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„Hast du das gesehen?“, fragte Ginalla, der von Kamurus auch die letzten Aktionen der Genesianer gezeigt worden waren. „Ginalla, wenn du es gesehen hast, dann werde ich es ja wohl auch gesehen haben.“, erwiderte das Schiff. „Schließlich habe ich dir nur das gezeigt, was meine Sensoren wahrgenommen haben.“ „Schon klar.“, sagte die Celsianerin. „Spiel nich’ gleich die beleidigte Leberwurst. Das war auch mehr 'ne rhetorische Frage.“ „Verstehe.“, sagte Kamurus und ließ seinen Avatar ihr einen schmeichelnden Blick zuwerfen. „Du wolltest dein Erstaunen über die Tatsachen ausdrücken, die du gerade gesehen hast.“ „Stimmt.“, sagte Ginalla. „Was is’ mit dem Schiff und der Crew?“ „Der Antrieb der IDUSA-Einheit ist schwer beschädigt und die Crew ist nicht mehr vollständig.“, teilte Kamurus seiner Pilotin das Ergebnis seiner Analyse mit. „Was meinst du mit nich’ mehr ganz vollständig?!“, fragte Ginalla alarmiert. „Zeig es mir!“

Das selbstständig denkende Schiff stellte ihr die Bilder vom Inneren des Cockpits der IDUSA-Einheit auf den virtuellen Schirm. „Da is’ ja nur noch die Krankenschwester.“, sagte Ginalla flapsig. „Und die is’ auch noch bewusstlos. Kein Wunder, wenn man als Telepathin Rosannium ausgesetzt war. Lass uns hinfliegen und dann beam’ mich an Bord. Vielleicht kann ich was machen.“ „Ich halte dich für in der Lage, das Schiff zu reparieren.“, sagte Kamurus. „Aber ob du wirklich einer Bewusstlosen helfen kannst, wage ich zu bezweifeln.“ „Dann repariere ich eben das Schiff und dann fliegen wir so schnell es geht zur Heimatbasis der Tindaraner!“, sagte Ginalla mürrisch. „Außerdem habe ich ein Sprechgerät und du hast sicher auch Daten über Maßnahmen der ersten Hilfe in deiner Datenbank. Also, was soll uns passieren? Und nun los!“

Kamurus aktivierte seinen Antrieb. Er wusste, dass es sinnlos war, ihr zu widersprechen, zumal er sie ja auch nur getestet hatte, um ihr soziales Gewissen auf den Prüfstand zu stellen. Die Ginalla, die er von früher kannte, hätte sicher ganz anders reagiert.

Mit vollem Impuls näherte sich Kamurus jetzt IDUSA, die ihn aufgrund einer Beschädigung an den externen Sensoren zunächst nicht erkannte und die Schilde hob. „Schon gut.“, SITCHte er sie an. „Von mir droht weder dir noch deiner Insassin eine Gefahr. Du kennst mich. Ich bin es, IDUSA, dein Freund Kamurus. Ich schicke dir meine Pilotin. Sie wird dir und der Frau helfen.“ „Ich kann mir vorstellen, dass Ginalla in der Lage sein wird, mich zu reparieren.“, argumentierte IDUSA. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie eine Ausbildung in tindaranischer erster Hilfe hat.“ „Die hat sie auch nicht.“, gab Kamurus zu. „Aber ich kann sie über SITCH instruieren und im Notfall kannst du ihr sicher auch sagen, was zu tun ist.“

IDUSA senkte die Schilde. „Also gut.“, sagte sie. „Versuchen wir es. Ich hoffe nur, dass Ginalla keine Telepathin ist. Sonst liegt sie gleich neben Nidell. Ich war nicht in der Lage, die Strahlung des Rosannium, mit dem die Genesianer dieses Gebiet kontaminiert haben, zu filtern.“ „Weil du ihr immer noch ausgesetzt bist.“, erklärte Kamurus. „Rosannium kann Materie durchdringen, ohne sie zu zerstören. Ich werde dich in Schlepp nehmen und dich bis zu deiner Heimatbasis ziehen. Da wollten Ginalla und ich sowieso hin. Wir müssen euch nämlich etwas sagen. Ich beame Ginalla jetzt zu dir. Aber du weißt doch auch, dass die Celsianer keine Telepathen sind, für sie also keine Gefahr besteht.“ „Ich weiß im Moment gar nichts mehr.“, resignierte IDUSA. „Meine Systeme fallen eines nach dem anderen aus und ich habe doch Befehl, Nidell zu beschützen.“ „Keine Angst.“, tröstete Kamurus. „Das wird bald besser.“ Damit nahm er sie in den Traktorstrahl und beamte Ginalla hinüber.

