- Schriftgröße +

 

Scotty war unsicher, wie er mit der Situation, so wie sie sich für ihn jetzt darstellte, umgehen sollte. Er sah, wie sich sowohl Shimar, als auch Clytus stark verkrampften und wollte am liebsten eingreifen, konnte sich aber auch vorstellen, dass die zwei vielleicht gerade Clytus’ Verwandlung in einen Genesianer erlebten. Wenn er Shimar jetzt zwingen würde, die Verbindung zu unterbrechen, wäre das vielleicht nicht sehr angebracht. Andererseits waren ihre Biozeichen, die Scotty jetzt wahrnahm, ein eindeutiger Indikator dafür, dass sie unter extremem Stress stehen mussten. Wie soll ich mich jetzt nur entscheiden?, fragte er sich im Geiste. Wenn doch nur ein Mediziner hier wäre, der mir diese Entscheidung abnehmen könnte. Ich habe den Mund wohl etwas voll genommen.

Plötzlich bemerkte er, wie die Beiden sich aus ihrer verkrampften Haltung lösten und Shimar einen erleichterten Seufzer von sich gab. Sofort war der ältere terranische Ingenieur auf seinen Füßen und half dem jungen tindaranischen Flieger ebenfalls auf selbige. „Nu mal janz langsam.“, tröstete Scotty. „Bin schon da. Was is’ passiert? Weißt du es jetzt?“ „Allerdings.“, sagte Shimar erschöpft. „War kein Spaziergang, aber hat sich gelohnt. Aber kümmere dich lieber um Clytus! Der ist schlimmer dran! Du könntest mir nur eine Frage beantworten. Sehe ich irgendwie genesianisch aus?“ „Ne!“, lachte Scotty. „Du bist in meinen Augen noch genau so tindaranisch wie eh und je.“ „Alles klar.“, sagte Shimar. „Ich dachte nur. Aber anscheinend habe ich dann wohl nur Clytus’ Verwandlung erlebt.“ „Na für ’n Telepathen kannst du aber im Moment sehr schlecht deine Gedanken von fremden Erinnerungen unterscheiden.“, flapste Scotty. „Entschuldige mal!“, meinte Shimar. „Aber ich habe gerade zwei Reisen in die Seele mit zehn Minuten Abstand hinter mir. Da kann man schon mal erschöpft sein und seine Konzentration nicht mehr ganz so beieinander haben.“ „Schon gut.“, meinte Scotty. „Du müsstest mich eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, dass der alte Scotty vielleicht gerade gescherzt haben könnte. Also, warum so ernst?“

Shimar deutete nach unten. „OK, setzen wir uns.“, erklärte sich Scotty einverstanden. „Also, was weißt du?“ „Die Sache ist hoch gefährlich.“, sagte Shimar. „Wenn die Informationen in die falschen Hände kommen, könnte es sein, dass es einen Krieg zwischen den Q und den Genesianern gibt. Wir müssen ...“

Clytus war erwacht. „Was ist los?“, fragte er. „Warum schaut ihr so ernst? Habe ich was falsch gemacht?“ „Wie man’s nimmt.“, sagte Shimar. „Aber das, was du falsch gemacht hast, das kann man schon mal falsch machen, wenn man erst 13 und das erste Mal verliebt ist.“ „Hör auf, wie eine Katze um den heißen Brei zu schnurren.“, meinte Scotty. „Was hast du herausgekriegt?“ „Das Wichtigste zuerst.“, sagte Shimar. „Er ist Clytus. Ja, er ist es wirklich. Aber ich sollte vielleicht lieber am Anfang beginnen. Also: Unser kleiner Mächtiger hier hatte sich in Eldisa von Zeitland verliebt, die aber nichts von ihm wissen will. Sie hat ihn abblitzen lassen und er meinte in seiner kindlichen Naivität, dass er nur dafür sorgen muss, dass ein Zustand im Heimatuniversum von Allrounder Betsy, die Eldisas beste Freundin ist und deiner Heimat, sowie in meiner eintreten muss, der uns dreien ermöglicht, auf legalem Wege zu heiraten. Dazu mussten beide Dimensionen genesianisch werden, damit Betsy mehrere Männer haben darf. Somit hätte die Liebe alle Konventionen gesprengt. Er meinte wohl, das ist eine Sache, die bei 13-jährigen Mädchen gut ankommt, die ja noch sehr romantisch veranlagt sind. Er meinte, dann würde sich Eldisa vom Fleck weg in ihn verlieben.“ „Aber er hat nicht bedacht, dass dieses 13-jährige Mädchen die zukünftige Herrscherin von Zeitland ist, die ja auch die Zeit und die Zeitlinie beschützen muss und deshalb nie zulassen wird, dass sie verbogen wird.“, meinte Scotty. „Aber was ist dann passiert? Warum sollten die Genesianer die Q angreifen?“

