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Ein Mensch, und zwar im Wortsinn, würde ihm das aber sehr wohl glauben, denn dieser Mensch hatte grenzenloses Vertrauen in ihn, weil sie ihn über alles liebte und alles mitbekommen hatte, weil sie gerade von ihm geträumt hatte. Ich stieg also aus dem Bett und ging zum nahen Computermikrofon. „Computer.“, begann ich. „Ich benötige eine Verbindung mit einem externen Rufzeichen.“ „Bitte geben Sie das gewünschte Rufzeichen ein.“, wurde ich aufgefordert. Das tat ich dann auch. Ich wusste, Agent Maron würde noch wach sein. Schließlich hatte er mir versprochen, mich in dieser Angelegenheit zu vernehmen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich schließlich eine bekannte Stimme: „Maron hier.“ „Agent, hier ist Allrounder Betsy.“, erwiderte ich. „Ich glaube, es geht los!“ „Halten Sie Ihre Erinnerungen frisch, Betsy.“, entgegnete er ruhig. „Ich bin unterwegs.“ Er beendete die Verbindung.

Ich zog meine Nachtkleidung aus und meine Uniform an. Schließlich war er dem Rang nach mein Vorgesetzter und dem wollte ich auch standesgemäß entgegentreten. Dann wartete ich auf meinem Bett sitzend auf ihn. Dabei wurde ich immer aufgeregter, denn ich konnte mir nicht erklären, wie es mir gelungen war, mir die ganzen Details meines Traums so genau zu merken. Ich wusste, dass ich nicht in der Lage war, Licht zu träumen, doch ein gewisser Tindaraner hatte sicher auch schon längst gespürt, was hier los war und hatte die Informationen vielleicht so in meinem Gehirn verankert.

Wenige Minuten nur waren vergangen, als ich die Sprechanlage für die Tür wahrnahm. „Hier Allrounder Betsy.“, meldete ich mich. „Ich bin es.“, erwiderte eine ruhige mir sehr gut bekannte demetanische Stimme. „Ich bin so weit, Sir.“, sagte ich. „Warten Sie bitte, ich komme heraus.“ Damit hängte ich das Mikrofon ein und verließ mein Quartier.

Auf dem Korridor nahm mich Maron bald in Empfang. „Haben Sie von Shimar geträumt?“, wollte er wissen. „Ja, Agent.“, nickte ich. „OK.“, sagte er. „Dann lassen Sie uns mal in die Simulationskammer gehen.“ „OK.“, sagte ich zögerlich und an der verkrampften Haltung, die ich offensichtlich angenommen hatte, merkte er, dass mit mir etwas nicht stimmen musste. „Was ist denn los?“, fragte er. „Man muss kein Empath sein, um zu spüren, dass Ihnen noch etwas auf der Seele brennt. Wenn Sie verkrampfen, können Sie nicht frei reden und blockieren sich selbst. Das dürfte unserer Zusammenarbeit nur im Weg sein. Also, was haben Sie?“ „Es ist nur.“, suchte ich nach Worten, „Weil Sie mich als Sehender vernehmen. Ich kann Ihnen leider nicht mit Informationen über Farben dienen.“ „Das macht doch nichts.“, sagte Maron. „Mir ist doch längst bekannt, dass Shimar diese Art von Informationen weglässt, sowohl auf der bewussten, als auch auf der unterbewussten Ebene, wenn er Ihnen etwas übermittelt. Als ein geübter Telepath hat er ja so viel Kontrolle über seinen Geist.“ „Dann ist ja gut.“, sagte ich.

