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Wie Kissara es vorausgesagt hatte, war Loridana wirklich lange vor Dills Leibarzt eingetroffen und hatte sich bereits an die Untersuchung gemacht. „Laut meinem Erfasser sieht es aus, als würde Dill etwas bekämpfen, das zum Teil von Sytania ausgeht.“, interpretierte sie. „Sie sagen zum Teil, Loridana.“, sagte Kissara. „Wer ist der andere Teil?“ „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, Commander.“, erwiderte die zeonide Ärztin. „Der Erfasser kennt das Muster nicht.“

Niemand hatte Eldisa bemerkt, die plötzlich in den Raum gekommen war. Als sie Dill sah, brach sie in Tränen aus. „Oh, nein!“, schluchzte sie. „Mein Vater! Mein armer Vater!“ „Mein Gott, wer hat die Kleine hier rein gelassen!“, rief Nugura aus, die alles von ihrem Platz aus beobachtet hatte. Dass sie gerade die Fassung verloren hatte und ziemlich flapsig über ein späteres Staatsoberhaupt gesprochen hatte, war der Präsidentin herzlich egal. Formalitäten würden jetzt ohnehin nicht sehr hilfreich sein. Jetzt war eher das gefragt, was im Allgemeinen als Menschlichkeit bezeichnet wurde. Aber da dies auch bei anderen Wesen im Weltraum sehr ausgeprägt war, hatte die Föderation schon lange über die Änderung dieses Begriffes nachgedacht.

Nach einem kurzen Blickwechsel mit Loridana war Kissara klar, dass die Medizinerin sie wohl nicht brauchen würde, zumal jetzt auch der Leibarzt des Königs eingetroffen war. Sie ging auf Eldisa zu und nahm sie fest in den Arm, um gleich darauf so mit ihr den Thronsaal zu verlassen. „Sie werden Euren Vater bestimmt retten können, Hoheit.“, flüsterte sie Eldisa zu. „Danke, Commander.“, erwiderte die Prinzessin traurig. „Ich spüre auch, dass etwas nicht stimmt. Aber ich kann nichts machen. Ich fühle mich so schrecklich hilflos!“

Sie verließen das Schloss und setzten sich auf eine Bank im Schlosspark, wo Kissara Eldisa fest an ihr Brustfell zog und zu schnurren begann. „Ich wusste gar nicht, dass Sie das können, Commander.“, staunte Eldisa, nachdem sie sich wieder etwas gefangen hatte. „Dass ich was kann?“, tat Kissara unschuldig. „Traurige Prinzessinnen trösten?“ „Nein.“, entgegnete Eldisa. „Ich rede vom Schnurren.“ „Ach.“, sagte Kissara. „Das ist bei meiner Spezies doch etwas völlig Normales. Oder habt Ihr Angst, dass uns die Presse so sieht. Ich sage Euch dazu jetzt mal was. Die Presse und die Tatsache, dass Ihr ein Staatsoberhaupt in Spee seid, gehen mir gerade völlig an einem Körperteil vorbei, den in meinem Fall ein langer seidiger Katzenschwanz ziert, den ich jeden Morgen elegant in einer kleinen Tasche auf der Innenseite meiner Uniformhose verstecke.“ Eldisa kicherte. „Na also.“, schnurrte Kissara. „Ihr lacht ja schon wieder.“

Nach Lachen wahr Joran und Maron wahrlich nicht zumute. Schon gar nicht, als IDUSA ihnen die neuen Sensorenbilder zeigte. Auf dem Schirm war etwas zu sehen, dass die Augen des Vendar und auch die des Demetaners nur als buchstäbliche Zerreißung der mentalen Mauer wahrnehmen konnten. „Wer kriegt so was zu Stande?!“, fragte Maron betroffen. „Sytania allein kommt gegen die Tindaraner nicht an, das wissen wir. Schon gar nicht, wenn sie sich alle zusammenschließen. Also, verrate mir gefälligst, was hier passiert ist!“ „Ich kann dir das beim besten Willen nicht beantworten, Maron El Demeta.“, erwiderte Joran. „Wieso nicht.“, sagte der Agent harsch. „Ich denke, du kennst dich mit den Mächtigen aus. Wer könnte Sytania also geholfen haben? Keine Schonung! Ich werde die Wahrheit schon verkraften! Also rede endlich!“ „Ich habe wirklich keine Ahnung!“, bekräftigte der Vendar. „Du weißt, ich würde niemals mit einem Geheimnis hinter dem Berg halten, wenn es unsere Sicherheit tangiert. Aber in diesem Fall kann ich dir leider keinen Täter liefern. Ich kann ihn mir ja schließlich nicht aus den Rippen schneiden.“ Maron gab nur ein resigniertes: „Na gut.“, von sich.

