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Scotty und Clytus waren wieder in ihrer Zelle. Der Kleine hatte sich in der Qualität seiner Arbeit nicht verbessert, obwohl Scotty es ihm immer und immer wieder gezeigt hatte. Würde sich dies nicht ändern, würden die Wärterinnen Clytus im Morgengrauen hinrichten, das wusste der Terraner. Von mir hatte er einige Brocken Genesianisch aufgeschnappt, was mir als ausgebildeter Kommunikationsoffizierin ja nur nutzen konnte, nach dem Motto: „Kenne und verstehe deinen Feind.“ Deshalb hatte die Sternenflotte auch damals dafür gesorgt, dass ich den Kurs nicht mehr heimlich besuchen musste, als dies auf der Akademie durch einen dummen Zufall herausgekommen war. Dass dies einmal meinem späteren Ehemann helfen sollte, ahnte ich damals aber noch nicht.

„Is’ dir klar, dass die dich morgen abmurksen?!“, fragte Scotty energisch. „Das glaube ich nicht.“, sagte Clytus. „Warum hätten mich denn die Ärzte dann wieder zusammengeflickt?“ „Das haben die nur gemacht, damit du noch eine Chance bekommst.“, klärte Scotty ihn auf. „Ich bin sicher, Amidala hat da mitgeredet, aber ihr Einfluss reicht auch nich’ für ewig. Also, warum reißt du dich nich’ einfach zusammen und machst, was ich dir sage?“ „Das versuche ich ja.“, sagte Clytus traurig und begann zu schluchzen. „Aber ich bin halt ungeschickt.“ „Ungeschickt, ungeschickt, ungeschickt.“, murmelte Scotty vor sich hin. „Du bist nich’ ungeschickt, du bist stur wie ein terranischer Esel! Du hast dich wohl so in deine Fantasie hineingesteigert, ein Mächtiger zu sein, dass du glaubst, von einem einfachen Sterblichen keine Ratschläge annehmen zu müssen, wie? Aber jetzt hat dich diese Haltung an den Rand des Todes geführt. Is’ dir das klar?! Aber du glaubst wohl auch noch, dass dich der Phaser der Henkerin nicht umbringen, geschweige denn verwunden, kann.“ „Mir ist sehr bewusst, dass ich jetzt sterblich bin.“, sagte Clytus. „Und ich hoffe, dass meine Strafe irgendwann vorbei ist. Ich hoffe, dass meine Tante Tolea nicht so herzlos ist und mich hier sterben lässt. Hörst du mich, Tante Tolea! Es tut mir leid, dass ich mit der Zeitlinie gespielt habe, um mein Ziel zu erreichen. Ich weiß, dass Eldisa mich jetzt erst recht nicht lieben wird. Sie wird mich hassen. Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid!“ Er warf sich auf den Boden und begann bitterlich zu weinen. Scotty sah weg. Er konnte einfach nicht mit der Situation umgehen. Er wusste nicht, wie er dem armen bedauernswerten Jungen noch helfen sollte. Vielleicht war es so besser. Vielleicht war es besser, wenn er diesem jämmerlichen Dasein in seiner geistigen Krankheit endlich entgehen konnte. Dass er wirklich ein Mächtiger war, glaubte Scotty nämlich immer noch nicht und Yetron, der ihn davon eventuell noch hätte überzeugen können, war weit weg.

Die Tür wurde entsichert. Zwei genesianische Wärterinnen betraten die Zelle und Scotty konnte im Halbdunkel erkennen, dass sie etwas ins Stroh warfen. Dann gingen sie wieder.

Langsam ging der Sternenflottentechniker näher. Er konnte sich nicht vorstellen, was hier gerade geschehen war. Hatten sie Zuwachs bekommen? Erst als er nahe dran war, erkannte er, wen man ihm und Clytus da vor die Füße geworfen hatte. „Da brat’ mir doch einer 'n Storch!“, rief er aus. „Was machst du denn hier, Shimar?“

Auch Clytus hatte jenes Schauspiel bemerkt. „Kennst du ihn?“, fragte er, der durch die Tatsache, dass hier etwas Neues passiert war, wohl von seiner Trauer abgelenkt wurde. „Da kannst du Gift drauf nehmen.“, sagte Scotty. „Er is’ der Hausfreund meiner Frau.“ „Und damit hast du keine Probleme?“, fragte Clytus. „Ne!“, lachte Scotty. „Das is’ alles in Butter. Wenn du am Leben bleibst, kann ich dir die ganze Schose vielleicht irgendwann erklären. Aber dazu musst du mir versprechen, dass du meine Ratschläge endlich …“ „Dazu ist es zu spät!“, schrie Clytus verzweifelt. „Morgen töten sie mich. Wenn du mir was erklären willst, musst du dich schon beeilen!“

