zeig Ihnen dein Heck, Kamurus! Nun mach schon!“ „Nein, Ginalla.“, widersprach das Schiff und zeigte ihr die Bilder der Gestalten aus der Signalquelle erneut. „Sehen so etwa Borg aus?!“, fragte er mit etwas strengerem Unterton, denn er mochte es gar nicht, wenn Ginalla zu früh zu falsche Schlüsse zog. So ein Verhalten von ihr hatte beide schon in die extremsten Situationen gebracht und an das versuchte er sie jetzt zu erinnern. Außerdem hatte er gehofft, dass sich dies geändert hätte. Aber Ginalla konnte anscheinend doch nicht ganz aus ihrer Haut.

Die Celsianerin ließ ihren Blick über das Bild schweifen. Sie erkannte zwei stromlinienförmige Körper, die eher an Sonden als an Lebensformen erinnerten. Diese standen auf je zwei sehr beweglich scheinenden langen Beinen. Die Gestalten hatten außerdem je zwei ebenfalls sehr gelenkige Arme mit ebensolchen Händen, die in schmalen Schultern endeten. Ihre Gesichter sahen aus wie die von Menschen, aber dies schien sehr betont zu sein, als wollten sie betonen, dass sie Lebensformen sind. Beide waren in neutrale weiße Kleidung gehüllt. „Du hast Recht.“, überlegte Ginalla. „Das sind keine Borg. Die sehen nicht so freundlich aus. Das Ding, das mit uns gesprochen hat, hat sogar gelächelt.“ „Siehst du?“, fragte Kamurus. „Und genau das würden Borg nie tun. Ich darf dich außerdem daran erinnern, dass eine gewisse Captain Kathryn Janeway den Borg vor ca. 800 Jahren einen vernichtenden Schlag zugefügt hat, von dem sie sich nie wieder erholt hatten. Schließlich ist ihr Kollektiv zerfallen und da sie als Individuen nicht existieren konnten, sind sie ausgestorben.“ „Kein sehr rühmliches Ende für eine Rasse, die sich immer für perfekt gehalten hat.“, grinste Ginalla. „Aber dieses Ding und seine Herkunft interessieren mich. Man kann ja nie genug gute Kontakte haben. Wenn wir von denen nichts zu befürchten haben, dann hol sie mir noch mal an die Strippe.“ „Die Verbindung steht noch.“, sagte Kamurus. „Und du bist ohnehin am Zug.“ „Bezeichnen Sie D/4 aber bitte nicht als Ding.“, empfahl Sedrin. „Ihre Kennung ist, zumindest bei der Sternenflotte, in aller Munde und allen bekannt. Sie lebt sogar normalerweise auf der Erde in Little Federation. Sie half der …“ „Ups.“, machte Ginalla. „Da muss ich wohl im Punkte Geschichte noch einiges nachholen, damit ich nich’ völlig daneben haue. Würden Sie mir helfen, Sedrin und mit denen reden, damit ich nix mache, was nachher einen Krieg auslöst oder so?“ „Natürlich.“, lächelte die Agentin. „Laden Sie die Xylianer jetzt einfach nur herzlich ein. Schließlich ist Kamurus immer noch Ihr Schiff.“ „Die wen?“, fragte Ginalla. „Na ja. Auch egal. Gib mir diese D/4, Kamurus!“

Kamurus führte ihren Befehl aus und bald sah Ginalla erneut in das geduldig schauende Gesicht der Xylianerin. „Sie können ruhig zu uns kommen, D/4 und gegen Ihre charmante Begleitung habe ich auch nichts. Sollen wir Sie holen oder beamen Sie selber?“ „Wir werden unsere eigenen Transporter benutzen.“, erwiderte die Sonde. „OK.“, sagte Ginalla. „Aber ich werde ab dann nich’ mit Ihnen weiter reden. Das wird Agent Sedrin übernehmen. Die kennt sich wohl besser mit euch aus. Sagen Sie mal, D/4, sagt Ihr Freund gar nichts dazu?“ „Ich spreche für uns, da ich Erfahrung im Umgang mit Bioeinheiten habe.“, erklärte die Xylianerin. „Genau wie der Agent für Sie sprechen wird, da sie Erfahrung im Umgang mit Xylianern hat.“ „Alles klar.“, sagte Ginalla. „Wenn dann alle Klarheiten beseitigt sind, können Sie von mir aus rüber kommen.“

