- Schriftgröße +

 

Die plötzliche Genesung der Mitglieder des Hohen Rates hatte Tolea in Alarmbereitschaft versetzt. Sofort war sie zu Sytania in deren Palast geeilt. „Was hast du, edle Freundin.“, heuchelte die imperianische Königstochter Mitleid vor. „Sieh durch den Kontaktkelch!“, erwiderte Tolea hektisch. „Dann wirst du es selbst sehen.“

Sytania nahm den Kelch zur Hand und sah hindurch. „Tchey Neran.“, sagte sie. „Ich hätte mir denken können, dass sie sich einmischen wird. Aber ich hätte nicht geglaubt, dass sie so einen verwegenen Plan entwickeln könnte.“ „Anscheinend kann sie das wohl doch.“, sagte Tolea mit ängstlicher Stimme. „Was ängstigt dich so, Tolea?“, fragte Sytania. „Ich mache mir Sorgen um die Ausführung des Vorschlags, den mein Bruder gemacht hat.“, sagte Tolea. „Ich meine, wenn ich dem Duell fern bleibe, ist das so etwas wie ein Schuldeingeständnis.“ „Mach dir keine Sorgen.“, sagte Sytania. „Ich werde dich schon unterstützen. Schließlich sind wir befreundet und Freundinnen helfen sich in der Not. Du kannst also getrost zu dem Duell gehen. Deinem großmäuligen Bruder wird es nicht anders ergehen wie beim letzten Mal auch. Mal sehen, was Tchey Neran und ihre Verbündeten dann sagen.“ „Ich danke dir, Sytania.“, sagte Tolea erleichtert und verschwand in einem schwarzweißen Blitz.

Telzan hatte das Gespräch der Frauen mitbekommen und schlich nun langsam auf den Thron seiner Herrin zu. „Warum schleichst du dich an wie ein reumütiges Kind, das etwas angestellt hat?“, fragte die Prinzessin. „Weil ich das Gefühl habe, dass meine Frage bei Euch nicht gut ankommen wird, Gebieterin.“, begründete der Vendar. „Du hast es doch noch gar nicht versucht.“, ermutigte ihn Sytania. „Also kannst du auch nicht wissen, wie ich zu deiner Frage stehen werde oder auch nicht.“ „Also gut.“, meinte Telzan. „Habt Ihr tatsächlich vor, ihr zu helfen? Ich meine, Tchey Neran ist bestimmt nicht zu Fuß ins Kontinuum gegangen. Sie wird ein Schiff haben und das wird alles aufzeichnen. Also auch Eure eventuelle Einmischung. Dann wissen doch alle …“ „Du enttäuschst mich, Telzan!“, unterbrach sie ihn harsch. „Hast du wahrhaftig gedacht, ich würde riskieren, dass sie mir draufkommt? Kennst du deine Herrin etwa so schlecht? Nein! Ich werde mich brav aus der Sache raushalten. Dieses naive Dummchen wird noch früh genug merken, dass ich sie auch nur benutzt habe wie ihren einfältigen Neffen, dem ich ja auch nur so lange geholfen habe, wie es mir selbst genützt hat. Seine Liebelei mit Eldisa ist mir doch egal.“ „Aber Tolea wird das Duell verlieren, Milady.“, redete ihr Telzan ins Gewissen. „Und dann werden alle wissen, dass sie mit Euch zusammengearbeitet hat. Wenn Ihr ihr nicht helft, könnte es auch sein, dass sie eine Mordswut auf Euch entwickelt und die schwarze Macht, die Ihr ihr gegeben habt, gegen Euch einsetzt. Das würde dafür sorgen, dass sie erwacht und merkt, was sie getan hat.“ „Das soll sie versuchen.“, sagte Sytania. „Wenn sie das versucht, dann läuft sie Gefahr, ihren geliebten Neffen Clytus nie mehr zurückverwandeln zu können, weil sie ihn auch gemeinsam mit mir in einen Genesianer verwandelt hat. Wir haben es damals so gemacht, dass wir ihn auch nur gemeinsam wieder zurückverwandeln können. Also wird sie sich schwer überlegen, was sie tut, mein guter Telzan. Komme was wolle, ich habe sie in der Hand.“ Sie kicherte wie eine Hexe. „Ihr seid so eine geniale Strategin, Milady!“, freute sich Telzan.