Shimar hatte sich bewegt. „Ich glaub’, er kommt zu sich.“, sagte Scotty. Tatsächlich schlug der Tindaraner benommen die Augen auf. „Oh, Mann.“, sagte er. „Hab ich einen Brummschädel! Scotty, was machst du in meinem Schlafzimmer und wer ist der fremde Junge? Ach übrigens, willst du deinen Storch rosa, medium oder durch?“ „Hey.“, lachte Scotty und schlug sich auf die Schenkel. „Humor is’ mein Job bei unserem Dreiergespann. Schon vergessen? Ich bin der Platzhirsch der Witze! Und jetzt sag mir bitte nich’, dass du das gehört hast.“ „Im Halbschlaf.“, gab Shimar zu. „Aber ich hab’s immerhin mitgekriegt.“

Er versuchte aufzustehen. Scotty fasste ihn mit seinen großen starken Armen um die Schultern, um ihm dabei zu helfen. „Das is’ schon mal 'n guter Ansatz.“, lobte er, während er mit Shimar in der Zelle auf und ab ging. „Wir müssen deinen Kreislauf in Schwung bringen.“ „Ich weiß.“, sagte Shimar teils leidend und teils angestrengt. Scotty merkte, dass sein Gegenüber wohl ziemlich mit etwas zu kämpfen hatte. „Obwohl es mir gar nicht gut geht. Aber wenn ich mich jetzt hinlege, stehe ich vielleicht gar nicht mehr auf.“

Die Beiden setzten sich in Clytus’ Nähe wieder auf den Boden der Zelle. Erst jetzt viel Scotty auf, wie blass Shimar war. „Was haben die mit dir gemacht?“, wollte er wissen. „Genau weiß ich das nicht.“, sagte Shimar. „Ich habe nur rasende Kopfschmerzen und das Gefühl, dass sie mir eine Sonde eingesetzt haben, die meine Fähigkeiten unterdrückt. Ich kann uns drei also nicht hier rausholen.“ „Ach du Scheiße!“, rief Scotty aus. „Das trifft’s wohl.“, sagte Shimar. „Da stecken wir wohl mindestens knietief drin.“

Clytus begann wieder zu weinen. „Und ich habe geglaubt, jetzt, wo ein Tindaraner bei uns ist, wird alles gut.“ „Was meint der arme Kleine damit, Scotty?“, fragte Shimar. „Der meint, dass die ihm morgen das Lebenslicht ausblasen.“, flapste Scotty. „Seine Technik, mit der er Kristalle schürft, führt nur zu Abfall und das mag die Prätora nich’. Außerdem hält er sich für einen Mächtigen. Das bedeutet, er gilt als geisteskrank. So einen will auch keine Genesianerin. Also, was sollen die schon mit ihm anfangen? Sag mal, könntest du nich’ rauskriegen, ob er die Wahrheit sagt?“ „Wenn das Implantat nicht wäre, dann sicher.“, sagte Shimar. „Aber wie kommst du darauf, dass er die Wahrheit sagen könnte? Eben hast du doch noch gemeint, er sei verrückt.“ „Ich weiß nich’, was ich glauben soll.“, sagte Scotty. „Mit uns war ein Brückenoffizier hier in Gefangenschaft. Der is’ mittlerweile in einem Umerziehungslager für genesianische Ehemänner. Da soll er einer werden. Von ihm habe ich Befehl, keine Fluchtversuche zu unternehmen. Es gibt wohl irgendeinen Plan. Agent Yetron geht sogar davon aus, dass der Kleine hier wirklich Clytus aus dem Raum-Zeit-Kontinuum sein könnte. Deshalb …“ „Langsam.“, bat Shimar. „Das muss ich erst mal alles sortieren. Aber wenn ihr mit Agent Yetron hier eingesperrt wart, dann hat das sicher Hand und Fuß, was er befohlen hat und wir sollten uns dran halten. Yetrons guter und listiger Ruf ist bis in das tindaranische Universum bekannt. Wir sollten seinen Plan, wenn es einen gibt, auf keinen Fall sabotieren und wegen der Arbeit. Hm.“ Shimar überlegte. „Was ist, wenn wir uns freiwillig für die Nachtschicht melden. Das lenkt mich von meinen Kopfschmerzen ab und eventuell kann ich sogar dafür sorgen, dass Clytus’ Leben gerettet wird.“ „Ach.“, sagte Scotty. „Das is’ hoffnungslos. Ich habe schon alles versucht und bin mit meinem Latein am Ende.“ „Du magst am Ende sein!“, sagte Shimar. „Aber ich noch lange nicht, klar?! Und jetzt sollte einer von uns diesen Knopf da in der Ecke benutzen, um nach der Wache zu klingeln!“