Wir gingen vom Schiff auf die Station und suchten dort die nächste Simulationskammer auf. Maron führte mich zu einem der beiden Stühle und setzte sich selbst auf den anderen. Dann legten wir die Köpfe in die Mulden. „IDUSA, Allrounder Betsys und meine Reaktionstabelle laden!“, befahl Maron. „Dann den Programmierassistenten aktivieren!“

Der Stationsrechner kam seinen Befehlen nach und dann fragte Maron mich: „Was haben Sie gesehen? Wo ist Shimar?“ „Wollen Sie wissen, wo er zu Anfang meines Traumes war, oder wo er jetzt ist, Sir?“, fragte ich zurück. „Hat sich denn seine Position zwischendurch geändert?“, fragte Maron. „Ja.“, bestätigte ich. „Dann lassen Sie uns herausfinden, wo er jetzt ist.“, sagte er. „Die Vergangenheit ist die Vergangenheit.“ „Ich habe eine Umgebung wie auf einem Planeten gesehen, Agent.“, sagte ich. „Da war eine wohl riechende Atmosphäre und es war warm wie im Sommer. Es gab Vogelgezwitscher. Ich habe auch Pflanzen rascheln hören und da waren Leute. Ich glaube, es war ein Dorf.“ „Auf welchem Planeten war das Dorf?“, fragte Maron. „Konnten Sie die Sprache der Leute erkennen, die sie sprachen? Ich meine, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin müsste Ihnen das ja eigentlich möglich sein.“ „Es war Tindaranisch.“, antwortete ich. „Sie haben Tindaranisch gesprochen.“ „Na das ist ja schon einmal ein guter Anfang.“, lobte Maron. „Damit können wir arbeiten. IDUSA, ein tindaranisches Dorf an einem Sommertag mit seinen Bewohnern generieren. Wo standen Sie?“ „Wir waren, beziehungsweise Shimar war auf einem Kiesweg zu einer Hofeinfahrt.“, sagte ich. Auch dieses Detail fügte Maron hinzu. Dann befahl er IDUSA, das Programm, wie es jetzt war, zu starten. „Kommen Sie.“, sagte er und führte mich einige Schritte den Weg auf und ab. „War es so?“, fragte er. Ich nickte.

Mit dem Befehl: „IDUSA, alterieren!“, ließ er das Programm einfrieren. Dann fragte er: „Das Haus, was können Sie mir über das Haus verraten?“ „Es war ein kleines durchschnittliches Ein-Familien-Haus.“, sagte ich. „Der Weg dort hin wurde von duftenden tindaranischen Büschen gesäumt. Rechts und links der Hofeinfahrt waren zwei kleine Zwiebeltürme.“ „War Shimar dort allein?“, fragte Maron, nachdem er IDUSA das Hinzufügen der Details befohlen hatte. „Nein.“, sagte ich. „Da war eine Frau. Eine Tindaranerin. Er nannte sie Shinell. Es muss seine tote Schwester gewesen sein. Außerdem hat er mit seiner gesamten Familie gegessen und sie haben ein Treffen mit Time arrangiert, der offensichtlich bei dem Kampf um die Föderation ums Leben gekommen ist.“

Eilig fügte Maron die Farbe der Hauswand und der beiden roten Zwiebeltürme hinzu, obwohl ich ihm diese Informationen gar nicht gegeben hatte. „Woher wissen Sie das, Sir?“, fragte ich. „Weil mir klar ist, wo Shimar ist.“, sagte er. „Er ist im Reich der Toten. Offensichtlich hat er versucht, seine Wärterinnen zu narren, indem sie denken sollten, er sei tot.“ „Um Himmels Willen!“, rief ich aus. „Aber dann werden Sie ihn irgendwo verscharren und dann wird er, wenn er in seinen Körper zurückkehrt …“ „Ganz ruhig.“, unterbrach mich Maron. „Ich denke, für derartige Fälle hat Ihr Freund Vorsorge getroffen.“ „Das hoffe ich.“, sagte ich beunruhigt. „Aber damit haben Sie mir die Frage immer noch nicht beantwortet, woher Sie das alles wussten, Agent.“ „Sie erwähnten Shinell, Shimars Familie und Time.“, sagte Maron. „Schon, als Sie Shinell erwähnten, war es mir klar. Im Totenreich wird alles so dargestellt, wie man es sich wünscht.“, sagte er. „Und ich weiß, wie Shimars Elternhaus ausgesehen hat. Er hat ein Bild davon in seinem Quartier und das habe ich schon mal gesehen. Aber was für Informationen hat Times Geist ihm gegeben?“ „Es geht um die Körper der Besatzung der Electronica.“, sagte ich. „Mit deren Hilfe kann bewiesen werden, dass die oberste Prätora der Genesianer von einem fremden Wesen besessen war, als sie uns angriff. Sie sind in Stasekammern, die sich zwischen den Schiffswenden verstecken. Die Electronica ist im Qualor-System.“ „Dort ist ein Raumschiffriedhof der Sternenflotte.“, sagte Maron. „Ja.“, bestätigte ich. „Da müssen wir hin.“ „Langsam.“, bremste er meinen Tatendrang. „Sie gehen nirgendwo hin. Sie bleiben hier und halten sich für weitere Vernehmungen zur Verfügung. Ich werde die Informationen an Ihren Commander weitergeben.“ „Also gut.“, sagte ich.