Eine Lösung aus den Rippen schneiden mussten sich wohl auch Jenna und Shannon, denn inzwischen war klar, dass das Phänomen die Mauer durchbrochen und die Dimension infiltriert hatte. „Verdammt, Jenn’!“, rief Shannon ihrer Vorgesetzten angesichts der Sensorenbilder zu. „Sehen Sie das auch? Wenn das Ding so weiter macht, dann hat es uns gleich. Wir müssen irgendwie seinen Kurs ändern!“ „Das können wir wohl nicht, Assistant.“, lachte Jenna. „Aber wir können den Kurs der Station ändern. Es gibt einen kleinen Kontrollraum auf dem untersten Deck, von dem aus eine schwache Form aller Antriebe zu kontrollieren ist. Die Antriebe sind deshalb nur schwach, weil sie eigentlich nur zur Kurskorrektur dienen. Aber vielleicht können wir so Zeit gewinnen, bis mir was Besseres eingefallen ist.“ „OK.“, sagte Shannon und nahm das Mikrofon der Sprechanlage in die Hand. „Ich sage oben Bescheid.“

Bescheid wussten mittlerweile auch Loridana und Dills Leibarzt. Beide hatten den Herrscher mit ihren Erfassern untersucht und dabei festgestellt, dass er in keinem guten Zustand war. „Er darf diesen Kampf auf keinen Fall weiterführen!“, meinte Loridana und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie es ernst meinte. „Ich werde ihm eine geringe Dosis Rosannium spritzen.“ „Aber damit wirst du seine Fähigkeiten schwächen, Loridana.“, wandte der Leibarzt, ein älterer Zeitländer Namens Malargo, ein. „Natürlich werde ich das!“, sagte die Zeonide sicher. „Aber dann ist er gezwungen loszulassen und wird vielleicht überleben. Ich riskiere mit Sicherheit, dass er ins Koma fällt. Aber das ist immer noch besser, als wenn dieser aussichtslose Kampf ihn mit Sicherheit umbringt!“ Bevor Malargo etwas erwidern konnte, setzte sie die Spritze.

Mit Sicherheit konnte jetzt zumindest Sedrin sagen, dass das Phänomen das Passagierschiff nicht mehr behelligte. Wie eine Welle im Meer hatte es das Universum der Föderation überrollt und war weiter gezogen. Die ganze Zeit hatte die Agentin mit Jackson gemeinsam auf den Bildschirm geschaut und das Schauspiel beobachtet. „Ich glaube, wir können in den Normalbetrieb zurückkehren, Jackson.“, sagte sie ruhig. Der Pilot nickte und tat das Nötige. „Sie haben sich vorbildlich verhalten.“, lobte Sedrin. „Ich hatte mit mehr Fragerei und vielleicht sogar mit Widerstand gerechnet.“ „Mein Kollege und ich sind nicht lebensmüde, Agent.“, versicherte Jackson. „Wir waren recht froh über den Umstand, dass uns endlich jemand helfen würde, der sich mit so was auskennt. Die Kontrolle hat uns das mit dem Phänomen zwar geglaubt, aber sie haben uns auch keine Empfehlung geben können. Außerdem mussten wir an unsere Passagiere denken. Wir haben immerhin 350 mal Verantwortung da hinten drin. Von unseren Kollegen von der Crew ganz zu schweigen.“ „347.“, berichtigte Sedrin. „Ich bin ausgebildete Sternenflottenoffizierin und ich habe auch noch eine Kameradin hinten in der Kabine, die ausgebildete Sternenflottenärztin ist. Außerdem hat sie einen Sohn, der trotz seiner vier Jahre schon gut als Verstärkung dienen kann. Die Beiden sind Androiden.“ „Und Sie sind Demetanerin und als solche sehr verantwortungsbewusst.“, ergänzte Jackson. „Also, was konnte uns denn schon passieren? Das Dümmste, was wir hätten machen können, wäre gewesen, wenn wir nicht auf Sie gehört hätten.“