Er schlug mit der Hand auf den genannten Knopf und im nächsten Augenblick wurde die Tür durch Amidala entsichert. Es war inzwischen wieder Abend geworden. Scotty und Clytus atmeten auf. Sie wussten, dass Amidala auf ihrer Seite war. „Die Nacht is’ unsere Freundin.“, flüsterte Scotty Shimar zu. Dieser nickte nur verständig und grinste, denn er hatte anhand der Reaktionen seiner Mitgefangenen schon gemerkt, dass sie wohl eine positive Beziehung mit der Genesianerin im Türrahmen verband. „Was gibt es?“, fragte Amidala für eine genesianische Wärterin recht freundlich. „Wir wollen freiwillig zur Nachtschicht.“, erklärte Scotty. „Interessant.“, sagte Amidala. „Und warum wollt ihr das?“ „Wir haben gehört, dass es dann auch bessere Rationen gibt.“, schob Scotty einen Grund vor. „Also gut.“, überlegte Amidala. „Gestern sind gerade wieder drei gestorben, die sonst die Nachtschicht erledigt haben. Die Prätora hat sich schon gesorgt, wie sie das Loch stopfen soll. Wir müssen Yanista über alles berichten. Aber wenn das so ist, dann kommt gleich mal mit.“ Scotty nickte und alle drei standen auf. „Das hat ja prima geklappt.“, flüsterte Shimar. „Ja.“, sagte Scotty ebenfalls leise. „Ich habe gar nich’ gewusst, dass in mir so 'n guter Schauspieler steckt. Aber mich würde mal echt interessieren, was du noch mit unserem hoffnungslosen Fall aufstellen willst.“ „Abwarten.“, sagte Shimar zuversichtlich.

Diran hatte sein Schiff in die tindaranische Dimension gelenkt. Jetzt, das wusste er, würde es nicht mehr weit sein zu dem Planeten, wo er seine geliebte Sianach endlich wieder in die Arme schließen würde. Sie würde schon alles Restliche organisieren, da war er sicher. Er selbst war durch seine eigene Verzweiflung nicht in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Immer noch beschäftigte ihn die Tatsache, dass er Lord Kairon fast mit schwarzer Macht infiziert hatte. Nur dem Umstand seines toten Telepathiezentrums hatte er zu verdanken, dass Sytanias Plan nicht aufgegangen war. Er überlegte, ob er die Vulkanier nicht über das schändliche Tun Sytanias informieren sollte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die so einfach zulassen würden, dass die Imperianerin ihren guten Ruf so in den Dreck zog. Aber auf der anderen Seite waren sie so emotionslos, dass sie dieser Umstand sicher nicht im geringsten tangieren würde. Er fühlte sich hilflos und wie gelähmt, da es ihm einfach nicht gelingen wollte, einen Entschluss zu fassen.

„Ankommender Ruf!“, holte ihn der Mishar aus seiner Lethargie. „Wer ist es?“, fragte Diran. „Rufzeichen anzeigen!“

Der Computer gab ein kurzes Signal von sich und zeigte Diran dann das Rufzeichen auf dem Display des Sprechgerätes, welches Diran sofort als das Heimatliche erkannte. Er war heilfroh, jetzt doch mit Sianach reden zu können. Er besaß eigentlich einen zu großen Stolz, um sie von sich aus zu rufen. Natürlich wusste der Vendar auch, dass er sich in einer gedanklichen Sackgasse befand, aus der er nicht allein wieder herauskommen konnte, aber sein Stolz war ihm im Weg.

