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Shimar lag auf einem Strohlager und versuchte, sich in jenen Zustand zu versetzen, in dem er das letzte Mal seinen Körper verlassen hatte. Er wusste, dieses Mal würde es schwieriger werden, denn er hatte ja das Medikament nicht, das beim letzten Mal sein Gehirn vergiftet und es gezwungen hatte, seine neurale Energie freizugeben. Auch das Pendel, das Clytus und Scotty gebastelt hatten, kam jetzt zum Einsatz. Abwechselnd bewegten der Junge und der ältere Mann es vor Shimars Augen hin und her, was dessen Entspannung fördern sollte. „Ich wüsste gern, ob er vorankommt.“, flüsterte Clytus Scotty zu. „Wart’ mal.“, sagte der Ingenieur und beugte sich über Shimar, um dessen Puls und Atmung zu kontrollieren. „Sieht für mich aus, als würde nichts passieren oder die ganze Sache ziemlich zähflüssig laufen.“, interpretierte er. „Woran kann das liegen?“, fragte Clytus. „Weiß ich nich’.“, flapste Scotty. „Ich bin Ingenieur und kein Arzt. Aber du bist doch ‚ ’n ehemaliger Mächtiger. Vielleicht kannst du’s mir ja erklären.“ „Ich wäre froh, wenn ich das könnte.“, sagte Clytus. „Dann hätten wir auch eine Erklärung für ihn und könnten ihm vielleicht sagen, was er falsch macht, wenn er überhaupt etwas falsch macht.“

Ihre Stimmen hatte Shimar immer leiser und entfernter wahrgenommen. Das lag nicht nur an dem Flüsterton, den beide benutzten, sondern auch an der Tatsache, dass er endlich seinem Ziel näherzukommen schien. Die Wahrnehmung des Strudels, an die er sich erinnert und auf die er sich konzentriert hatte, wurde immer deutlicher und bald hatte er das Gefühl, von diesem angezogen zu werden. Na geht doch., dachte er. Weiter so, Junge, konzentriere dich!

Noch nicht, Bruder! Die telepathische Stimme, die ihm das zugerufen hatte, kannte Shimar wohl. Dann trat aus dem Dunkel eine Frauengestalt auf ihn zu. Shinell!, wendete er sich entschlossen an sie. Wenn du wieder einmal versuchen solltest, meine Mission zu sabotieren, hast du kein Glück! Ich will gar nichts sabotieren!, erwiderte die junge Tindaranerin. Dieses Mal nicht. Dieses Mal bin ich hier, um dir zu helfen und dich anzuleiten, damit du überhaupt zu uns kommen kannst. Wenn du dich zu früh in den Strudel fallen lässt, ist der Zug deiner Silberschnur noch zu stark und sie wird dich in deinen Körper zurückziehen. Dann wachst du auf, bist alarmiert und musst wieder ganz von vorn beginnen. Woher sollte dein plötzlicher Sinneswandel kommen?, erkundigte sich der skeptische Shimar. Du hast mich sehr beeindruckt., gab Shinell zu. Damals hast du mich sehr beeindruckt, wie du dich gegen mich gewehrt hast. Zu meinen Lebzeiten hast du das nie getan, kleiner Bruder. Außerdem haben sie mir gesagt, dass du damals richtig gehandelt hast und haben mir eine Chance gegeben, indem sie mir erlaubt haben, dir jetzt zu helfen. Wer sind sie?, fragte Shimar. Wesen, die viel mächtiger sind, als alle Wesen, die in den Dimensionen der Lebenden daheim sind., erwiderte Shinell. Wir nennen sie die Quellenwesen. Ich kann dir jemanden vorstellen, der dir sogar sagen kann, wo ihr physische Beweise für das momentane Dilemma finden könnt. Aber jetzt müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass du aus deinem Körper kommst. Du musst abwarten, bis der Strudel so sehr an dir zieht, dass du dich wirklich nicht mehr halten kannst. Sonst ist deine Silberschnur wie gesagt zu stark.