„Weil ich ein Geistwesen geschaffen habe, das die oberste Prätora für meine Zwecke instrumentalisiert hat.“, sagte Clytus benommen, der inzwischen aufgestanden war. „Tante Tolea und mein Vater Kairon haben sich um das Recht duelliert, mich bestrafen zu dürfen. Tante Tolea hat gewonnen, weil Sytania ihr geholfen hat, die sie wohl irgendwie dazu gekriegt haben muss, mit ihr zusammenzuarbeiten. Dann haben mich Sytania und Tante Tolea zu einem Genesianer gemacht.“ „Wie sie das geschafft hat, kann ich mir schon denken.“, tröstete Shimar. „Deine Tante wird stinksauer auf dich gewesen sein, als du das gemacht hast. Die Wut wird sie ausgenutzt haben. Wenn man wütend ist, macht man oft Dinge, die man später bitter bereut. Aber ich denke, dass Sytania auch dir geholfen hat, um überhaupt erst einmal eine Situation zu schaffen, in der eine Strafe notwendig ist. Dann wäre auf jeden Fall sie die lachende Dritte, wenn wir ihr nicht dazwischen funken. Ich muss so schnell wie möglich meinen Körper verlassen, um unseren anderen Plan durchzuziehen. Die Informationen müssen zu Zirell. Sie kann leicht in meinem Kopf nachprüfen, dass ich die Wahrheit gesagt habe.“ „Kannst du dich denn gut genug konzentrieren?“, fragte Scotty. „Heute wohl nicht mehr.“, sagte Shimar. „Aber morgen nach der Schicht werde ich es versuchen.“

„Um so besser.“, erklang plötzlich Clytus’ Stimme aus einer anderen Ecke. „Dann habe ich ja noch bis morgen Zeit, ein Hilfsmittel zu basteln.“

Scotty, der neugierig geworden war, schlich zu dem Jungen hinüber, der aus Strohhalmen, die er mit dem eigenen Speichel befeuchtete, damit sie nicht brachen, etwas zu flechten schien. „Was wird das, wenn’s fertig ist, Kumpel?“, fragte Scotty. „Ich baue ein Pendel!“, sagte Clytus stolz. „Damit kann ich Shimar helfen, sich zu entspannen. das muss er ja wohl, wenn er seinen Körper verlassen will.“

Shimar war jetzt auch zum Ort des Geschehens gekommen. „Echt cool von dir.“, sagte er. „Aber womit habe ich denn das verdient?“ „Ich dachte, ich schulde dir was.“, antwortete der Junge. „Immerhin hast du von Anfang an zu mir gehalten.“ „Das war doch nichts Weltbewegendes.“, sagte Shimar. „Das war nur ein Instinkt.“ „Den solltest du aber dringend kultivieren.“, sagte Scotty und fügte hinzu: „Da ist wohl dringend eine Entschuldigung fällig. Was hältst du davon, wenn ich dir beim Basteln helfe?“ „OK, alter Brummbär.“, grinste Clytus.

