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Mittels ihrer seherischen Fähigkeiten hatte Eldisa das Herannahen des genesianischen Kampfverbandes durchaus wahrgenommen. „Sie sollen nur kommen.“, flüsterte sie Crimach zu. „Ich werde ihnen einen würdigen Empfang bereiten.“ „Bitte überlegt Euch, was Ihr da tut, Gebieterin.“, versuchte Crimach, sie zu beschwichtigen. „Ihr werdet einen Krieg zwischen Sterblichen und Mächtigen heraufbeschwören.“ Die Prinzessin winkte nur müde lächelnd ab.

An vorher vereinbarten Koordinaten hatten sich die genesianischen Schiffe getroffen und waren gemeinsam nach Zeitland geflogen. Die Canara war dem Verband als Führungsschiff vorangestellt. Schließlich waren auch die Vetash der Clan, der in erster Linie das Recht hatte, gegen Eldisa vorzugehen. „Da liegt unser neues Herrschaftsgebiet, meine Kriegerinnen!“, begann Yanista eine Ansprache. „Wir werden es dieser feigen Prinzessin schon zeigen! Hera, bring uns nach …“

Weiter kam sie nicht, denn im nächsten Moment zerrissen Blitze die Luft um sie und auch alle anderen herum. Die Blitze waren das Resultat berstender Energieleitungen. Gleichzeitig hatte ein starker Ruck die Canara zum Stoppen gebracht.

„In Deckung, Prätora!“, rief Kirin ihrer Kommandantin zu, denn sie hatte aus dem Augenwinkel eine Stichflamme beobachtet, die aus der Kommandokonsole kam. Dann explodierte das Gerät vor Yanistas Augen. Im dichten auf der Brücke herrschenden Rauch konnte niemand auch nur die Hand vor Augen sehen! „Bericht, Hera!“, forderte Yanista aus ihrem Versteck. Als tapfere Kriegerin hätte sie es zwar vorgezogen, jetzt stolz aufrecht und mutig vor ihrer Besatzung zu stehen, aber den Elementen und den Naturgesetzen musste sich auch eine Genesianerin geschlagen geben. Am Boden war sie immer noch am sichersten. Rauch und Strahlung ziehen ja bekanntlich zuerst nach oben. „So weit ich das beurteilen kann, Prätora.“, setzte die junge Pilotin an. „Sind wir in irgendeine Art von Phänomen geraten, das die Sensoren nicht vorher gemeldet haben. Wahrscheinlich war es vorher auch noch nicht da. Ihr wisst, wozu Mächtige in der Lage sind.“ „Was hat dieses Ding mit meinem stolzen tapferen Schiff gemacht?!“, erkundigte sich Yanista. „Veleta sagt, die Energie des Phänomens hatte direkten Kontakt mit dem Antrieb und auch mit vielen anderen Energiesystemen. Der Kurzschluss frisst sich weiter.“, erklärte Hera.

Jetzt musste sich auch Kirin ducken, denn der Kurzschluss hatte das Waffenpult erreicht und dort zu genau der gleichen Explosion geführt, die auch die Kommandokonsole in Schutt und Asche gelegt hatte. Hoffentlich kriegt ihr das hier mit., dachte Sedrin an die Xylianer gewandt. Dann meldete sie: „Die automatischen Feuerlöschsysteme reagieren, Prätora!“ „Na wenigstens etwas.“, gab Yanista zurück.

„Warum hat uns die Göttin nicht geschützt, Mutter?!“, meldete sich jetzt plötzlich Minerva zu Wort. Sie stand mit gezogenem Phaser vor ihrer Mutter, ein eindeutiges Zeichen für eine Herausforderung. „Du wagst es, in so einer Situation deine Mutter und Prätora offen zu fordern?!“, erwiderte Yanista. „Ja, das wage ich!“, sagte Minerva fest. „Du bist wahnsinnig, Mutter. Wahnsinnig vor Glaube. Kirin und ich haben es dir versucht zu beweisen. Aber du hast nicht auf uns gehört. Statt dessen führst du uns in diesen sinnlosen Krieg, in dem du glaubst, dass eine nicht existierende Gestalt uns schützt. Aber jetzt siehst du, was du davon hast! Wer will dieser Wahnsinnigen entsagen? Wer schließt sich mir an!“

Kirin und Hera standen gemeinsam auf und stellten sich neben Minerva. „So ist das also!“, bemerkte die Prätora. „Ihr alle beide verleugnet euren Glauben, sobald es unbequem wird. Aber dafür wird euch die große Göttin bestrafen. Mich aber wird sie belohnen!“ Damit verließ Yanista die Brücke.