Sedrin drehte sich erneut zum Schirm. „OK.“, sagte sie. „Lassen Sie uns mal nachsehen, was das Ding für einen Schaden angerichtet hat.“ Dabei sah sie den jungen Copiloten an, der ihr sofort alles in den Fokus stellte, was die Sensoren des Schiffes wahrnahmen. „Das ist nur offener Weltraum.“, stellte Sedrin fest. „Ist es möglich, Transpondersignale von umliegenden Stationen oder Schiffen hereinzubekommen?“ Der junge Mann nickte und stellte das Sprechgerät entsprechend ein. Dann wies er auf den Schirm, wo die Demetanerin bald einige Kennungen sehen konnte. Genesianisch!, dachte Sedrin, ließ aber nichts durchblicken. Normalerweise hätte sie jetzt Föderationssignale sehen müssen. „Ich muss mit meiner Kameradin sprechen, ohne dass jemand was mitkriegt!“, sagte Sedrin. „Können Sie da was machen?“ Jackson und sein junger Kollege sahen sich an. Dann sagte der Jüngere, den Sedrin inzwischen als Tim Roberts kennen gelernt hatte: „Das Dienstabteil der Flugbegleiter. Dort gibt es eine Sprechanlage, die mit der hier verbunden ist. Wenn unsere Chefflugbegleiterin Ihre Kameradin unauffällig dort hin holt, dann dürfte das gehen. Ich nehme an, Ihre Sprechgeräte haben Sie beide nicht dabei.“ „Gute Idee, Tim.“, lobte Jackson und auch Sedrin nickte beifällig.

Über die Sprechanlage hatte jetzt auch Maron sich nach den drei Tindaranern erkundigt. Er konnte sich denken, dass die Zerreißung der mentalen Mauer nicht ohne gesundheitliche Folgen an ihnen vorübergegangen war. Ishan, der androide Mediziner, hatte ihm aber versichert, dass Zirell, Shimar und Nidell in guten Händen, nämlich in seinen, seien. Sie seien zwar bewusstlos, aber es ginge ihnen den Umständen entsprechend gut. IDUSA habe sie ohne Befehl von sich aus auf die Krankenstation gebeamt. „Ich finde es bemerkenswert, dass du überhaupt auf so etwas gekommen bist, Agent Maron.“, sagte Joran. „Ich arbeite ja nicht erst seit gestern für die Tindaraner.“, erwiderte Maron.

Wieder piepte die Sprechanlage. Dieses Mal war Jenna am anderen Ende. „Ja, McKnight.“, meldete sich Maron gewohnt kurz. „Was ist? Haben Sie eine Lösung?“ „Wie man’s nimmt, Sir.“, sagte Jenna. „Zumindest könnte ich uns zunächst Zeit verschaffen oder besser Joran könnte das tun. Er ist der zur Zeit beste Flieger hier, nachdem Shimar gerade verhindert ist. Er muss in den Kontrollraum, von dem der Antrieb für Kurskorrekturen zu kontrollieren ist und uns eine Weile vor dem Phänomen da draußen halten.“ „IDUSA hat es Ihnen also auch schon gesagt, Jenna.“, schlussfolgerte Maron. „Ich habe zwei gesunde Augen und ich kann denken, Sir.“, erwiderte die Chefingenieurin. „Genau das brauchen wir jetzt, McKnight!“, entgegnete Maron.