Shimar zog sich wieder in eine Ecke zum Ausruhen zurück. „Mein Gott, die arme Shashana.“, sagte er leise. „Wie mag die sich wohl gefühlt haben? Ich habe ja alles gesehen. Clytus, du darfst nicht einfach …“ „Ich habe meine Lektion gelernt.“, sagte der Junge. „Mit eurer Zeitlinie spielen darf man nicht. Oh, ich habe alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Eldisa wird mich hassen, statt mich zu lieben, ich bin bis ans Ende meines Lebens zu dieser Existenz verdammt und der Rest?“ „Es gibt sicher eine Lösung, sobald ich den richtigen Leuten Bescheid geben kann.“, sagte Shimar. „Nicht aufgeben.“

„Aber wie soll die denn aussehen?“, fragte Scotty. „Ich meine, er kann sicher nicht von Tolea allein zurückverwandelt werden. Wie ich die Hexe Sytania kenne, hat die ’ne Knebelklausel in den Vertrag mit Tolea eingebaut. Ich meine, sie profitiert doch bestimmt von der Situation, wie sie jetzt ist.“ „Denke ich auch.“, sagte Shimar. „Aber gerade deshalb muss das klappen. Aber dazu muss ich ausgeruht sein.“ „Schon OK.“, sagte Scotty und widmete sich mit Clytus der gemeinsamen Bastelei.

Wir waren im tindaranischen Universum angekommen, nachdem wir Kamurus auf eigenen Wunsch seiner Wege geschickt hatten. Ich ließ den Kursrechner das tindaranische Sonnensystem lokalisieren und setzte Kurs dort hin. „Ich werde Maron ganz schön ins Gewissen reden, Betsy!“, sagte Mikel noch immer sehr zornig, als wir kurzzeitig auf der Brücke allein waren. „Man behandelt einen Zeugen nicht so. Auch nicht, wenn sie eine Weltraumvagabundin ist.“ „Kann ich mir denken.“, erwiderte ich im Vergleich dazu sehr ruhig. „Ihr müsst alle Aussagen schließlich gleich werten.“ „Das stimmt.“, meinte Mikel. „Alles andere würde nicht auf einen Rechtsstaat, sondern auf Willkürjustiz hindeuten. Das hatten wir erst im Mittelalter und das ist weiß Gott kein Zustand, in den ich wieder geraten will.“

Maron beschäftigte sich inzwischen mit der Vernehmung von Tchey. Im Grunde hatte diese alles noch einmal bestätigt, was der Demetaner auch in der Datei gesehen hatte. „Ich denke, dass wir uns da selbst einen Fallstrick gebaut haben, Allrounder.“, sagte Maron. „Wovon sprechen Sie, Agent?“, fragte Tchey interessiert.“ „Ich rede davon, dass Tolea jetzt zwar wieder einen klaren Kopf hat, aber im Prinzip die Verbindung zwischen ihr und Sytania notwendig gewesen wäre, damit Clytus zurückverwandelt werden kann.“

Tchey stand auf: „Denken Sie wirklich, dass wir Tolea unter den genannten Umständen dazu bekommen hätten, Agent! Ich meine, die war so von Sytania eingelullt, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Die hätte Clytus unter den Voraussetzungen nie zurückverwandelt. Aber jetzt können wir zumindest wieder mit ihr reden und es besteht die Möglichkeit, dass wir eine andere Möglichkeit finden. Haben Sie Ihren Techniker Oberschlau schon mal gefragt?“ „Das habe ich nicht, Allrounder.“, sagte der erste Offizier. „Aber ich denke, auch sie kann keine Möglichkeit finden, die Kräfte von Mächtigen auf eine so spezifische Art und Weise ersetzt.“ „Sie haben es ja noch gar nicht versucht!“, entgegnete Tchey.