„Sei gegrüßt.“, sagte eine ihm sehr gut bekannte und liebe Stimme aus dem Lautsprecher. „Was tust du hier? Du wolltest doch erst im nächsten Winter wieder kommen.“ „Meine Zeit bei Tolea wird bald vorbei sein, meine über alles geliebte Ehefrau.“, sagte Diran und Sianach glaubte, eine leichte aufkommende Wut in seinen Worten zu hören. „Was meinst du damit?“, fragte sie. „Ich dachte, du würdest dich sehr wohl in ihren Diensten fühlen.“ „Das war einmal!“, sagte Diran jetzt etwas lauter und bemerkte, wie ihm die Kontrolle über seine Stimme zu entgleiten drohte. „Es ist etwas Schreckliches passiert, Sianach.“, sagte er betroffen. „Etwas, das niemand für möglich gehalten hätte. Aber lass mich bitte erst einmal landen. Wenn ich dir jetzt alles sage, befürchte ich, die Kontrolle über mich und mein Schiff zu verlieren.“ „Dann muss das ja fürwahr etwas sehr Schlimmes sein, was dir geschehen ist, mein armer Diran.“, sagte Sianach mitleidig. „Aber ich werde dich erst einmal einweisen lassen. Dann kannst du mir alles erzählen, wenn wir in unserem Haus sind.“ „Ich danke dir.“, sagte Diran erleichtert und beendete die Verbindung.

Bald darauf sah er die Atmosphäre von New-Vendar-Prime vor sich und auch die bekannten Positionslichter, die Sianach zum Zweck seiner Einweisung von ihrem Haus aus aktiviert haben musste. Er landete sein Schiff in der gewohnten Position und stieg aus, um dann sofort den ausgetretenen Pfad zu seinem und Sianachs Haus entlangzugehen.

Die Erste, die er hier zu Gesicht bekam, war Tchiach. „Da bist du ja, Ziehvater!“, rief die inzwischen 13-jährige Vendar aus. „Aber du siehst ja ganz traurig aus. Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?“ „Natürlich freue ich mich, dich zu sehen, Tchiach.“, sagte Diran und nahm sie in den Arm. „Der Grund, aus dem ich so traurig bin, bist auf keinen Fall du! Das kannst du mir ruhig glauben.“

Das Mädchen nahm ihren Ziehvater bei der Hand und zog ihn den Gang zur Haustür, der rechts und links von einheimischen Pflanzen gesäumt war, hinauf. „Befindet sich deine Ziehmutter im Haus?“, wollte er wissen. „Ja.“, sagte Tchiach. „Wir haben gemeinsam deinen Flug überwacht. Ziehmutter Sianach will, dass ich auch das lerne. Schließlich bin ich jetzt eine Novizin!“ Sie zeigte stolz auf ihre Kleidung. „Das ist ja wundervoll.“, lächelte Diran, aber er konnte seiner Ziehtochter nichts vormachen. Tchiach hatte längst bemerkt, dass er mit den Gedanken völlig woanders war.

Sie betraten das in normalem vendarischen Stil eingerichtete Haus und setzten sich im Wohnzimmer auf zwei braune Sitzkissen, die um einen kleinen holzfarbenen Tisch drapiert waren. Sianach, die sie vom Eingang aus bemerkt hatte, trat hinzu und setzte sich ebenfalls auf eines der flachen runden Polster. „Was ist geschehen, Diran?“, fragte sie Anteil nehmend. „Das werde ich dir gleich berichten, meine geliebte Sianach.“, sagte Diran weich. „Nur sollte unsere Ziehtochter am besten nichts davon mitbekommen. Tchiach, bitte geh mit deinen Freunden spielen!“

Sianach machte ein empörtes Gesicht und stand auf. Sie stemmte die Hände in die Seiten und baute sich vor Diran auf, bevor sie sagte: „Schick sie nicht weg wie ein dummes Kind! Sie hat das Alter der Novizenschaft erreicht! Sie ist zwar erst eine Novizin im jüngsten Kreis, aber trotzdem kann sie nicht früh genug mit dem Lernen der Geheimnisse der Mächtigen anfangen!“