Minerva schlotterten die Knie, ein Umstand, den sie so gut es ging vor den anderen Kriegerinnen geheim zu halten versuchte. Aber der sehr aufmerksamen Kirin konnte sie nichts vormachen. Kirin, die wohl schon ahnte, was Yanista tun würde. Jedenfalls nahm die Demetanerin das Mikrofon der noch funktionierenden Sprechanlage in die Hand und betätigte den Knopf, der sie mit dem Maschinenraum verband. Hier meldete sich Shira. „Sag mir sofort, ob die Prätora noch an Bord ist!“, forderte Kirin. „Nein, Kirin.“, sagte die technische Assistentin. „Sie hat sich ein Shuttle genommen und ist damit fortgeflogen.“ „Danke.“, sagte die Demetanerin jetzt sehr sachlich. Sie wollte nicht, dass Minerva etwas von dem mitbekam, was sie längst vermutete.

„Erbprätora!“, wendete sich Hera plötzlich an Minerva. „Ich habe gerade ein Shuttle gesehen, das sich von uns weg auf den Kern des Phänomens zu bewegt. Eure Mutter ist an Bord!“ „Ruf das Shuttle, Hera und verbinde mit mir!“, forderte Minerva. „Ja, Erbprätora!“, erwiderte Hera schmissig und führte den Befehl des jungen Mädchens aus.

Bald sahen alle das Gesicht der Prätora auf dem Hauptschirm. Ihre Augen funkelten. Es war ein Funkeln, wie man es im Allgemeinen bei Verrückten antrifft. Kirin konnte sich denken, wohin das führen würde. Sie setzte sich neben Minerva und hielt ihre Hände in die Höhe, bereit der Erbprätora die Augen zuzuhalten, falls es zu schlimm werden sollte. Minerva war zwar eine genesianische Kriegerin, aber sie war auch erst ein 14-jähriges Mädchen, das ihrer Ansicht nach noch viel zu jung war, um zu sehen, was sie gleich sehen würde, wenn der Gedankengang der Demetanerin nicht völlig falsch war, wovon sie nicht ausging.

„Was tust du da, Mutter?!“, fragte Minerva mit fast ängstlich anmutender Stimme. „Bitte dreh um! Wenn du in das Phänomen fliegst, wirst du sterben!“ „Das werde ich nicht!“, erwiderte Yanista. „Die Göttin selbst wird mich schützen und meinen Körper zu ihrem Werkzeug machen, um dieses Phänomen zu zerstören! Oh, große Göttin, lass mich dein Werk …“

Weiter kam sie nicht. Kirin und Minerva hörten nur noch eine Mischung aus einem lauten Schrei und einigen Explosionen. Geistesgegenwärtig hatte Sedrin der Erbprätora die Augen zugehalten, um sie vor dem größten Teil des Schocks zu bewahren.

„Vor uns sind Leichenteile und Trümmer zu sehen, Erbprätora.“, meldete Hera. Starr vor Entsetzen saß Minerva da. „Was sollen wir tun?“, fragte die Pilotin und Kommunikationsoffizierin weiter.

„Hilf mir, Kirin.“, flüsterte Minerva ihrer Freundin mit zitternder Stimme zu. „Ich bin doch noch viel zu jung, um einen Clan zu führen.“

Die Demetanerin stellte sich mit geradem Kreuz und fester Haltung vor alle hin. „Hört her!“, sagte sie. „Ich bin soeben von der Erbprätora zu ihrer Interimsprätora ernannt worden! Hera, welche Systeme funktionieren noch?“ „Der Heckantrieb und der SITCH, Prätora Kirin!“, meldete die Angesprochene. „Dann wirst du beides jetzt benutzen!“, befahl Kirin. „Leite einen Rückwärtsflug ein und dann stell mich an das Rufzeichen durch, was ich dir gerade an deine Konsole übermittelt habe!“ „Wie Ihr befehlt.“, sagte Hera und führte die Befehle aus. „Stell die Verbindung auf den Hauptschirm!“, befahl Kirin. Auch das tat Hera.

