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Cupernica hatte Sedrin abgeholt und war mit ihr den langen Gang zu dem Raum entlang unterwegs, den die Xylianer als Operationssaal ausgesucht hatten. „Ich nehme an, dass Sie die Operation leiten werden und D/4 nur assistiert.“, mutmaßte die Demetanerin. „Nein.“, antwortete die Androidin. „Genau umgekehrt wird ein Schuh draus, Agent. D/4 hat Erfahrung im Leiten von medizinischen Behandlungen an biologischen Wesen. Sie dürfen nicht vergessen, dass sie für lange Zeit Ärztin an Bord der Scientiffica war, als Scientist Miller als Verräterin entlarvt wurde und zu ihrer wahren Freundin übergelaufen war.“ Sedrin hatte das Gefühl, aus ihren Worten fast etwas bissige Ironie heraushören zu können. „Außerdem.“, fuhr Cupernica fort. „Ist es xylianische Technologie, die wir Ihnen einsetzen.“ „Soll mir recht sein.“, sagte Sedrin und scherzte: „Solange ich danach nicht irgendwelche Leute assimiliere.“ Cupernica quittierte ihren Scherz mit einem Schweigen.

Ohne dass eine der Beiden ihren biologischen Fingerabdruck hinterlassen hatte, glitten die Türen vor ihnen auseinander und gaben den Blick in einen großen recht hellen Raum frei, an dessen dem Eingang gegenüber liegender Wand ein Biobett stand. An dessen Kopfende stand D/4, die in Wartestellung zu sein schien. Cupernica und sie wechselten keine für Sedrin hörbaren Worte, aber die Agentin dachte sich, dass die Beiden sich wohl auf die gleiche Weise verständigen würden, wie es auch die Xylianer untereinander praktizierten. Sie konnte sich vorstellen, dass der sofortige Zugang zum Saal wohl auch etwas mit dem Xylianischen Implantat zu tun hatte, das Cupernica trug. Sicher kannte jeder Rechner im System bereits Cupernicas Signal.

D/4, die bisher mit dem Gesicht zum Biobett gestanden hatte, drehte sich jetzt Sedrin zu. „Bitte legen Sie sich auf das Bett!“, forderte sie die Agentin höflich aber bestimmt, wie es ihre allen sehr wohl bekannte Art war, auf. „OK.“, sagte Sedrin und folgte der Aufforderung. „Wir haben die Mitte des Kissens markiert.“, erklärte Cupernica. „Es ist äußerst wichtig, dass Ihr Kopf genau dort liegt.“ „Warum ist das so wichtig, Scientist?“, fragte Sedrin. „Damit wir den chirurgischen Transporter genau ausrichten können.“, antwortete Cupernica. „Außerdem müssen wir das Betäubungsfeld, das Ihr Gehirn am Empfang von Schmerzsignalen von Ihren Nerven hindert, ebenfalls genau ausrichten.“ „Warum legen Sie mich nicht einfach schlafen?“, fragte Sedrin. „Weil wir Ihre aktive Mithilfe benötigen.“, erklärte D/4. „Meine Mithilfe?“, fragte Sedrin irritiert. „Sie werden sehen, was wir damit meinen.“, sagte die Sonde und holte etwas aus einem mit einer sterilen Lösung gefüllten Behälter hervor. „Dies ist eines der Implantate, das wir Ihnen einsetzen werden.“, erklärte sie. „Wie Sie sehen können, hat es einen biosynthetischen Fühler. Den werden wir per Stimulation an Ihren Seh- beziehungsweise Hörnerv anheilen lassen. Dazu müssen wir dort einige Zellen entfernen, damit eine leichte Wunde entsteht. Ihr Körper könnte darauf mit Schmerz reagieren, was wir vermeiden wollen.“ „Verstanden.“, sagte Sedrin nüchtern. „Aber was meinen Sie mit meiner aktiven Mithilfe?“ „Wir werden Sie nach der Operation auffordern, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun, damit wir die Implantate zuverlässig auf Ihre neuralen Signale einstellen können. Mit einem Narkosemittel im Blut könnten diese verfälscht werden.“ „Schon klar.“, sagte Sedrin. „Das Gehirn reagiert dann anders.“ Sie atmete ein paar Mal tief durch, bevor sie sagte: „Fangen wir an!“

