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Maron hatte sich mit Joran in einem der Aufenthaltsräume der Station getroffen. Dem ersten Offizier war etwas mulmig angesichts der neuen Tatsachen aber auch der eigenen Fehler geworden. Nicht genug damit, dass er Ginallas Aussage keinen Glauben geschenkt hatte und dass die Indizienkette sich trotzdem verdichtet hatte, nein, jetzt hatte er auch über die Situation, in der Shimar wahrscheinlich war, nachgedacht. Wenn Zirell so weiter machte, würde sie sich noch selbst in Gefahr bringen. Ihre offene Rebellion, die sie damit ausdrückte, dass sie sowohl Joran, als auch Maron immer noch in ihren gewohnten Positionen beschäftigte, musste enden! Wenn sie den Beiden schon nicht von allein kündigen würde, müssten sie es wohl selbst tun. Aber Maron wusste auch, dass Zirell seine und Jorans Kündigung nicht so einfach annehmen würde. Es würde schon einer Menge Überzeugungskraft bedürfen. Darüber würde er mit dem Vendar jetzt sprechen. „Denkst du nicht, dass dieser Platz ein wenig zu öffentlich ist, Maron El Demeta?“, wollte Joran wissen. „Das ist ja gerade das Gute.“, erklärte Maron. „Gerade weil er so öffentlich ist, wird Zirell nicht vermuten, dass wir zwei hier ein konspiratives Treffen abhalten. Würden wir uns bei Nacht und Nebel in deinem oder meinem Quartier treffen, sehe das schon anders aus.“ „Gehst du davon aus, dass sie nachforschen würde?“, fragte Joran. „Allerdings.“, nickte Maron. „Sie weiß, dass ich von Anfang an nicht wirklich mit ihrem Plan der offenen Rebellion einverstanden war und sie wird sich denken können, dass ich Shimars offensichtliche Gefangennahme durch die Genesianer als Argument benutzen werde. Wir müssen aus diesem Beschäftigungsverhältnis raus, Joran. Zirell muss uns kündigen und wir müssen unehrenhaft entlassen werden, damit sie sich nicht selbst gefährdet. Wer weiß, was die Genesianer mit ihr machen, wenn sie ihr habhaft werden. Auch die haben Rosannium!“ „Du hast doch sicher schon einen hinterlistigen Plan, Maron El Demeta.“, lachte Joran und betonte Demeta besonders. „Den habe ich.“, sagte Maron. „Zirell ist darauf gefasst, dass ich zu ihr komme und alle rhetorischen Register ziehe, um meine und deine Entlassung durchzusetzen. Aber von dir denkt sie das womöglich nicht. Deshalb wirst du zu ihr gehen. Du wirst zunächst nur für dich sprechen. Das wird sie hoffentlich verwirren und dann ist sie reif für meinen Teil des Plans.“ „Wie du wünschst, Maron El Demeta.“, grinste Joran und stand auf.

Zirell saß in ihrem Quartier, als die Sprechanlage Jorans Kommen ankündigte. „Komm rein.“, sagte sie.

Mit festem Schritt betrat der Vendar ihre Räumlichkeiten. „Ich bin im Wohnzimmer.“, gab Zirell ihre genaue Position an. Joran betrat den Raum und setzte sich zu ihr auf das Sofa. „Was ist der Grund, aus dem du mich auch einmal in deiner und meiner dienstfreien Zeit besuchst?“, lächelte die Kommandantin. „Sonst verbringst du diese Zeit doch meistens mit Jenna.“ „Der Grund, aus dem ich hier bin, ist dienstlicher Natur, Anführerin Zirell.“, sagte Joran. „Also gut.“, sagte die Tindaranerin und replizierte beiden ein Getränk. „Was ist los?“, fragte sie, während sie die Gläser auf dem niedrigen Tisch abstellte. „Ich möchte hiermit offiziell um meine Entlassung aus deinem Kommando bitten, Anführerin Zirell.“, antwortete der Vendar fast feierlich.