Shimar sah unter sich den Rand eines Abgrunds, an den er sich klammerte. Sehr gut, Bruder., lobte Shinell. Halt dich fest! Halt dich so lange fest, bis deine Hände von allein nachgeben. Ich weiß, das ist anstrengend. Aber seinen Körper ohne Medikamente zu verlassen ist beim ersten Mal nicht wirklich leicht. Das wird dir Mikel von der Granger auch gesagt haben. Dafür hatten wir damals keine Zeit!, entgegnete Shimar angestrengt, dem langsam die Kräfte schwanden. Dann rutschten seine Hände plötzlich gegen seinen Willen ab und er fiel in den Strudel, wo Shinell sofort seine Hand fasste.

Der Strudel hatte beide bald darauf auf der gleichen Ebene freigegeben, die Shimar schon kannte. Auch Shinell nahm er jetzt als körperliche Gestalt wahr. „Jetzt sind wir im wahrsten Sinne des Wortes auf der gleichen Ebene.“, sagte Shimar. „Allerdings.“, bemerkte Shinell. „Mach dir übrigens keine Sorgen um deine Silberschnur.“

Er fühlte etwas wie eine seltsame Energie, die ihn durchflutete und dann hatte er das Gefühl, seine Silberschnur sei sehr flexibel geworden. „Was war das?“, fragte er. „Das war ich.“, entgegnete Shinell. „Die Quellenwesen haben mir die Macht dazu gegeben, weil du noch etwas hier zu erledigen hast.“ „Ach ja.“, sagte Shimar. „Du wolltest mich doch jemandem vorstellen.“ „Das wollte ich allerdings.“, sagte Shinell. „Nur ist er im Moment nicht hier. Er kommt ab und zu nach Tindara. Aber ich werde ihn wissen lassen, dass du hier bist.“ „Natürlich.“, sagte Shimar. „Dimensionale Grenzen sind ja für dich nicht mehr maßgebend als Tote. Also kannst du sicher auch Leute außerhalb dieser Dimension telepathisch erreichen.“ „Hat dir das höhere Selbst deines Schiffes damals nicht gesagt, dass das Totenreich ein Superuniversum ist?“, fragte Shinell. „Doch, das hat sie.“, gab Shimar zu und versuchte aufzustehen. Allerdings war ihm durch die schwierige Reise hierher noch sehr schwindelig. „Na, du brauchst erst mal ’ne Stärkung.“, flapste Shinell. „Komm mit! Unsere Eltern werden sich freuen!“

Scotty und Clytus hatten Shimars Überwachung fortgesetzt, ohne allerdings wirklich eine Ahnung zu haben von dem, was sie da taten. Scotty hatte das Pendeln und Clytus das Lauschen übernommen. Plötzlich hob der Junge erschrocken den Kopf: „Scotty, er hat aufgehört zu atmen!“

Der Schotte ließ das Pendel fallen und beugte sich ebenfalls über Shimars jetzt leblosen Körper. „Hast Recht!“, flapste er. „Er hat’s doch tatsächlich hingekriegt !Los, drück auf die Klingel und dann üb’ schon mal den entsetzten Gesichtsausdruck für die Genesianerinnen. Die dürfen ja nich’ wissen, was hier gespielt wird!“ „Ich kann gut den Panischen geben.“, sagte Clytus. „Und du scheißt mich am besten ordentlich zusammen. Dann denken die auf keinen Fall, dass wir hier gemeinsame Sache machen. Wir sollten ihn sogar umdrehen, damit es aussieht, als wäre er am Stroh erstickt oder so.“ „OK.“, lachte Scotty. „Ich kann gut Leute zusammenscheißen!“