Er ließ IDUSA das bisherige Bild unter einem bestimmten Namen abspeichern und betrachtete es erneut, bevor er zu mir sagte: „Das war sehr gute Arbeit, Allrounder. Auf diese Weise können wir uns immer über Shimars Aufenthaltsort informieren. Ich hoffe, Ihre Träume bringen noch mehr Details hervor. Aber jetzt sollten Sie erst einmal wieder schlafen gehen. Und, sollten Sie noch etwas träumen, merken Sie es sich gut. Wer weiß, wozu es gut ist. Ich bringe Sie jetzt auf Ihr Schiff zurück.“ „Danke, Sir.“, sagte ich. „Aber was ist, wenn es um Informationen geht, die Sie nicht ergänzen können, Agent? Was ist, wenn wir aufgrund dessen nicht weiterkommen?“ „Dann ist das auf keinen Fall Ihre Schuld!“, sagte er fest. „Sie dürfen eines nicht vergessen: Sie sind die mit dem Wissen. Wenn ich sprachamputierter Vollpfosten es nicht schaffe, Ihnen die richtigen Fragen zu stellen, dann ist das mein Problem und nicht Ihres! Haben Sie mich verstanden?“ Ich nickte und musste lachen. Aber im gleichen Moment riss ich mich zusammen und entschuldigte mich. „Sie müssen sich nicht entschuldigen, wenn Sie über einen Witz lachen, den Ihr Vorgesetzter extra zu diesem Zweck gemacht hat.“, sagte Maron. „Ach so.“, atmete ich auf. „Aber Sie sind mit Sicherheit kein sprachamputierter Vollpfosten, Agent.“ „Na, wenn Sie meinen.“, lächelte Maron und dann setzten wir uns in Richtung Schleuse in Bewegung.

Gleich am nächsten Morgen suchte Maron Zirell in deren Bereitschaftsraum auf, um ihr von dem Verhör mit mir zu berichten. Auch Kissara und Mikel waren anwesend, nachdem der Demetaner ihre Anwesenheit ausdrücklich erwünscht hatte. „Was hat deine erste Befragung von Betsy ergeben, Maron?“, fragte Mikel. „Sie hat mir berichtet, dass sich Shimar im Reich der Toten befinden muss.“, erwiderte der erste Offizier der Basis 281 Alpha. „Dann werde ich wohl eine Meldung an die Zusammenkunft absetzen müssen.“, fügte Zirell bei. „Das mit der Vermisstenmeldung würde ich an deiner Stelle fein lassen.“, sagte Maron und lächelte verschmitzt. „Was soll das heißen?!“, empörte sich die Kommandantin. „Ich glaube, ich höre nicht recht!“

