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Saron hatte Ernst gemacht, was seine Versuche anging, doch noch bei Nugura zu kündigen. Er hatte ihr jetzt jede Woche den Datenkristall mit seinem Kündigungsschreiben vorgelegt, in der Hoffnung, sie irgendwann mürbe zu machen. Heute schien sich für ihn dieser Traum tatsächlich zu erfüllen, so dachte er zumindest, als ihn seine Vorgesetzte in ihr Büro rief und ihm all die Datenkristalle der letzten acht Wochen vorlegte. „Beabsichtigen Sie, mich durch Psychoterror dazu zu veranlassen, Ihnen doch noch die Kündigung auszusprechen?“, fragte Nugura mit fast lästerndem Tonfall. „Sea Federana.“, begann Saron eine Rede, die er für genau diesen Fall einstudiert hatte. „Sie wissen, dass die Genesianer nicht dulden, dass Angehörige des männlichen Geschlechts eine höhere Arbeit ausführen, als in den Minen Kristalle für die Energieversorgung der Antriebe ihrer Schiffe zu schürfen. Wenn die oberste Prätora herausbekommen sollte, dass Sie mich noch immer als Ihren Sekretär beschäftigen, könnte dies auch sehr unangenehm für Sie werden. Sie könnten Ihren Posten verlieren und ebenfalls in einem genesianischen Gefangenenlager als Kristallwäscherin enden. Mir ist bekannt, dass die Genesianer weibliche Gefangene im Vergleich zu uns Männern sehr privilegiert behandeln. Aber ich gehe nicht davon aus, dass Ihnen das Leben in einer Zelle sehr gefallen wird. Deshalb sollten Sie in Ihrem eigenen Interesse meiner Bitte um Kündigung Folge leisten. Damit schützen Sie nur sich selbst. Ich werde schon in irgendeiner Mine einen Job finden können.“ Er verstummte. „Sind Sie fertig?!“, erwiderte Nugura streng. Saron nickte. Dabei fühlte er sich wie ein kleiner Junge, der gerade etwas Verbotenes getan hatte und von seiner Mutter erwischt und ausgeschimpft worden war. „Dann will ich Ihnen jetzt mal was sagen, mein guter Saron. Sie kennen mich am besten. Sie wissen, dass ich mich nicht von Sytania und ihrem neuen Komplizen mit einer falschen Zeitlinie in die Knie zwingen lasse und dazu gehört auch, dass ich meinen besten Sekretär weiter beschäftigen werde. Wir werden einige Arrangements treffen müssen, aber im Hintergrund, mein lieber Saron, werden Sie immer derjenige sein, der für mich die Informationen heranholt und so weiter. Ich werde so einen cleveren Kopf wie Sie doch nicht einfach rausschmeißen, nur weil die momentane Zeitlinie es gebietet, die noch dazu gar nicht korrekt ist. Wenn Sie in einer Mine endeten, das wäre ja wie Perlen vor die Säue werfen. So etwas tue ich nicht. Das dürften Sie wissen. Ich weiß, dass ich dabei meine eigene Freiheit riskiere, aber das ist es mir wert.“ „Hoffentlich denkt der Rest des Parlaments genau so.“, sagte Saron mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Er wusste längst von der Sitzung, die von der Vizepräsidentin aufgrund des Problems Granger anberaumt worden war.

Agatha von Angel One war in der neuen Zeitlinie jetzt Nuguras Stellvertreterin geworden. Ihr gefiel es gar nicht, dass Kissara herumschnüffelte. Sie hätte ja unter Umständen zu viel herausbekommen können und das passte nicht in ihr Konzept. Agatha war mit der Zeitlinie, wie sie jetzt war, sehr zufrieden. Wer die Entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhänge um ihren Planeten kannte, wusste genau, dass sie das Streben der Männer nach Gleichberechtigung dort nicht dulden würde. Dies hatte vor ca. 800 Jahren mit dem Stranden von Überlebenden der Odin begonnen und die Enterprise unter Picard hatte einen Teil der Entwicklung mit angesehen und Riker hatte durch einen geschickten juristischen Schachzug die Männer der Odin vor dem Tode bewahrt, was die Entwicklung, die Agatha so hasste, weiter vorangetrieben hatte. In ihren Augen war das damalige Regierungsoberhaupt Beata schwach gewesen und so hatte sie sich den Tag herbeigesehnt, an dem Angel One nicht nur warpfähig geworden und in die Föderation aufgenommen worden war, sondern noch eher den Tag, an dem die Genesianer das Regiment dort übernommen hatten. Sie hatte die Kriegerinnen mit offenen Armen empfangen und ihnen bereitwillig ihren Planeten übergeben.