Diran schrak zusammen. „Woher weißt du, dass es etwas mit den Mächtigen zu tun hat?!“, fragte er mit blassem Gesicht. „Wenn du so aufgelöst aus dem Raum-Zeit-Kontinuum zu uns zurückkehrst, dann muss dort etwas nicht stimmen.“, schloss Sianach. „Also, was ist los? Tchiach, du bleibst! Es ist gut, wenn du dir auch alles anhörst.“ „Aber dazu ist sie doch wirklich noch zu jung.“, versuchte Diran, seine Frau zu beschwichtigen. „Wofür sie zu jung ist, das entscheide allein ich!“, sagte Sianach. „Ich bin ihre Ausbilderin und weiß, was sie schon in der Lage ist zu verkraften. Außerdem ist sie sehr intelligent. Sie überflügelt den Rest ihrer Gruppe um ein Vielfaches. Sie mag zwar erst 13 Jahre alt sein, aber dafür ist sie schon sehr vernünftig und kann, denke ich, erfassen, was du uns sagen wirst! Das sage ich dir nicht als deine Ehefrau, sondern als deine Anführerin!“ „Na gut, Anführerin.“, sagte Diran. „Dann werde ich dir jetzt erzählen, was geschehen ist. Tolea aus dem Raum-Zeit-Kontinuum arbeitet seit einiger Zeit mit Sytania zusammen.“

Sianach schluckte und ließ sich seine Sätze noch einmal durch den Kopf gehen. „Du willst mich veralbern.“, schloss sie dann. „Das kann doch nur ein übler Scherz sein. Hör gefälligst auf damit.“ „Ich wünschte, dass es ein übler Scherz wäre, Telshanach.“, sagte Diran sanft. „Aber das ist es leider nicht. Ich habe alles gesehen. Es ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“

„Was hast du denn gesehen, Ziehvater?“, mischte sich Tchiach ein. „Ich sah schwarzweiße Blitze und die Tatsache, dass Tolea Kairon in einem Duell … Ach, ich sollte besser von Vorn beginnen. Clytus hat irgendwas mit der Zeitlinie gemacht. Darauf war seine Tante Tolea extrem wütend und hat sich mit Sytania zusammengetan, um ihn zu bestrafen. Zumindest lassen meine Beobachtungen keinen anderen Schluss zu.“ „Aber wieso soll Tolea mit Sytania zusammenarbeiten?“, fragte Tchiach. „Sytania ist böse und Tolea ist gut. Wie soll das gehen?“ „Wut kann zu den furchtbarsten Dingen verleiten.“, erklärte Diran. „Ich halte Sytania für abgebrüht genug, dass sie Toleas Wut eiskalt ausgenutzt hat und ihr im für sie richtigen Moment das Angebot zur Zusammenarbeit gemacht hat. In ihrer Wut muss Tolea darauf eingestiegen sein. Du weißt, wie sehr wir Sterblichen Tolea am Herzen liegen. Wenn ihr Neffe mit unserer Zeitlinie spielt, um was auch immer zu erreichen, dann kann sie das schon sehr wütend gemacht haben und auf diesen Augenblick wird Sytania nur gewartet haben.“ „Dann muss es Clytus gewesen sein, der die Zeitlinie verändert hat.“, schloss Sianach. „Seit ca. einem halben Jahr ist das tindaranische Universum in der Hand der Genesianer. Die sind von einem mächtigen Wesen angeführt worden, als sie es und das Universum der Föderation eroberten. Das Wesen hat sich als die Wächterin von Gore ausgegeben. Aber ich bin sicher, dass das nicht stimmt. Die Genesianer wurden auch nur benutzt. Aber wie kann Clytus allein so etwas zuwege bringen? Sein Machtzentrum ist doch noch gar nicht ausgereift und gegen Dill, der die Zeitlinie beschützt hätte, käme er schon gar nicht an.“ „Außer Sytania hat auch da nachgeholfen.“, erklärte Diran missmutig. „Moment.“, sagte Sianach. „Du sagst, sie hätte ihm erst geholfen und dann hilft sie seiner Tante, ihn zu bestrafen?“ „Genau das.“, bestätigte der Vendar. „Denk mal nach. Wenn sie ihm zuerst hilft, ohne dass er es merkt, dann stellt sie doch erst die Situation her, in der er zu bestrafen ist. So ist sie schon mal diejenige, die alles unter Kontrolle hat. Wenn sie dann anbietet, die Strafe selbst zu vollziehen, oder zumindest dabei zu helfen, ist Sytania in jedem Fall die lachende Dritte.“ „Du hast Recht.“, überlegte Sianach. „Wir sollten zu Zirell El Tindara fliegen und du solltest aussagen. Wir werden aber mein Schiff nehmen, falls Genesianer aufmerksam werden sollten.“ Diran nickte und Sianach schickte nach einem ihrer Techniker, der ihr Schiff vorbereiten würde. Er war froh, dass seine Frau das jetzt in die Hand genommen hatte. Um dies alles selbst zu organisieren, fühlte er sich im Moment viel zu kopflos.