Joran trat neben Maron und tippte seine Hand an, in der er das Mikrofon hielt. Der Demetaner verstand und reichte es ihm. „Wie lange wird diese Weile sein, Telshanach?“, wollte Joran wissen. „Das kann ich jetzt noch nicht sagen.“, sagte Jenna. „Macht nichts!“, versicherte Joran. „Jedenfalls werde ich mir die größte Mühe geben.“ „Bei der Sache muss aber ein Kommandooffizier zustimmen.“, rief Jenna ihrem Freund die tindaranischen Sicherheitsprotokolle in Erinnerung. „Macht auch nichts.“, sagte Joran. „Ich habe schließlich einen neben mir sitzen.“ Damit beendete er die Verbindung und Maron und er machten sich so schnell wie möglich auf den Weg zum nächsten Turbolift, um damit nach unten zu dem entsprechenden Kontrollraum zu fahren.

Unten war auch die Stimmung im Thronsaal. Wie Loridana es vorausgesagt hatte, war Dill tatsächlich nach der Gabe der Rosannium-Spritze ins Koma gefallen. „Was hast du getan?!“, fragte Malargo vorwurfsvoll. „Wenigstens lebt er noch.“, sagte Loridana zur eigenen Verteidigung. „Solange er lebt, ist die Zeit auch noch geschützt. Solange haben Sytania und ihr neuer Komplize, wer immer das auch sein mag, keine Chance.“

Die große schwere Tür öffnete sich und zwei Vendar, ein Mann und eine allen sehr gut bekannte Frau, hatten den Raum betreten. „Ich bin Crimach, Vertraute des Dill von Zeitland. Das ist Kiran, mein Ehemann. Tritt zur Seite, Malargo und auch du, Loridana El Zeon. Dies hier ist jetzt unsere Sache.“, forderte Crimach. Dann lud sie den bewusstlosen Dill auf ihre rechte Schulter und sie und der zweite Vendar, der Dill stabilisierte, verließen den Raum. „Wenn hier jemand noch etwas tun kann.“, sagte Loridana aufatmend. „Dann sind es die Vendar. Aber ich muss meinem Commander berichten.“ Damit ging sie ebenfalls aus dem Raum.

Immer noch hatten Eldisa und Kissara gemeinsam auf jener Bank gesessen und die Prinzessin hatte dem Schnurren der Sternenflottenoffizierin gelauscht. Gut fühlte es sich an Kissaras weichem Brustfell an. Gut und sicher. Eldisa hatte die Angst um ihren Vater schon wieder fast vergessen und sich zum Rhythmus von Kissaras Schnurren in bessere Zeiten zurückgeträumt.

Kissara gab plötzlich einen gurrenden Laut von sich und rieb ihre rechte Wange über die von Eldisa. „So sagen wir in meiner Heimat jemandem, dass wir ihn gern haben.“, erklärte sie. „Haben Sie mich denn gern, Commander?“, fragte die Prinzessin. „Natürlich.“, sagte Kissara. „Hätte ich das sonst getan?“ „Aber ich bin ein späteres Staatsoberhaupt.“, entgegnete Eldisa. „Werden Sie wegen solcher Vertraulichkeiten mir gegenüber keine Schwierigkeiten bekommen?“ „Für mich.“, antwortete Kissara. „Seid Ihr im Augenblick nicht nur ein späteres Staatsoberhaupt, sondern vor allem ein trostbedürftiges Kind, das kurz davor steht, seinen geliebten Vater zu verlieren. Da könnt Ihr jeden Trost gebrauchen, finde ich.“ „Dann muss ich Ihnen was sagen, Commander.“, begann Eldisa und Kissara erwiderte freundlich: „Ja?“ Dann machte Eldisa dieses Mal das gurrende Geräusch und rieb ihre Wange an Kissaras. Die Thundarianerin lächelte: „Ich Euch auch.“

Loridana betrat die Bildfläche. An ihrem traurigen Gesicht konnte Kissara gut sehen, dass etwas nicht stimmte. „Ist er …“, begann sie. „Nein, Commander.“, erwiderte die Ärztin leise. Dabei vermied sie es aber, in Anwesenheit der Prinzessin näher auf Dills Zustand einzugehen. „Ich sage nur so viel. Die Vendar kümmern sich jetzt um ihn.“ „Die Vendar.“, wiederholte Kissara. „Dann ist er ja erst mal in Sicherheit.“ Sie wendete sich an Eldisa: „Ihr solltet Euch etwas zerstreuen. Ich komme später noch einmal her und sehe nach Euch. Eure Lieblingsplätze kann mir ja sicher einer der Diener verraten.“ „Ist gut.“, antwortete Eldisa und ging langsam weiter in den Schlosspark. „So.“, wendete sich Kissara an Loridana. „Und jetzt sagen Sie mir, was passiert ist, Scientist!“