„Also gut.“, sagte Saron. „Ich werde bleiben. Aber Sie sollten auf Ihre neue Vizepräsidentin achten, Madam President.“ „Meine neue Vizepräsidentin?“, fragte Nugura. „Wer ist das? Wir sollten ohnehin die neue Zusammensetzung des Parlaments noch einmal durchgehen, damit ich keine Fehler mache. Rufen Sie mir die Profile auf, Mr. Saron. Ich leihe Ihnen mein Kennwort und meinen Benutzernamen, damit die Genesianer nicht misstrauisch werden können. Also, hören Sie zu.“

Sie flüsterte ihm beides ins Ohr, worauf er es in die Konsole auf ihrem Schreibtisch eingab. Dann suchte er die entsprechende Datei aus dem Rechner, die alle Profile der Parlamentsmitglieder enthielt. „Danke, Mr. Saron.“, sagte Nugura und begann mit dem Blättern. Saron schaute ihr über die Schulter und bemerkte bald, dass sie lange bei dem Profil von Agatha inne hielt. „Das Staatsoberhaupt von Angel One.“, sagte Nugura halblaut. „Interessant. Könnte es sein, Saron, dass sie die so dringende Sitzung anberaumt hat, die hier in meinem Terminkalender steht?“ „Davon gehe ich aus.“, sagte Saron. „Zumal das einzige Thema auf der Sitzung die USS Granger sein wird. In Ihrem Verzeichnis befindet sich eine entsprechende SITCH-Mail.“ „Die habe ich gesehen, Saron.“, sagte Nugura. „Agatha würde von der Zeitlinie, wie sie jetzt ist, sehr profitieren. Sie hat auf Angel One die Zustände hergestellt, hinter denen man dort, zumindest auf Seiten von Hardlinerinnen wie Agatha, immer noch her trauert. Das hätte sich Riker sicher nicht träumen lassen, als er damals die Überlebenden der Odin rauspaukte.“ „Wie reden Sie denn?!“, tadelte Nugura. „Aber im Prinzip haben Sie Recht. Da sieht man mal wieder, dass die oberste Direktive auch ihren Sinn hat. Aber andererseits hätte sie nicht gegriffen, weil es sich um Bürger der Föderation gehandelt hat, die dort durch ein Unglück abgestürzt waren. Die Situation der Enterprise war schwierig und man kann später immer leicht urteilen, ob es besser gewesen wäre, wenn sie nicht eingegriffen hätte oder doch. Jetzt müssen wir mit den Konsequenzen dieser Entscheidung leben. Riker konnte nicht in die Zukunft sehen und konnte nicht wissen, dass eines Tages sich die Zeitlinie verändert und die Genesianer … Sie wissen schon. Aber Sie haben Recht. Auf Agatha werde ich ein Auge während der Sitzung haben. Hoffen wir, dass sie nicht zu viele der anderen Staatsoberhäupter auf ihrer Seite hat. Sehen Sie, wie nötig ich Sie brauche, mein guter Saron? Nur durch die Diskussion mit Ihnen bin ich gewarnt und kann mich somit entsprechend vorbereiten. Irgendjemand, für den diese Zeitlinie normal ist, hätte mir niemals so gut helfen können. So und jetzt gehen Sie in Ihr Büro zurück und packen alles für das Protokollführen zusammen. Ich beabsichtige nämlich, Sie trotz aller Widerstände mitzunehmen. Sie werden zwar abseits sitzen, aber Sie werden alles mitbekommen können.“ „Also gut, Madam President.“, sagte Saron und wandte sich zum Gehen. Er hatte trotz der Versicherungen seiner Vorgesetzten ein höchst merkwürdiges Gefühl bei der Sache. Er ahnte wohl schon, wie die Sitzung ausgehen würde und das war bestimmt nicht die Art von Ausgang, die Nugura sich wünschte. Er konnte sich vorstellen, dass Agatha wohl noch viele der anderen Parlamentarierinnen auf ihre Seite ziehen könnte, da diese sicher auch gern ihre Posten behalten würden. Die jetzige Zeitlinie wäre dabei sehr hilfreich. Nur die Granger müsste gestoppt werden, damit alles bleiben könnte wie es jetzt war. Agatha würde, so schätzte Saron sie auf jeden Fall ein, jedes Mittel benutzen, um dieses Ziel zu erreichen. Als Frau hatte sie ja ohnehin den Ruf, sehr raffiniert zu sein. Aber sie war in Wahrheit ein Ausbund an Raffiniertheit. Saron dachte sich, dass sie wohl auch vor einer Art psychologischer Kriegsführung nicht zurückschrecken würde, um die anderen auf ihre Seite zu ziehen. Der politisch interessierte Sekretär wusste auch, dass die Föderation keine präsidiale, sondern eine parlamentarische Demokratie hatte, in der die Entscheidung der Mehrheit die Politik bestimmte. Er hoffte nur, dass sich auch Nugura an diesen Umstand erinnern würde und Agatha in rednerischer Hinsicht die Stirn bieten konnte, um wenigstens so viele Stimmen für sich zu gewinnen, dass ein Patt dabei herauskäme. anders würde sie Kissara nicht schützen können.