Erwartungsvoll hatten Tchey, Tchian, Kairon und die Mitglieder des Hohen Rates der Dinge geharrt, die da kommen würden. „Sie ist unterwegs.“, sagte Kairon, nachdem er mit Hilfe seiner seherischen Fähigkeiten den Verbleib seiner Schwester ermittelt hatte. „Ich denke, sie wird annehmen.“ „Hoffentlich hilft Sytania ihr nicht wirklich.“, sagte Tchian ängstlich. „Die!“, sagte Tchey spöttisch. „Die wird sich fein raushalten. Sie wird ja schließlich nicht riskieren wollen, dass wir ihr draufkommen und die Infos womöglich noch an Leute schicken, die was damit anfangen können. Ne, ne. Das riskiert sie nicht.“

Im gleichen Augenblick sahen alle einen schwarzweißen Blitz und eine Stimme sagte: „Hier bin ich, Bruder! Wenn du willst, können wir gleich beginnen. Ruf ein paar Vendar her, die sich um den Bau der Arena kümmern werden. Dann werde ich gern mit dir etwas schieb den Felsen spielen, wenn du unbedingt noch einmal verlieren willst!“ „Wer hier verliert, das werden wir ja noch sehen, Schwester.“, sagte Kairon ruhig. „Aber mit solchen Kindereien wie Felsen gebe ich mich schon lange nicht mehr ab. Wie wäre es, wenn wir die gesamte Halle zu verschieben versuchen? Oder traust du dir das etwa nicht zu?“ „Und ob ich mir das zutraue!“, rief Tolea aus. „Nur werden wir auch ein entsprechend größeres Quadrat benötigen, das mit einem Handphaser wohl schlecht zu erstellen ist. Die Linien müssten viel dicker sein, damit man sie im Verhältnis zum Gebäude besser sieht.“ „Kein Problem.“, sagte Tchey. „Mein Schiff hat einen großen dicken Phaser.“ „Dann wirst du das Quadrat um die Halle ziehen, Tchey.“, sagte Tolea. „Auch sollte dir und deinem Schiff die Ere zuteil werden, das Amt der Schiedsrichter zu übernehmen.“ „Wie großzügig.“, flapste Tchey. „Aber wir sollten die Halle evakuieren. Wer weiß, ob ihre Statik das aushält.“ „Also gut.“, meldete sich der dicke Mann, der offensichtlich in Toleas und Kairons Abwesenheit den Vorsitz des Hohen Rates inne hatte, zu Wort. „Ihr habt sie gehört. Alle raus hier und in Deckung!“

Tchian schmiegte sich ängstlich an Tchey. „Und was ist mit mir?“, fragte er. „Du?“, flüsterte sie ihm zu. „Du kriegst einen Ehrenplatz.“ Dann zog sie ihn näher an sich und befahl ins Mikrofon ihres vorher aus der Tasche gezogenen Sprechgerätes: „Sharie, zwei zum Beamen!“

An Bord ihres Schiffes setzte Tchey sofort wieder ihren Neurokoppler auf und befahl ihrem Schiff, die Atmosphäre wieder von dem Rosannium zu reinigen. Es war jetzt ja nicht mehr notwendig, die Zwangslage für Kairon aufrecht zu erhalten. Sie war sicher, er hatte verstanden, was sie ihm sagen wollte. Außerdem hatte sie jetzt einen Vendar-Jungen bei sich, der unter Umständen ein Energiefeld trug, für das Rosannium auch hätte das Ende bedeuten können.