Schnell hatte sich die junge Celsianerin in der fremden Kapsel zurechtgefunden. Sie wuchtete Nidells fast leblosen Körper auf die hintere Sitzbank im Cockpit. „So, jetzt habe ich dich erst mal aus dem Weg. Aber du siehst mir nich’ gerade gesund aus.“, sagte sie flapsig. „Das ist sie auch nicht.“, erklang eine weibliche künstlich anmutende Stimme aus dem Bordlautsprecher. „IDUSA?“, fragte Ginalla und drehte sich zum Bordmikrofon. „Wer sonst.“, sagte der Schiffsrechner. „Also gut.“, sagte Ginalla. „Dann sollte ich mal sehen, dass ich dich wieder auf Vordermann kriege. Wo tut’s denn weh?“ „Sie sollten sich zunächst um Nidell kümmern.“, schlug IDUSA vor. „Machst du Witze?“, fragte Ginalla. „Ich weiß doch gar nich’, wie so was geht. Am Ende mache ich was falsch und dann steht sie vor der tindaranischen Himmelstür.“ „Ich kann Sie anleiten.“, sagte IDUSA und replizierte ein Überlebenspaket. Ginalla nahm es aus dem Auswurffach des Replikators. „Was soll ich damit?“, fragte sie. „Legen Sie es Nidell bitte an.“, bat IDUSA freundlich. Ginalla nickte und setzte Nidell die Maske auf. „Schalten Sie die Bedieneinheit auf automatische Beatmung.“, erklärte das Schiff weiter. „Nidell muss Luft atmen, die frei von Rosannium ist.“ „Verstehe.“, sagte Ginalla. „Damit das ganze Zeug aus ihren Lungen raus kommt und ihren Körper nich’ weiter vergiften kann. Also, wo haben wir denn den Menüpunkt? Ah ja. Da is’ er ja schon.“ Nach dem Anklicken des Punktes ließ Ginalla die Bedieneinheit des Überlebenspaketes vorsichtig auf die Kante der Bank sinken. „Kann ich sie jetzt so liegen lassen?“, fragte sie. „Das können Sie.“, sagte IDUSA, nachdem sie mit ihren Sensoren Nidells Zustand überprüft hatte.

„OK.“, sagte die technisch versierte Celsianerin, die sich mit dem, was jetzt auf sie zukommen sollte, sichtlich wohler fühlte und zog ihren Neurokoppler aus der Tasche, den sie bis zu diesem Zeitpunkt aus Gründen der Bewegungsfreiheit noch nicht benutzt hatte, um ihn sogleich anzuschließen. IDUSA lud sofort die Reaktionstabelle, die sie bei ihrem letzten Zusammentreffen von ihr erstellt hatte und zeigte ihr die technische Konsole. „Uff.“, machte Ginalla. „Dieser genesianische Torpedo hat dich ganz schön zugerichtet. Wir werden eine Menge Ersatzteile brauchen. Hoffentlich funktioniert dein Replikator. Huch?“

Sie hörte hinter sich ein Geräusch und sah dann einen riesigen Kasten mit Werkzeug und Ersatzteilen. Dann hörte sie ein Signal in ihrem Sprechgerät. „Was geht, Kamurus?“, meldete sie sich flapsig. „Ich habe dir alles, was du für IDUSAs Reparatur brauchst, repliziert und zu dir gebeamt. So mitgenommen, wie ihre Systeme sind, würde der Replikator sicher bei der Flut an Aufträgen zusammenbrechen.“ „Hey, danke.“, grinste Ginalla. „Man könnte ja glatt meinen, du hättest was für IDUSA übrig. Habe ich etwa einen verliebten Kater als Raumschiff?“ „Ich gehöre zu Sharie mit Hard- und Software.“, erwiderte Kamurus. Damit meinte er das Gleiche, als würden wir sagen, dass wir uns mit ganzem Herzen dem Partner zugehörig fühlen, in den wir verliebt sind. „Zwischen IDUSA und mir ist nur reine Freundschaft. Aber warum soll man einer guten Freundin nicht helfen, wenn sie in Not ist und das ist IDUSA meines Erachtens. Ich finde es übrigens sehr löblich, dass du dein soziales Gewissen entdeckt hast, Ginalla.“ „So weit waren wir schon.“, wischte Ginalla sein Kompliment weg, während sie sich dem Inhalt des Koffers zuwandte.