Zirell stellte irritiert ihr Glas ab, das sie gerade gehoben hatte, um einen Schluck daraus zu nehmen. Sie befürchtete wohl, dass es ihr aus der Hand fallen könnte. „Warum willst du das?“, fragte sie. „Was habe ich dir getan?“ „Es hat nichts mit dir zu tun, Anführerin.“, tröstete Joran und setzte einen schmeichelnden Blick auf. „Aber was ist es dann?“, fragte Zirell. „Wenn du auf eine andere Basis zu einem anderen Kommandanten stationiert werden willst, dann müsste ich das mit der Zusammenkunft besprechen, aber die dürfen ja noch nicht einmal wissen, dass ich dich noch immer beschäftige.“

Joran grinste innerlich. Jetzt hatte sie ihm genau das Argument geliefert, das er gebrauchen konnte. „Ist dieses Wissen und diese Geheimhaltung nicht ungeheuer belastend für dich, Anführerin?“, fragte Joran. „Ich meine, wenn ich nicht mehr auf deiner Basis wäre, dann hättest du ein Problem weniger. Die Zusammenkunft würde …“ „Ich will dir mal was sagen, Joran!“, sagte Zirell fest, ja fast streng. „Keine Sytania und kein anderer Mächtiger wird Zirell eine falsche Zeitlinie diktieren. Wenn andere so leicht einknicken, nur weil sie Angst vor Konsequenzen haben, können sie sich gern in ihren Mauselöchern verkriechen! Ich werde das nicht tun! Deshalb wird auch mein bester verbliebener Patrouillenflieger männlichen Geschlechts bleiben. Du bist das größte Ass in deinem Job und … Moment. Ich werde dir mal was veranschaulichen!“

Sie nahm ihren Neurokoppler aus der Tasche und schloss ihn an, um IDUSA, nachdem diese ihre Tabelle geladen hatte, per Gedankenbefehl einzugeben: IDUSA, repliziere ein terranisches Skatblatt!

Interessiert sah Joran zu, wie sie die Schachtel mit den Karten aus dem Auswurffach nahm und zunächst die vier Asse und dann die vier Buben heraussuchte. „Was wird das?“, fragte der Vendar. „Willst du mit mir um meine Entlassung spielen?“ „Oh, nein!“, sagte Zirell, während sie die vier Asse in einer Reihe auf dem Tisch platzierte. Dann legte sie jeweils den passenden Buben darunter. Danach suchte sie die schwarze Dame heraus und legte sie unter die anderen beiden Reihen genau unter den Herzbuben. „Also schön.“, sagte sie dann. „Einer der Buben, der ein Ass in seinem Job ist, ist verschollen. Keiner weiß wo.“ Damit legte sie den Pike-Buben und das Pike-Ass in die ebenfalls replizierte Schachtel zurück. „Außerdem ist Ishan auch nicht von dem Männerproblem betroffen, weil er in den Augen der Genesianer eine Maschine ist.“ Damit schob sie das Karo-Ass und den Karo-Buben beiseite. „Jetzt liegen da nur noch der Kreuz-Bube und das Kreuz-Ass und der Herz-Bube und das Herz-Ass.“, stellte Joran fest. „Richtig.“, sagte Zirell. „Nehmen wir an, der Herz-Bube bist du. Ich mache das so, weil du verliebt in Jenna bist. Sieh mal hin. Der Herz-Bube verhindert auch, dass die schwarze Dame in die Reihen eindringen kann. Und jetzt möchte der Herz-Bube gern gehen.“ Damit legte sie die Karte zur Seite. „Jetzt liegen da nur noch drei Karten statt vier in einem Block.“, stellte Joran fest. „Das Bild ist nicht mehr stimmig.“ „Ich könnte den Block wieder vervollständigen.“, sagte Zirell provokativ und schob die schwarze Dame an den Platz, an dem vorher der Herz-Bube gelegen hatte. „Ohne mich ist also der Rest ohne Schutz vor der schwarzen Dame.“, sagte Joran, der sich jetzt sehr gut denken konnte, wen die schwarze Dame in Zirells Schaubild darstellte. „Im Moment steht da quasi, dass die schwarze Dame ein Ass in ihrem Job ist, uns zu überrumpeln, wenn ich nicht auf uns alle aufpasse. Also gut! Bitte mach das Schaubild wieder heil, Anführerin! Ich bleibe! Sytania darf keine Chance bekommen!“ „Na nu.“, tat Zirell verwundert. „Ich dachte, es sei dir egal, welche Karte die Reihe vervollständigt. Also auch, ob die schwarze Dame …“ „Es ist mir nicht egal!“, bestand Joran auf der Reparatur des Bildes. „Na also.“, sagte Zirell und tat, worum er sie gerade gebeten hatte. „Das sieht doch viel besser aus, nicht wahr?“, lächelte sie. „In der Tat.“, sagte Joran und ging ebenfalls lächelnd.