Sie setzte einen parallelen Kurs zur Hallenwand. „Was wird das, wenn es fertig ist, Tchey.“, fragte Sharie. „Wir werden gleich in einiger Entfernung zur Halle ein Quadrat aus Linien in den Sand schießen, Sharie.“, erklärte die versierte Pilotin. „Kairon und Tolea werden versuchen, die Halle von der einen Hälfte in die andere zu schieben.“ „Das kann doch nicht wahr sein!“, meinte Sharie und ihr Avatar schlug vor Tcheys geistigem Auge die Hände über dem Kopf zusammen. „Mancher Größenwahn kennt wohl keine Grenzen. Von wem kam der Vorschlag?“ „Von keinem Geringeren als von Kairon, Sharie!“, meinte Tchey col. „Aber uns wird dabei schon nichts passieren. Dafür sorge ich schon. Oder vertraust du mir etwa nicht?“ „Doch!“, sagte Sharie fest.

Tchey zog den zweiten Neurokoppler hervor und gab ihn Tchian, bevor sie Sharie das Erstellen einer Neurotabelle für den Jungen befahl. „Ich hab’ 'ne kleine Überraschung für dich, Tchian.“, lächelte sie ihm zu und sagte dann in Richtung Sharie: „Gib ihm die Waffenkontrolle!“ „Ich darf schießen?“, fragte Tchian irritiert. „Jops!“, machte Tchey und klopfte ihm einmal mit ihrer rechten Hand auf die Schulter. „Reagiert sie, wenn ich mir einfach das Zielen und das Drücken der Feuertaste vorstelle?“, fragte der kleine Vendar. „Sicher tue ich das.“, antwortete Sharie selbst. „Sind jetzt alle Unklarheiten beseitigt?“, fragte Tchey. „Jops.“, lächelte Tchian. „Na endlich sprechen wir die gleiche Sprache.“, atmete sie auf und gab Sharie den Gedankenbefehl zum Geradeausflug. Tchian stellte den Phaser auf Dauerfeuer und die benötigten Zielkoordinaten ein und feuerte.

„Wer war Tom Paris, Tchey?“, fragte er nach einer Weile, in der sie nur stumm nebeneinander gesessen und dem Quadrat beim Werden zugesehen hatten. „Der.“, sagte Tchey. „Der war genau so 'n cooles Fliegerass wie ich. Aber der war einmal und ist nicht mehr. Wenn du ihn besuchen wolltest, dann müsstest du ungefähr 800 Jahre in die Vergangenheit reisen.“ „Lieber nicht.“, sagte Tchian. „Zeitreisen machen mir immer solche Kopfschmerzen.“ Tchey grinste.

„Das Quadrat ist fertig, Tchey.“, meldete Sharie und stellte den Phaser ab. „OK.“, sagte Tchey. „Dann sollten wir mal unsere Position einnehmen. Na komm!“

Genau über der Mitte des Hallendaches setzten sie zur Landung an. Tchian wurde angesichts von Tcheys Vorhaben leicht übel. „Denkst du, dass das gut geht?“, fragte er besorgt. „Ich meine, was ist, wenn die Statik der Halle dem Druck nicht Stand hält und die Halle unter uns einstürzt.“ „Oh, bis dahin sind wir schon längst wieder weg.“, meinte Tchey fast verächtlich. „Sharie, du meldest jeden kleinen Riss, OK?!“ „OK.“, sagte das Schiff, dessen Landestützen gerade das Dach berührt hatten. „Soll ich das Signal geben?“, fragte Sharie. „Unbedingt.“, meinte Tchey. „Wie ich unsere zwei Mächtigen da unten einschätze, können sie es kaum noch erwarten.“ „Also gut.“, sagte das Schiff und ließ ihre Positionslichter drei mal aufblitzen.