D/4 hatte Sedrin und Cupernica, sowie Novus und Data auf ihr Schiff gebracht und die Demetanerin dann zunächst an ihren Kollegen übergeben, der sie auf dem ringförmigen Schiff in einen Turbolift führte. „Ich werde Sie in ein Habitat bringen, das wir extra für Sie vorbereitet haben.“, erklärte Z/9 und sah sie dabei freundlich an. „Sie müssen mir keine Angst nehmen.“, sagte Sedrin. „Ich bin ausgebildete Sternenflottenoffizierin und kenne den Unterschied zwischen Ihnen und den Borg im Gegensatz zu Ginalla. Ich vertraue Ihnen. Aber unter uns, jetzt, wo D/4 nicht da ist, kann ich es Ihnen ja sagen. Sie hat sich einen kleinen diplomatischen Fauxpas geleistet gegenüber meiner celsianischen Freundin.“ „Definieren Sie!“, forderte der Xylianer sie auf. „Sie hat laut gesagt, dass die Zivilistin über die ganze Sache hier nichts wissen soll oder so ähnlich. Das wird Ginalla sehr übel nehmen, zumal sie bereits stärker involviert ist, als Sie wissen.“ „Mir ist bekannt, dass unsere Daten über die Bioeinheit Ginalla unvollständig sind.“, lenkte Z/9 ein. „Sie denken also, ich sollte D/4 das sagen?“ „Nein.“, antwortete Sedrin. „Aber Sie könnten sie bei mir vorbeischicken und ich kläre sie auf. Dann bekommen Sie keinen Ärger.“ „Ärger ist nicht relevant.“, winkte die Sonde ab. „Aber da es unter Bioeinheiten höflich erscheint, auch in unpassenden Momenten einmal Hilfe anzunehmen, obwohl Ärger für mich keine emotionalen Konsequenzen hätte, werde ich Ihr Angebot annehmen.“ „Sehr liebenswürdig.“, sagte Sedrin. „Übrigens sind meine Daten auch etwas unvollständig.“, erklärte die Demetanerin grinsend. „Wenn die Genesianer das Universum der Föderation erobert haben, warum haben sie Ihren Planeten, der nahe an unserem Gebiet ist und von dem wir Hilfe erwarten könnten, verschont?“ „A/1 geht davon aus.“, erklärte die Sonde, „Dass wir für die Genesianer als Maschinen gelten. Daher haben sie unsere Anwesenheit und die Beziehung zu Ihnen als nicht bedrohlich eingestuft und uns ignoriert.“ „Ah.“, machte Sedrin verständig.

Sie entstiegen dem Lift und bogen in einen Gang ab, an dessen Ende sie einen Raum vorfanden, dessen Tür der Xylianer durch Eingabe eines Codes in eine Konsole öffnete. Sedrin schlug der Duft demetanischer Zimmerpflanzen entgegen. Innerhalb des Raumes musste eine ihr angenehme Temperatur herrschen, die sie an einen Frühlingstag auf Demeta erinnerte. Dies alles fühlte sich für sie sehr angenehm an. „Ich nehme an, hier soll ich wohnen.“, sagte die Agentin und machte einige Schritte ins Innere des großzügig geschnittenen Quartiers, dessen Wohn- und Schlafbereich mit warmen Farben ausgestattet war. Nicht nur auf den Fensterbänken, nein, auch auf sämtlichen Stoffen waren Blumenmuster zu sehen.

Sie setzte sich auf das weiche breite Sofa und forderte den Xylianer auf, sich neben sie zu setzen. „Sie scheinen über mich ja sehr viele Daten zu besitzen.“, sagte sie. „Das ist korrekt.“, antwortete Z/9. D/4, die sehr lange schon in Ihrer Heimatstadt auf der Erde lebt, versorgte das System mit den entsprechenden Daten über Sie. Außerdem wissen wir, dass Blumen sehr hilfreich sein sollen bei der Genesung.“ „Genesung?“, fragte Sedrin leicht irritiert. „Ich bin nicht krank.“ „Das ist ein Umstand, der sich bald temporär ändern wird.“, antwortete Z/9. „Wir werden Sie, bevor Sie bei den Genesianern eingeschleust werden können, einer Operation unterziehen müssen. Davon werden Sie sich erholen müssen und dann kann alles, das zu Ihrem Wohlbefinden beiträgt, die Rekonvaleszenz nur entsprechend begünstigen.“ „Was für eine Operation wird das sein?“, fragte Sedrin. „Wir werden Ihnen Implantate einsetzen, die uns ermöglichen, dass wir hören, was Sie hören und sehen, was Sie sehen. Wir werden Ihnen beibringen, diese Implantate durch Gedankenbefehle zu steuern.“ „Das bedeutet, ich kann sie auch ein- und ausschalten.“, vermutete Sedrin. „Das ist korrekt.“, sagte Z/9. „Sie werden sogar in der Lage sein, über die Implantate mit uns zu kommunizieren. Über die umgekehrte Verbindung werden wir auch Ihnen Instruktionen geben können.“ „Logisch.“, sagte Sedrin und versuchte, sehr abgeklärt zu klingen. „Wenn die Implantate mit meinen Sinnen verknüpft sind.“