Im nächsten Augenblick wurde sie aber durch ein Geräusch hinter sich aufgeschreckt. Sie drehte sich um und bemerkte, dass Nidell erwacht war und versuchte, sich die Maske vom Gesicht zu ziehen. „Hey, halt!“, sagte sie energisch. „Das darfst du noch nich’. Kamurus, darf sie das?“ „Ja, das darf sie.“, erwiderte das Schiff per Sprechgerät. „Wir sind außerhalb des gefährlichen Bereiches. Die Strahlung klingt langsam ab.“ „Dass sie das darf.“, scherzte Ginalla und versuchte verwundert zu tun.

Sie half der zierlichen Tindaranerin beim Entfernen der Maske. „Wer bist du?“, fragte Nidell benommen. „Ich bin Ginalla.“, stellte sie sich flapsig vor. „Mein Schiff und ich kamen zufällig vorbei, als die Genesianer euch fertig gemacht haben. Wir helfen euch jetzt. Ich denke, sie haben deinen Kumpel und dein Schiff is’ auch nich’ auf dem Damm. Aber das werde ich jetzt ändern.“

Nidell drehte sich um und sah zu, wie Ginalla mit geübtem Griff einige durchgebrannte Module entfernte. „Bist du Ingenieurin?“, fragte Nidell. „Ich bin Celsianerin.“, sagte Ginalla. „Das reicht. Ich bin Ginalla, der Schrecken aller Fehlerquellen. Die stellen sich mir sogar freiwillig, weil sie der Blamage entgehen wollen, von mir eigenhändig an die Luft gezerrt zu werden.“ „Und witzig bist du auch.“, lachte Nidell und setzte sich auf. „Das liegt auch in der celsianischen Natur.“, entgegnete Ginalla und schloss eine letzte Abdeckung. „So, jetzt mach mal 'ne Selbstdiagnose, IDUSA.“, sagte sie stolz. „Es geht mir wieder gut.“, sagte IDUSA und ihr Avatar, der Ginalla vorher mit blassem Gesicht entgegengetreten war, bekam wieder rosige Wangen. „Sag deinem Schiff bitte, er soll den Traktorstrahl lösen. Ich kann jetzt aus eigener Kraft den Weg zu unserer Station antreten.“ „Na so was.“, sagte Ginalla. „Da wollten wir auch gerade hin. Betrachte es doch einfach als Service. Die gute Nidell liefern wir dann auch gleich auf der Krankenstation ab.“ Der Avatar grinste.

Joran, Zirell und Maron hatten ihre Plätze in der Kommandozentrale der Station eingenommen. Falls eine genesianische Patrouille mit ihnen hätte reden wollen, hatte Jenna IDUSA so programmiert, dass sie das Gespräch automatisch an Zirell durchstellen würde.