Sie drehten Shimars Körper um und legten ihn so hin, dass es wirklich aussehen musste, als sei er gerade unglücklich ins Stroh gefallen, um dann zu ersticken, weil er es in Nase und Mund bekommen hatte. Dann drückte Clytus auf den Klingelknopf, worauf bald zwei Wärterinnen die Zelle betraten. „Was!!!“, schrie eine von ihnen die Beiden an. „Er is’ tot!!“, schluchzte Clytus. Er hatte an das schlimmste Erlebnis seines Lebens gedacht, um echte Tränen hervorbringen zu können. „Ja, das is’ er!!!“, wetterte Scotty. „Dabei hab’ ich dir gesagt, du sollst auf ihn aufpassen, du Taugenichts! Der war so erschöpft, dass er umgefallen is’ wie ’n nasser Sack! Und du, statt dafür zu sorgen, dass ihm nix passiert, was machst du?! Sitzt da und schaust ihm beim Ersticken zu!!! Mit dir kann man aber auch rein gar nix anfangen!!!“

Wortlos luden die Wärterinnen Shimars Leiche auf ihre Schultern und gingen. Erleichtert sehnten Scotty und Clytus das Schließen der Tür herbei. „Die haben uns das echt abgenommen!“, freute sich Clytus. „Oh, ja.“, lobte Scotty und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich wusste gar nicht, was du für ein guter Schauspieler sein kannst.“ Er begann, dem Jungen mit ein paar Lumpen die Tränen zu trocknen. „Und ich wusste gar nicht, dass du so böse werden kannst.“, erwiderte Clytus. „Wenn du mit den Leuten im Maschinenraum der Enterprise früher genau so umgegangen bist, war das sicher die reinste Freude.“, fügte er ironisch bei und grinste. „Hast du ’ne Ahnung.“, frotzelte Scotty. „Uhurah hat mal vorgeschlagen, das Sprechanlagenterminal im Maschinenraum ganz auszubauen, weil man, zumindest sie, mich auch so gut bis zur Brücke hören könnte.“ Clytus lachte. Dann wurde er aber gleich wieder ganz still und ernst. „Was glaubst du, werden sie mit Shimars Körper machen?“, fragte er. „Die werden ihn verscharren, wie es Amidala gesagt hat.“, antwortete Scotty. „Dann muss nur noch das mit den Cobali stimmen.“, meinte Clytus. „Ach, ich bin sicher, das stimmt.“, beruhigte ihn Scotty. „Du musst einfach auf unser Glück vertrauen.“

Im gleichen Moment nahmen beide einen weißen Blitz wahr, der sie sich in einem hellen und freundlichen Zimmer wieder finden ließ. Vor ihnen standen Eldisa und Crimach. Scotty war sofort klar, dass sie sich im zeitländischen Palast befinden mussten. „Seit gegrüßt!“, sagte die Prinzessin und nahm eine entschlossene Haltung ein. „Dies ist mein Palast. Ich habe euch errettet. Dir, Terraner, schenke ich die Freiheit, aber wir zwei, Clytus, wir werden heiraten in der Hoffnung, dass du dann alles wieder rückgängig machst, was du verbockt hast!“ „Ich habe meine Kräfte verloren.“, sagte Clytus. „Du siehst mich in der Gestalt eines Genesianers vor dir. Was soll ich schon ausrichten können? Aber liebst du mich etwa doch?“ „Nein!“, sagte Eldisa. „Aber das werden wir auch nicht vor ihm besprechen! Crimach, gib Scotty eines eurer Schiffe. Er ist da ja nur reingeraten und muss nicht unbedingt hören, wenn es unangenehm wird!“ „Wie Ihr wünscht, Hoheit.“, sagte die Vendar und nahm Scotty mit sich fort. Der Terraner folgte ohne Argwohn. Er wusste, dass das hier nicht rechtens war und auch um die Konsequenzen, die es haben könnte. Aber gerade deshalb erachtete er es als extrem wichtig, diese Informationen an die richtigen Leute zu bringen. Dafür würde er ein Schiff benötigen und diese Frau war der Schlüssel dazu. Also, warum sollte er ihr nicht folgen?