Viel sagend stupste Maron Mikel kurz unter dem Tisch mit dem eigenen Knie gegen das Seine. Er wusste, der blinde Mann würde mit einem konspirativen Blick nichts anfangen können. Mikel erwiderte das Stupsen und grinste Maron an. „Darf ich wissen, was Sie zwei da Geheimes zu bestupsen haben, Gentlemen?“, fragte Kissara, deren scharfem Blick die Situation nicht entgangen war. „Willst du oder soll ich?“, fragte Mikel in Marons Richtung. „Ich denke, du bist der Experte für das Körperverlassen.“, entgegnete Maron. „Also solltest du ihnen auch erklären, dass Shimar zwar im Reich der Toten, aber nicht tot ist.“ „Jetzt kenne ich mich gar nicht mehr aus.“, gab Zirell zu. „Erinnerst du dich noch an die Art und Weise, wie Shimar das letzte Mal die Informationen über das Tor zum Himmel besorgt hat?“, fragte ihr erster Offizier und sah sie dabei fast mitleidig an. „Daran erinnere ich mich.“, bestätigte die Tindaranerin. „Aber was hat das mit der jetzigen Situation zu tun?“

Mikel stand auf. „Ich gehe davon aus, Commander Zirell, dass Ihr Patrouillenflieger sich an meine Anleitung zum Verlassen seines Körpers erinnert hat und das jetzt praktiziert hat, um die Genesianer zu narren. Wahrscheinlich wird er wollen, dass sie ihn für tot halten und wird in irgendeinem günstigen Moment seinen Körper wieder aufsuchen.“ „Was für eine geniale Art, aus einem Gefängnis zu flüchten.“, mischte sich Kissara ein. „Günstiger Moment?!“, empörte sich Zirell. „Die Genesianer werden seinen toten Körper sechs Fuß tief irgendwo auf einem Planetoiden unter die Erde beamen. Wahrscheinlich ist die Atmosphäre noch nicht einmal atembar. Da kann sich niemand befreien. Sechs Fuß Erde kann man über sich nicht einfach aufgraben!“ „Wenn Shimar so einen Plan fast, dann wird er auch über Informationen verfügen, die dafür sorgen könnten, dass dieser Plan eine reale Aussicht auf Erfolg hat.“, mutmaßte Mikel. „Da stimme ich dir zu.“, bestätigte Maron. „Zumal deine Freundin in ihrem Traum auch gesehen hat, dass er im Totenreich auf Commander Time getroffen ist, der ihm einige wichtige Informationen gegeben hat. Wir wissen jetzt, wo sich die Körper der Toten Mitglieder der Besatzung der Electronica befinden.“ „Offiziell gab es keine Leichen.“, widersprach Kissara. „Wir kennen die Daten. Man ging davon aus, dass alle nach dem Kampf durch die merkwürdige telepathische Energie von Prätora Shashana verdampft worden sind. Die Wracks wurden durchsucht, bevor sie …“ „Die Suche fand von weit weg und nur mit den Erfassern der durchsuchenden Schiffe statt.“, vermutete Maron. „Wenn man etwas nicht einordnen kann, ist dies die beste und risikoärmste Variante. Aber vor lauter Strahlung werden sie nichts gesehen haben und das war ihnen wohl auch ganz bequem.“ „Und du meinst, dann haben sie einfach etwas übersehen?“, sagte Zirell. „Genau.“, nickte Maron. „Aber das ist ein Umstand, mit dem Time wohl gerechnet hat, als er mit seinen Leuten den Plan fasste, dass die Überlebenden die Leichen in Stasekammern schaffen sollten, die zwischen den Energieleitungen in den Wänden des Schiffes versteckt werden sollten.“

Kissara drehte sich zur Raummitte. Dann starrte sie eine ganze Zeit bewundernd dort hin. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Time da allein …“ „Das ist er sicher auch nicht, Kissara.“, sagte Mikel. „Aber wir sollten die Electronica so schnell wie möglich finden, bevor die autarken Versorgungen für die Stasekammern ihren Geist aufgeben und die schönen Beweise doch noch flöten gehen.“