„Anführerin Zirell.“, bat Joran plötzlich um die Aufmerksamkeit der Angesprochenen. „IDUSA meldet sich. Sie sagt, sie sei im Schlepp von Kamurus. Ginalla habe Nidell behandelt und sie müsse sofort mit Agent Maron reden. Es dulde keinen Aufschub.“ „Gib sie mir!“, befahl die Tindaranerin, die angesichts der Schilderungen des Vendar sehr alarmiert war. „Wie du wünschst.“, sagte Joran und stellte die Verbindung her. „IDUSA, hier ist Zirell.“, wies sich diese gegenüber dem Schiffsavatar aus. „Was ist passiert?“ „Die Genesianer sind leider hinter Ihren Plan gekommen, Commander.“, analysierte IDUSA die Situation ohne Rücksicht auf diplomatische Schnörkel. „Sie haben Shimar. Auf mich wurde ein Torpedo mit Rosannium-Sprengkopf abgefeuert, den ich nicht kommen sehen konnte, da sie sich im toten Winkel meiner Sensoren genähert haben. Die Strahlung hat zur sofortigen Bewusstlosigkeit von Shimar und Nidell geführt. Dann schossen sie noch einen normalen Torpedo in meinen Antrieb. Wäre Ginalla nicht vorbeigekommen, hätte ich nicht zurückkehren können. Sie sagt, sie weiß alles und möchte gegenüber Agent Maron aussagen. Ich bin im Vermächtnisprotokoll. Bevor ich die mir aufgetragene Mission nicht erfüllt habe, kann ich zu keiner anderen genutzt werden.“ „Ich weiß.“, sagte Zirell. „Da hat Shimar wohl eine Vorahnung gehabt.“

Maron hatte sich die Sätze des Schiffes noch einmal durch den Kopf gehen lassen. „Ginalla?!“, fragte der erste Offizier ungläubig. „Will IDUSA damit etwa sagen, dass uns eine Zivilistin mit zweifelhaftem Ruf helfen wird, indem sie uns erklärt, was Sache ist?“ „Anscheinend.“, sagte Zirell. „Aber an deiner Stelle würde ich mir erst mal ihre Aussage anhören, bevor ich urteile. Übrigens wundert mich, dass du gar nicht wissen willst, was das Vermächtnisprotokoll eigentlich ist. Du fragst doch sonst immer nach jeder tindaranischen Besonderheit.“ „McKnight wird es mir schon erklären.“, sagte Maron, der sich ja irgendwie rausreden musste, denn wenn er zugegeben hätte, dass er mit Shimar konspiriert hatte, hätte ihm Zirell vielleicht noch so etwas wie Meuterei vorgeworfen.

Auf der Brücke der Canara im Versteck sah Prätora Yanista ihre Untergebenen zufrieden an. „Das haben wir gut hinbekommen.“, lobte sie. „Aber wie kommst du darauf, Mutter.“, fragte Minerva, die den Schluss ihrer Mutter nicht ganz nachvollziehen konnte. „Wir haben doch wieder nur einen gefangen, mit dem Shashana nichts anfangen kann.“ „Das macht in diesem Fall nichts, Minerva.“, erwiderte Yanista, der es in diesem Fall nicht unangenehm war, dass ihre Tochter ihr vor den anderen widersprochen hatte. Wie sonst würde Minerva auch lernen können. Diesen Umstand kannten auch die anderen Kriegerinnen und stuften die Tatsache deswegen auch nicht zu Yanistas Ungunsten ein, dass sie Minerva dafür nicht getadelt hatte. Die Erbprätora genoss nämlich in gewisser Weise noch eine Art Welpenschutz, der dafür sorgte, dass ein Widerspruch ihrerseits nicht gleich als Versuch ausgelegt wurde, die Macht an sich zu reißen und Yanista Schwäche zu bescheinigen, was wiederum dazu führen könnte, dass sich diese den Respekt der anderen Kriegerinnen durch hartes Durchgreifen zurückerobern musste.

„Denk mal nach.“, stellte Yanista ihrer Tochter eine Art Hausaufgabe. „Warum bin ich wohl vorgegangen, wie ich vorgegangen bin?“ „Du wolltest dieser Zirell eine Lektion erteilen, Mutter.“, überlegte die Erbprätora. „Wenn sie ihren besten Flieger verlöre, das träfe sie bis ins Mark. Dann wird sie sich nie wieder erlauben, uns hereinlegen zu wollen.“ „Richtig.“, lobte Yanista. „Es ging mir darum, ihr zu zeigen, vor wem sie Respekt zu haben hat. Dabei war es völlig nebensächlich, dass er wieder nur Frischfleisch für das Arbeitslager auf Nura vier ist. Ich denke, jetzt haben wir auch in Shashanas Augen unseren guten Ruf wieder hergestellt. Ich werde auf die Krankenstation gehen und ihn mir mal genauer ansehen. Er ist Tindaraner, also Telepath. Er dürfte, wenn wir das Nutzen seiner Fähigkeiten so weit eindämmen, dass er sie nur in dem Umfang nutzt, den wir ihm gestatten, keinen Erfasser bei der Arbeit benötigen. Energiehaltige Steinchen dürfte er auch so spüren können. Ariadne soll ihm ein entsprechendes Implantat einsetzen. Minerva, weil du meine Aufgabe so bravourös gelöst hast, darfst du die Brücke übernehmen.“ „Danke, Mutter.“, lächelte Minerva und sah Yanista beim Verlassen ebendieser zu.