Die IDUSA-Einheit der Station beobachtete Maron genau. Der künstlichen Intelligenz war sein Verhalten extrem unklar. Wenn man sich genau ansah, was er dort tat, konnte man schon davon ausgehen, dass es etwas Merkwürdiges sein musste, zumindest wenn man ein Computer war und nur logische oder gelernte Dinge einordnen konnte. Dass Organische von Zeit zu Zeit merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legten, war IDUSA zwar bekannt, dennoch hoffte sie, Maron würde ihr irgendwann erklären, warum er jetzt ständig zwei Pads mit Datenkristallen auf dem Tisch hin und her schob und dabei ständig die Zeit mit Hilfe seines Sprechgerätes stoppte.

Die künstliche Intelligenz beschloss, seine Reaktionstabelle zu laden und ihn einfach einmal danach zu fragen. Da Maron seinen Neurokoppler nicht dabei hatte, musste sie wohl oder übel auf den Simulator im Raum zurückgreifen. „Darf ich erfahren, was Sie hier tun, Agent?“, fragte sie, erhielt aber von Maron keine Antwort. Erst als ihm die Simulation das Gefühl gab, ihm auf die Schulter zu tippen, drehte er sich nach ihr um. „Ich trainiere.“, sagte er nur knapp und vertiefte sich wieder in sein Spiel. „Sie trainieren.“, wiederholte IDUSA sachlich. „Darf ich erfahren, was Sie trainieren, Agent?“ „Ich trainiere, Commander Zirell auszutricksen.“, antwortete Maron, ohne von seinen Pads aufzusehen. „Darf ich bemerken, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen dies gelingt, 0 % beträgt?“, fragte der Rechner. „Sicher darfst du das.“, grinste Maron. „Tindara ist ein freier Planet und sogar Computer wie du dürfen ihre Meinung äußern.“

Der Avatar machte ein genervtes Gesicht und ließ es für Maron so aussehen, als würde sie sich ihm gegenüber setzen. „Und ich dachte, ich wäre spitzfindig.“, sagte sie. „Wie du siehst, bin ich darin auch nicht wirklich schlecht.“, meinte Maron. „Aber erklär mir doch bitte, warum du meinst, dass ich Commander Zirell nicht austricksen können sollte. Ich meine, ich bin Demetaner. Du weißt, dass wir als sehr hinterlistig gelten. Wenn es mir gelingt, ihr den Datenkristall mit meiner Kündigung unter die Nase zu halten, wenn sie nicht damit rechnet und erst etwas anderes sieht, das sie unterschreiben soll, dann habe ich ihre Unterschrift auf diesem Pad, noch bevor du Unterschrift sagen kannst.“ „Dessen bin ich nicht wirklich sicher.“, warnte der Avatar. „Wieso?“, grinste Maron. „Bin ich immer noch nicht schnell genug?“

Verbissen schob er die Pads mit noch mehr Konzentration hin und her und verglich die Zeiten im Display seines Sprechgerätes. „Wieder eine Sekunde gespart.“, stellte er zufrieden fest. „Wenn das so weiter geht, kann ich beim Zirkus als Zauberer anfangen.“ „Der magische Maron vergisst dabei nur eins.“, erklärte IDUSA. „Ihm Gegenüber wird eine trainierte Telepathin sitzen, die mit Sicherheit längst weiß, was er vorhat. Deshalb meinte ich, dass die Wahrscheinlichkeit 0 % betrüge.“ „Zirell würde nie ohne Vorwarnung in meinen oder den Kopf eines anderen gehen.“, lachte Maron. „Außerdem vertraut sie mir und wird daher keinen Anlass sehen, irgendwas zu überprüfen. Natürlich ist es rein mathematisch gesehen richtig, dass sie diese Möglichkeit nutzen könnte. Aber Mathematik ist nicht alles, IDUSA. Ich kann mir denken, dass du das nicht verstehst, weil du ein Computer bist. Aber wenn ein organisches Wesen einem anderen organischen Wesen vertraut, können die Gesetze der Wahrscheinlichkeit schon einmal ausgehebelt werden.“