Crimach führte ihn auf ein nagelneues Schiff zu und gab ihm einen Schaltschlüssel. „Sie ist dein, Scotty El Taria!“, sagte sie stolz. „Betrachte sie als ein großzügiges Geschenk meiner Herrin. Lass mich nur kurz noch etwas einstellen.“

Mit Hilfe ihres Sprechgerätes programmierte sie den Computer des Shuttles auf Englisch um. „Nun ist alles bereit.“, sagte sie. „Danke, Crimach.“, sagte Scotty, stieg ins Shuttle und startete. Sein Ziel war ihm längst klar. Er musste die Granger und damit auch mich finden!

Shinell führte ihren Bruder einen von vielen bunten jetzt in voller Blüte stehenden tindaranischen Büschen gesäumten Pfad entlang, der beide zu einem kleinen Haus mit einem Garten brachte. Dieses Haus erinnerte den jungen Tindaraner sehr stark an das eigene Elternhaus, das er aufgrund seiner grün gestrichenen Wände und den beiden kleinen roten Zwiebeltürmen rechts und links der Einfahrt sofort wieder erkannte. „Sieht aus wie unser Elternhaus.“, stellte er gegenüber Shinell fest. „Es ist unser Elternhaus.“, sagte sie. „Hast du etwa immer noch nicht verstanden, dass wir hier alles haben können, was wir wollen? Könntest du dich zur Abwechslung nicht einmal ein bisschen weniger wie ein Besucher benehmen?“ „Tut mir leid.“, lächelte Shimar. „Ich bin einer.“

Aus dem von einem Rundbogen umspannten Eingang lächelte ihnen das Gesicht eines hageren Tindaraners mit leicht grauen Haaren und von einer mit 1,70 m doch schon fast für seine Rasse überdurchschnittlichen Größe entgegen. „Mein Sohn.“, lächelte er Shimar zu. „Da bist du ja. Sie haben dich angekündigt.“

Jetzt erschien hinter dem Mann auch eine ungefähr 1,60 messende Tindaranerin mit langen schwarzen Haaren und einer schlanken Figur. „Du solltest wirklich nicht so mit der Tür ins Haus fallen, Suvar.“, ermahnte sie den Mann. „Lass Shimar doch erst einmal ankommen. Außerdem sollten wir ihn zunächst einmal aufklären.“ „Das hat doch bestimmt Shinell schon getan, Tanell.“, erwiderte Suvar.

Sie ging an ihrem Mann vorbei und nahm Shimar bei der Hand. „Komm erst mal an den Tisch.“, sagte sie. „Dort werden wir dir alles erzählen.“ Der junge Tindaraner nickte und folgte seiner Mutter zu einem reich gedeckten Tisch, der sich unter den ganzen tindaranischen Köstlichkeiten regelrecht bog. Leider sah er aber auch eine Schüssel mit der von ihm so gehassten Wachsbaumblütensuppe. „Deine Schwester liebt dieses Gericht.“, erklärte Suvar. „Du hast schon immer an Geschmacksverirrung gelitten, Schwesterlein.“, frotzelte Shimar Shinell zu. Diese lächelte nur.

Alle bedienten sich, als gebe es ein großes Fest zu feiern. Nur Shinell leerte hastig ihren Teller, um danach zu sagen: „Bitte entschuldigt mich. Ich muss noch jemanden erreichen.“ Dann stand sie vom Tisch auf und ging.