Ariadne hatte Shimar vor sich auf dem Biobett liegen, als Yanista die Krankenstation betrat. Der Tindaraner war noch immer bewusstlos, was wohl an der hohen Dosis Rosannium lag, die er eingeatmet hatte. „Was wollen wir mit ihm, Prätora?“, fragte die Ärztin, die von Yanistas Plan nicht unterrichtet war. „Wir bringen ihn nach Nura vier.“, antwortete Yanista. Ariadne warf ihr einen fragenden Blick zu. „Ich weiß, was dich irritiert.“, sagte Yanista verständig. „Du fragst dich, warum wir wieder einmal einen an Bord haben, mit dem keine vernünftige Genesianerin etwas anfangen kann. Aber dieses Mal ging es gar nicht darum. Dieses Mal ging es um Respekt. Diese Zirell hat geglaubt, sie könnte uns narren, aber da hat sie sich getäuscht. Wenn wir das durchgehen lassen hätten, wären wir keine glaubhaften Eroberer. Schließlich können wir nicht erlauben, dass uns die Bewohner der besetzten Gebiete auf der Nase herumtanzen.“ „Da habt Ihr Recht, Prätora.“, stimmte Ariadne zu. „Aber wie wollt Ihr verhindern, dass er sich einfach von Nura vier nach Hause teleportiert?“ „Ich werde das nicht verhindern!“, sagte Yanista mit einem Lächeln. „Sondern du.“ „Verstehe.“, grinste die Ärztin gemein, holte ein medizinisches Gerät und eine Sonde, die zur Unterdrückung von Telepathie und dergleichen fähig war und stieß diese mit dem chirurgischen Werkzeug hart, ja sogar fast brutal zu nennen, durch Shimars Nase in seine Stirnhöhle. Er konnte froh sein, dass er bewusstlos war und somit davon nichts mitbekam. „So.“, sagte Ariadne und aktivierte die Sonde mit einer Art Fernsteuerung, die sie später an die Wärterinnen auf Nura vier übergeben würde. „In Ordnung.“, sagte Yanista, die alles mit angesehen hatte. „Dann werde ich Hera sagen, sie soll uns so schnell wie möglich nach Nura bringen.“