Das Signal der Sprechanlage riss beide aus ihrer Diskussion. „Alarm rot!“, erklang Zirells Stimme aus dem Lautsprecher. „Alle sofort auf ihre Posten!“ „Wir werden unser Gespräch ein anderes Mal fortsetzen müssen, Tchey!“, sagte Maron. „Schon klar.“, grinste die Reptiloide und machte sich auf den Weg vom Verhörraum aus zu ihrem momentanen Quartier. Auch Maron machte sich auf den Weg zur Brücke.

Zirell und Joran beobachteten jenes sich langsam von vorn nähernde fremde Schiff, dessen Transpondersignal niemand wirklich einordnen konnte. „Kannst du dir vorstellen, wer so eine Taktik benutzen könnte, Joran?“, wendete sich Zirell an den Vendar, der ihrer Meinung nach das Universum am besten kannte. „Tut mir leid, Anführerin.“, gab er zurück. „Die Einzigen, die mir da einfallen würden, wären Raumpiraten, aber die fliegen an sich keine Sternenflottenschiffe und dass eines gestohlen worden ist, ist mir nicht bekannt.“

„Vielleicht handelt es sich um eine neuartige genesianische Spionagetaktik.“, vermutete IDUSA. „Bitte rufen Sie dieses Schiff bloß nicht. Am Ende werde ich noch mit irgendeinem Computervirus angesteckt, dass mich dazu bringt, Sie alle den Genesianern auszuliefern.“ „Mach dir keine Sorgen, IDUSA!“, sagte Zirell zuversichtlich. „Wenn dies eine neue Taktik sein sollte, unsere Neugier zu wecken, um uns dann was unterzujubeln, werde ich selbstverständlich nicht darauf hereinfallen.“

Joran hatte bemerkt, dass von dem fremden Schiff aus ein Ruf an die Station gegangen war. „Wir werden das fremde Schiff vielleicht nicht rufen.“, sagte er. „Aber dafür ruft es uns.“ „Ignorieren, Joran!“, entschied die Kommandantin.

Maron hatte die Brücke erreicht. „Was ist los, Zirell?“, fragte er. „Da draußen ist ein fremdes Schiff, Maron.“, antwortete die Tindaranerin. „Es sieht aus wie ein Sternenflottenschiff, hat aber ein völlig merkwürdiges Transpondersignal.“ „Wird uns ein Rufzeichen übersandt?“, fragte Maron. „Das schon.“, sagte Zirell. „Aber ich würde es nicht ausprobieren. IDUSA hat geäußert, dass es eine neue Art von Spionagetrick der Genesianer sein könnte und ich teile ihre Meinung.“ „Eine Art Köder, auf den wir hereinfallen sollen und der ihr dann ein Virus oder so etwas übermittelt?“, fragte Maron. „Genau das.“, sagte Zirell. „Du darfst nicht vergessen, dass die Genesianer völlig vom Pfad der Ehre abgewichen sind und dass ihnen im Moment alles zuzutrauen wäre.“