D/4 ließ eine Art offener Haube von der Decke herunter, die an einem elektrisch gesteuerten Arm hing und eigentlich eher einer Spule ähnelte, in der sich an einer Wand eine weitere Öffnung befand, die das Ganze wie einen Halbmond aussehen ließ. Dieser legte sich jetzt um Sedrins Kopf. Dann hörte die Demetanerin etwas, das sie an die typischen Geräusche erinnerte, wenn sich ein Kraftfeld aufbaute. „Ich werde Sie jetzt in die Wange kneifen.“, sagte Cupernica. „Sagen Sie mir bitte, ob das für Sie noch schmerzhaft ist. Wenn wir an Ihren Nerven arbeiten, möchte ich keine bösen Überraschungen erleben. Außerdem weiß ich dann, dass wir das Feld korrekt eingestellt haben. Schließen Sie bitte die Augen, damit Sie meine Hand nicht kommen sehen und eventuell Ihre Erinnerung Ihnen und uns einen Streich spielt. Sie wissen ja, dass Kneifen im Allgemeinen wehtun müsste.“

Ruhig lag Sedrin da und harrte der Dinge, die da kommen würden. Allerdings erfolgte auf Cupernicas Kneifen keine Reaktion von ihr, was die Androidin und die Sonde mit Zufriedenheit zur Kenntnis nahmen. „Beginnen wir.“, sagte D/4 und gab Cupernica einige Instruktionen über ihre gemeinsame Verbindung. Die Androidin visierte einige Nervenzellen von Sedrins Hörnerv an und beamte sie heraus. Dann beamte sie das entsprechende Implantat an die Stelle. Ähnlich verfuhr sie mit dem visuellen Implantat. Dann wurde Sedrin einer Stimulatorbehandlung ausgesetzt, was die Fühler wie gewünscht einheilen ließ.

Die Tür des Operationssaales öffnete sich erneut und Z/9 betrat diesen. Er hatte einige Werkzeuge in der Hand. „Hallo, Agent.“, sagte er höflich. „Hi, Z/9.“, begrüßte ihn Sedrin. „Fühlen Sie sich in der Lage, mit mir Ihre Implantate einzustellen und ihre Bedienung zu erlernen?“, fragte die männliche Sonde. „Positiv.“, lächelte Sedrin und setzte sich auf. „Gut.“, sagte der Xylianer und im gleichen Moment hörte Sedrin eine Art Impuls und sah einen Lichtblitz. „Sind Sie das?“, fragte sie. „Ich meine, sind Sie in meinen Implantaten, Z/9?“ „Gut kombiniert.“, sagte er. „Und ja, das bin ich. So kann ich die Reaktionen besser einschätzen. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass wir über die Implantate auch mit Ihnen kommunizieren können und Sie auch mit uns. Aber das bringe ich Ihnen später bei. Wir sollten zunächst mit den grundlegenden Dingen beginnen. Denken Sie bitte: Audio aus.“ Sedrin folgte seiner Anweisung und hörte ein Signal, das von einem recht hohen Ton ausgehend immer tiefer und leiser wurde und schließlich ganz verstummte. „Sehr gut.“, lobte der Xylianer. „Die Reaktionstabelle, die Cupernica uns von Ihnen gab, scheint der Korrektheit zu entsprechen. Denken Sie jetzt bitte: Audio ein.“ Auch das tat Sedrin und das Signal erklang in umgekehrter Richtung. „Ich nehme an, jetzt bin ich wieder online.“, scherzte sie. „Das ist korrekt!“, sagte D/4.

Sie verfuhren ähnlich mit dem visuellen Implantat. Dann erklärte Z/9: „Wenn wir mit Ihnen kommunizieren, werden Sie etwas hören oder einen Text sehen. Wollen Sie antworten, denken Sie: Komm-Modus in Verbindung mit Audio oder Visio und dann denken Sie einfach, was sie sagen wollen. Sie können beide Implantate dazu in gleicher Weise benutzen. Sie setzen Ihre Gedanken in für uns lesbare Impulse um. Wollen Sie nicht mehr senden, denken Sie: Komm-Modus Ende.“ „Was mache ich, wenn die Genesianer die Implantate entdecken?“, sagte Sedrin. „Sie werden sagen, dass sie notwendig seien, weil Sie als Kind einen Unfall hatten.“, sagte Z/9. „Ich werde Ihnen jetzt den Datenkristall mit Ihrer Legende geben, die Sie lernen werden. Dazu sollten Sie Ihr Quartier aufsuchen. Unseres Wissens nach ist Ruhe für Bioeinheiten ein entscheidender Faktor, um lernen zu können. Cupernica wird Sie begleiten und Ihnen auch assistieren, falls es notwendig sein sollte. Wir geben Ihnen Bescheid, wenn wir die gewünschten Koordinaten erreicht haben.“ „OK.“, sagte Sedrin. „Ich werde Sie dann in Ihr Quartier bringen, Agent.“, sagte Cupernica. „Von mir aus.“, sagte Sedrin, nachdem sie aus der Hand des Xylianers den Datenkristall entgegengenommen hatte. „Ich werde Ihnen Bescheid geben, wenn Sie mich abhören können.“ Damit hakte sie sich bei der Androidin unter.