„Sie hat gesagt, die Electronica sei im Qualor-System.“, berichtete Maron weiter. „Ach du lieber Himmel!“, rief Kissara aus. „Der Raumschifffriedhof dort wird, wie die Meisten von den Zagdorn verwaltet. Das sind die schlimmsten Bürohengste, die man sich vorstellen kann! Da werde ich sicher erst mal einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars zur Bestätigung eines noch nicht angemeldeten Termins oder so etwas stellen müssen. Selbst wenn ich ihnen eine SITCH-Mail sende, in der ich formlos um einen Besichtigungstermin für ein altes Schiff bitte, finden sie sicher irgendeine Art von Fallstrick, weshalb sie es dann doch nicht genehmigen. Sie werden nicht umsonst als die deutschen Beamten des Universums bezeichnet. Wenn nur irgendeinem Miniparagraphen keine Aufmerksamkeit geschenkt wird, dann …“

Mikel stellte sich vor sie. „Sie haben ganz Recht, Kissara.“, sagte er. „So sind die Zagdorn. Und Sie haben auch mit allem anderen Recht, was Sie gesagt haben. Allein würden Sie sich hoffnungslos verlaufen in deren Paragraphendschungel. Aber ich bin das gewohnt und Allrounder Betsy auch. Sie und ich sind beide Deutsche. Wir sollten uns mit Beamtentum und Bürokratie auskennen. Nur ist sie leider mit einer anderen Sache betraut. Aber ich bin ja noch da.“ „Verstehe.“, schnurrte Kissara konspirativ. „Sie meinen also, ich sollte mir für den Paragraphendschungel der Zagdorn sozusagen einen einheimischen Führer nehmen.“ „Ganz genau.“, lächelte Mikel.

Er drehte sich zur Tür. „Ich werde aber auch das mit den falschen Identitäten für uns zwei übernehmen, Commander.“, sagte er. „Schließlich bin ich Geheimagent und kann so etwas daher sehr gut. Bevorzugen Sie irgendeinen Thundarianischen Vornamen außer dem Eigenen?“ „Naralinn!“, sagte Kissara. „So hieß eine alte Nachbarin von uns, die ich in meiner Kindheit sehr geschätzt habe.“ „OK, Naralinn.“, sagte Mikel. „Dann bin ich ab sofort für dich Markus. Den Rest unserer Legende erfährst du, wenn ich damit fertig bin.“ „Alles klar, Markus.“, sagte Kissara alias Naralinn und sah zu, wie er leise pfeifend den Raum verließ.

„McKnight und Jannings sollten sich wegen einem Shuttle für euch zwei zusammensetzen.“, schlug Maron vor. „Immerhin werdet ihr ja wie zwei Zivilisten auftreten, die einfach nur an alten Schiffen interessiert sind. Niemand darf schließlich wissen, wer ihr wirklich seid.“ „Das habe ich mir auch schon denken können.“, sagte Kissara. „Dann werde ich Jenna verständigen.“, sagte Zirell. „Und ich werde unter falschem Namen eine SITCH-Mail an die …“ „Ich denke, Commander Kissara.“, sagte Maron, „dass Sie das ruhig alles in Mikels versierten Händen lassen können. Er wird ja nicht umsonst angeboten haben, das ganze Konstrukt zu fertigen.“ „Sie haben sicher Recht, Maron.“, sagte Kissara und ließ sich erleichtert auf einen Stuhl fallen. „Manchmal bin ich aber auch zu übereifrig.“