Passiert war um das Passagierschiff herum auch einiges, wie Sedrin festgestellt hatte. Außerdem hatte die Chefflugbegleiterin tatsächlich Cupernica ins Dienstabteil geholt, von wo sie jetzt über die Sprechanlage mit Sedrin sprach. „Den Dingen nach zu urteilen, die ich hier gesehen habe, Scientist, haben die Genesianer offensichtlich irgendwann in der Vergangenheit das Universum der Föderation erobert. Allerdings wissen wir beide, dass dies nicht der ursprünglichen Zeitlinie entspricht. Die Passagiere werden ordentlich Schwierigkeiten haben, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden. Sie sollten ganz unauffällig Ihre Hilfe anbieten. Sie sind die einzige Person, bei der sie sicher sind. Jeder Andere wird sie für verrückt erklären, wenn sie von der normalen Zeitlinie berichten, denn für den Rest der Bevölkerung ist alles, so wie es jetzt ist, völlig normal.“ „Bestätigt.“, sagte Cupernica. „Der Rest der Bevölkerung war zum Zeitpunkt der Veränderung ja nicht zeitlich isoliert wie wir. Dann gehe ich mal meine Visitenkarte verteilen. Sieht aus, als müsste ich in nächster Zeit eine Menge psychologischer Beratungsgespräche führen.“ Sedrin nickte, während sie die Verbindung beendete.

Unterstützung, wenn auch nicht psychologischer, sondern eher technischer Art, konnten jetzt sicher auch Maron und Joran gut gebrauchen. Sie waren inzwischen zu dem kleinen versteckten Raum auf dem untersten Deck gelangt. Joran drehte sich in Richtung des sich dort befindenden Anschlusses für Neurokoppler und schloss den Seinen an. Nachdem Maron es ihm gleich getan hatte, lud der Stationsrechner beide Reaktionstabellen. „IDUSA, wir müssen die Station bewegen.“, erklärte Joran. „Dazu muss ein Kommandooffizier mit seinem biologischen Fingerabdruck zustimmen.“, erwiderte der Avatar. „Kein Problem.“, entgegnete Maron und legte seinen Finger in die dafür vorgesehene Sensorenmulde. „Biologischer Fingerabdruck akzeptiert.“, sagte IDUSA gleichmütig und zeigte Joran die Steuerkonsole. Mit den eigenen Sensoren hatte sie die gesamte Situation beobachtet und wusste sehr wohl, dass Maron jetzt aufgrund von Zirells Erkrankung das Kommando inne hatte und dass Joran der zur Zeit beste Flieger war, der zur Verfügung stand. „Hast du so was schon mal gemacht, Joran?“, fragte Maron sorgenvoll. „Wie alt bin ich?!“, gab Maron energisch zurück. „125.“, antwortete Maron. „Und wie alt bist du?“, fragte Joran weiter. „45.“, sagte Maron. „Also.“, sagte Joran. „Dann kannst du dir ja wohl ausrechnen, dass ich schon Schlachtschiffe und ähnliche große Dinger gesteuert habe, da hast du noch in die Windeln geschi…“ „Halt an dich!“, unterbrach Maron ihn scharf.