Shimar, Scotty und Clytus waren von Amidala zu ihren Arbeitsplätzen geführt worden. Dann hatte die Genesianerin sie wieder allein gelassen und war zu ihren übrigen Kolleginnen auf ihren Wachposten gegangen. „Jetzt zeig mir mal, was du drauf hast, du Wunderknabe.“, lästerte Scotty. Er hatte Shimar inzwischen darüber aufgeklärt, dass Amidala ihnen das Sprechen auch während ihrer Anwesenheit erlaubte. „Gern!“, grinste Shimar selbstbewusst und ging zu Clytus hinüber, der gerade damit beschäftigt war, wieder einmal einen Kristall Krümel für Krümel aus der Wand zu pulen. „Hey, darf ich dir mal zeigen, wie es besser geht?“, flapste Shimar. „Ich meine, damit können wir immerhin dein Leben retten. Deine Tante Tolea will das ja anscheinend nicht.“ „Du glaubst ihm doch nich’ etwa …“, setzte Scotty an. „Oh, doch!“, sagte Shimar fest. „Zunächst muss ich ihm glauben, bis das Gegenteil bewiesen ist. Oder kannst du einwandfrei beweisen, dass er kein Mächtiger ist oder vielleicht einmal einer war?!“ „Ne.“, musste Scotty kleinlaut zugeben. Er ahnte, dass Shimar wahrscheinlich Yetrons Erklärung benutzen würde, um seine Argumente zu entkräften. Dem wollte er entgehen. „Außerdem haben wir doch vereinbart, dass wir ihn zunächst dort abholen, wo er steht. Wir wollten doch erst mal zu ihm in seine Welt kommen, bevor wir ihn in die Realität holen.“, erinnerte ihn Shimar. „Schon klar.“, sagte Scotty. „Aber du siehst es ja. Psychologie war noch nie meine Stärke. Dafür bin ich nich’ sensibel genug. Das is’ eher deine starke Seite. Also gut. Ich lass’ dich machen und misch’ mich nich’ mehr ein.“ „Geht doch.“, grinste Shimar.

Er wandte sich wieder Clytus zu: „OK, Clytus. Dann will ich dir mal zeigen, wie du dein Leben retten kannst. Zunächst solltest du mit deiner Arbeit neu anfangen, indem du dein Werkzeug weglegst.“ Der Junge sah ihn verwirrt an, aber damit hatte der Tindaraner genau das erreicht, was er erreichen wollte. Auf Clytus’ fragenden Blick gab Shimar keine Antwort, was ihn veranlasste, zu tun, was ihm gerade aufgetragen worden war. Er dachte sich, dass er nur dann eine Antwort bekommen würde. „Na siehst du.“, lobte Shimar und nahm das eigene Werkzeug in die Hand. Er hatte von den Genesianerinnen keinen Erfasser bekommen, weil sie mit Hilfe der Sonde in seinem Kopf, die sie mit einer Fernsteuerung kontrollierten, seine Fähigkeiten derart zugelassen hatten, dass es ihm möglich war, energiehaltige Kristalle aufzuspüren. Mehr war aber nicht möglich. Das Störfeld, das die Sonde in sein Telepathiezentrum schickte, war entsprechend konfiguriert.