Maron hatte ein unbestimmtes Gefühl, dem nach von diesem fremden Schiff wohl doch keine Gefahr ausgehen würde, wollte dies aber dann doch bestätigt haben. „Kannst du mir das Bild des Schiffes zeigen, Joran?“, wendete er sich an den Vendar. „In der Tat, Agent Maron.“, gab dieser zurück und stellte ihm das Sensorenbild auf den Schirm.“ „Sieht aus wie die Granger.“, sagte Maron, der sich ja mit Sternenflottenschiffen auskennen musste. „Ich denke, von denen haben wir nichts zu befürchten.“ „Das könnte alles immer noch eine optische Täuschung sein.“, sagte Zirell. „Ich denke an Holographie oder so etwas.“ „Das werden wir gleich haben.“, entgegnete Maron und Befahl dem Stationsrechner: „IDUSA, den Gegenstand außerhalb der Station an Backbord analysieren! Besteht er aus Photonen?“ „Negativ.“, gab der Schiffsavatar lächelnd zurück. „Der Gegenstand besteht aus Materie. Er besteht aus den gleichen Materialien, aus denen auch Sternenflottenschiffe bestehen. Ich könnte die Liste vorlesen, aber …“ „Um Mutter Schicksals Willen!“, rief Maron aus. „Das würde allenfalls Techniker McKnight interessieren, aber für mich sind die meisten dieser Namen böhmische Dörfer. Es reicht mir, wenn du mir bestätigst, dass es sich um ein Sternenflottenschiff handelt.“ „Bauweise und verwendete Materialien weisen darauf hin.“, sagte IDUSA. „Die individuelle Zusammensetzung der Biozeichen der Besatzung lässt mich sogar vermuten, dass es sich tatsächlich um die Granger handelt.“ „Trotzdem könnte das immer noch ein Trick sein.“, sagte Zirell. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Genesianer die Granger aufgebracht haben könnten. Immerhin hat sie nur leichte Bewaffnung und gegen ein waffenstarrendes Genesianerschiff sicher keine Chance. Die Biozeichen können ebenso gut mit Hilfe von Täuschgeräten erzeugt werden. Die Genesianer müssten ja nur das Manifest in die Hände bekommen.“ „Aber solche Strategien lehnen sie doch normalerweise ab.“, sagte Joran. „Die Genesianer spielen doch sonst immer nur mit offenen Karten, weil alles andere für sie als unehrenhaft gilt.“ „Normalerweise mag das hinkommen, Joran.“, sagte Zirell. „Aber du darfst nicht vergessen, dass die Genesianer unberechenbar geworden sind.“ „Das habe ich nicht vergessen, Anführerin Zirell.“, versicherte Joran. „Aber ich könnte mir dieses Schiff mit dem Shuttle mal von Nahem ansehen. Vielleicht werden wir daraus schlauer.“ „OK.“, sagte Zirell, der im Moment auch nichts Besseres einfiel, um diese vertrackte Situation zu lösen. „Sag deiner Freundin Bescheid, sie soll dir das Shuttle geben.“ Joran nickte und verließ die Brücke.

Kissara hatte mir am äußersten Rand der Sensorenreichweite einen vollen Stopp des Schiffes befohlen, nachdem klar war, dass niemand unsere Rufe beantworten würde. „Das ist merkwürdig.“, stellte sie fest. „Zirell müsste uns doch erkennen.“ „Mit Verlaub, Commander.“, erwiderte ich. „Wir senden nicht mehr unser gewohntes Transpondersignal. IDUSA hat keine Möglichkeit, uns als USS Granger zu identifizieren.“ „Stimmt ja auch.“, bemerkte Kissara. „Aber wie können wir ihnen sonst noch deutlich machen, dass sie von uns keine Gefahr zu erwarten haben? Denken Sie nach, Ladies und Gentlemen!“

Jenna hatte das Shuttle gewartet und Joran war von der Station weggeflogen. „Wer, glauben Sie, ist da draußen, Joran?“, fragte der Schiffsavatar. „Denken Sie, dass es die Granger ist, oder glauben Sie, dass uns die Genesianer eine Falle stellen?“ „Ich weiß es nicht, IDUSA.“, gab Joran freimütig zu. „Aber wenn mich nicht alles täuscht, werden wir das bald wissen.“