Maron hatte sich zum Nachdenken in einen der Aufenthaltsräume der Station zurückgezogen. Eigentlich wäre sein Quartier eine bessere Wahl gewesen, denn dort wäre er garantiert allein geblieben, aber aus Gründen, die wahrscheinlich noch nicht einmal er kannte, hatte er es unterbewusst vorgezogen, ebendiesen Aufenthaltsraum aufzusuchen. Vielleicht fand sein Unterbewusstsein es besser, wenn wenigstens die Chance bestand, dass er nicht allein bleiben würde. Viele Gedanken gingen dem Demetaner durch den Kopf. Gedanken, die sich hauptsächlich mit dem Plan seiner Vorgesetzten beschäftigten, die Genesianer hinters Licht zu führen. Nachdem Joran und Jenna von ihrer Patrouille zurück waren, hatte Zirell Maron gegenüber angemerkt: „Siehst du, wie gut das gelaufen ist? Die Beiden sind sogar einem genesianischen Schiff begegnet und es ist nichts passiert. Die Genesianer scheinen uns aus der Hand zu fressen. Also solltest du deine Angst auch aus der nächsten Luftschleuse werfen. Sie ist völlig unbegründet, Maron. Völlig unbegründet.“

So sicher wie sie war sich der erste Offizier jedoch nicht. Wie er schon festgestellt hatte, war das Außenteam in einer Zusammensetzung gewesen, in der die Story, man würde den Antrieb testen, auch tatsächlich wahr sein könnte. Aber bei Nidell und Shimar sehe das schon anders aus. Er würde sich einen Plan überlegen müssen, mit dem er Zirell wachrütteln konnte. Aber dabei würde er dieses Mal Hilfe benötigen. Seine demetanische Verschlagenheit allein würde nicht ausreichen und er wusste aber auch schon, von wem er diese Hilfe bekommen konnte. Joran würde er jetzt nicht belästigen. Der würde nach seiner Schicht sicher ausruhen wollen. Aber wenn er den Dienstplan richtig interpretierte, war jetzt Shimar mit einer Patrouille dran und der verbrachte die Zeit vorher gern genau hier. Er würde ihm also genau in die Arme laufen.