„Allrounder Tchey und ihr Schiff haben das Signal gegeben, Bruder.“, sagte Tolea. „Also schön.“, erwiderte Kairon. „Fangen wir an!“ Damit begannen beide, sich auf das Verschieben der großen Halle zu konzentrieren, was einen ziemlichen Druck auf die Wände des Gebäudes erzeugte. Davon merkten Tchian und Tchey in Sharies Cockpit allerdings nur starke Vibrationen, die dem Vendar-Jungen die Knie weich werden ließen. „Was sind das für Vibrationen, Tchey?!“, fragte Tchian mit Sorge in der Stimme. „Die Frage gebe ich gern weiter.“, lächelte Tchey und sah im Geist Sharies Avatar an. „Die Vibrationen entstehen, weil zwei gleich starke Kräfte auf die Halle einwirken.“, erklärte Sharie. „Aber noch droht uns keine Gefahr. Ich soll zwar von Tchey aus jeden Krümel Putz melden, der aus der Wand fällt, aber bisher ist nichts passiert. Buchstäblich nichts. Wir sind alle drei noch immer sicher.“ „Nicht übertreiben, Sharie.“, sagte Tchey im Hinblick auf die Interpretation ihrer Befehle. „Wie steht es mit der Position der Halle, Sharie?“, wollte sie wissen. „Ich zeige euch die Sensorenbilder.“, sagte Sharie und stellte sie auf beide Neurokoppler. Auch Tchian sollte sehen, was in diesem doch für den Lauf der Geschichte so wichtigen Duell geschah. „Vergrößere das bitte, Sharie.“, bat Tchey. „Man sieht ja gar nicht, dass sich überhaupt etwas bewegt.“ „Wie du willst.“, antwortete das Schiff. „Aber ich denke, auch eine Vergrößerung wird nicht viel bringen. Wenn, dann bewegt sich die Halle nur um einige Millimeter zu der einen oder der anderen Seite. Aber das ist kaum sichtbar und dauert jeweils nur einige Sekunden.“ „Die zwei schenken sich wirklich nichts.“, bemerkte Tchey. „Da pflichte ich dir bei.“, sagte Sharie.

Unten an der rechten und der linken Wand der Halle waren Kairon und Tolea verbissen damit beschäftigt, sie per mentaler Kraft in die eine oder die andere Richtung zu schieben, ohne darauf zu achten, ob dies der eigenen Gesundheit und der Statik des Gebäudes wegen überhaupt noch zumutbar war. Tolea wusste durchaus, was auf dem Spiel stand und Kairon wollte ihre Schuld unbedingt nachweisen. Allerdings wunderte ihn doch, warum sie nicht mit voller Intensität kämpfte. Er hatte das Gefühl, dass sie noch auf jemanden warten würde, der oder besser die ihren letzten Schlag mit der eigenen Einmischung krönen würde. Er konnte sich denken, wer das war, aber das war ihm ganz recht so. Auf diese Weise würde er die damalige Zusammenarbeit mit Sytania noch viel eher beweisen können. „Pass auf dein neues Telepathiezentrum auf, Bruder!“, spottete Tolea. „Du willst es doch nicht gleich wieder verlieren, oder?“ „Pass du lieber auf, dass sie dir nicht doch noch draufkommen, Schwester!“, spottete Kairon zurück. „Mit ihrem Erfasser wird Sharie ganz genau sehen, dass du auf jemanden wartest. Wenn es dir wirklich wichtig ist, zu beweisen, dass Sytania nichts hier mit zu tun hat, dann würde ich diese Haltung an deiner Stelle ganz schnell aufgeben!“

Die Vibrationen nahmen zu. „Ich habe Angst, Tchey.“, flüsterte Tchian besorgt und rückte näher an seine neue schuppige Freundin heran. „Solange Sharie oder ich nicht sagen, dass es hier nicht mehr sicher ist, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“, tröstete die Reptiloide. Sie wandte sich an den Avatar: „Sag’s ihm, Sharie.“ „Es ist alles in Ordnung.“, versicherte auch das Schiff gegenüber dem Jungen.