„Wie hat sie aufgenommen, dass die Quellenwesen sie auserwählt haben, mir bei diesem Teil meiner Mission behilflich zu sein?“, fragte Shimar in die Runde. „Nun, zuerst war sie gar nicht einverstanden, weil sie die Schlappe, die sie gegen dich erlitten hatte, noch nicht weggesteckt hatte, mein Sohn.“, antwortete Suvar. „Aber mittlerweile hat sie sich damit arrangiert.“, fügte Tanell bei. „Ihr habt sehr viel Respekt vor diesen Quellenwesen.“, stellte Shimar fest. „Ihr sprecht ihren Namen nur hinter vorgehaltener Hand aus. Ich habe mich immer schon gefragt, ob die Toten noch Götter haben.“ „Ich denke, diese doch sehr philosophische Frage dürfte jetzt für dich beantwortet sein, Sohn.“, sagte Suvar fast schon etwas stolz auf die Tatsache, dass sein Junge sich derart hoch geistige Fragen überhaupt stellte.

Shinell kam an den Tisch zurück. „Ich habe Time erreicht.“, sagte sie. „Er wird in einer Stunde hier sein. Er wird Warrior Shorna mitbringen. Also bitte wundere dich nicht über eine Genesianerin in Sternenflottenuniform.“ „Time?“, fragte Shimar ungläubig. „Commander Peter Time? Was macht er hier im Totenreich?“ „Er starb bei der Verteidigung des Universums der Föderation.“, erklärte Shinell. „Aber sein erster Offizier, seine Chefingenieurin und er haben zu Lebzeiten einen Plan gefasst, der deiner Freundin und ihren Leuten ermöglichen wird, physische Beweise für das alles hier zu finden, die niemand leugnen kann. Yetron und Cenda leben beide noch, deshalb sind sie logischerweise nicht hier. Deshalb schwänzelt Shorna jetzt ständig um Time herum. Das mit dem Wünschen in andere Welten hatte sie schneller drauf als er. Sie ist öfter auf seiner Welt als im Gore. Manche sagen, da ginge was!“ „Shinell!“, ermahnte Tanell ihre Tochter. „Selbst wenn.“, mischte sich Shimar ein. „Hier sind doch jegliche Schranken nicht existent, oder? Ich meine, dann darf auch ein terranischer Commander mit einer genesianischen Strategin.“ „Trotzdem glaube ich nicht an diese Gerüchte!“, erwiderte die Mutter fest.

Shimar wischte sich den Mund ab und stand vom Tisch auf, wonach er seiner Schwester einen viel sagenden Blick zuwarf. „Wo werden Time und Shorna uns treffen?“, fragte er. „Sie werden uns im Wald hinter dem Dorfplatz treffen.“, sagte Shinell. „Da habe ich sie auch das erste Mal getroffen.“ Sie nahm telepathischen Kontakt zu ihrem Bruder auf, um ihm zu sagen: Sie finden, dass es hier auf Tindara so viele schöne lauschige Plätze gibt. Also doch., gab Shimar auf gleichem Wege zurück. Dann verließen beide schweigend das Haus.

Mit hasserfülltem Blick hatte Telzan in den Kontaktkelch gestarrt und jene Situation um Shimar, seine Reise ins Totenreich und seine Familie beobachtet, die sich ihm jetzt darbot. „Verdammter Tindaraner!“, rief er aus. „Aber warte es ab. Die Suppe werden meine Gebieterin und ich dir gehörig versalzen!“

Er nahm den Kelch und ging damit zu Sytania hinüber, die in ihrem mit Gold beschlagenen Bett in ihrem Gemach lag. Vorsichtig rüttelte er sie an ihren Schultern, nachdem er den Kelch sorgfältig auf dem Nachttisch abgestellt hatte. „Warum holst du mich aus meinem wohl verdienten Schlaf?!“, sagte Sytania benommen, als sie ihm ansichtig wurde. „Weil ich gerade etwas durch den Kontaktkelch beobachtet habe, das unsere Pläne mit einem Schlag zunichte machen kann.“, antwortete der Vendar und hielt ihr den Kelch hin. „Also gut.“, murmelte die Königstochter und stand auf, um sich mit ihm an den kleinen marmornen Tisch zu Füßen ihres Bettes zu setzen. Dort legten beide die Hände auf den Kelch. Jetzt sah auch Sytania, was ihren Diener so in Alarmbereitschaft versetzt hatte. „Du hast Recht.“, stellte sie fest. „Das müssen wir um jeden Preis verhindern und ich weiß auch schon wie!“