Maron replizierte zwei Milchkaffee und wartete dann wie eine Katze vor dem Mauseloch auf die Ankunft seines Komplizen in Spee. Er gab einen erleichterten Seufzer von sich, als sich endlich die Tür öffnete. Dann wurde er des jungen Patrouillenfliegers ansichtig, der soeben den Raum betreten hatte. Auch Shimar sah Maron an und man konnte meinen, er sei fast etwas verwirrt gewesen. „Du hier.“, staunte Shimar. „Ja, ich bin hier!“, sagte Maron nervös. „Na das ist ja echt ungewöhnlich.“, meinte Shimar. „Ich überlege ernsthaft, das in mein persönliches Diary einzutragen als Merkwürdigkeit des Tages.“ „Mach was du willst!“, sagte Maron immer nervöser werdend. „Aber ich wäre dir jetzt wirklich dankbar, wenn du deinen Hintern hierher schwingen würdest und bitte nicht so laut. Ich habe Schwierigkeiten!“ „Na dann.“, flapste Shimar und schlenderte mit schwingenden Armen zu seinem Vorgesetzten hinüber, um sich dann schlaksig auf einen Stuhl ihm gegenüber fallen zu lassen.

Er sah Maron von oben bis unten an und fragte dann: „Was ist denn los? Soweit ich das hier beurteilen kann, bist du zwar geistig etwas in Aufruhr, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du von mir verlangst, telepathisch deine Gedanken zu ordnen. Wenn ich damit nämlich erst mal anfange, dann könnte das unangenehm werden. Ich glaube, da hilft ein gutes Buch oder eine Runde Musik besser.“ „Wenn du schon in meinem Kopf bist.“, sagte Maron. „Dann weißt du ja, worum es geht.“ „Oh, ja.“, entgegnete Shimar. „Aber ich sage dir eins. Bei Zirell einen Job loszuwerden ist schwerer, als einen voll beladenen Frachter durch einen Raumstrudel zu fliegen. Das könnte ich wohl hinkriegen, aber alles andere …“ „Aber bei genau diesem komplizierten anderen Vorgang brauche ich deine Hilfe.“, sagte Maron und zog nervös an seinem Strohhalm. „OK.“, sagte Shimar und stützte die linke Hand auf dem Tisch neben seinem Glas auf. „Mir ist ja auch klar, dass diese Sache nicht gutgehen kann. Deshalb werde ich Vorkehrungen treffen, falls uns etwas passieren sollte.“ „Was für Vorkehrungen sind das?“, wollte der erste Offizier wissen, der jetzt sehr hellhörig geworden war. „Was sagt dir das Vermächtnisprotokoll?“, fragte Shimar grinsend. „Gar nichts.“, gab Maron zu, wurde aber immer entspannter, denn er hatte das Gefühl, dass ihm sein telepathischer Untergebener gerade die Art von Seelenmassage gab, die er jetzt gut gebrauchen konnte. „Es gibt einen Befehl.“, begann Shimar. „Wenn man den gegenüber IDUSA ausspricht, muss sie alles ausführen, was diesem Befehl folgt, sobald der Fall, für den der Befehl gilt, eingetreten ist. Nur der, der diesen Befehl ausgesprochen hat, oder eine Änderung der Ausgangssituation, können ihn aufheben.“ „Uff!“, machte Maron. „Das ist mir zu kompliziert. Kannst du das mal an einem Beispiel verdeutlichen?“ „Sicher.“, sagte Shimar cool und setzte sein Glas ab, das er zuvor angesetzt hatte, um den Rest auszutrinken. „Wenn wir unterwegs sind, werde ich IDUSA befehlen, eben dieses Protokoll auszuführen und ihr unter dieser Voraussetzung sagen, sie soll Nidell beschützen und sie zur Station zurückbringen. Dann soll sie dir alles sagen, was sie gesehen hat.“ „Der Schutzbefehl.“, sagte Maron nachdenklich. „Du weißt, dass IDUSA dann auch von Mitteln Gebrauch machen darf, die von normalen Kriegskonventionen abweichen, wenn sie muss.“ „Ich weiß.“, sagte Shimar. „Dann können wir nur hoffen, dass die Genesianer sie nicht dazu zwingen. Ich weiß auch und das sicher besser als du, Sternenflottenoffizier, dass der Schutzbefehl stärkere Konsequenzen hat als der reine Verteidigungsbefehl. Ich habe auch nicht vergessen, dass wir vermuten, dass die Genesianer nur benutzt worden sind.“ „Dann ist ja gut.“, sagte Maron erleichtert.