Einige Dachziegel, die sich durch die starken Vibrationen bedingt gelöst hatten, fielen vom Dach und landeten mit lautem Gepolter auf dem Boden, worauf sie sofort in tausend Scherben zersprangen. „Das nennst du sicher?!“, äußerte Tchian seine Angst. „Ich hab’ dir doch erklärt, dass Sharie und ich uns hier rechtzeitig wegbringen werden.“, sagte Tchey tröstend. „Solange sie mir nicht meldet, dass wir starten müssen, werden wir das auch nicht tun. Oh, ich glaube, da braucht jemand eine Ablenkung.“

Sie gab Sharie einige Gedankenbefehle, die diese sofort an ihren Replikator weitergab. Das Ergebnis dieser Aktion waren zwei geschlossene Becher mit einem auf Milch und Kaffee basierenden Getränk mit Strohhalm, die Tcheys rechte Hand aus dem Auswurffach fischte und von denen sie dem Jungen einen gab, um den anderen für sich zu behalten. „Wir können doch nicht heimlich still und leise einen heben, während unter uns alles zusammenfällt!“, mahnte Tchian. „Oh, doch, das können wir.“, sagte Tchey und steckte ihren Halm in den Becher. Dann sagte sie mit grinsendem Gesicht: „Prost, Tchian! Auf die zwei Wahnsinnigen da unten!“

Das Schütteln und Rütteln hatte bald das gesamte Dach der großen Halle abgedeckt. Aber das schien Kairon und Tolea nicht im Geringsten zu stören. Im Gegenteil! Beide verstärkten ihre Bemühungen jetzt noch, was auch das Zittern der Hallenwände stärker werden ließ. Sorgenvoll betrachteten die anderen Mitglieder des Hohen Rates, die drum herum standen, die immer stärker Einsturz gefährdet wirkende Halle. „Wir sollten beide aufgeben und es bei einem Unentschieden belassen, Bruder.“, sagte Tolea. „Wenn wir so weitermachen, wird allenfalls die Halle einstürzen. Aber keiner von uns wird es vermögen, sie irgendwo hinzuschieben.“ „Das sagst du nur, weil dir langsam die Kräfte schwinden und deine erhoffte Hilfe von Sytania ausbleibt, Schwester!“, sagte Kairon teils angestrengt, teils Schadenfroh. Er wusste, ohne Sytania waren Tolea und er gleichstark, was sich jetzt auch sehr eindrucksvoll bewies.

„Denkst du, sie werden bis zur Überlastung ihrer Telepathiezentren kämpfen, Tchey?!“, fragte Tchian sorgenvoll. „Gehe ich nicht von aus.“, meinte Tchey flapsig und spielte mit dem Strohhalm zwischen ihren Zähnen. „Dafür sind ihnen ihre Kräfte zu heilig.“

Ein gut spürbarer Ruck ging plötzlich durch das Schiff. „Sharie, hast du …?“, setzte Tchey zu einer Frage an. „Ich habe gar nichts gemacht.“, antwortete das Schiff. „Aber die Halle hat sich bewegt. Sie steht jetzt 20 cm in Toleas Hälfte des Quadrates. Kairon muss ihr Warten auf Sytania ausgenutzt haben.“ „Also gut.“, sagte Tchey. „Starten wir mal ganz vorsichtig und du suchst uns einen schönen neuen Landeplatz mit deinen scharfen Sensoren. Mal sehen, was sie dazu sagen, wenn wir sie mit den Ergebnissen konfrontieren.“ „Du meinst wohl, was vor allem Tolea dazu sagt.“, grinste Tchian, der langsam seinen Mut wieder gefunden hatte. „Genau.“, grinste Tchey zurück und ließ Sharie starten.

Kairon hatte registriert, dass er seine Schwester besiegt hatte und sah sie jetzt mild an. „Auf die Hilfe deiner Freundin Sytania hast du wohl vergeblich gehofft, Tolea, was?“, sagte er freundlich. Er war keineswegs schadenfroh, wusste er doch, dass sie nur verblendet und ihr Verstand von der schwarzen Macht eingenebelt war. Aber er konnte sich auch denken, dass sich dies bald ändern würde. „Ja, auf die Hilfe Sytanias habe ich umsonst gewartet!“, gab Tolea zu und Kairon glaubte, eine aufkeimende Wut in ihrer Stimme wahrzunehmen. „Aber das wird Sytania mir büßen! Sie scheint nicht viel von unserer Freundschaft zu halten, sonst hätte sie …!“ „Du weißt, Schwester.“, sagte Kairon, um ihre Wut noch weiter anzustacheln. „Dass Sytania nur eine Freundschaft vorheuchelt, solange diese ihr nützt. Aber sobald sie Gefahr läuft, …!“ „Ich weiß!“, schrie Tolea. „Aber wie gesagt, das wird sie mir jetzt büßen!“ Sie verschwand in einem schwarzweißen Blitz. Kairon blieb lächelnd zurück. Er wusste, dass die Voraussetzungen für den zweiten Teil von Tcheys und Sharies Plan jetzt gegeben waren.