Er gab ihr den Gedankenbefehl, neben dem fremden Schiff längsseits zu gehen. „Beobachte genau, was sich an Bord des Schiffes tut, IDUSA.“, flüsterte er ihr zu. Befehlsgemäß richtete sie ihre Sensoren auf das Innere des Schiffes und zeigte ihrem Piloten genau die Bilder. „Das ist die normale Besatzung der Granger.“, stellte Joran fest. „Gibt es Hinweise auf genesianische Biozeichen?“ „Negativ.“, sagte IDUSA, nachdem sie das gesamte Schiff ein zweites Mal abgesucht hatte. „Soll ich noch sichergehen, dass hier keine Genesianerin in jemanden von der Granger verwandelt wurde?“ „Das wäre gut.“, sagte Joran. „Wenn das der Fall wäre, würde ich ja auch ihre Energie spüren und du würdest sie mit deinen Sensoren erkennen.“ „Das ist korrekt.“, sagte das Schiff und startete eine weitere Suche nach Sytanias Energie, die auch erfolglos blieb. „Dann gibt es nur noch die Möglichkeit, dass es die Granger ist.“, sagte Joran. „Ruf das Schiff, IDUSA!“ „Also gut.“, sagte der Schiffsrechner. „Wenn Sie meinen, dass es sicher ist. Aber ich sollte Sie zunächst mit Ihrer Freundin verbinden, damit sie ein Datenlink zu mir aufbauen kann, um im Notfall einen von einem Virus befallenen Prozessorkern aus mir heraus zu beamen, bevor das Virus sich weiter verbreiten kann.“ „Wie du willst.“, sagte Joran.

Ich hatte bemerkt, dass wir gerufen wurden. „Commander, ein kleines Shuttle auf unserer Steuerbordseite ist gerade in Sensorenreichweite gekommen und ruft uns. Der Computer identifiziert es als die IDUSA-Shuttleeinheit von Basis 281 Alpha.“ „Etwas anderes konnte ich mir in der kurzen Zeit auch nicht denken.“, antwortete Kissara. „Antworten Sie!“

Ich drückte die Sendetaste, wodurch die angefragte Verbindung bestätigt wurde und sagte: „Ich bin Allrounder Betsy Scott vom Raumschiff Granger. Mit wem spreche ich bitte?“ „Sei gegrüßt, Betsy El Taria!“, kam die Antwort einer lauten aber dennoch freundlichen tiefen Stimme zurück. Dise Stimme kannte ich! „Joran!“, freute ich mich. „Was bin ich froh, von dir zu hören! Wenn du hier eine Patrouille fliegst, dann gehe ich davon aus, dass Zirell sich der neuen falschen Zeitlinie auch nicht gebeugt hat.“ „In der Tat hat sie das nicht, Betsy El Taria.“, sagte mein vendarischer Freund. „Sie hat Shimar und mich aber auch Maron und Ishan weiter in ihrer Truppe beschäftigt.“ „Wo ist Shimar?!“, wollte ich aufgeregt wissen.

Joran machte eine Pause. Anscheinend hatte er mit meiner Frage nicht gerechnet und sie bereitete ihm jetzt Kopfzerbrechen. „Ihr solltet docken und dann werden wir alles besprechen, wenn ihr da seid.“, sagte Joran. „Ich werde Zirell El Tindara melden, dass von euch keine Gefahr ausgeht.“ „OK.“, erwiderte ich und beendete die Verbindung.

„Also doch die Granger.“, stellte IDUSA fest. „In der Tat die Granger, IDUSA.“, entgegnete Joran erleichtert. „Und jetzt verbinde mich mit Anführerin Zirell! Ich werde ihr sagen, dass wir hier keinen Feind, sondern eher eine Verbündete vor uns haben. Aufgrund der Lage von Betsys Platz konnte ich feststellen, dass Agent Mikel und Warrior Kang ebenfalls noch auf der Brücke sein müssen. Ich finde, das ist ein eindeutiges Zeichen.“ „Sie haben Recht.“, gab das Schiff zurück und initiierte die verlangte Verbindung.

Jenna hatte Maron und Zirell den Bericht ihrer technischen Überwachung zukommen lassen. Eigentlich konnte man das gar keinen Bericht nennen, denn die Sache war mit den Worten: „Keine besonderen Vorkommnisse.“, abgehakt. „Also gab es auch kein Virus.“, sagte Maron. „Nein, Sir.“, gab die Chefingenieurin über die Sprechanlage zurück. „Es war eine ganz harmlose Sprechverbindung ohne jeden bösen Hintergedanken. Jetzt sollte allen klar sein, dass es sich tatsächlich um die Granger handelt.“

Zirell, die alles mitgehört hatte, atmete erleichtert auf. „OK, Joran. Dann weise sie nach Andockport drei. Ich denke, Kissara und ich werden einiges zu besprechen haben. Ich werde sie persönlich empfangen. Maron, du hast die Brücke!“ Damit stand sie auf und verließ ihren Arbeitsplatz.