Scotty hatte sich mit seinem Shuttle der tindaranischen Basis genähert und bemerkt, dass an ihr ein merkwürdiges fremdes Schiff gedockt hatte, das er beim besten Willen nicht einordnen konnte. Es sah aus wie die bekannte Granger, aber das seltsame Transpondersignal, das von seinem Sprechgerät ausging, wollte nun so gar nicht zu dieser Annahme passen. „Wer weiß, mit wem Zirell wieder flirtet.“, flapste er. Dann wendete er sich scherzend an sein Schiff: „Dann wollen wir dir mal ’n gescheiten Parkplatz suchen. Am besten gleich neben dem fremden Schiff da.“ Damit manövrierte er sein Schiff in die freie Andockbucht. Im gleichen Moment wurde er auf einen eingehenden Ruf aufmerksam gemacht. Er nahm das Mikrofon in die Hand und erwiderte auf das Signal: „Hier ist Techniker Scott!“ „Sei gegrüßt, Scotty El Taria!“, meldete sich ein erfreuter Joran. „Hi, Joran, altes Pelztier.“, flapste Scotty. „Is’ dein Commander zu sprechen? Ich muss ihr dringend etwas sagen. Prinzessin Eldisa von Zeitland hat den Verstand verloren. Sie will Clytus zwingen, sie zu heiraten. Im Moment könnte sie das durchaus. Er is’ gerade nix weiter, als ’n Genesianer. Seine Tante hat … Ach, ich würde alles viel lieber vor Zirell zum Besten geben.“ „Anführerin Zirell ist in einer Konferenz.“, erklärte der Vendar. „Dann stör’ sie bitte!“, insistierte Scotty. „Es is’ verdammt dringend, das sag’ ich dir! Wir sitzen auf einem Pulverfass. Wenn das so weiter geht, dann gibt es einen Krieg zwischen Zeitland und den Genesianern. Die werden Eldisa ja sicher nicht ungestraft davonkommen lassen wollen!“ „Sei ohne Sorge, Scotty El Taria.“, tröstete Joran. „Die Genesianer werden sich nicht mit einer Mächtigen anlegen. Sie wissen, dass sie diesen ungleichen Kampf nicht gewinnen können und Kriegerinnen, die sich überschätzen, landen nicht im Gore, sondern in …“ „Die verdammten Genesianer halten sich für unverwundbar.“, sagte Scotty. „Die denken, sie stehen unter dem Schutz ihrer Göttin. Die werden in ihr Verderben rennen und uns alle mitreißen. Das Ganze wird mit einem Krieg zwischen den Mächtigen und den Sterblichen enden, wenn wir nicht aufpassen und jetzt gib mir gefälligst Zirell!“ „Kelbesh.“, flüsterte Joran, dem auch längst die Konsequenzen klar waren. Dann nahm er das Gespräch wieder auf um zu Scotty zu sagen: „Ich tue, was ich kann.“ Scotty lehnte sich zurück. Er ahnte, dass das jetzt dauern konnte, aber er hatte Zeit.

Zirell hatte sich nach der Konferenz in den Maschinenraum der Station begeben, um mit Jenna das Notwendige zu besprechen. „Du willst also, dass George und ich ein Shuttle der Granger auf zivil trimmen, damit Kissara und Mikel unter falscher Identität die Beweise besorgen können.“, fasste die hoch intelligente Halbschottin das Gespräch zusammen. „Genau das.“, sagte die tindaranische Kommandantin. „Also gut.“, sagte Jenna. „Dann sollte ich mal zu meinem Kollegen …“

Die Sprechanlage hatte sie unterbrochen. „Es ist dein Arbeitsplatz.“, entgegnete Zirell auf Jennas fragenden Blick. „OK.“, sagte die Chefingenieurin und nahm das Gespräch entgegen. Am Rufzeichen im Display sah sie, dass es von Jorans Arbeitsplatz kam. „Was gibt es, Joran?“, fragte sie mit fast zärtlicher Stimme. „Ist Anführerin Zirell bei dir, Telshanach?“, fragte der Vendar.

Jenna drehte sich Zirell zu: „Für dich.“ Wortlos nahm die Tindaranerin ihr das Mikrofon ab: „Ja, Joran!“ „Ich habe Techniker Scott für dich, Anführerin Zirell.“, meldete Joran. „Er hat mir gerade etwas erzählt, was wohl unsere direkte Einmischung erfordert, wenn wir einen Krieg zwischen den Mächtigen und den Sterblichen verhindern wollen!“ „Was soll das heißen?“, fragte Zirell. „Aber gib ihn erst mal her. Ich denke, die Frage kann er mir selbst beantworten.“ „Wie du wünschst, Anführerin.“, entgegnete Joran und schaltete die Verbindung.