Tchey hatte Sharie auf einer Waldlichtung in der Nähe der großen Halle gelandet und hatte ihr Cockpit gemeinsam mit Tchian verlassen. Hand in Hand gingen sie jetzt den Weg zurück zur Halle. Tchey hatte dies mit Absicht so gemacht, weil sie allen deutlich machen wollte, dass man jetzt viel Zeit hätte und ja keine Hektik aufkommen sollte. „Hätte ich mit diesem Tom Paris zusammen auch solche coolen Abenteuer erleben können wie mit dir?“, fragte Tchian stolz, denn jetzt war er sich sicher, dass sie ihn niemals in Gefahr gebracht hätte und er war auch stolz auf sich, dass er diese Situation durchgestanden hatte. „Oh, sicher.“, sagte Tchey flapsig. „Aber wie gesagt, der war einmal und ist nicht mehr.“ „Aber dafür habe ich ja jetzt dich getroffen.“, sagte Tchian. „Mit Ausbilder Diran hätte ich so was nie erleben können.“ „Wer ist jetzt also hier die coole Sau, he?“, fragte Tchey und sah lässig zu, wie der Junge auf sie zeigte. „Das will ich doch wohl meinen.“, grinste sie.

Sie hatten die jetzt doch von unten noch viel baufälliger wirkende Halle erreicht. Kurz davor trafen sie auf Kairon. „Wo ist denn Ihre Schwester?“, fragte Tchey. „Tolea will sich an Sytania rächen, Allrounder.“, meinte Kairon lapidar. „Ich denke, der zweite Teil Ihres Plans wird …“ „Davon gehe ich auch aus.“, unterbrach ihn Tchey und zog ihr Sprechgerät. Dann sah sie Tchian an. „Willst du mit, oder willst du lieber hier bleiben.“, stellte sie ihn vor die Wahl. „Wo immer du jetzt hin willst, möchte ich auch hin.“, sagte Tchian. „Das wird sicher genau so cool.“ „Oh, da ist wohl jemand auf den Geschmack gekommen.“, grinste Tchey und tippte Sharies Rufzeichen in ihr Sprechgerät ein.

Tchian warf einen Blick auf die Furcht einflößend schwankenden Wände der Halle. „Was wird damit?“, fragte er und zeigte darauf. „Oh, keine Panik auf der Titanic.“, tröstete Tchey. „Das werden die Mächtigen hier sicher ganz schnell wieder repariert haben. Und zwar so!“ Sie schnippte mit den Fingern und grinste. „Dann ist ja gut.“, sagte Tchian.

Tchey nahm das Mikrofon ihres Sprechgerätes näher an ihren Mund, nachdem es ihr signalisiert hatte, dass Sharie die Verbindung entgegengenommen hatte und sagte: „Zwei zum Beamen, Sharie und dann stell schon mal deinen Interdimensionsantrieb auf das Dunkle Imperium ein. Ich weiß nämlich, wo Tolea hin will.“ „OK, Tchey.“, kam es zurück und Kairon sah zu, wie Tchian und Tchey in zwei immer durchsichtiger werdenden Säulen verschwanden.