„Sie können mir nicht zufällig sagen, ob die männlichen Mitglieder von Zirells Crew noch in Amt und Würden sind?“, fragte Kissara mich, während ich mir vom Computer die Anweisungen der Positionslichter vorlesen ließ. „Doch, das kann ich, Commander.“, erwiderte ich. „Joran hat es mir gegenüber bestätigt. Es tut mir leid, ich hätte es auf den Hauptschirm stellen sollen, aber …“ „Schon gut.“, erwiderte Kissara. „In der Aufregung kann so etwas schon einmal passieren. Bringen Sie uns jetzt am besten gleich zu unserem Platz.“ Ich nickte und manövrierte uns in die Andockbucht.

„Werden wir gleich alle von Bord gehen?“, fragte Mikel. „Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen.“, beruhigte ihn Kissara. „Aber zunächst sollte ein einzelnes Außenteam vorgehen und die Lage sondieren. Angesichts der Genesianer im Nacken finde ich es besser, wenn zumindest die Techniker und die Ärzte hier an Bord bleiben, damit wir schnell Vorbereitungen zum Ablegen treffen können, falls sie unsere Ankunft bemerkt haben sollten. Falls wir auch sonst auf Genesianer treffen sollten, ist es besser, wenn jeder weiß, wo die zu finden sind, die im Notfall unsere Verletzungen behandeln können.“

„Auch ich werde hier bleiben, Ma’am.“, sagte Kang. „Falls die Genesianer angreifen, kann ich von hier aus prima helfen, die Station zu verteidigen. Commander Zirell hat einen strategisch sehr guten Platz für uns ausgesucht.“ „In Ordnung.“, erwiderte Kissara. „Mikel, wenn Sie mit Ihrem Kollegen reden wollen, nur zu. Betsy, Sie begleiten mich!“ „Eye, Commander.“, nickten Mikel und ich und reihten uns hinter ihr ein, bevor wir die Brücke verließen.

Für mich war das Betreten der tindaranischen Basis eigentlich nichts Besonderes. Ich hatte hier schon des Öfteren Shimar besucht. Aber heute schien irgendetwas anders. Schon allein die Tatsache, dass Joran mit Shimars Aufenthaltsort nicht herausrücken wollte, irritierte mich. Hoffentlich war ihm nichts geschehen! Den Kelch mit dem Savarid-Strahlung aussendenden Stein, der mir diese Frage hätte beantworten können, hatte ich drei Monate lang nicht benutzen dürfen, um mein eigenes Gehirn nicht zu schädigen. Aber jetzt rückte der Zeitpunkt immer näher, ab dem ich ihn wieder benutzen konnte. Dann würde ich bald wieder beginnen, von ihm zu träumen und dann …

„Kissara!“, schallte uns eine fröhliche bekannte Stimme entgegen, als wir den Gang von der Andockrampe hinuntergingen. Dann kam eine zierliche Gestalt auf uns zu. „Zirell!“, erwiderte Kissara ebenso fröhlich. „Was bin ich froh, dass wir uns endlich sehen, um miteinander planen zu können! Ach, mein erster Offizier hat mit deinem noch ein Hühnchen zu rupfen. Wo ist Maron?“ „Der wird auf der Brücke sitzen und zittern.“, erwiderte die Tindaranerin zynisch. „Ich denke, er weiß schon, was ihm blüht.“ „Wo ist das?“, fragte Mikel. „IDUSA soll Ihnen den Weg mittels der Sprechanlagenterminals zeigen.“, sagte Kissara. „Oder ich bringe ihn hin.“, sagte ich. „Falls Maron durch IDUSAs Tun eventuell gewarnt würde, wäre das sicher nicht so gut.“ „Also gut.“, sagte Kissara. „Wenn Sie das so genau wissen, Allrounder.“ „Oh, ja, das weiß sie!“, mischte sich Zirell ein. „Shimar hat ihr bei ihrem letzten Besuch alle Wege hier auf der Station beigebracht.“ „Dann sollten wir schon einmal vorgehen in den Besprechungsraum.“, sagte Kissara. „Betsy, wenn Sie Mikel abgeliefert haben, stoßen Sie am besten zu uns.“ „OK, Commander.“, sagte ich und nahm Mikel bei der Hand, um mit ihm einen Turbolift zu besteigen.