Die Sprechanlage beendete die Unterhaltung der Männer abrupt. „Ich antworte schon.“, sagte Shimar, der näher am Terminal saß. „Ich bin sowieso sicher, das ist für mich.“ Er nahm das Mikrofon in die Hand: „Shimar hier.“ „Hier ist Nidell.“, antwortete eine helle leise Stimme aus dem Lautsprecher. „IDUSA und ich warten auf dich an ihrem Andockplatz. Kommst du?“ „Warte!“, entgegnete Shimar. „Bin unterwegs.“ Er hängte das Mikrofon wieder ein und drehte sich ein letztes Mal Maron zu. „Danke für den Kaffee. Wird schon schiefgehen.“ „Hoffentlich nicht.“, antwortete der erste Offizier. „Hoffen wir mal, dass dieser Kaffee nicht unser letzter gemeinsamer war.“ „Hör auf zu unken.“, lächelte Shimar im Gehen.

Shannon stand mit Nidell an der Luke zu IDUSAs Cockpit, als Shimar den Gang zu den Andockplätzen betrat. „Na hoffentlich kommt ihr lebend wieder.“, flapste die blonde Irin. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Genesianer die Geschichte mit dem Antriebstest ein zweites Mal schlucken. Zumal dann nicht, wenn 'ne Krankenschwester mitfliegt.“ „Zirell meint.“, erwiderte Nidell. „Dass die Genesianer nicht darauf achten werden, welches Rangabzeichen die Frau trägt, die bei Shimar ist. Sie ist sicher, dass sie uns vertrauen.“ „Und du?“, fragte Shannon, die von Jenna entsprechend gewarnt worden war. „Bist du dessen auch sicher?“

Nidell schluckte. Shannons Frage war für sie wie ein Stich in die Magengrube. Sie war eigentlich nie diejenige gewesen, die eine Entscheidung eines Vorgesetzten und schon gar nicht die eines Stationskommandanten, in Frage gestellt hatte. Dennoch wusste Nidell, dass sie gegenüber ihrer Freundin Shannon ehrlich sein konnte. „Wenn du meine ehrliche Meinung hören willst.“, sagte sie mit einem gehörigen Kloß im Hals. „Dann bin ich nicht wirklich sicher, ob nicht die Genesianer irgendwas planen. Unter Umständen haben sie Jenna und Joran nur ziehen lassen, um uns in falscher Sicherheit zu wiegen. Wenn wir nur den kleinsten Fehler machen, werden sie zuschlagen.“ „Da bin ich mir auch sicher.“, sagte Shannon. „Die sind nämlich nich’ aus Dummsdorf.“

Im gleichen Moment gesellte sich Shimar zu den Frauen und übermittelte Nidell etwas telepathisches auf Tindaranisch, worauf sie wieder zu lächeln begann. „Wir müssen jetzt, Shannon.“, sagte sie noch zu ihrer Freundin, bevor sie mit ihm ins Shuttle stieg und sie abdockten. „Schon OK!“, rief die blonde Irin ihr noch hinterher. „Pass auf dich auf und auch auf Shimar!“ Dann murmelte sie: „Möchte ja gerne mal wissen, womit der ihre Stimmung wieder aufgeheitert hat. Wenn ich das schon nich’ schaffe … na ja.“ Sie ging wieder an ihre Arbeit.