Ein besseres Los, zumindest, wenn man dies an der Qualität eines Aufenthaltes auf der Krankenstation maß, hatte wohl Nidell gezogen. Ishan, der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein, fand es nicht weiter verwunderlich, seine eigene Untergebene auf dem Tisch zu haben und zu behandeln. „Was genau ist passiert, Nidell?“, fragte er nüchtern, nachdem er bemerkt hatte, dass seine Assistentin bei Bewusstsein war. „Das kann ich dir nicht genau sagen.“, antwortete Nidell müde. „Shimar und ich sind einem genesianischen Patrouillenschiff begegnet. Das hat ohne Vorwarnung einen Torpedo mit einem Rosannium-Sprengkopf auf uns abgefeuert. IDUSA konnte nichts tun, noch nicht einmal die Schilde heben.“ Sie versuchte sich aufzusetzen. „Ruhig, Nidell.“, unterband Ishan den Versuch und drückte sie in die Kissen zurück. „Du hast eine Menge Rosannium in deinem Telepathiezentrum gehabt und die Reste müssen erst mal raus. Ich habe dir ein Medikament gespritzt, das den Abbau beschleunigt. Aber das hat die Nebenwirkung, dass es dir schwindelig werden wird. Du solltest also erst mal gar nicht ans Aufstehen denken. Übrigens, wer hat dich so professionell versorgt. Als ich dich an Bord von IDUSA fand, trugst du ein Überlebenspaket. Das kann Shimar ja wohl schlecht für dich repliziert haben, bevor er …“ „Das muss ich auch noch aussagen.“, sagte Nidell. „Die Genesianer haben Shimar. Zumindest ist Ginalla davon ausgegangen.“ „Ginalla.“, stellte Ishan fest. „Dann war es also ihr Schiff, das IDUSA zur Station gebracht hat. Ich gehe davon aus, dass Ginalla dir das Überlebenspaket verpasst hat, oder?“ „Ja.“, sagte Nidell. „Das hättest du ihr sicher nicht zugetraut, was?“ „Ich muss gestehen, dass ich das wirklich nicht hätte.“, gab Ishan zu. „In dem Bericht, den wir über sie haben, hat Shimar sie als ziemlich eigensüchtig beschrieben.“ „Er ging aber auch davon aus, dass es dafür einen Grund gibt und dass dies nicht wirklich ihr Charakter ist. Er hat damals geschrieben, er ginge davon aus, dass sie eine Art mentale Maske trug.“, korrigierte Nidell ihren Vorgesetzten. „Da hast du Recht.“, bestätigte Ishan. „Und nach Shimars Reise in Ginallas Seele hat sich ja auch herausgestellt, dass seine Vermutung gestimmt hat.“ „Genau.“, sagte Nidell. „Also, warum sollte sie dann nicht auch mir geholfen haben? Bitte hol Agent Maron. Ich möchte von ihm vernommen werden.“ „Du solltest erst einmal schlafen!“, bestand Ishan streng auf der Tatsache, dass sich seine Assistentin zunächst erholen sollte. „Ich bin deine Assistentin.“, sagte Nidell. „Ich kann selbst beurteilen, wie erholt ich schon wieder bin. Außerdem sind jetzt die Erinnerungen noch am frischesten.“ „Ach.“, machte Ishan. „Jetzt weiß ich, was an dem Spruch dran ist, dass Mediziner die schlimmsten Patienten sind. Aber ich bleibe dabei. Du solltest dich erst einmal ausruhen. Du magst zwar meine Assistentin sein, aber ich bin dein Vorgesetzter, kann also im Zweifel entscheiden, was du zu tun hast und jetzt entscheide ich, dass es besser für dich ist, dich zu erholen, bevor Maron dich vernimmt. Vorher lasse ich ihn nicht hier auf die Krankenstation, wo ich das Hausrecht habe.“ „Also gut, Ishan.“, sagte Nidell und war auch schon eingeschlafen. Die Müdigkeit hatte sie dann doch übermannt.

Jenna hatte sich um IDUSA gekümmert, die Kamurus an ihrem gewohnten Andockplatz sozusagen vom Haken gelassen hatte. „Diese Ginalla hat dich sehr gut repariert.“, staunte Jenna. „Wen wundert das?“, sagte IDUSA. „Sie ist Celsianerin und denen ist die technische Begabung in die Wiege gelegt.“ „Das stimmt.“, lächelte die hoch intelligente Halbschottin.

Sie schloss ein Diagnosepad an IDUSAs Wartungsbuchse an. „Du bist im Vermächtnisprotokoll.“, stellte sie fest. „Laut Kommandocode, der verwendet wurde, hat Shimar das eingeleitet. Er muss vorausgesehen haben, was passieren würde.“ „Kann sein.“, sagte IDUSA. „Zumindest ist das die einzige logische Erklärung für sein Verhalten.“ „Dann werde ich mal besser Agent Maron Bescheid geben, damit du bald wieder normal funktionieren kannst, IDUSA.“, sagte sie. Jenna wusste, dass das Vermächtnisprotokoll jede andere Mission verhinderte, da eine IDUSA-Einheit in diesem Modus primär das Ziel hat, dieses zunächst auszuführen. Dafür hatte sie sich zu lange mit tindaranischer Technologie beschäftigt. Sie machte sich also auf den Weg zur Brücke, denn auch Zirell würde sie einen Bericht abgeben müssen. Wenn sie dies in einem Aufwasch mit dem Informieren des ersten Offiziers erledigen konnte, kam ihr das sehr entgegen. Jenna war immer schon eine Freundin effizienter Lösungen gewesen.