Erneut ließ er die Pads das Spiel vom Bäumchen wechsle dich spielen. „Verdammt, bin ich schnell!“, sagte Maron nach einem weiteren Vergleich der letzten beiden Zeiten. „Bestätigt.“, sagte IDUSA, die jetzt die Zeit mitgestoppt hatte. „Aber ich bezweifle, dass dies vor Zirell genau so gut klappen wird.“ „Das wagst du, mir einfach so an den Kopf zu werfen!“, sagte Maron. „Was wollen Sie tun?“, fragte der Avatar mit einem frechen Grinsen auf den simulierten Lippen. „Wollen Sie Techniker McKnight auf mich hetzen? Sie wissen, dass sie aufgrund der Rechtslage sich erst mal auch meine Version anhören müsste. Die Wahrscheinlichkeit beträgt 99,99 %, dass sie mich danach nicht umprogrammieren wird.“ „Entschuldige, IDUSA.“, bat Maron um Verzeihung. „Deine Meinung ist deine Meinung und aufgrund dieser wird dich auch niemand umprogrammieren. Sie hetzen ja auch keine Telepathen auf uns, die uns einer Gehirnwäsche unterziehen, nur weil wir eine andere Meinung als unser Gegenüber haben.“ „Fühlten Sie sich in Ihrer demetanischen Ehre verletzt?“, wollte der Avatar wissen. „In gewisser Weise.“, gab Maron zu. „Ich gebe zu, ich fühlte mich in dieser Debatte schon etwas herausgefordert. Aber dir mit Jenna zu drohen, wäre wirklich nicht sehr fair gewesen. Nur weil du nicht meiner Meinung bist, ist kein ausreichender Grund.“ „Ich finde es sehr gut, dass Sie das so sehen, Agent.“, sagte IDUSA. „Es gab Zeiten, da …“ „An diese Zeiten möchte ich mich selbst nicht mehr so gern erinnern.“, stöhnte Maron. „Aber das ist ja Mutter Schicksal sei Dank endlich Vergangenheit!“ „Dann betrachten Sie doch meine Äußerungen nicht als Herausforderung, sondern als Warnung.“, bot IDUSA an. „Also gut.“, sagte Maron. „Du kannst mich ja überwachen, wenn ich zu Zirell gehe. Dann wird sich ja herausstellen, ob du richtig gelegen hast, warnende Kassandra.“ „Ich denke, dass ich im Gegensatz zu der von Ihnen gerade angesprochenen mythologischen Seherin von der Erde schon mit meiner Prophezeiung richtig liegen werde, Agent.“, sagte IDUSA.

Joran betrat den Raum, was IDUSA gleich registrierte und zum Anlass nahm, um auch seine Tabelle zu laden. „Worüber habt ihr geredet, Maron El Demeta?“, fragte der Vendar den demetanischen ersten Offizier. „Und was in aller Götter Namen machst du da?“

Maron ließ die Inhalte der Datenkristalle beider Pads auf den jeweiligen Bildschirmen aufleuchten. „Ihr Vendar habt doch scharfe schnelle Augen.“, sagte er und legte die Pads vor Joran auf dem Tisch ab. „Das Eine ist ein Patrouillenplan und das andere ist deine Kündigung.“, sagte Joran, nachdem er sich beides flüchtig durchgelesen hatte. „In der Tat, wie du sagen würdest.“, sagte Maron mit einem Lächeln. „Jetzt verrate mir doch bitte, welches meine Kündigung ist!“

Er ließ die Pads kreisen. Dabei erinnerte sein Verhalten Joran zusehends an das eines typischen italienischen Hütchenspielers auf Terra. Der Vendar musste zugeben, noch nie so einen gesehen zu haben, aber Shannons Berichte sagten ihm schon genug. Schließlich deutete er mit einer überzeugten Handbewegung auf eines der Pads. „Was für ein Glück, dass wir um keinen Einsatz gespielt haben, Joran.“, sagte Maron. „Du hättest alles verloren.“ „Das ist korrekt.“, gab Joran zu. Neben: „In der Tat.“, war dies zu seiner zweiten englischen Lieblingsfloskel geworden. „Trotzdem glaube ich, dass dein Taschenspielertrick bei Zirell El Tindara nicht funktionieren wird.“ „Mach du’s erst mal besser.“, sagte Maron. „Wenn du so große Töne spuckst, kann ich doch wohl davon ausgehen, dass deine offene und ehrliche Methode dich zum Erfolg geführt hat. Also, wann holt dich Sianach?“ „Niemals.“, sagte Joran. „Was heißt das?“, fragte Maron schadenfroh. „Das heißt, dass Zirell El Tindaras Psychologie funktioniert hat und sie mich mit Kartenlegen überzeugen konnte.“ „Kartenlegen.“, lachte Maron. „Ich wusste gar nicht, dass du so abergläubisch bist.“ „Das hat mit Aberglauben nichts zu tun.“, verteidigte sich Joran. „Sie hat nur ein sehr eindrucksvolles Schaubild benutzt. Ehe ich mich versah, habe ich sogar selbst darum gebeten, bleiben zu dürfen.“