Auf Tcheys Befehl hatte sich Sharie bald in die Luft erhoben und war dabei, auf eine Flughöhe zu steigen, aus der sie ohne Probleme den interdimensionalen Antrieb benutzen konnte. „Warum hat Kairon dich mit einem Sternenflottenrang angesprochen?“, fragte Tchian. „Neugierig bist du gar nicht.“, flapste Tchey. „Aber ich will es dir erklären, weil heute Sonntag ist. Ich habe mal für den Verein gearbeitet. Weißt du von der Scientiffica?“ „Davon weiß ich.“, sagte Tchian. „Ausbilder Diran hat mir davon berichtet. Aber sie haben deinem Commander Unrecht getan, wenn du mich fragst.“ „Das denke ich auch.“, sagte Tchey. „Aber am Ende konnten wir ja beweisen, dass …“ „Tchey, wir sind gleich auf Höhe.“, meldete Sharie. „Na dann los!“, sagte Tchey. „Lass uns Tolea aus ihrer Verzweiflung holen, bevor sie sich noch etwas antut!“

Schäumend vor Wut war Tolea in Sytanias Palast aufgeschlagen und hatte sich den Weg an deren verdutzten Wachen vorbei direkt zu ihr gebahnt. „Was ärgert dich so, edle Freundin?“, schleimte Sytania. „Die edle Freundin kannst du dir sonst wo hin schieben!!!!“, schrie Tolea sie an. „Aber, aber.“, krähte Sytania. „Warum denn so hitzig? Verrate mir doch erst einmal, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist.“ „Das wagst du noch zu fragen?“, fragte Tolea. „Das wagst du allen Ernstes noch zu fragen?! Du hattest versprochen, mir gegen meinen Bruder zur Seite zu stehen! An dieses Versprechen hast du dich nicht gehalten und darüber soll ich nicht wütend sein?!“ „Ach.“, machte Sytania abfällig. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde dir helfen? Dachtest du ernsthaft, ich würde riskieren, dass jemand meine Beteiligung an dem Ganzen hier schwarz auf weiß beweisen kann? Wenn du das geglaubt hast, dann bist du genau so dumm wie manch Sterblicher, der mir schon auf den Leim gegangen ist!!!“ Sie lachte laut auf und Telzan, der wie fast immer in ihrer Nähe war, klatschte in die Hände: „Na so was! Selbst die mächtige Tolea fällt auf meine Herrin herein. Ja, ja. Wut kann zu so manchem unüberlegten Schritt verleiten.“ Auch er fiel in das gemeine Lachen seiner Herrin ein. „Du wirst gleich sehen, wer zuletzt lacht!“, rief Tolea und bereitete ihren Geist darauf vor, Sytania all die schwarze Macht, die diese ihr gegeben hatte, entgegenzuschleudern. „Vergiss nicht!“, krächzte Sytania ihr mit ihrer gemeinen Stimme entgegen. „Dass ich die Einzige bin, mit deren Hilfe du deinen ach so geliebten Neffen zurückverwandeln kannst. Denke dran, du hast dich damals mit diesem Vertrag einverstanden erklärt und so gibt es heute keine andere Möglichkeit. Bedenke das wohl, bevor du etwas tust, das du bitter bereuen wirst.“ „Damals!“, begann Tolea. „Damals war ich geistig umnebelt und nicht Herrin meiner Sinne, einen Zustand, den Ihr eiskalt ausgenutzt habt. Aber heute, heute sehe ich klarer als jemals zuvor! Da!!!!“

Ein schwarzer Blitz zerriss die Luft und dann fiel Sytania von ihrem Thron. Telzan konnte sie gerade noch auffangen. Erleichtert sah sich Tolea im Palast um. „Beweine sie nur, Vendar.“, sagte sie abfällig zu Telzan. „Und vor allem, beweine euren Plan. Aus dem wird jetzt nämlich nichts mehr werden. Dafür werde ich sorgen!“

Sytania kam zu Bewusstsein. „Das wird dir alles nichts nützen, Tolea.“, sagte sie leise und immer noch sehr geschwächt. „Jetzt hast du dir jede Möglichkeit verbaut, deinen Neffen je wieder zurückzuverwandeln. Jede, hörst du, jede! Es gibt kein zweites Wesen mit meiner Neuralsignatur. Also kann dir auch niemand helfen!“

Sharie, Tchian und Tchey hatten die Vorgänge beobachtet. „Beam’ sie an Bord, Sharie!“, befahl Tchey. „OK.“, sagte das Schiff und führte den Befehl aus. Im nächsten Moment stand vor Tchey und Tchian eine völlig verzweifelte Tolea, die Sytania auf keinen Fall hatte spüren lassen wollen, wie es ihr ging, Tchey und dem Jungen gegenüber aber um so offener war. „Lassen wir diesen Ort hinter uns.“, sagte Tchey. „Bringen wir sie nach Hause.“ Sharies Avatar nickte und das Schiff setzte sich in Bewegung.