Ginalla und Kamurus waren in der Nähe von Zirells Basis aus dem Interdimensionsmodus gegangen und suchten jetzt das tindaranische Sonnensystem nach Anomalien ab, die Kamurus’ Aussage, die er von dem Geistwesen erhalten hatte, bestätigen könnten. „Ginalla, ich registriere genesianische Antriebsspuren, die darauf hindeuten, dass kürzlich ein genesianisches Schiff hier war oder noch ist.“, meldete Kamurus. „Was?“, fragte die Celsianerin erstaunt. „Die Spuren deuten darauf hin, dass sich das Schiff über dem Pol eines Planeten in der Nähe versteckt hat, zumindest, wenn ich ihren Kurs richtig extrapoliert habe.“ „Komisch.“, flapste Ginalla. „Das is’ sonst eigentlich nich’ die feine genesianische Art. Die lieben doch normalerweise die Konfrontation. Ferengi würden Fallen stellen. Aber Klingonen und Genesianer lieben doch eigentlich den ehrlichen Kampf. Was is’ mit denen los?“ „Der Einfluss eines Mächtigen ist mit denen los, Ginalla!“, erklärte das Schiff mit Überzeugung. „Ich habe dir doch alles gesagt, was mir das Geistwesen berichtet hat.“ „Das hast du.“, bestätigte sie. „Und ich hätte nich’ übel Lust, die Genesianer mal so richtig aufzuklären.“ „Das sollten wir lassen.“, warnte Kamurus. „Außer der Aussage des Geistwesens gegenüber mir haben wir keine Beweise und ich schätze die psychische Situation dieser Prätora im Moment so ein, dass sie uns kein Wort glauben und uns eventuell noch angreifen würde. Dann wären wir beide gefährdet und keiner von uns könnte die wichtigen Informationen mehr zu Leuten bringen, die etwas damit anfangen könnten.“ „Schon klar.“, sagte Ginalla. „Damit du den Helden spielen könntest, müssten wir uns trennen, damit wenigstens einer 'ne Chance zum Durchkommen hat.“

Kamurus wendete ohne Vorwarnung. Derartige Manöver war Ginalla mittlerweile von ihm gewohnt, also fragte sie nicht länger nach. Sie wusste, er würde es ihr schon erklären. „Ich registriere eine uns sehr gut bekannte IDUSA-Einheit. Zwei tindaranische Biozeichen sind an Bord. Das Eine ist weiblich und das andere männlich. Ich denke, das Männliche kennst du sehr gut.“, erklärte Kamurus sein Verhalten und zeigte Ginalla ein Bild des Schiffsinneren von IDUSA auf dem virtuellen Schirm. „Das is’ doch unser Soldat!“, rief Ginalla erschrocken aus. „Wenn du mit den Genesianern Recht hast, rennt der genau in 'ne Falle. Schnell, Kamurus, verbinde mich mit ihm, damit ich ihn warnen kann!“ „Wie du möchtest.“, sagte der Schiffsavatar und stellte die Verbindung her.

An Bord von IDUSA war man ebenso überrascht, Ginallas Ruf entgegenzunehmen. Auch das tindaranische Schiff hatte mit ihrer Besatzung ein ähnliches Gespräch geführt, nur waren IDUSA die genesianischen Antriebsspuren völlig entgangen. „Was machst du denn hier, Ginalla?!“, fragte Shimar erstaunt. „Ich muss eigentlich ganz schnell gegenüber jemandem aussagen und mein Schiff auch. Wir wissen, was hier vorgeht, Soldat, ich meine, Shimar. Kamurus hatte eine Begegnung, die alles aufklären könnte. Aber ich muss auch mal gegenüber dir gute Fee spielen und dich warnen. Pass auf die Genesianer auf! Kamurus weiß nicht genau, wo sie sind, aber sie haben sich hier irgendwo versteckt. Er glaubt, sie seien über irgendeinem Pol eines Planeten und warten nur auf dich.“ „Keine Angst, Ginalla.“, versicherte Shimar. „Ich bin nicht allein.“ Er hielt das Mikrofon in Nidells Richtung. „Na, deine Sanitäterin wird wohl kaum als Alibi herhalten können. Die Genesianer sind nich’ blöd. Die kennen auch was von Rangabzeichen. Die werden mitkriegen, dass sie verarscht werden sollen. Kehr lieber um. Ich sag’s dir.“ Damit beendete sie die Verbindung.