Maron sah seinen Untergebenen abfällig an und machte ein auf Missfallen hindeutendes Geräusch mit dem Mund. „Wenn du glaubst, dass du es vor Zirell besser hinkriegst, dann beweise es.“, sagte Joran. „IDUSA und ich werden dir gern zusehen.“ „Also gut.“, sagte Maron und stand auf. „Dann spitzt mal Ohren und Sensoren und seht einem Meister bei der Arbeit zu.“ Damit ging er.

Zirell hatte IDUSA bereits das Blockieren der Tür befohlen, als Maron ihr Quartier betrat. Eigentlich hätte der erfahrene Kriminalist jetzt misstrauisch werden müssen, aber dafür war er wohl von seinem eigenen Trick zu überzeugt. „Ich habe dich schon erwartet, Maron.“, sagte Zirell. „Ich hoffe, du willst nicht auch noch kündigen.“ „Nein.“, log Maron. „Das habe ich nicht vor. Ich wollte dir nur etwas zum Unterschreiben vorbeibringen.“

Wieder tauschte er die Pads in seinen Händen. Dann sah er, wie sich Zirell das vor ihrer Nase liegende Pad nahm und ihren biologischen Fingerabdruck mittels Ablegen ihres rechten Daumens auf dem entsprechenden Feld hinterließ. „Vielen Dank, Zirell.“, sagte Maron. „Ich werde dann die Flugbereitschaft verständigen, damit sie mich nach Tindara bringen, von wo aus ich einen Liner nach Demeta nehmen werde. Was du gerade unterschrieben hast, war nämlich meine Kündigung.“ „So?“, fragte die Kommandantin grinsend. „Wenn du denkst, dass du mich hereingelegt hast, dann schau dir mal genau an, welches Pad ich unterschrieben habe.“

Blass sah Maron auf die Pads. Tatsächlich prangte ihre Unterschrift nicht auf seiner Kündigung, sondern auf dem Patrouillenplan. „Woher wusstest du das?“, stammelte er. „Woher ich das wusste?“, lachte Zirell. „Bei allen Göttern, Maron, ich bin eine geübte Telepathin! Was du vorhattest, war für mich so offensichtlich, dass es schon zum Himmel geschrieen hat.“ „Ich nehme an, eine Dosis zellarer Peptidsenker hätte da auch nicht viel genützt, weil ich mir die von Ishan hätte abholen müssen und der hätte es gemeldet. Dann wärst du auch alarmiert gewesen. Aber, Zirell, du darfst uns nicht weiter beschäftigen. Wenn du …“ „Das lass mal meine Sorge sein!“, sagte Zirell streng. „Wenn ihr zwei euch nicht irgendwas ganz Pflichtvergessenes leistet, werdet ihr eure Posten hier nicht los und das werdet ihr nicht tun. Dafür kenne ich euch zu gut und jetzt wegtreten!“

Geplättet verließ Maron den Raum. Er wusste, dass er jetzt nicht nur sich selbst, sondern auch Joran gegenüber seine Niederlage eingestehen musste und vor IDUSA musste er jetzt wohl auch zu Kreuze kriechen. Sie hatte ihn ja gewarnt. Er hoffte nur, dass Shannon von dem Ganzen nichts erfahren würde. Dann wüsste es nämlich bald die gesamte Station. Aber die Wahrscheinlichkeit war gering, da Joran es Jenna sagen würde, deren Assistentin Shannon war. Also würde er wohl demnächst mit einigen Lästereien leben müssen.