Mit Staunen sahen bald alle das Gesicht Eldisas. „Ich bin Prinzessin Eldisa von Zeitland.“, stellte sich die Mächtige vor. „Ich hoffe, ihr habt eure Lektion gelernt.“ „Ich bin Kirin, Interimsprätora des Clans der Vetash.“, stellte sich die Demetanerin ihrerseits vor. „Die Prätora ist tot und die Erbprätora noch zu jung, um diesen Clan allein zu führen. Ich bitte Euch daher, Euer Phänomen abzuziehen, Prinzessin. Ihr hattet Eure Rache. Durch Euer Phänomen ist die Mutter dieses Mädchens zu Tode gekommen, das nicht viel älter ist als Ihr. Ich weiß, dass Ihr wisst, wie es ist, wenn man einen Elternteil verliert. Ihr habt Euren Vater durch diese Situation verloren. Aber jetzt würde ich sagen, seid Ihr und die Genesianer mehr als quitt.“

Quälende fünf Minuten vergingen. Dann meldete Hera die Auflösung des Phänomens. Erstaunt sah Minerva Kirin an. „Du scheinst nicht nur in der Kunst der Wissenschaft, sondern auch in der Kunst der Diplomatie sehr bewandert zu sein.“, stellte sie fest. „Das war doch gar nichts.“, sagte Kirin. „Ich habe doch nur festgestellt, dass ihr beide eine Gemeinsamkeit habt und meine Vermittlung darauf aufgebaut.“ „Aber das hätte eine einfache Frau vom Lande, die du sein willst, sicher nicht hinbekommen.“, sagte Minerva. „Wer bist du wirklich, Kirin?“

Der SITCH rettete Sedrin aus dieser doch für sie sehr beklemmenden Situation. Am anderen Ende der Verbindung war Shashana. „Die oberste Prätora wünscht mit der Interimsprätora der Vetash zu sprechen.“, meldete Hera. „Verbinde!“, befahl Kirin. „Kirin, wir werden dein Schiff in Schlepp nehmen!“, hörte Sedrin bald darauf eine vertraute Stimme. „Ich möchte dich an Bord meines Schiffes treffen und mit dir reden. Ich möchte wissen, wie es dir möglich war, ohne das Einsetzen der Waffen das Phänomen zu zerstören.“ „Wie Ihr wünscht, oberste Prätora.“, gab Sedrin zurück. Dann befahl sie Hera, sämtliche Antriebssysteme der Canara zu deaktivieren, wonach die Rapach das beschädigte Schiff in den Traktorstrahl nahm und der gesamte genesianische Verband die Dimension Zeitland wieder verließ.

Weinend stand Eldisa vor den Scherben ihres Plans. Dass diese Fremde sie an den Tod ihres Vaters erinnert hatte, schmerzte die Prinzessin sehr. Deshalb nahm sie die Gestalt, die sich ihr langsam näherte, auch erst sehr spät wahr. „Eldisa?“, fragte die Frau freundlich und Eldisa erkannte, dass es sich um ihre über alles geliebte Mutter handelte. „Oh, Mutter.“, schluchzte sie und ließ sich in Lady Messalinas Arme fallen. „Ich bereue so sehr, was ich den Genesianern tun wollte. Ich bereue es so sehr. Mit einem einzigen Gedanken hätte ich sie vernichten können und sie hätten sich nicht wehren können. Ich hätte sie nur für meine Rachegelüste bluten lassen. Ich wäre nicht besser gewesen als Clytus, der ja die Sterblichen auch nur zum Durchsetzen seiner Ziele …“ „Clytus hat seine Lektion gelernt.“, tröstete Messalina. „Und wie es aussieht, hast du das auch. Ich habe mit Absicht nicht eingegriffen, um dich auflaufen zu lassen. Wir dürfen die Sterblichen nun mal nicht missbrauchen.“ „Das weiß ich jetzt, Mutter.“, entgegnete die Prinzessin. „Aber was machen wir mit Clytus?“ „Wir werden ihn zu seiner Tante und seinem Vater zurückschicken.“, entschied Messalina. „Dort ist er wohl immer noch am sichersten, bis eine Lösung wegen seiner Rückverwandlung gefunden ist.“ „In Ordnung.“, nickte Eldisa.

Meduse führte Kirin, die von Veleta an Bord der Rapach gebeamt worden war, den Gang zum Bereitschaftsraum der obersten Prätora entlang. Sedrin ahnte, dass ihr Verhalten dazu geführt haben musste, dass Shashana sie enttarnt hatte. Aber das durften die anderen auf keinen Fall wissen! Die Agentin machte sich aber über diesen Umstand keine Sorgen. Laut ihrer Absprache mit den Xylianern war das ja auch alles so geplant. Die Xylianer hatten schon lange die Vermutung, dass Shashana, während sie die Eroberungsfeldzüge geführt hatte, nicht mehr Herrin ihrer Sinne war und dass dies keinesfalls auf das Eingreifen ihrer Göttin zurückzuführen war. Aber das galt es jetzt zu beweisen.