Jenna wusste genau, was von ihr erwartet wurde. Immer wieder gab sie IDUSA neue Modelle für Simulationen ein, die aber nicht das gewünschte Ergebnis bringen wollten. „Kommen Sie voran, Jenn’?“, wollte Shannon wissen. „Tut mir leid, Assistant.“, sagte Jenna. „Aber ich glaube, dieses Mal bin ich mit meinem Latein am Ende.“ „Na.“, flapste die blonde Irin. „Major Carter aus meinem Unterhaltungsschmöker hätte sicher nicht so schnell aufgegeben. Sie hat ihre Feinde oft ganz schön vercartert aus der Wäsche gucken lassen. Sorry, war’n Kalauer.“ „Allerdings.“, meinte Jenna. „Oh, war der flach.“

Joran versuchte mit allen Mitteln, die Station aus dem Sonnensystem zu bekommen. Aber das war angesichts der Situation gar nicht so leicht. Jetzt musste er auch noch einen Rückstoß einleiten, da sie gefährlich nah vor einem der tindaranischen Monde waren. „Was machst du denn?!“, sagte Maron vorwurfsvoll. „Wenn wir rückwärts fliegen, dann bewegen wir uns doch auf das Phänomen zu.“ „Ich muss.“, sagte Joran. „Ich habe keine andere Chance, als einen zweiten Anlauf, wenn wir nicht mit dem tindaranischen Mond zusammenstoßen wollen. Dieser Antrieb reagiert wie eine terranische Schildkröte, der man einen Elefanten auf den Rücken geschnallt hat. Wenn wir erst mal hier raus sind, werde ich auf Warp gehen. Dann wird es vielleicht besser.“ „Dann war das vorhin also nur Angeberei!“, meinte Maron. „Ich zeige dir gleich Angeberei!“, erwiderte Joran und ließ die Station gerade so an dem Mond vorbeischlittern. „Aber wenn du meinst, dass du es besser kannst, darfst du gern übernehmen. IDUSA …“ „Nein danke, kein Bedarf.“, entgegnete Maron. „Du machst das wirklich sehr gut.“ „Genau das wollte ich hören.“, grinste der Vendar. „Und jetzt funk mir nicht immer dazwischen!“

Mit Sorge hatte Shannon auf dem Schirm das Näherkommen des Phänomens beobachtet. Jetzt war es nur noch etwa drei Parsec von der Station entfernt. Dass Joran sie nicht wirklich schnell außer Reichweite bringen konnte, war der technischen Assistentin bewusst. Sie wusste auch, dass die der Station zur Verfügung stehenden Antriebe nur für Kurskorrekturen oder der Warpantrieb vielleicht zum Überführen der Basis in ein anderes Sonnensystem geeignet waren, mehr war aber nicht drin. Zumindest hätten sich die tindaranischen Hersteller wohl nie träumen lassen, dass die Antriebe einmal für ein Fluchtmanöver herhalten mussten. „Jenn’.“, sagte Shannon. „Ich glaub’, der Grizzly schafft das nich’. Ich glaub’, jetzt hilft nur noch Augen zu und durch. Am liebsten würde ich dem Ding da draußen ein paar gehörige Knüppel vor die Füße werfen. Aber das würde es ja auch nicht schrecken. Ade, du schöne Zeitlinie.“

Jenna zuckte zusammen und sah ihre Assistentin mit weit aufgerissenen Augen an. Shannon kannte diesen Blick. Ihre Vorgesetzte setzte ihn immer dann auf, wenn sie meinte, dass ausgerechnet Shannon sie zu einer Lösung geführt hatte, was sich die blonde Irin aber niemals vorstellen konnte. Jetzt geht das wieder los!, dachte Shannon. Im gleichen Moment fiel ihr Jenna wortlos um den Hals, um gleich darauf wieder zu ihrem Platz zurückzusprinten und IDUSA zu befehlen: „IDUSA, lokalisiere die Trümmer der mentalen Mauer und beame sie in Richtung des Phänomens. Das dürfte Joran Zeit verschaffen, den interdimensionalen Antrieb zu zünden und uns in die interdimensionale Schicht zu bringen.“ „Ich sollte mich aber mit der IDUSA-Shuttleeinheit synchronisieren.“, erwiderte IDUSA. „Sie muss ebenfalls den eigenen Interdimensionsantrieb benutzen. Sonst wirkt sie wie Ankermaterie.“ „Ich weiß.“, sagte Jenna. „Verständigt euch!“ „Außerdem sind meine Transportersensoren auf das Aufspüren von Materie ausgelegt. Mit anderen Worten, ich kann mit ihnen keine Energie sehen.“, fügte IDUSA bei. „Das ändere ich.“, versicherte Jenna. „Ich kopple deinen Transporter mit der entsprechenden Sensorenreihe.“ Damit stand sie auf und sagte zu Shannon: „Ich muss in die Wartungsschächte, Assistant. Wenn die Jungs da unten Energie brauchen, beliefern Sie sie. Leiten Sie die Energie einfach aus unwichtigen Systemen um!“ „Alles klar, Jenn’.“, erwiderte Shannon.