Es gab einen schwarzen Blitz und sie hatte eine fledermausartige riesige Gestalt geschaffen, die sich bald auf einen Vorsprung der Mauer setzte. „Zieh deine Waffe und töte sie!“, befahl Sytania in Richtung Telzan. „Nur wenn sie von einem Sterblichen getötet wird, gelangt sie ins Reich der Toten und wird dort Hackepeter aus Peter Time machen, noch bevor er diesem Tindaraner die Informationen geben kann. Dass diese Shorna ständig mit dem Phaser bei Fuß um ihn herumstreicht, muss uns nicht kümmern. Wenn sie auf meine Schöpfung schießen sollte, macht sie diese nur noch stärker, weil sie Energie absorbiert!“ „Wie überaus genial von Euch, Milady.“, schleimte Telzan und zog seinen Phaser, um ihren Befehl auszuführen. „Sehr gut.“, sagte Sytania und deutete auf den leblosen Körper ihrer Schöpfung. „Und jetzt schaff die Leiche fort. So ein Anblick kann einem den ganzen Tag vermiesen.“ Telzan nickte, lud sich das tote Wesen auf die Schulter und verließ den Raum.

Scotty hatte sich mit dem Shuttle jetzt in die interdimensionale Schicht begeben. Er dachte sich, dass es ihm von hier aus möglich sein müsste, uns aufzuspüren. Leider hatte das Sprechgerät die Existenz des bekannten Transpondersignals der Granger verneint. Er musste also einen anderen Weg finden. Unsere Biozeichen kamen ihm in den Kopf, aber er konnte ja weder all unsere Herzfrequenzen, noch alles andere, was im Allgemeinen unter Biozeichen fiel, wirklich in Zahlen angeben. Der Computer würde ihm wahrscheinlich zu viele Treffer ansagen, die an den verschiedensten Orten sein konnten. „Komm schon.“, versuchte er, sich zu motivieren. „Denk nach. Was könnte Besonderes an den Biozeichen der Besatzung der Granger sein?“

Seine Überlegungen führten ihn schließlich zu dem Umstand, dass ja aufgrund meiner toten Sehnerven hier ein Teil meiner Nervensignale fehlen musste und dass ich aber keinen Visor zur Kompensation trug. Das musste sich doch auswirken und das gab es ja seines Wissens nur einmal in der gesamten Sternenflotte. „Computer.“, befahl er. „Such nach einem weiblichen terranischen Biozeichen einer Mittdreißigerin, in deren Neuralprofil die visuelle Bandbreite fehlt und die keinen Visor trägt! Suche auf das Föderationsuniversum, das Dunkle Imperium, Zeitland und die tindaranische Dimension beschränken!“ „Bitte warten.“, kam es zurück.

Scotty lehnte sich zurück. Es war ihm klar, dass er dem Rechner keine sonderlich leichte Aufgabe gegeben hatte, aber egal wie lange es dauern würde, er würde abwarten. Er dachte sich, dass ein vendarischer Rechner ein solch spezifisches Suchmuster heute wohl zum ersten Mal bearbeiten würde. Nervös trommelte er mit den Fingern auf das Gehäuse des Steuerpultes. „Komm raus, Darling.“, flüsterte er. „Wo hast du dich versteckt?“

Ein Signal ließ ihn aufhorchen und die Steuerkontrollen fassen. „Was ist los, Computer?“, fragte er. „Zu den von Ihnen angegebenen Suchparametern wurde ein Treffer gefunden.“, sagte die männliche Rechnerstimme sachlich. „Nur ein Treffer?“, verifizierte der Schotte. „Affirmativ.“, gab der Rechner zurück. „Welche Dimension?“, fragte Scotty. „Die tindaranische Heimatdimension.“, erwiderte der Computer. „Autopilot aktivieren und die Koordinaten anfliegen!“, befahl Scotty. „Befehl wird ausgeführt.“, kam es zurück. Dann setzte sich das Shuttle in Bewegung. „Ach, wie schön hab’ ich das wieder hingekriegt!“, freute sich Scotty über die Tatsache, dass es ihm offensichtlich gelungen war, die Suchparameter so weit einzugrenzen, dass nur noch meine Biozeichen übrig bleiben konnten. Darauf replizierte er sich erst einmal einen original schottischen Whisky.