Auch Zirell und Kissara hatten einen Schacht weiter einen Lift bestiegen, der sie einige Ebenen weiter hinauf brachte. Hier schlugen sie den Weg zu Zirells Bereitschaftsraum ein. „Mir ist aufgefallen, dass du sehr traurig geschaut hast, als du über Shimar gesprochen hast.“, bemerkte Kissara, als sie sich neben Zirell an deren Schreibtisch gesetzt hatte. „Deinem grünäugigen Katzenblick entgeht wohl gar nichts.“, sagte die Tindaranerin. „Da magst du Recht haben.“, schmeichelte Kissara. „Jedenfalls ist mir nicht entgangen, dass hier gewaltig etwas nicht stimmt. Um nicht zu sagen, dass mit dir gewaltig etwas nicht stimmt.“

Die sonst immer recht diszipliniert wirkende Zirell konnte nicht mehr an sich halten. Sie machte eine Bewegung, als würde sie einen Zusammenbruch erleiden und schlug die Hände vor das Gesicht. „Du hast Recht, Kissara!“, schluchzte sie. „Du hast so Recht! Ach, ich habe einen riesigen Fehler gemacht und jetzt lassen mich die Götter dafür schwer büßen. Ich habe versucht, die Genesianer zu veralbern und sie sind mir doch drauf gekommen. Gut, es gab eine Verräterin in den Reihen des tindaranischen Militärs, aber das ist eine andere Geschichte. Sie hat den Genesianern gesteckt, was ich getan habe. Dann haben sie Shimar entführt und keiner weiß, wo er ist. Noch nicht mal ich kann ihn spüren.“ „Vielleicht bist du im Moment dazu einfach zu nervös.“, tröstete Kissara. „Aber wenn die Genesianer ihn haben, dann sollten wir so schnell wie möglich versuchen, ihn zu finden.“

„Ich könnte ihn finden!“ Weder Kissara noch Zirell hatten bemerkt, dass ich in den Raum gekommen war, nachdem ich Mikel abgeliefert hatte. „Entschuldigen Sie, Commanders, aber ich habe schon wieder lange Ohren gemacht.“, entschuldigte ich mich. „Ihre langen Ohren waren mal wieder sehr nützlich, Allrounder.“, schnurrte Kissara konspirativ. „Kommen Sie ruhig her und setzen Sie sich zu uns. Wenn Sie da an der Tür stehen, sieht das sehr ungemütlich aus.“

Ich schritt auf den Tisch zu und Kissara führte mich mit ihrer samtigen rechten Hand zu einem Stuhl. „Was meint sie?“, wendete sich Zirell an ihre Kollegin. „Sie hat da eine Möglichkeit, von der du doch auch wissen solltest.“, erwiderte Kissara. Dann wendete sie sich an mich: „Sie sprechen von Korelems Kaffeebecher.“ „Genau.“, sagte ich. „Ich muss mir nur noch das OK von den Ärzten holen. Dann könnte ich …“ „Gute Idee!“, lobte Kissara. „Fangen Sie am besten gleich damit an!“ „Sofort, Ma’am!“, strahlte ich und verließ den Raum, um mich auf die Krankenstation unseres Schiffes zu begeben.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.