Telzan hatte mit Beunruhigung beobachtet, was sich im tindaranischen Universum abgespielt hatte. Über die Einmischung der Genesianer war er bis zu einem bestimmten Punkt froh, konnte sich aber mit dem Ausgang der Situation nicht wirklich anfreunden. „Diese Verdammte Celsianerin!“, zischte er Sytania zu, die das Ganze mit ihm durch den Kontaktkelch mit angesehen hatte. „Mach dir keine Sorgen.“, sagte die imperianische Prinzessin tröstend. „Ginalla hat keinen sehr guten Ruf in der Föderation und bei den Tindaranern. Sie gilt als eine Herumtreiberin, die so gar nicht in deren moralische Vorstellung passen will. Maron ist so stark von Vorurteilen gegen sie besetzt, dass er ihr ohne Beweise kein Wort glauben wird und beweisen kann sie gar nichts.“ „Aber da gibt es die Aussage ihres Schiffes.“, erinnerte der Vendar seine Herrin. „Kamurus hat alles aufgezeichnet. Wenn er Maron seine Aufzeichnungen von der Begegnung mit dem Geistwesen zeigt, dann ...“ „Ach was.“, sagte Sytania und lachte schallend auf. „Dazu wird dieser Demetaner es gar nicht erst kommen lassen. Er wird ihre Aussage abschmettern, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Tolea arbeitet mit mir zusammen. Das ist eine Tatsache, die nicht in sein Föderationshirn gehen wird und da Ginalla außer mit der Aussage ihres Schiffes nichts beweisen kann, wird ihre Aussage für ihn nichts als heiße Luft sein. Ein größeres Problem sehe ich schon in Kissara. Wenn sie nicht gestoppt wird, kann sie uns sehr gefährlich werden.“ „Das Problem ist bald Vergangenheit, Milady!“, lachte Telzan und konzentrierte sich auf den Lauf der Sonne, allerdings in umgekehrter Richtung, was der Befehl für den Kontaktkelch war, sozusagen zurückzuspulen. „Nugura in ihrem Büro.“, fasste Sytania das Gesehene zusammen. „Wie soll uns das helfen?“ „Seht genau hin, Gebieterin.“, machte Telzan sie aufmerksam. „Seht Ihr, was sie auf dem Schreibtisch hat?“ „Das ist ein Profil einer anderen Politikerin.“, sagte Sytania, die in Telzans Augen wohl immer noch nicht verstanden hatte, worauf er hinaus wollte und heute für ihn fast begriffsstutzig schien. Aber das hätte er ihr natürlich nie gesagt! „Das ist das Profil von Agatha von Angel One.“, erklärte Telzan. „Sie würde zu gern die alten Zustände wieder haben, wie sie auf ihrem Planeten herrschten, bevor die Männer der Odin dort abgestürzt sind und bevor Riker …“ „Ich kenne die Geschichte.“, sagte Sytania gelangweilt und gähnte. „Ach, diese kleinen Probleme der Sterblichen sind so lästig! Aber nun hast du mich neugierig gemacht, Telzan. Wie glaubst du, dass uns die Umstände auf Angel One zum Vorteil gereichen können?“ „Ganz einfach, Milady.“, erklärte Telzan und stand sogar auf, um seinen Vortrag fortzusetzen und dem Ganzen eine wichtigere Note zu verleihen. „Die Genesianer haben die Föderation erobert und Angel One ist seit fünf Jahren ein Teil von ihr. Vor fünf Jahren wurden sie warpfähig und Nugura hatte nichts Besseres zu tun, als sie mit offenen Armen zu empfangen. Die Männer auf Angel One waren dabei, sich die gleichen Rechte zu erkämpfen wie die Frauen und dies war eine Tatsache, die Agatha nicht gefällt. Die Eroberung der Föderation durch die Genesianer dürfte in ihren Augen also als Glücksfall gelten und dieses Glück will Agatha sicher nicht wieder hergeben. Wenn die Granger beweisen würde, dass alles ein großes Unrecht ist und eigentlich gar nicht so sein darf, dann würde Agathas Position ins Wanken geraten und sie müsste damit rechnen, dass die Zeitlinie, wie sie eigentlich sein sollte, wieder hergestellt wird. Das wird sie nicht wollen und somit für das Stoppen der Granger stimmen.“ „Aber was nützt uns eine Politikerin?!“, fragte Sytania hoch erregt. „In der Demokratie bestimmt die Mehrheit und nicht ein Einzelner im Gegensatz zur Monarchie, du …“