Z/9 starrte plötzlich in den leeren Raum, als hätte ihn eine ihrer Äußerungen aus dem Konzept gebracht. „Was ist los?“, nahm sich Sedrin dem offensichtlich leicht verwirrten Xylianer an. „Ihre Reaktion ist mir unverständlich.“, gab er zu. „Ich habe mit dem System Kontakt aufgenommen und suche nach einer Erklärung.“ „Und?“, fragte Sedrin grinsend. „Haben Sie eine gefunden? Oder ist die passende Sonde gerade nicht online?“ „Das scheint der Fall zu sein.“, sagte die männliche Sonde und brach seinen Kontakt zum System wieder ab. „Ich werde es später noch einmal versuchen.“ „Warum in die Ferne schweifen …?“, bot sich Sedrin an. „Sie sagten, dass eine meiner Äußerungen es war, die Sie aus dem Konzept brachte. Also, warum lassen Sie sich das Problem dann nicht von mir erklären?“ „Ich möchte Sie nicht kompromittieren.“, sagte der Xylianer, dem Sedrin jetzt sehr stark anmerkte, dass er wohl noch nie oder höchst selten mit Bioeinheiten gearbeitet hatte. „Ich nehme Ihren Vorschlag an.“, sagte Z/9 und drehte sich zu ihr. „Also.“, begann Sedrin. „Welche meiner Äußerungen hat Sie irritiert?“ „Mich irritierte der Umstand, dass Sie sich scheinbar nicht gegen unser Vorhaben wehren.“, sagte Z/9. „Sie scheinen sogar zu begrüßen, was wir mit Ihnen planen. Dieses Verhalten finde ich für eine Bioeinheit recht ungewöhnlich.“ „Warum finden Sie das Verhalten ungewöhnlich?“, fragte Sedrin. „Die Xylianer sind unsere Freunde. Deshalb gehe ich davon aus, dass Sie mir nichts tun werden. Als ausgebildete Agentin weiß ich, dass dieser Schritt sicher notwendig sein wird.“ „Ich hatte mich nur gesorgt, weil die meisten Bioeinheiten sicher Angst vor derartigen Operationen hätten. Insbesondere Sternenflottenoffiziere, dachte ich, würden …“ „Mutter Schicksal!“, stöhnte Sedrin. „Sie glauben doch nicht wirklich, dass uns das Borg-Trauma immer noch hinterherhängt. Nach 800 Jahren sollte doch damit mal Schluss sein, finde ich.“ „Sie befürchten also nicht …?“, begann er, aber Sedrin schnitt ihm das Wort ab: „Nein! Und nun zeigen Sie mir, wo ich mich zur Operation einfinden soll! Wie läuft das eigentlich? werden wir auf ein weiteres Modul treffen, das Mediziner an Bord hat?“ „Negativ.“, antwortete der Xylianer. „Scientist Cupernica wird die Operation gemeinsam mit D/4 durchführen. Ich werde danach Ihre Implantate einstellen.“ „Weiß Cupernica bereits von ihrem Glück?“, scherzte Sedrin. „Positiv.“, erwiderte die Sonde. „Ihre Freundin trägt ein xylianisches Implantat, über das wir uns mit ihr verständigt haben.“ „Ich weiß.“, sagte Sedrin, die sich noch sehr gut an die xylianische Kommunikationseinheit erinnerte, die Cupernica in sich trug und die Tressa aufgrund des Wunsches der Androidin nie entfernt hatte. „Sagen Sie mir nicht, sie sendet auch ein permanentes Signal.“, sagte Sedrin. „Doch.“, antwortete Z/9. „Dann wundert mich gar nichts mehr.“, erwiderte Sedrin.