Agatha und Donatha hatten sich erneut mit der Situation um die Granger auseinandergesetzt. Noch ein Schiff würde die Regierung der Föderation nicht schicken können, das wussten die Frauen. Es war einfach keines verfügbar. „Das Blatt scheint sich trotz allem komplett gegen uns gewendet zu haben, Donatha.“, stellte Agatha fest. „Sytania hat gut Reden.“ „Aber so schlimm ist das alles nicht.“, tröstete die gerade erst in ihr Amt berufene Hohe Priesterin. „Unsere Göttin hat uns doch einen Weg aufgezeigt.“ „Denkst du wirklich, dass die Genesianer das für uns übernehmen werden?“, fragte Agatha ungläubig. „Ich meine, Shashana und ihren Leuten könnte doch im Prinzip egal sein, was die Granger herausbekommt. Wenn Kissara herausbekommen sollte, dass die oberste Göttin der Genesianer doch nicht zurückgekehrt ist und sie ihr glauben, dann kriegen sie doch nur eine gehörige Wut auf Sytania und werden sich gegen sie wenden. Wir wären ihnen egal. Am Ende würden sie sich vielleicht sogar noch bei uns dafür entschuldigen, dass sie unsere Gebiete aufgrund des Befehls einer Marionette von Sytania erobert haben und würden, wie es die Ehre in diesem Fall verlangen würde, die Gebiete aufgeben. Kissara würde hofiert.“ „Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie bei ihnen in Ungnade fällt.“, sagte Donatha. „Wie willst du das anstellen?“, fragte Agatha. „Wenn wir länger warten, haben wir dazu sicher keine Möglichkeit mehr.“, antwortete die Priesterin listig. „Aber noch hat Kissara keine Beweise für gar nichts. Wir werden der obersten Prätora der Genesianer aber sagen, dass sie fleißig dabei ist, unter den Kriegerinnen und auch unter den eroberten Völkern zu verbreiten, dass es keine Rückkehr der Wächterin von Gore gegeben hat. Noch glaubt Shashana ja uneingeschränkt an das Wunder von Sachometh.“ „Wie willst du ihr das beweisen?“, fragte Agatha. „Die Tatsache, dass sie noch immer im Weltraum herumschnüffelt, sollte der obersten Prätora Beweis genug sein.“, sagte Donatha. „Shashana ist extrem religiös. Wenn wir es geschickt anstellen, wird sie uns schon auf den Leim gehen.“

Agatha lächelte und gab das Rufzeichen der obersten Prätora in das Sprechgerät auf ihrem Schreibtisch ein. Gleich darauf meldete sich Shashana: „Was möchte das Staatsoberhaupt von Angel One von mir? Warum wendest du dich direkt an mich und gehst nicht den Weg über dein Parlament oder die Unterhändlerinnen?“ „Vergebt mir, oberste Prätora.“, schmeichelte Agatha. „Aber es gibt da ein Problem, mit dem wir nicht allein fertig werden können. Es geht um die rebellierende Besatzung der Granger. Commander Kissara zweifelt öffentlich an, dass Eure oberste Göttin zurückgekehrt ist. Ist das nicht ein Frevel?“ „Oh doch.“, sagte Shashana. „Aber ich hätte nicht gedacht, dass ihr Hilfe dabei benötigt, mit einem eurer eigenen Schiffe fertig zu werden.“ „Kissara ist mit allen Wassern gewaschen.“, sagte Agatha. „Sie verfügt über das Talent der Gehirnwäsche. Sie ist eine niederträchtige ehrlose Kreatur, die mit dem Herrscher der Zwischenwelt im Bunde ist. Dieser will, wie es seit Jahrhunderten in Eurer Mythologie geschrieben steht, die Herrschaft über alle Welten. Die wollt Ihr ihm doch nicht etwa geben, oder?“ Sie ließ die Sendetaste los.

Jedes halbwegs wissenschaftlich denkende Wesen hätte jetzt wahrscheinlich über die Äußerung bezüglich der Einmischung des Herrschers der Zwischenwelt, der etwa Satan entspricht und einem eventuellen Bündnis zwischen ihm und Kissara achselzuckend geschmunzelt. Nicht aber die tief gläubige Shashana. Sie war mit der Mythologie der Genesianer aufgewachsen und hatte sie derart verinnerlicht, dass eine Existenz des Herrschers der Zwischenwelt durchaus in ihr Denken passte. Jenes Talent zur Gehirnwäsche, das Agatha gerade Kissara zugesprochen hatte, war ihr also selbst gegeben. Die Auserwählte von Angel One wusste, dass Shashana die Existenz der Wächterin von Gore anerkannt hatte und dass das Wunder von Sachometh ihr als Beweis dafür galt. Warum sollte der Teufel nicht auf diese Herausforderung reagiert haben?