Nidell erschauerte. Der jungen intelligenten Tindaranerin war durchaus klar, dass Ginalla Recht haben konnte, wenn es hier wirklich Genesianer gab. „Wir sollten tun, was sie sagt.“, schlug sie vor. „Ich habe keine Lust auf genesianische Kriegsgefangenschaft und du bestimmt auch nicht. Die sollen ja mit Männern noch schändlicher umgehen, als mit Frauen, habe ich gehört. Bitte, Shimar.“ „Und was soll ich Zirell sagen?“, entgegnete Shimar. „Die wird doch sicher wissen wollen, warum wir zu früh zurückgekommen sind. Aber vielleicht war das ja auch nur ein übler Scherz von Ginalla. IDUSA, gibt es hier in der Nähe genesianische Schiffe?“ „Ich kann keine sehen.“, erwiderte der Schiffsavatar, die beide Reaktionstabellen geladen hatte. „Aber das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass keine hier sind. An der Stelle, an der Jenna und Joran mit mir den Genesianern begegnet sind, gibt es keinen Anhalt für die Benutzung eines interdimensionalen Antriebs. Das könnte bedeuten, dass sie noch hier sind, zumal die Reste, die ich jetzt auch sehe, darauf hindeuten könnten, dass sie sich wirklich über dem Pol eines Planeten versteckt haben, obwohl dies eigentlich für Genesianer ein untypisches Verhalten ist. Aber anscheinend sind sie in dieser neuen Zeitlinie ja unberechenbar.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Dann werden wir mal Vorsicht walten lassen. IDUSA, Vermächtnisprotokoll ausführen! Befehlscode: Shimar, S, 6, 5, 3, 2, 9, 0. Aufzeichnen!“ „Code akzeptiert, beginne Aufzeichnung.“, erwiderte IDUSA. „Sollte mir etwas passieren, beschützt du Nidell und bringst sie zur Station zurück. Dann sagst du gegenüber Maron aus, was geschehen ist. Aufzeichnung beenden!“ „Aufzeichnung ist beendet. Vermächtnisprotokoll in Bereitschaft.“, sagte IDUSA. Nidell, die ebenfalls den tindaranischen Streitkräften angehörte und somit auch Informationen über das hatte, was Shimar gerade eingeleitet hatte, atmete erleichtert auf.

An Bord der Canara, die zweifelsfrei für die Spuren verantwortlich war, die Kamurus gesehen hatte, sah man jetzt auch das Vorgehen des tindaranischen Schiffes. „Sie sind wieder auf Patrouille.“, meldete Hera. „Aber dieses Mal scheint etwas anders.“ „Was meinst du damit, dass dieses Mal etwas anders sei, Hera.“, fragte Yanista, der schier der Speichel vor Schadenfreude aus dem Mund laufen wollte. An der Betonung ihrer Untergebenen hatte sie bemerkt, dass diese ihr etwas sagen wollte.

Hera lächelte und schaltete den Inhalt des Sichtschirms der Flugkonsole auf den Hauptschirm. „Seht Ihr die zwei tindaranischen Biozeichen, Prätora?“, fragte sie. „Sie deuten darauf hin, dass es sich um zwei Telepathen handelt.“ „Das bedeutet, wir können mit der Rosannium-Waffe etwas erreichen!“, frohlockte Yanista. „Die hat ja die angenehme Eigenschaft, Materie nicht zu zerstören, aber wenn Rosannium auf telepathische Energie trifft, dann …“ „Genau aus dem Grund habe ich Euch dies ja auch gemeldet, Prätora.“, schmeichelte Hera. „Das hast du sehr gut gemacht.“, sagte Yanista lobend. „Jetzt werden wir hoffentlich dieser Zirell bald zeigen können, dass sich Yanista vom Clan der Vetash nicht hereinlegen lässt!“ Sie wandte sich an Lynea, ihre Waffenoffizierin, eine ca. 1,70 messende Kriegerin mit roten Haaren, die sie wie einen Flammenkranz um ihren Kopf trug. „Lade die Rosannium-Waffe und ziele schon mal auf das Tindaranerschiff! Und du, Hera, bring uns so nah ran, dass wir ein Bild vom Inneren des Schiffes bekommen können. Ich will zu gern wissen, mit wem diese Zirell uns dieses Mal zu narren versucht.“ Yanistas Untergebene nickten, während sie ihre Befehle ausführten.