Sie konnte ihren Satz nicht zu Ende führen, denn Telzan fuhr unbeeindruckt laut und deutlich fort: „Agatha ist psychologisch sehr geschickt. Sie ist sicher in der Lage, auch andere Politikerinnen auf ihre Seite zu bringen. Ich bin überzeugt, sie wird die Abstimmung gewinnen und Nugura steht am Ende allein da.“ „Ich weiß nicht.“, meinte Sytania. „Vielleicht sollte ich lieber eingreifen.“ „Das halte ich nicht für klug.“, sagte Telzan. „Eine oder zwei Verbündete hat Nugura nämlich noch. Die könnten sehr schnell merken, dass hier etwas nicht stimmt, wenn Ihr die Politikerinnen zu manipulieren versucht. Nein, bitte vertraut auf Agatha. Ihr seid doch selbst eine Frau. Ihr dürftet doch am Ehesten wissen, zu was Raffinesse in der Lage ist. Gut, die anderen könnten vielleicht merken, was Agatha für ein Spiel spielt, aber ich denke, dazu sind sie zu naiv. Sie werden sich in ihrem sozialen Denken nicht vorstellen können, dass jemand unter ihnen ist, die ihre eigenen Ziele verfolgt. Ihr Gemeinschaftssinn ist einfach zu groß. Sie waren zu lange eine schöne heile Welt gewohnt, als dass Feindschaft und Eigennutz noch einen Platz in ihren Gedanken einnehmen könnten. Dies sind Worte, die sie schon nicht mehr kennen dürften. Bitte, vertraut mir.“

„Dein Diener hat Recht!“ Sytania drehte sich um, um ein Gesicht zu der Stimme wahrnehmen zu können, die ihr dies gerade zugerufen hatte. Aus dem sich langsam verflüchtigenden Lichtkegel eines schwarzweißen Blitzes sah sie die Erscheinung Toleas hervortreten. Wie die alten Q es auch getan hatten, war sie plötzlich hinter ihr ganz unverhofft aufgetaucht. Telzan, der bisher vergeblich mit Engelszungen auf seine Herrin eingeredet hatte, atmete ob ihres Erscheinens und ihrer Worte erleichtert auf. Er wusste, ihr würde Sytania glauben. Sie war eine Mächtige wie die Prinzessin selbst, also eine Gleichgestellte. Er war ja nur ein Vendar. „Wie kommst du darauf, Tolea?“, fragte Sytania. „Weil ich die Föderation kenne.“, sagte Tolea und ihre Stimme bekam einen fast boshaften Touch bei diesen Worten. „Es stimmt alles, was Telzan über die Föderation gesagt hat und auch alles, was er über Agatha von Angel One sagte. Ich habe die Föderation lange Zeit beobachtet. Ich weiß, wie sie ticken und ich kenne vor allem das psychologische Profil einiger Politikerinnen. Ich weiß, dass sie Agatha aus der Hand fressen werden, wenn sie es geschickt anfängt und das wird sie. Das weiß ich genau. Ich habe in die Zukunft gesehen. Aber ich will dir die Überraschung nicht verderben. Nur so viel. Wir sollten schon mal auf Agatha von Angel One anstoßen.“ „Also gut.“, überlegte Sytania. „Dann werde ich gleich nach meinem Mundschenk schicken. Ach nein. In dieser Karaffe hier ist ja noch etwas. Das wird für uns drei schon reichen. Telzan, setz dich zu meiner Linken. Dir, Tolea, gebührt natürlich der Platz auf meiner rechten Seite.“

Sie erschuf mittels ihrer Fähigkeiten ein drittes Glas und schob es Telzan hin. Es war nicht so reich verziert wie die anderen Gläser, die Tolea und sie benutzten, aber für diesen Zweck würde es schon reichen. „Telzan.“, sagte sie dann. „In meiner Großzügigkeit erlaube ich heute dir, den Toast auszubringen.“ Telzan erhob sein Glas und sagte: „Auf Agatha von Angel One. Möge sie die Abstimmung zu einem guten Ende für uns führen.“ „Auf Agatha!“, wiederholten Tolea und Sytania gemeinsam und stießen mit ihm an.

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