„Leg deine Hände auf meine.“, sagte Shimar. Clytus, der immer noch nicht ganz wusste, worauf sein neuer Freund hinaus wollte, ihm aber vertraute, tat dies. „Merkst du, wie langsam ich das Lasermesser um den Kristall bewege?“, fragte Shimar. Clytus nickte und fügte hinzu: „Es fühlt sich an, als wolltest du jemandem über die Wange streicheln.“ „Genau.“, sagte Shimar geduldig. „Und genau daran denke ich, wenn ich das hier tue. Wem würdest du gern über die Wange streicheln?“ „Eldisa von Zeitland.“, antwortete Clytus. „Ich liebe sie.“ „Dann möchte ich, dass du dir genau das vorstellst, wenn du einen Kristall aus der Wand schneidest.“, sagte Shimar. „Stell dir einfach vor, du würdest Eldisa über die Wange streicheln. Was du bisher gemacht hast, erinnert eher an Kratzen und kratzen möchtest du sie ja sicher nicht.“ „Nein.“, sagte Clytus. „Aber können wir das noch einmal zusammen machen?“ „Sicher.“, lächelte Shimar. „Aber du nimmst das Werkzeug und ich korrigiere dich nur, wenn es sein muss.“ „OK.“, sagte Clytus und nahm das Lasermesser in die Hand. Shimar umschloss seine Hand mit der Eigenen und tastete die Bewegungen des Jungen nach. „Denk an Eldisa.“, flüsterte er ihm zu. „Nimm die Ecken ruhig etwas großzügiger. Wenn etwas taubes Gestein am Kristall haftet, macht das nichts. Das erledigen die Wäscherinnen. Aber du darfst den Kristall selbst nicht beschädigen. Dann gibt’s Ärger mit den Genesianern. Fang am besten an den Seiten an und dann oben. Wenn du das getan hast, leg deine freie Hand auf die Mitte des Kristalls, damit er dir nicht abbricht. Erst dann schneidest du unten. Genau! Und jetzt lass ihn in deine Hand fallen.“ „Ich hab’s geschafft!“, rief Clytus aus. „Mein erster brauchbarer Kristall! Danke, Shimar!“ „Ich habe doch gar nichts gemacht.“, tat Shimar bescheiden. „Ich habe dir doch nur ein paar Ratschläge gegeben. Du warst derjenige, der sie eins zu eins umgesetzt hat.“ „Trotzdem!“, freute sich Clytus.

Eine von Amidalas Kolleginnen war auf den Tumult aufmerksam geworden. Sie kam herüber und sah sich das Ergebnis an. „Kann er das reproduzieren, Tindaraner?“, wendete sie sich an Shimar. „Ich meine auch ohne dich?“ „Das denke ich schon.“, sagte Shimar. „Dann soll er es mir zeigen!“, sagte sie fest. Shimar warf seinem Schüler einen auffordernden Blick zu. „Ich habe Angst.“, flüsterte Clytus. „Was ist, wenn ich zu aufgeregt bin.“ „Denk an Eldisa.“, flüsterte Shimar zurück. „Stell dir vor, die Felswand sei ihr Gesicht.“ Dann zeigte er auf eine Stelle, an der es eine weitere Ader mit Kristallen gab. Clytus nahm sein Werkzeug und ging zu der Stelle hinüber, um gleich mit der Arbeit zu beginnen. Die Genesianerin ließ die gesamte Zeit ihre Augen nicht von ihm. Staunend sah sie, wie er einen Kristall nach dem anderen aus der Wand holte. „Das kann ja wohl nicht wahr sein!“, staunte sie. „Erst produzierst du nur Abfall und kaum ist der Neue hier, da … Da …“

Blass winkte sie Amidala. Diese ließ sich von ihrer Untergebenen zunächst auf Genesianisch schildern, was diese gesehen hatte. „Ich werde mir jetzt selbst ein Bild machen!“, sagte sie ruhig aber bestimmt und schickte die Wärterin mit einem Handzeichen auf ihren Posten zurück. Dann wandte sie sich an Clytus: „Fördere mir einen Kristall!“ Wortlos lächelte und nickte Clytus und begann mit der Arbeit. Dabei ließ er nicht außer Acht, was Shimar ihm beigebracht hatte. „Das ist ja nicht zu fassen.“, sagte Amidala lächelnd, als sie das Ergebnis von Clytus’ Arbeit in den Händen hielt. „Wenn du so weiter machst, dann rettet das dein Leben! Weißt du das?“ „Ja.“, sagte Clytus. „Deshalb mache ich das ja auch.“ „Ich werde gleich der Prätora von deinem Fortschritt berichten.“, sagte Amidala. „Diesen Kristall werde ich als Beweisstück mitnehmen.“ Damit ging sie.