Shimar und Shinell hatten sich in den Wald begeben, in dem sie sich mit Time und Shorna, die offensichtlich Informationen hatten, treffen wollten. Unruhig sah die junge Tindaranerin auf ihre Uhr. „Er ist sonst nie unzuverlässig.“, sagte sie. „Hoffentlich ist den Beiden nichts geschehen.“ „Du machst mir Spaß.“, sagte Shimar. „Ich dachte, Tote kann man nicht verletzen.“ „Lebende können das nicht.“, sagte Shinell. „Aber Tote untereinander schon.“ „Was passiert denn, wenn ein Toter stirbt?“, fragte Shimar. „Seine neurale Energie löst sich auf.“, antwortete seine Schwester und warf ihm einen vorwurfsvollen Seitenblick zu. „Ich weiß.“, sagte Shimar. „Ich benehme mich schon wieder wie ein Besucher.“

Plötzlich wurden beide auf einen Tumult aufmerksam, der sich ihnen von Westen näherte. Dann sahen sie, wie eine bekannte Genesianerin ihnen schnellen Fußes näher kam. Sie hatte einen Phaser in der rechten Hand, mit dem sie immer und immer wieder auf eine fledermausartige Gestalt feuerte, die mit Time in den Krallen hoch über ihr flog. „Hör auf zu feuern, Shorna!!!“, schrie ihr der offensichtlich vom Schmerz arg gebeutelte Terraner zu. „Sie absorbiert Energie!!! Du machst sie nur noch stärker!!! Hör auf!!!! Hör auf!!!!“

„Um Himmels Willen!“, rief Shinell. „Das ist Sytanias Schöpfung!“ Sie begann, sich auf das Wesen zu konzentrieren. „Nein, Shinell.“, sagte Shimar. „Das ist nicht der richtige Weg. Es wird auch deine Energie absorbieren. Energie ist hier nicht das Mittel der Wahl, sondern Materie!“ „Was hast du vor?“, fragte Shinell. „Ich werde uns jetzt erst mal die richtige Waffe besorgen.“, sagte der junge Tindaraner und wünschte sich einen amerikanischen 45er Revolver, wie er sie in den Western, die er sich von N’Cara geliehen hatte, gesehen hatte, sowie die Fähigkeit, damit umgehen zu können. Außerdem wünschte er sich noch Kugeln mit Rosannium-Kern und für sich selbst strahlungsdichte Handschuhe, weil das Rosannium ihm als Telepathen ja auch hätte gefährlich werden können. Außerdem Schießpulver. Eigentlich hatte Shimar nie verstanden, wie seine Freundin etwas an diesen Western finden konnte. Für ihn war die Devise, wer die größere Waffe hat, hat Recht, noch nie ein Argument gewesen. Überhaupt empfand er diese Western als sehr barbarisch. Aber jetzt würden sie ihm ja sogar noch helfen können.