Vor der Tür des Raumes blieb die Leibwache stehen und bedeutete Kirin, das Gleiche zu tun. Dann meldete sie sich und die Demetanerin auf Genesianisch bei ihrer Prätora an, worauf die Türen des Raumes auseinander glitten und den Blick für Sedrin auf einen karg und farblos eingerichteten Raum mit nichts als einem Schreibtisch, einem Replikator und einer harten Bank frei gaben. Die Demetanerin wusste, dass dies die normale Einrichtung auf einem Genesianerschiff war. Wie die Klingonen auch hielten die Genesianer nicht viel davon, ihre Körper mit Polstern zu verwöhnen.

Shashana winkte Kirin, in den Raum zu kommen. Meduse aber wies sie schroff ab. Dann schlossen sich die Türen zwischen ihr und der Demetanerin auf der einen und der ausgesperrten Leibwache auf der anderen Seite. „Setz dich zu mir.“, bot die oberste Prätora Sedrin in akzentfreiem Englisch einen Platz an. Ihre Stimme klang dabei für eine Genesianerin sehr freundlich. Dann replizierte sie beiden eine Schüssel mit Veddach, einer auf Genesia Prime sehr bekannten Quarkspeise, die drei mal so stark wie durchschnittliches terranisches Zaziki ist. „Ich hoffe, dass du deine Tabletten genommen hast.“, deutete sie an. „Dies hier ist nämlich repliziertes Essen.“ „Ich weiß beim besten Willen nicht, wovon Ihr redet, oberste Prätora.“, versuchte Sedrin, ihre Tarnung, die schon lange keine mehr war, aufrecht zu erhalten. „Oh, doch.“, grinste Shashana. „Das weißt du ganz genau. So viele Demetanerinnen mit der Replikatorkrankheit arbeiten nicht für die Sternenflotte, Sedrin!“

Eigentlich hatte Shashana wohl damit gerechnet, dass Sedrin leugnen würde, aber die Agentin ließ ruhig und besonnen ihren Löffel in die Schüssel fallen. „Ja, ich bin es.“, gab sie zu. „Nur in einem hast du unrecht. Ich arbeite nicht für die Sternenflotte. Ich arbeite für die Xylianer. Sie haben mich bei euch eingeschleust, weil sie wissen wollen, warum ihr auf einmal so verrückte Dinge tut. Sie haben alles beobachtet. Alles von Anfang an.“

„A/1 macht sich keine Vorstellung!!!“, schrie Shashana und stand auf, um ihre Schüssel im nächsten Augenblick gegen die Wand zu werfen und einige Flüche auf Genesianisch auszustoßen. Sedrin beobachtete das Verhalten ihrer Freundin ruhig gelassen und reserviert. Sie hatte geahnt, dass es hierzu kommen würde, denn das war für Genesianerinnen normal. Aber es war auch die Vorstufe dazu, dass sie reden würde. „Dann sollten wir ihm helfen, sich eine Vorstellung zu machen.“, sagte Sedrin und nahm beide Hände der Genesianerin in die Ihren. „Reden Sie mit mir, Shashana. Sagen Sie mir, was Ihnen passiert ist!“ „Du willst, dass ich rede!!!“, schrie Shashana. „Also gut, dann rede ich! Ich war gerade ins Bett gegangen, als ich von einer merkwürdigen Kreatur in energetischer Form überwältigt wurde. Sie bemächtigte sich meines Körpers und verpasste mir ein telepathisches Zentrum. Sie ließ mich Dinge tun, die ich zutiefst verabscheue. Eine genesianische Kriegerin benutzt keine Gedankenbefehle im Kampf und überfällt keine Außenposten hinterhältig. Sie gibt sich auch nicht als Göttin aus. Als mich dieses Ding nicht mehr brauchte, hat es das Zentrum wieder entfernt und sich meiner entledigt. Ich wusste, das kann nicht die Wächterin von Gore sein, denn sie hat uns ja den Pfad der Ehre gezeigt, aber sie würde uns nie von ihm abbringen! Ich wusste das, aber ich habe nichts tun können! Aber warum interessieren sich die Xylianer dafür?“ „Sie sind künstliche Lebensformen.“, sagte Sedrin. „Sie dachten, dass sie uns helfen müssten, weil sie die Einzigen wären, die dazu in der Lage seien. Sie können keine Telepathie empfangen.“ „Verstehe.“, sagte Shashana. „Und falls du wissen willst, ob ich meine Medikamente genommen hatte. Ja, das hatte ich leider. Hätte ich sie vergessen, hätte dieses Ding keine Chance gehabt, mich zu übernehmen. Hätte ich sie doch nur vergessen! Eigentlich müsste ich alle eroberten Gebiete zurückgeben. Aber dann würde ich mein Gesicht verlieren. Was können wir tun, Sedrin? Was können wir tun?“ „Ich habe Freunde, die sicher eine Lösung finden werden.“, sagte die Agentin zuversichtlich. „Ihr müsst mich nur gehen lassen.“ „Ich werde nicht nur dich gehen lassen.“, sagte Shashana und zog ihr Sprechgerät: „Meduse, führe ihn herein!“