Joran hatte die Station schlussendlich doch erfolgreich aus dem Sonnensystem bringen können. Jetzt, im offenen Raum, hatte er sie auf Warp eins gebracht. Mehr war beim besten Willen nicht drin. Jetzt versuchte er, den interdimensionalen Antrieb zu zünden. Dies würde aber länger dauern als bei einem Shuttle, weil die Station natürlich viel größer war und dadurch ein viel größeres Feld benötigte. „Du solltest uns wirklich langsam in den Interdimensionsmodus bringen.“, sagte Maron, dem angesichts der Bilder von dem näher kommenden Phänomen ziemlich mulmig wurde. „Bin schwer dabei.“, antwortete Joran. „Aber es dauert bei so einer großen Station länger, biss sich das Feld aufbaut.“ „Na dann gute Nacht.“, resignierte der demetanische Agent.

Jenna hatte in dem entsprechenden Wartungsschacht inzwischen die notwendigen Umbauten vorgenommen. „Sag mir, was du siehst, IDUSA!“, befahl sie. „Ich sehe die Trümmer.“, gab der Avatar zurück. „Vielen Dank, Jenna. Ich beginne jetzt.“ Die hoch intelligente Halbschottin nickte.

Maron sah plötzlich, wie sich die Geschwindigkeit, mit der das Phänomen auf sie zu flog, erheblich verringerte. Gleichzeitig glitten sie endlich in den Interdimensionsmodus ab. „Was war das denn?!“, fragte er erfreut. „Ich denke, das war Jenna McKnight, Maron El Demeta.“, antwortete Joran mit einem gewissen Stolz in der Stimme. „Aber wie in Mutter Schicksals Namen hat sie das angestellt, dieses Ding derart zu verlangsamen?“, wunderte sich der Demetaner. „Frag sie am besten selbst.“, schlug der Vendar vor. „Das werde ich auch.“, sagte Maron. „Darauf kannst du Gift nehmen. Wie sieht’s da draußen aus?“ „Ich fürchte, das Phänomen ist mit der tindaranischen Dimension fertig.“, sagte Joran. „Dann bring uns zurück!“, befahl Maron. „Verschaffen wir uns einen Überblick!“ Joran nickte und führte seine Befehle aus.

Von alledem ahnte ich im zeitlich isolierten Zeitland nichts. Die Dimension selbst war von der Zeit unabhängig und ich musste uns jedes Mal wieder neu einfädeln, wenn wir wieder ins Universum der Föderation zurückkamen. Diese Prozedur kannte ich zur Genüge. Nur Dill war mit seiner eigenen Dimension verbunden und konnte sie deshalb, zumindest normalerweise, schützen.

Jetzt lag ich also in dieser Dimension irgendwo an einem Strand eines der unzähligen natürlichen Seen, die es um das Schloss herum gab. Ich genoss die Sonne und war hoch zufrieden mit dem Ausgang von meinem Beratungsgespräch mit Eldisa.

Aus der Ferne hörte ich Mikel jauchzen. Ich wusste, dass dieses Verhalten für ihn normal war, wenn er sich im Wasser aufhielt. Er war eine richtige Wasserratte, was ich in gewisser Hinsicht auch von mir behaupten konnte, aber ich würde nie ohne Begleitung in ein mir fremdes Gewässer gehen. Ich war eben keine Abenteurerin.