Kamurus hatte Ginalla gezeigt, was ihm seine Sensoren über die Taktik der Genesianer verraten hatten. „Schleichen sich an wie Diebe in der Nacht.“, sagte die Celsianerin abfällig. „Das is’ doch sonst nich’ deren Taktik. Aber was die können, kann ich auch. Komm, Kamurus, wir suchen uns auch ein schönes Versteck und beobachten die Genesianer. Wer weiß, vielleicht können wir ja sogar noch helfen.“ Damit gab sie dem Schiff den Gedankenbefehl zum Setzen eines Kurses, der sie ebenfalls über den Pol eines tindaranischen Nebenmondes brachte. Sie hatte geplant, aus dieser Deckung hervorzuschnellen, falls IDUSA und ihre Besatzung sie brauchen würden. Der Tatsache, dass dieser Fall bald eintreten würde, war Ginalla sich sicher.

Hera hatte die Canara jetzt nah genug für einen Scann des Schiffsinneren an IDUSA herangebracht. „Wir haben ein Bild, Prätora.“, verkündete die junge Flugoffizierin stolz, die sich mit dem Schiff in IDUSAs totem Winkel angenähert hatte. „Stell es auf den Schirm!“, befahl Yanista. Nachdem Hera dem Befehl Folge geleistet hatte, konnte sie jedoch nur zwei unscharfe Gestalten erkennen. „Kriegst du das schärfer und größer?“, fragte sie. Hera nickte und nahm die notwendigen Einstellungen vor. Jetzt sah Yanista jedes Detail der Uniformen der zwei Tindaraner vor sich. Über Shimars Bild ging sie hinweg. Sie fand es zwar befremdlich, einen Mann in einer Fliegeruniform zu sehen, aber viel mehr interessierte sie das Bild der jungen Frau neben ihm. Genau sah sich Yanista das Abzeichen auf Nidells Schulter an. Sie sah den roten zur Hälfte durchgestrichenen Äskulapstab, der das Zeichen für eine medizinische Hilfskraft darstellte. Durchgestrichen war der Stab deshalb, weil es sich eben noch um keinen vollständig ausgebildeten Mediziner handelte. Nidell und alle medizinischen Assistenten hätten aber die Möglichkeit, die notwendige Prüfung irgendwann abzulegen und dann vielleicht eines Tages selbst Chefmediziner einer Station oder eines Schiffes zu werden. Das Rot der Platte, auf der sich das eigentliche Bild befand, signalisierte eine Berechtigung zum schnellen Eingreifen in Notfällen, die medizinische Belange ja durchaus mit sich bringen können.

„Eine Krankenschwester!“, lachte Yanista. „Nein, diese Zirell glaubt auch, dass ich auf alles hereinfalle. Aber jetzt werden wir ihr zeigen, dass sie da gründlich auf dem Holzweg ist. Feuer, Lynea! Und wenn du den Torpedo mit der Rosannium-Ladung abgefeuert hast, dann schieß noch einen Normalen in den Antrieb des Schiffes. Das macht meine Botschaft hoffentlich noch deutlicher.“ Lynea nickte und tat, was ihr Yanista gerade befohlen hatte. Die Prätora sah den Explosionen der Torpedos mit Freuden zu. „So.“, sagte sie dann. „Jetzt sagst du Veleta Bescheid, Hera. Sag ihr, sie soll den Tindaraner erfassen und direkt auf die Krankenstation beamen. Ariadne wird sich um den Rest kümmern. Dann bringen wir ihn nach Nura vier, wo Männer hingehören! und dann werden wir uns verabschieden. Bring uns wieder in unser Versteck.“

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