Auf der Canara war man überrascht über Amidalas Bericht. „Ihr müsst das Urteil gegen den Jungen revidieren!“, sagte die Wärterin. „Ich habe einen Beweis, Prätora.“ Sie hielt den Kristall in die Kamera des Sprechgerätes. „Warum hat der Junge das auf einmal gelernt?!“, fragte Yanista missmutig. „Das liegt an dem tindaranischen Gefangenen.“, sagte Amidala. „Er hat es ihm beigebracht.“ „Also schön.“, sagte Yanista. „Ich glaube dir. Er scheint ja doch noch eine ganz passable Arbeitskraft zu werden. Sag ihm, weil ich heute meinen großzügigen Tag habe, werde ich ihm sein Leben schenken.“ „Das werde ich ausrichten, Prätora.“, erwiderte Amidala und beendete die Verbindung.

„Jetzt verrat’ mir doch bitte mal, wie du dieses Wunder zustande gebracht hast.“, sagte Scotty. „Hast du das nicht gesehen?“, fragte Shimar. „Ich habe ihn einfach nur sozusagen mittasten lassen. In der Vergangenheit wurde das beim Fliegenlernen so gemacht, als es noch Fluggeräte mit mechanischer Steuerung gab.“ „Dann wundert mich gar nichts.“, sagte Scotty. „Auf so was kann auch nur 'n Pilot kommen. Ingenieure sind dafür zu doof.“ „Mach dich nicht kleiner als du bist.“, sagte Shimar. „Vielleicht bin ich einfach nur praxisnäher.“

Amidala kam zurück. An den freundlich blickenden Augen der Wärterin konnten die Männer gut sehen, dass sie wohl eine freudige Nachricht haben musste. „Ich habe mit meiner Prätora gesprochen und sie hat ihr Urteil revidiert.“, sagte sie freundlich zu Clytus. „Heißt das, ich darf hier bald raus?!“, fragte der Junge. „Nein.“, sagte Amidala. „Das heißt nur, dass du leben darfst. Raus kommt ihr hier nicht. Zumindest nicht, wenn ihr eure Körper mitnehmen wollt. Wenn ihr sterbt, werdet ihr auf einem Gefangenenfriedhof in diesem Planetensystem verscharrt. Vielleicht habt ihr ja Glück und dürft ab dann als Cobali weiter leben. Die streichen im Moment viel um diese Friedhöfe herum. Die Prätora hat damit kein Problem. Es sind ja nur Gefangene, noch dazu männliche Gefangene. Was mit denen nach ihrem Tod passiert, schert sie einen feuchten Romulanerfurz.“ Shimar wunderte sich über ihre Worte. Warum erzählte Amidala ihnen das? Was sollten sie mit dieser Information anfangen? Dass sie insgeheim auf ihrer Seite war, hatte er längst kapiert. Aber warum diese Informationen? Er beschloss, nach Schichtende in der Zelle weiter darüber nachzudenken.

Im Labor der Granger, das direkt an die Krankenstation angegliedert war, hatten sich Mikel und Learosh zu einem Experiment der besonderen Art verabredet. Die Zellprobe, die Mikel aus dem Inneren von Dirans Schiff genommen hatte, lag auf einem Objektträger, der wiederum in einer ballistischen Vorrichtung steckte, die mit dem Mikroskop gekoppelt war. Hinter dem Monitor saß Learosh und in einem Abstand von ca. drei Metern stand Mikel davor und hatte einen Phaser mit aufgesteckter Rosannium-Linse in der Hand, dessen Zielgerät auf die Probe eingestellt war. „Ich wäre dann so weit.“, meldete Learosh, der die Aufgabe hatte, die Veränderungen der Zellen, die jetzt vulkanischer Gestalt waren, zu beobachten. Würden sie dem Rosannium ausgesetzt, würde jegliche Energie von Sytania weichen und die Zellen würden wieder ihre natürliche DNS annehmen. Dann würden sie, so hoffte zumindest der Agent, einwandfrei beweisen, dass keine überaus großzügige Vulkanierin, sondern Sytania selbst hier am Werk war, die sich nur in eine Solche verwandelt hatte. „Gut.“, sagte Mikel. Ich werde dann für etwa zehn Sekunden mit niedrigster Stufe auf die Zellen feuern. „Sehen Sie gut hin, Medical Assistant!“