Jemand näherte sich mir. Sie ließ lässig ihre Habe neben mir in den Sand plumpsen und fragte dann flapsig: „Dideldumm, dideldei! Hast du noch ein Plätzchen frei für Tchey?“ „Hi!“, freute ich mich. „Aber sicher. Der Strand ist sonst eindeutig zu groß für uns Beide! Soll ich noch ein Stückchen rücken, damit du auch im Sand liegen kannst?“ Meine reptiloide Freundin grinste und legte sich neben mich. „Ich sehe, die Ehe mit Scotty tut dir verdammt gut.“, stellte sie fest. „Sie formt deine Persönlichkeit.“ „Nur, weil ich ein paar Sprüche geklopft habe?“, wollte ich wissen. „Aber genau.“, lachte sie. „Wieso?“, erwiderte ich. „Du hast doch angefangen.“ „Schuldig im Sinne der Anklage.“, sagte sie und fügte hinzu: „Wie ist das Wasser?“ „Für mich etwas kalt.“, antwortete ich. „Ich würde es da drin nur mit Gummianzug aushalten.“ „Hör mir mit so was auf.“, stöhnte sie. „Da kommt man immer so schlecht rein und raus. Fühlt sich an wie bei 'ner komplizierten Häutung. Da muss bei mir meistens einer von unten nachhelfen wie bei 'ner Zahnpaste.“ „Das wäre dann Tchey in der Tube.“, flapste ich. „Hey.“, sagte sie und warf mir ein Eis auf den Bauch. „Igitt! Scheibenhonig!“, schrie ich. „Ne, Schoko-Nuss.“, erwiderte sie grinsend. „Außerdem ist Rache süß.“

Ich packte das Eis aus und ließ es mir schmecken. „Wo wir gerade von der Ehe geredet haben.“, schmatzte ich. „Wie geht es mit Lasse und dir.“ „Aus.“, sagte sie knapp. „Oh, Scheiße.“, antwortete ich. „Ne, Scheidung.“, berichtigte sie. Ich machte ein trauriges Gesicht. Dann fragte ich: „Interkulturelle Differenzen?“ „Ne, inflagranti hat die Tchey den Lasse im Bett erwischt mit der Nachbarin.“ „Oh, Scheiße.“, wiederholte ich. „Ne, Scheidung.“, sagte sie lachend. „Aber so weit waren wir ja schon.“ Jetzt musste auch ich lachen.

Sie nahm mir das Eispapier ab und warf es in die nächste Materierückgewinnung. „Jetzt mache ich erst mal ganz gepflegt Urlaub.“, sagte sie dann. „Genau wie ich.“, erklärte auch ich meine Anwesenheit. „Das trifft sich ja gut.“, sagte sie. „Dann sag ich dir jetzt was. Wir gehen jetzt auf unsere Zimmer, dann klatschen wir uns die Spachtelmasse gegen Sonnenbrand auf die Epidermis und dann wird gemeinsam weiter geurlaubt.“ „OK.“, sagte ich. „Nur, mein Zimmer ist auf der Granger.“ „Ach so.“, sagte sie und verzog das Gesicht. „Du bist also doch dienstlich hier.“ „Nicht ganz.“, beschwichtigte ich sie. „Aber ich habe etwas für dich, was dich garantiert freuen wird. Du kennst ja mit Sicherheit mein Schiff noch nicht.“ Ich wusste, darauf würde Tchey positiv reagieren. Sie war eine genau so begeisterte Fliegerin wie ein gewisser Thomas Paris, dem sie manchmal nacheiferte. „Cool!“, rief sie und sprang auf. „Pass auf! Ich habe eine Idee. Ich miete mir ein Shuttle und du holst dein Schiff und dann treffen wir uns über der schönen Stelle hier. Von da aus geht’s dann ins Universum. Da kenne ich einen Fleck, wo wir uns so richtig austoben können mit den Beiden. Oh, ich wünschte, meine Sharie oder die Present wären hier.“ „Deiner Sharie geht es übrigens sehr gut.“, gab ich eine Nachricht von Ginalla weiter, mit der ich in Kontakt stand. „Sie hat sogar mittlerweile eine Beziehung in ihrer Heimat. Ich habe eine Freundin, deren Schiff …“ „Erzähl’s mir am SITCH!“, sagte Tchey und war verschwunden. Auch ich machte mich in Richtung Lycira auf.

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