Die Sonde stand plötzlich ohne Vorwarnung auf. „Ich werde Sie jetzt verlassen müssen.“, sagte er. „Aber ich werde wie versprochen D/4 Bescheid geben.“ Damit ging er. Sedrin nickte nur. Sie wusste, dass er mit Sicherheit noch andere Dinge zu tun hatte, als mit ihr zu plaudern.

Sie wandte sich dem Nahrungsreplikator zu und studierte sein Angebot. „Nur meine Lieblingsspeisen.“, stellte sie fest. „Sie haben wirklich gründlich recherchiert, D/4.“ Dann replizierte sie sich einen demetanischen Sommerfruchttee und eine Schüssel Kekse und setzte sich wieder an den Tisch. Zum Essen kam sie allerdings nicht, denn im nächsten Moment riss sie die Sprechanlage aus ihrer Ruhe. „Kommen Sie herein, D/4.“, sagte Sedrin, ohne auf das Gesicht im Display, das von der Kamera der Türsprechanlage übermittelt wurde, zu achten. Um so überraschter war sie, als sie statt der Erwarteten Cupernica ansichtig wurde. „Agent, ich muss mit Ihnen sprechen.“, erklärte die Androidin ihre Absichten. „Sicher.“, sagte Sedrin und führte sie zu dem gleichen Platz, an dem auch vorher Z/9 gesessen hatte. „Also.“, forderte sie ihr Gegenüber zum Reden auf. „Was gibt es? Dass ich operiert werden soll, weiß ich schon.“ „Wissen Sie auch, wie das weitere Vorgehen nach der Operation aussehen soll?“, fragte Cupernica. „Nein.“, sagte Sedrin. „Aber ich gehe davon aus, dass die Xylianer Sie darüber informiert haben und dass Sie mich informieren sollen. Sonst wären Sie ja wohl kaum so schnell hier.“ „Das ist korrekt.“, sagte Cupernica. „Nach der Operation werden Sie ein Pad mit einer Legende bekommen, die Sie auswendig lernen sollten, um das Pad dann vernichten zu können. Wenn Ihnen das gelungen ist, werden Sie in eine Kapsel verfrachtet und genau vor der genesianischen Haustür abgesetzt. Wenn man Sie aufliest, werden Sie sagen, dass Sie eine Zivilistin Namens Kirin sind, die als Einzige ein Shuttleunglück überlebt hat und ohnehin schon immer zu den Genesianern überlaufen wollte. Den Rest werden Sie aus Ihrem neuen Lebenslauf erfahren.“ „Schon klar.“, sagte Sedrin. „Wann werde ich operiert?“ „Die Zeit für Ihre Operation ist auf morgen Früh acht Uhr terranischer Zeit festgesetzt.“, sagte Cupernica. „Dann gehe ich jetzt besser mal schlafen.“, sagte Sedrin. „Ach übrigens, wer kümmert sich jetzt eigentlich um Fredy?“ „Niemand.“, sagte die Androidin und das Herz der Demetanerin, das immer schon sehr mitfühlend sein konnte, bekam einen Stich. „Der Arme.“, sagte sie. „Das glaube ich nicht!“, sagte Cupernica mit viel Überzeugung. „Viele gehen davon aus, dass er es dort, wo er jetzt ist, viel besser hat.“ Sedrin sah sie verwirrt an. „Ich musste ihn einschläfern.“, sagte Cupernica nüchtern. „Nach Carusos Tod hat er zuerst das Schnurren und dann das Fressen eingestellt. Nicht mehr zu fressen ist für einen Tribble sehr schnell tödlich, da ihr Organismus eigentlich auf eine permanente Futteraufnahme über den ganzen Tag eingestellt ist. Sein Stoffwechsel entgleiste sehr schnell und es kam zu einem Multi-Organversagen, aus dem ihm kein Medikament der Welt mehr hätte helfen können.“ „Oh, Mutter Schicksal.“, sagte Sedrin. „Mein herzliches Beileid. Ich hätte nicht geahnt, dass ihn das so mitnimmt.“ „Ich konnte mir das schon vorstellen.“, sagte Cupernica. „Schließlich waren Caruso und er beste Freunde.“ „Da haben Sie auch wieder Recht.“, sagte Sedrin und drehte sich der Tür zu ihrem Schlafzimmer zu, was für Cupernica ein unmissverständliches Zeichen war, ihr Quartier zu verlassen.

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