Von xylianischer Seite wurde die Verbindung beendet und bald darauf standen die Sonden in Kamurus’ Cockpit. „Hallo, D/4.“, sagte Sedrin. „Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“ „Ihre Ausführungen sind korrekt.“, erwiderte D/4. Dann kam sie ohne Umschweife zur Sache, wie es auch sonst ihre Art war: „Ich bitte Sie, uns die Androiden auszuhändigen und uns ebenfalls zu begleiten. Alles Weitere werden wir in unserem Modul besprechen. Die Zivilistin sollte von Details verschont bleiben.“ „Sekunde!“, schrie Ginalla und stand vom Sitz auf, um sich zwischen Sedrin und die Sonden zu drängen. „Sie und die Androiden gehen nirgendwo mit Ihnen hin! Am Ende assimilieren Sie alle vier und ich sehe sie nie wieder. So nich’! Kamurus, setz sie vor die Tür!“ „Es ist nicht unsere Absicht, irgendjemanden zu assimilieren.“, meldete sich die männliche Sonde zu Wort, verstummte aber gleich wieder, denn D/4 musste ihm ein eindeutiges Signal gesendet haben. „Er hat Recht, Ginalla.“, meldete sich Kamurus jetzt über den Simulator im Raum, denn Ginalla hatte beim Aufstehen den Neurokoppler aus dem Port gezogen. „Die Xylianer assimilieren niemanden. Ich gehe davon aus, dass sie die Androiden unter sich verstecken wollen, denn künstliche Lebensformen versteckt man am besten bei künstlichen Lebensformen. Drei mehr oder weniger fallen da nicht auf. Sedrin, ich könnte mir vorstellen, dass die Xylianer dich auf deine Mission bei den Genesianern vorbereiten wollen.“ Sedrin nickte dem Avatar lächelnd zu.

„Bitte entschuldigen Sie das Verhalten meiner Freundin.“, entschuldigte die Demetanerin Ginallas Verhalten gekonnt diplomatisch gegenüber den Sonden. „Sie ist Zivilistin und kennt die Zusammenhänge zwischen Ihnen, V’ger und Commander Decker nicht, die Sie zweifelsfrei in Gestalt, Kultur und Ideologie von den Borg unterscheiden. Deshalb ist …“ „Deshalb ist ihre Angst eine logische Reaktion.“, sagte D/4 gleichmütig. „Ihre Reaktion ist entschuldigt.“

„Wer zum Teufel sind V’ger und Decker?“, flüsterte Ginalla Sedrin zu. „V’ger war eine Raumsonde, die auf der Suche nach dem Schöpfer war, weil sie wiederum aus einem Bewohner eines Maschinenplaneten und der Raumsonde Voyager von der Erde bestand.“, erklärte Sedrin. „Sie begegnete der Enterprise unter Kirk und Commander Decker vereinte sich geistig mit V’ger, um ihm den menschlichen Geist zu bringen. Die Xylianer sind deren Nachfahren.“ „Ach so.“, lachte Ginalla. „Adam und Eva der Xylianer also.“ „Ihre Ausführungen sind inkorrekt.“, sagte D/4 fast beleidigt. „Adam und Eva sind, wie wir heute wissen, nicht existent. V’ger und Decker waren existent.“ „Ja, ja. Nich’ gleich beleidigt sein.“, versuchte Ginalla, sie zu beschwichtigen. „War doch nur 'n Bild.“ „Ihr Verhalten ist ihrer celsianischen Herkunft geschuldet.“, sagte D/4. „Deshalb ist es verziehen.“ „Sehr großzügig.“, erwiderte Ginalla.

Sedrin war nach hinten gegangen und hatte Novus, Cupernica und Data ins Cockpit geholt. Die Agentin hatte alle drei kurz informiert. „Wir wären dann so weit.“, sagte sie. „In Ordnung.“, sagte D/4 und im nächsten Augenblick verschwanden die sechs in immer durchsichtiger werdenden Energiesäulen. „Die hätten sich wenigstens verabschieden können.“, sagte Ginalla. „Das tun sie vielleicht jetzt.“, erwiderte Kamurus und stellte ihr ein Gespräch von dem xylianischen Schiff auf den Neurokoppler, den sie inzwischen wieder angeschlossen hatte. „Hier ist D/4.“, hörte Ginalla die bekannte Stimme der Sonde. „Ihre Freunde sind bei uns sicher aufgehoben. Wir werden sie mit in unseren Raum nehmen und dort tun, was zu tun ist. Es ist besser, wenn Sie so wenig wissen wie möglich. Um so ungefährlicher ist es für Sie, Bioeinheit Ginalla. Ihr Schutz genießt oberste Priorität. Fliegen Sie Ihrer Wege.“ Die Verbindung wurde beendet. „Also gut.“, sagte Ginalla. „Ich hätte der zwar am liebsten noch den Marsch geblasen, aber das hätte eh nix genützt. Die scheint nich’ zu kapieren, dass ich mich gut selbst schützen kann und im Notfall hab’ ich ja noch dich. Und jetzt ab nach Tindara! Da wollten wir ja sowieso die ganze Zeit hin, wegen der Spur, auf die dich das Geistwesen gebracht hat.“ „OK, Ginalla.“, nickte Kamurus, verließ das Sonnensystem und wechselte in den Interdimensionsmodus.

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