Bald sah Zirell in Scottys von großer Angst gezeichnetes Gesicht. „Scotty, was gibt es?“, fragte sie sachlich. „Ich muss dringend mit Ihnen reden, Commander.“, sagte Scotty. „Ich muss Sie warnen. Eldisa von Zeitland hat sich durch ihre Rachegelüste zu einem Schritt hinreißen lassen, der uns alle in einen Krieg zwischen Sterblichen und Mächtigen stürzen könnte!“ „Langsam, Scotty.“, sagte Zirell beruhigend. „Ich würde sagen, Sie kommen erst mal hier auf die Station. Dann können wir uns in meinem Bereitschaftsraum weiter unterhalten.“ „Is’ gut.“, sagte Scotty. „Ich werde Joran, das alte Pelztier, bitten, mich da abzuladen. Der weiß ja sicher, wo das is.“ „Oh, ja.“, sagte Zirell. „Das weiß er.“

Sie wandte sich wieder Jenna zu, die Shannon bereits auseinandergesetzt hatte, dass sie den Maschinenraum übernehmen sollte. „Ich werde jetzt gehen.“, sagte sie. „Den Grund dafür hast du ja sicher mitbekommen.“ „Der ist mir nicht verborgen geblieben.“, erwiderte Jenna. „Nur sollten wir vorsichtig damit sein, was davon an die Außenwelt gelangt.“ Sie warf einen ernsten Blick zu ihrer Assistentin hinüber. „Schon kapiert.“, flapste Shannon zurück. „Ich werde ausnahmsweise versuchen, meinen großen Mund zu halten.“ „Das will ich Ihnen auch geraten haben, Assistant!“, entgegnete Jenna scharf.

Wie abgesprochen hatte sich Scotty von Joran in Zirells Bereitschaftsraum absetzen lassen. Bald traf dort auch die tindaranische Kommandantin ein. Beide setzten sich an Zirells Schreibtisch gegenüber. Der Telepathin war bewusst, dass etwas Scotty sehr aufwühlen musste. Jedenfalls empfing sie starke Angst von ihm. Angst, die wohl etwas mit den Andeutungen zu tun haben musste, die er ihr gegenüber am SITCH gemacht hatte. „OK, Scotty.“, sagte Zirell. „Was war das mit Eldisa und warum sollte es einen Krieg zwischen den Sterblichen und den Mächtigen geben, wenn wir nicht aufpassen?“ „Eldisa hat … Der Junge … Oh, Gott!“, stammelte Scotty, ein Umstand, den Zirell von dem terranischen Raubein eigentlich nicht gewohnt war. Das zeigte ihr allerdings, dass es schon gehörig schlecht um alles stehen musste, wenn die Situation sogar einen Montgomery Scott umhaute.

Ein Lämpchen am Auswurffach von IDUSAs Replikator im Raum zeigte Zirell, dass hier etwas im Gange war. Sie drehte sich um und erblickte im Fach ein Glas Whisky. „Danke, IDUSA.“, sagte sie in Richtung des Mikrofons. Aus Höflichkeit dem Terraner gegenüber hatte sie es vermieden, ihren Neurokoppler für die Verständigung mit IDUSA zu benutzen. „Immer doch gern, Commander.“, kam eine sachliche Antwort zurück.