Er betätigte den Abzug und ein kurzer Lichtblitz zerriss die Luft. Dann sah Learosh auf den Bildschirm. „Sieht aus, als hätten Sie Recht, Sir.“, sagte der medizinische Assistent. „Die DNS der Zellen verwandelt sich von vulkanischer in imperianische. Warten Sie, ich mache es für Sie hörbar.“ Er drehte sich zum Mikrofon des Computers: „Computer, Veränderung der unter Mikroskop eins beobachteten Zellprobe alle zehn % ansagen!“ „Zellprobe zu 80 % vulkanisch und zu 20 % imperianisch.“, kam es zurück. Dann vergingen einige Sekunden und der Computer fuhr fort: „Zellprobe zu 70 % vulkanisch und zu 30 % imperianisch.“ „Ich verstehe.“, sagte Mikel. „Es handelt sich also tatsächlich um Sytania, die den armen Diran von vorn bis hinten verarscht hat!“ „Aber Agent!“, empörte sich Learosh. „Sorry.“, entschuldigte sich Mikel. „Ist mir so rausgerutscht. Man kann ja auch die Wut kriegen, wenn man so was hört!“ „Da stimme ich Ihnen zu.“, sagte Learosh. „Aber wie wollen Sie den Rest von Dirans Aussage beweisen?“ „Das weiß ich noch nicht.“, sagte Mikel. „Aber woher wissen Sie denn überhaupt davon?“ „Es hat eine Menge Gerüchte gegeben, Sir.“, sagte Learosh. „Außerdem behandelt meine Vorgesetzte gemeinsam mit mir einen komatösen Q auf der Krankenstation, den Diran hergebracht hat. Was soll ich denn da wohl denken?“ „Sie sind ein helles Köpfchen, Learosh.“, lobte Mikel. „Trotzdem wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn die Ergebnisse meiner Ermittlungen demnächst nicht mehr die Runde auf diesem Schiff machen würden!“ Dabei sah Mikel seinen Untergebenen streng an, soweit dies dem blinden Mann überhaupt möglich war. Die Eindringlichkeit seiner Ermahnung konnte er wohl besser durch eine lautere und langsamere Sprechweise ausdrücken. Learosh aber hatte ihn trotzdem verstanden. Das lag wahrscheinlich daran, dass er, wie Mikel schon gesagt hatte, eben tatsächlich ein sehr helles Köpfchen war.

Auch mich hatte es in letzter Zeit nicht immer, aber immer öfter, auf die Krankenstation gezogen. Ob meine Vorgängerinnen so viel Zeit bei einem Patienten verbracht hätten, wusste ich nicht, aber ich verbrachte fast meine gesamte dienstfreie Zeit bei Kairon. Ich berichtete ihm von meinem Alltag oder sang ihm vor, was ja ohnehin meine bescheinigte Lieblingsbeschäftigung war. Loridana hatte nichts dagegen. Sie fand sogar, dass ich ihm eventuell dadurch beim Aufwachen helfen könnte, zumal Kissara mich und Mikel längst darüber informiert hatte, dass wir, falls er aufwachen sollte, als seine Betreuer fungieren sollten. „Kairon wird sich ziemlich behindert fühlen.“, hatte sie gesagt. „Sie zwei haben auch eine Behinderung, kommen aber in unserer Gesellschaft prima zurecht! Er könnte also von Ihnen lernen. Deshalb habe ich gerade Sie ausgewählt. Das war’s! Wegtreten!“ Wenn sie das sagte, wussten wir, dass die Sache keinen Widerspruch duldete.

Gerade hatte ich eine demetanische Volkswaise angestimmt, als ich das Gefühl bekam, dass in Kairons bis dahin eher leblos anmutende Hand, die ich die ganze Zeit gehalten hatte, eine leichte Form von Spannung zurückgekehrt war. Vor lauter Schreckt darüber vergas ich sogar den Text. Loridana, die uns beobachtet hatte, wendete sich sofort dem Monitor zu. „Sieht aus, als wollte er zu uns zurückkommen.“, interpretierte sie die Bilder und Werte, die das Gerät ihr zeigte. „Singen Sie weiter. Dann findet er leichter hierher.“ Ich nickte, wechselte aber zu einem Popsong aus meinem Heimatjahrhundert, da mir der Text des Liedes, das ich eigentlich hatte singen wollen, vor lauter Aufregung nicht mehr einfiel. „Kommen Sie zu uns, Kairon.“, flüsterte Loridana ihm ins Ohr. „Kommen Sie hier her ins Licht.“