Tchian hatte der bitterlich weinenden Mächtigen einige Taschentücher gereicht. „Was ist Euch, Gebieterin?“, fragte der Junge sorgenvoll. „Was mir ist?!“, fragte Tolea verzweifelt zurück. „Mir ist gerade klar geworden, was ich für einen riesigen Bockmist gebaut habe!“, stieß Tolea verzweifelt hervor. „Ich hätte mich niemals auf Sytanias Vorschlag einlassen dürfen! Aber damals war ich so wütend auf Clytus, dass … Oh, mein armer Clytus! Mein armer geliebter Neffe! Wieso habe ich … Wie konnte ich … Nein, wie konnte ich nur? Jetzt kann ich zwar sehen, was mit ihm passiert, aber ich kann ihm nicht helfen, weil nur Sytanias und meine gemeinsame Neuralsignatur das vermögen. Oh, nein, worauf habe ich mich da nur eingelassen?!“

Ihr durch die eigenen Tränen vernebelter Blick fiel auf Tchey. „Das Ganze war Ihr Plan, Allrounder, nicht wahr?“, fragte sie. „Um ehrlich zu sein, war es der von meinem Schiff.“, gab die Reptiloide zurück. „Sie hat gemeint, wir müssten Ihnen mal 'ne mentale kalte Dusche verpassen, Tolea, damit Sie endlich wieder aufwachen.“ „Das ist euch zweien auch gelungen.“, sagte Tolea. „Ich fühle mich, als wäre ich aus einem langen Albtraum erwacht. Aber geholfen hat uns das nicht wirklich. Sytania hat Recht, was Clytus angeht.“ „Da werden wir sicher auch einen Weg finden.“, tröstete Tchey. „Wie soll der denn aussehen?!“, antwortete Tolea betrübt. „Es wird keinen geben. Aber das ist wohl der Preis, den ich für meinen Leichtsinn bezahlen muss. Bitte bringen Sie mich heim, Tchey und lassen Sie mich dann mit meiner Schmach allein. Tchian, du wirst mich zurück ins Kontinuum begleiten.“ „Also gut.“, sagte Tchey und wandte sich an Sharie: „Du hast die Lady gehört!“

Sharie löschte plötzlich Tchians Tabelle aus dem Arbeitsspeicher. Jetzt war sie - zumindest aus ihrer Sicht - mit Tchey allein. „Kannst du mir mal verraten, wieso du Tolea ein X für ein U vormachst, Tchey?!“, wendete sie sich ernst an ihre Pilotin. „ Etwas mehr Optimismus, Sharie.“, entgegnete Tchey. „Pass auf. Du setzt mich, sobald wir Tolea und Tchian abgesetzt haben, irgendwo auf 281 Alpha ab. Dann fliegst du in deine Dimension und meldest deinem Schatz Kamurus, dass wir unseren Teil des Plans erfolgreich abgeschlossen haben. Für das andere Problem wird sicher eine gewisse Techniker McKnight eine Möglichkeit finden, wenn ich mich nicht täusche.“ „Ich soll dich wohl absetzen, damit sie dich nicht so einfach an Bord von mir zurück …“ „Genau.“, sagte Tchey. „Beam’ mich dem Sicherheitsoffizier am besten direkt vor die Nase und dann hau ab!“ „Wie du willst.“, sagte Sharie resignierend. Sie musste zugeben, selbst ja auch keine Lösung zu haben, und so kam ihr Tcheys gerade recht. „Bringen wir also zuerst einmal unsere Passagiere heim.“, sagte sie.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.