Er lud die Waffe und zielte damit auf das Wesen. Vorbeischießen wollte er auf keinen Fall! Das hier musste einfach gelingen! Times Informationen waren zu wertvoll! „Ich bin mal neugierig, wie es dir geht, wenn du das hier zu absorbieren versuchst.“, zischte er dem Wesen zu. Dann wendete er sich an Shinell: „Du musst Time telekinetisch auffangen, wenn er fällt.“ „OK.“, sagte sie und konzentrierte sich auf dieses Vorhaben. „Ich bin bereit, Bruder!“, sagte sie. „Na dann!“, sagte Shimar, holte tief Luft, um das Ziel nicht durch die eigene Atmung zu verwackeln, zog den Griff der Waffe fest an seine Schulter, sah konzentriert am Lauf entlang und drückte auf den Abzug. Hilf mir, N’Cara!, dachte er. Hilf mir zu treffen! Es gab einen lauten Knall und dann spritzte das Blut des Wesens nach allen Seiten. Er musste eine Hauptader, wenn nicht sogar das Herz selbst, getroffen haben. Auch bedingt durch das Rosannium wurde das Wesen immer schwächer, trudelte und musste schließlich Time fallen lassen, um landen zu können, bevor es starb und sich auflöste.

Durch Shinells telekinetische Energie getragen schwebte Time langsam zur Erde, wo er sich gleich vor Shimar hinstellte, der zufrieden die Waffe mit den Worten: „Danke, N’Cara!“, sinken ließ.

Der Amerikaner drehte sich dem jungen Tindaraner zu und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Das war großartig, junger Mann!“, lobte er. „Wir denken immer, unsere Energiewaffen wären das Non-Plus-Ultra. Aber genau das hat Sytania wohl auch gedacht, als sie dieses Wesen erschuf! Nur du, du hast nicht so gedacht! Du bist auf etwas gekommen, das gleichzeitig primitiv, aber deshalb auch so genial ist, eine Projektilwaffe! Damit hat Sytania nicht gerechnet! Definitiv nicht! Wenn das tindaranische Militär noch mehr so geniale Köpfe hat wie dich, dann hat Nugura mit euch als Verbündeten wirklich einen klasse Fang gemacht! Oh, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt! Time, Electronica!“ Shimar grinste flapsig: „Shimar, tindaranische Streitkräfte.“

Shinell, die alles mitbekommen hatte, musste verschmitzt lachen. Sie, der die Historie aus den Geschichtsbüchern durchaus bekannt war, fühlte sich an jene Szene erinnert, in der sich Captain Kirk auch nur mit den Worten: „Kirk, Enterprise!“, bei der klingonischen Kanzlerin vorgestellt hatte. „Sehr erfreut, Commander.“, sagte Shimar und gab dem Terraner fest die Hand. „Ich hörte, Sie hätten Informationen für uns.“ „Das stimmt, mein Junge, das stimmt.“, sagte Time und zog ihn mit sich ins Gras. „Hör mir jetzt genau zu.“, sagte er. „Unsere Körper sind in Stasekammern, die aufgrund ihres Versteckes zwischen den Schiffswenden der Electronica und der Strahlung, die nach dem Kampf herrschte, nicht leicht zu finden sind. Aber je länger die Electronica auf dem Schiffsfriedhof im Qualor-System liegt, desto leichter wird es. Du musst diese Information zu Allrounder Betsy bringen. Ich bin sicher, sie träumt gerade von dir. Die Granger muss unsere Körper finden. Dann kann bewiesen werden, dass Shashana von einem anderen Wesen besetzt war, als sie uns angriff. Oder hast du geglaubt, ihre Kräfte kämen von ungefähr?“ „Niemals, Sir!“, meinte Shimar fest. „Dann sind wir ja einer Meinung.“, sagte Time und versuchte aufzustehen. „Warte, Peter.“, sagte Shorna und legte ihm ihren Arm um die Schulter. „Du hast viel Blut verloren. Es wird besser sein, wenn ich dich stütze.“ „Na gut, du Liebes.“, lächelte Time und ließ sich bereitwillig von ihr aufhelfen. Dann verschwanden beide lächelnd im Wald.

„Das glaubt uns kein Mensch.“, sagte Shimar. „Shorna und Time.“ „Ja, Shorna und Time.”, bestätigte Shinell. „Aber hier existieren die Grenzen der Lebenden ja nicht.“ „Schon verstanden.“, erwiderte Shimar und folgte seiner Schwester zum Haus zurück.

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