Einige Sekunden verstrichen und dann schrillte ein Alarm und der Computer machte uns darauf aufmerksam, dass Kairon gegen die Maschine atmete. Sofort nahm Loridana ihm die Maske der Lebenserhaltung ab. Kairon setzte sich auf und umarmte mich fest. Dann sagte er: „Meine kleine Stimme, die mich aus dem Dunkel geführt hat! Endlich sehe ich Ihr Gesicht!“ Er drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich ließ ihn gewähren, denn ich wusste, dass dies keine Zudringlichkeit war, sondern eher der Überwältigung über die Tatsache, dass er wieder unter den Lebenden weilte, zuzuschreiben sein würde.

Loridana war in einen anderen Raum gegangen und hatte von dort ihren Erfasser geholt, mit dem sie Kairon einiges veranschaulichen wollte. Jetzt war sie zurück und setzte sich mit ernster Mine auf sein Krankenbett. „Willkommen unter den Lebenden.“, sagte sie ernst. „Ich denke, es ist am besten, wenn ich Sie gleich über das Leben aufkläre, das Sie in Zukunft führen werden.“ „Warum Sind Sie so ernst, Scientist Loridana?“, fragte Kairon und versuchte, ihre Gedanken zu lesen, was aber aufgrund der Entfernung der toten Reste seines Telepathiezentrums nicht gelingen konnte. „Das Dämpfungsfeld ist nicht notwendig, Scientist.“, versicherte Kairon. „Ich bin doch Ihr Freund.“ „Kairon, es gibt kein Feld.“, sagte Loridana mit ruhiger ernster Stimme. „Sie haben Ihre Fähigkeiten verloren. Ihr Telepathiezentrum war tot. Ich musste die Reste entfernen, damit sie nicht Ihren ganzen Körper vergifteten. Die toxischen Stoffe, die abgeschwemmt worden wären, hätten …“

Er schlug die Hände vor das Gesicht. Ich erkannte, dass jetzt wohl mein Einsatz von Nöten sein könnte. „Ich bin hier, Kairon.“, sagte ich. „Ich weiß, dass dies ein Schock für Sie sein muss. Aber ich lebe schon seit fast 38 Jahren als Sterbliche. Ich weiß wie das geht und ich bin abkommandiert, es Ihnen zu zeigen. Aber ich würde das auch ohne Befehl tun.“ Dann umarmte ich ihn fest. „Vielen Dank, Allrounder.“, sagte Kairon. „Oh, mein Gott. Ich sollte eigentlich nicht so reagieren. Ich mag doch eigentlich die Sterblichen. Also sollte es doch für mich nicht schlimm sein, als einer leben zu müssen. Es tut mir aufrichtig leid! Wo ist nur mein Verstand?! Sagen Sie mir bitte nicht, der ist auch abhanden gekommen!“ „Für etwas Sympathie zu empfinden, oder es selbst durchmachen zu müssen, sind zwei verschiedene Paar Schuhe.“, erklärte Loridana. „Ich mag den Agent und den Allrounder auch, trotzdem könnte ich mir nicht vorstellen, von heute auf morgen ohne Augenlicht zu leben.“ „Das ist wohl auch der Grund, aus dem sie den Befehl hat, sich um mich zu kümmern.“, sagte Kairon und zeigte auf mich. „Genau.“, lobte Loridana. „Sie weiß nämlich, wie es sich anfühlt, mit einer kleinen Unzulänglichkeit klarzukommen. Betsy und Mikel sind die besten Lehrer für Sie, die sich unser Commander vorstellen konnte.“ „Dann sollte ich mich bemühen, ein gelehriger Schüler zu sein.“, sagte Kairon.

Ein Signal ertönte aus dem Lautsprecher: „An die gesamte Besatzung, hier spricht der Commander. Alle Offiziere werden gebeten, sich heute um 14 Uhr im Konferenzraum einzufinden!“ „Das ist ja in fünf Minuten!“, stellte ich erschrocken fest, nachdem ich auf meine Uhr gesehen hatte. „Ganz recht.“, bestätigte Loridana. Dann wandte sie sich an den Computer: „Computer, den Patienten auf Biobett eins überwachen und jede Veränderung an mein Handsprechgerät übermitteln!“ Sie wartete das bestätigende Signal ab und nahm mich bei der Hand: „Kommen Sie!“

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