Agatha lehnte sich zurück und genoss das Schweigen, das sich in der Verbindung eingestellt hatte. Sie war sich sicher, dass Shashana jetzt über ihre Worte nachdenken würde. Wenige Minuten danach hörte sie ein Signal, das ihr sagte, dass das Gespräch wieder aufgenommen wurde. „Du hast Recht.“, sagte Shashana. „Kissara muss mit dem Herrscher der Zwischenwelt im Bunde stehen, wenn sie so ein mächtiges Geschehen wie das Wunder von Sachometh anzweifelt. Ich werde ein Schiff schicken, das sie stoppen wird. Verlasst euch auf mich und danke für die Warnung. Kissaras giftigen Lügen muss ein für alle Mal Einhalt geboten werden.“ „Ich danke Euch, Oberste Prätora.“, sagte Agatha und stand extra von ihrem Stuhl auf, um einen gehörigen Knicks hinzulegen.

„Das die noch an den Teufel glaubt.“, lachte Donatha. „Für eine warpfähige Spezies doch reichlich primitiv, findest du nicht?“ „Oh, doch.“, sagte Agatha. „Aber es ist gut für uns. Auf diese Weise konnten wir sie dazu bringen, uns Kissara aus dem Weg zu räumen und Warpfähigkeit und Religion sind zwei Dinge, die sich nicht ausschließen.“ „Stimmt.“, grinste Donatha dreckig. „Aber um so besser für uns!“

Hera war allein auf der Brücke, als Shashana mit der Canara Kontakt aufnahm. „Wo ist deine Prätora?!“, fragte die oberste aller Kriegerinnen streng. „Prätora Yanista schläft, oberste Prätora.“, antwortete die junge Pilotin und Kommunikationsoffizierin wahrheitsgemäß. „Soll ich sie wecken?“ „Nein.“, sagte Shashana. „Ich will, dass du statt dessen sofort den interdimensionalen Antrieb eures Schiffes aktivierst und euch zurück ins Universum der Föderation bringst. Dort gibt es jemanden, die unbedingt gestoppt werden muss. Sie ist mit dem Herrscher der Zwischenwelt im Bunde und zweifelt am Wunder von Sachometh. Sie glaubt nicht, dass unsere oberste Göttin zurückgekehrt ist. Sie verbreitet, wir seien alle Marionetten eines Mächtigen. Aber das ist nicht so. Das hat der Herrscher der Zwischenwelt ihr nur eingeflüstert.“ „So etwas kann er. Das ist mir bekannt.“, sagte Hera. „Ich werde Euren Befehl sofort ausführen.“ „Sollte deine Prätora fragen, dann spiel ihr unser Gespräch aus dem Schiffscomputer vor.“, sagte Shashana. „Wie Ihr wünscht, oberste Prätora.“, sagte Hera und machte sich daran, die Befehle auszuführen.

In die nötigen Eingaben vertieft hatte sie nicht gesehen, wer hinter ihr die Brücke betreten hatte. Erst als Yanista näher kam und einen Blick auf den Schirm warf, erkannte sie ihre Kommandantin. „Was tust du da, Hera?!“, fragte Yanista streng. „Ich führe die Befehle der obersten Prätora aus, Prätora.“, sagte Hera ruhig. „Welche Befehle?“, wollte Yanista wissen. „Ich denke, wir haben Befehl, hier auf Zirell zu achten.“ „Offensichtlich nicht mehr, Prätora.“, sagte die junge Frau und ließ den Schiffsrechner das Gespräch zwischen sich und Shashana abspielen.

Die ebenfalls tief religiöse Yanista erstarrte, als sie die Erwähnung des Herrschers der Zwischenwelt hörte. Auch für sie war ein solches Szenario durchaus denkbar. „Du tust recht an dem, was du tust, Hera.“, stammelte sie blass. „Diese Hexe darf auf keinen Fall den Boden für die Herrschaft des Bösen in der Welt der Lebenden bereiten. Wir müssen sie stoppen. Unter allen Umständen müssen wir das. Bring uns dort hin und vor allem finde sie!“ „Ja, Prätora.“, nickte Hera.

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