Zirell nahm das Glas und stellte es vor Scotty ab. „Woher wusste sie …?“, stammelte Scotty. „Das kommt davon, wenn man seinen Stationsrechner zum Mitdenken erzieht.“, flapste Zirell. „Ich weiß ja, dass ihr Tindaraner Eure Rechner genau so behandelt, als seien sie Lebensformen, zumindest, was ihren Rechtsstatus angeht.“, sagte Scotty. „Also darf IDUSA auch eine eigene Meinung haben und nach dieser handeln.“ „Genau.“, sagte Zirell. „Und sie war der Meinung, Sie brauchen jetzt erst mal eine Stärkung.“ „Da war sie der richtigen Meinung.“, flapste Scotty und leerte sein Glas in einem Zug.

„Also, was ist los?“, meinte Zirell und sah ihn neugierig über den Rand seines Glases hinweg an. „Eldisa hat Clytus und mich aus dem genesianischen Gefängnis befreit.“, begann Scotty. „Mir hat sie die Freiheit und ihre oberste Vendar ein Shuttle geschenkt.“ „Deshalb das vendarische Schiff mit zeitländischer Kennung, mit dem Sie gekommen sind.“, begriff Zirell. „Genau.“, sagte Scotty. „Sie will Clytus zwingen, sie zu heiraten. Aber das is’ noch nich’ alles. Die Genesianer werden das nich’ so einfach hinnehmen. Die werden auf Rache sinnen.“ „Du liebe Zeit!“, sagte Zirell. „Das könnte durchaus sein. Sie halten sich ja sicher für unverwundbar, weil sie ja angeblich unter dem Schutz ihrer Göttin stehen. Shashana könnte durchaus befehlen, Zeitland anzugreifen. Die rennen in ihr Verderben.“ „Das stimmt.“, sagte Scotty. „Und das Ganze wird noch weitere Kreise ziehen. Wenn die Genesianer diese erste Schlacht schlagen und verlieren, dann werden auch einige andere kriegerische Völker wie die Klingonen sich einmischen, weil sie dann erkennen werden, dass sie nur von den Mächtigen als Spielball missbraucht worden sind. Auch die haben Rosannium, was wieder dazu führen wird, dass sich Eldisa Verbündete sucht …“ „Und die Gewaltspirale dreht sich.“, verstand Zirell. „Aber falls die Genesianer gewinnen sollten, wäre das nicht viel anders. Lady Messalina würde Rache fordern und … Nein, dazu darf es nicht kommen! Sie haben Recht, Scotty. Allerdings hätte ich Sie nicht für so einen messerscharfen Analytiker politischer Gegebenheiten gehalten.“ „Ach, zwischen einem Raumschiffantrieb und der Politik gibt es gar nicht so große Unterschiede, Commander.“, sagte Scotty. „Bei beiden hakt es ab und zu und man muss den Fehler suchen.“ „Das könnte durchaus hinkommen.“, lachte die Tindaranerin.

Zirell sah auf die Datumsanzeige der Arbeitskonsole. „Wie haben Sie uns eigentlich so schnell gefunden?“, fragte sie. „Ich meine, Ihre Befreiung kann ja noch keine 24 Stunden her sein.“ „Ich habe mich an den Biozeichen meiner Frau orientiert.“, sagte Scotty. „Die sind in der Sternenflotte so einzigartig, dass ich sie gut als Leitfaden nehmen konnte. Aber wo is’ sie?“ „Gar nicht so schlecht.“, lobte Zirell. „Ihre Frau befindet sich an Bord der Granger und die ist hier angedockt. Gleich neben Ihrem Shuttle.“ „Also doch.“, sagte Scotty. „Ganz genau.“, sagte Zirell. „Ich werde gleich mal veranlassen, dass Sie zu ihr gebracht werden. Ich glaube, Sie benötigen dringend eine Ablenkung.“ „Aber der Krieg!“, bemerkte Scotty. „Dass lassen Sie ruhig unsere Sorge sein.“, tröstete Zirell. „Den Krieg wird es nicht geben. Zumindest nicht, wenn wir da noch ein Wörtchen mitzureden haben.“ „Also gut.“, sagte Scotty erleichtert. Er glaubte ihr. Sie hatte schon so oft bewiesen, dass sie die richtigen Register ziehen konnte.

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