Die Türen öffneten sich und die Wächterin führte einen Demetaner höheren Alters in den Raum. „Er gehört dir!“, sagte Shashana. „Er ist deine Belohnung für die Rettung der Vetash aus dieser unehrenhaften Situation! Außerdem wird ein Shuttle auf dich warten. Meduse wird euch hinbringen.“

Sedrin, die Yetron längst erkannt hatte, verpasste ihm einen Schlag in den Nacken und sprach eine genesianische Formel, deren Übersetzung: „Betrachte dich als meinen Ehemann!“, lautete. Wie er es gelernt hatte, nickte Yetron dies ab und folgte ihr in 10 Schritten Abstand.

Mikel und Kissara hatten mit dem von Jannings und McKnight als zivil „verkleideten“ Shuttle den Weg ins Qualor-System angetreten. Aber auch sie waren nicht minder kostümiert. Kissara trug einen schwarzen Samtrock und eine weiße Bluse mit Blumenmotiven. Ihre Füße steckten in ebenfalls schwarzen Schuhen mit hohen Pfennigabsätzen, die jeweils auf dem Spann von einer weißen Rosette geziert wurden, die eine Rosenblüte emittierte. Außerdem trug sie eine rote Damenhandtasche bei sich, in der sich außer einem Schminkköfferchen auch noch ein als Simu-Cam getarnter Erfasser befand. Mikels Outfit bestand aus einem schwarzen Anzug aus Jeans und braunen Herrenschuhen. Auch er hatte eine Tasche mit einem getarnten Erfasser bei sich. Nur befand sich in der Seinen auch noch der Datenkristall mit der Bestätigung des Termins.

„Wie ist es gelaufen, Agent?“, fragte Kissara, der Mikels stolzer Blick nicht entgangen war. „Es ist sehr gut gelaufen, Commander.“, erklärte der Geheimdienstler ruhig. „Ich wurde zwar von Pontius bis Pilatus verbunden und musste ebenso viele Mails mit Formularen bearbeiten, aber sich durch den Wust zu kämpfen, hat sich schließlich doch gelohnt.“ „Das konnte ich mir denken, Mikel.“, sagte Kissara und klopfte ihm mit ihrer samtigen rechten Hand auf die Schulter. „Schließlich haben Sie und die Zagdorn einiges gemeinsam.“ Sie lächelte.

„Ich habe mir gedacht, dass wir folgendermaßen vorgehen.“, erklärte Mikel. „Sie geben vor, ein echter Fan von Commander Time zu sein und unbedingt an seinen Wirkungsstätten abgelichtet werden zu wollen. Das wird unser Museumsführer sicher gern für Sie tun, wie ich ihn einschätze. Der Verwalter persönlich will uns über die Electronica führen. Er sagte mir, dass ihn ein Ferengi darauf gebracht hätte, aus dem ersten Flagschiff der Sternenflotte ja schließlich noch etwas Gewinn herausschlagen zu können.“ „Ein Ferengi.“, grinste Kissara. „So, so. Ich nehme an, der will auch später den Schrott aufkaufen. Wenn das Ding vorher ein Museumsschiff war, wird der Wert sicher noch um ein Vielfaches steigen.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Mikel. „Die Electronica ist ja schon allein dadurch sehr wertvoll, dass sie das Flagschiff der Sternenflotte war.“ „Ganz recht.“, bestätigte Kissara. „So eine Geldanlage hat sicher nicht jeder Ferengi im Garten.“

Sie flogen in das Qualor-System ein. „Ich werde jetzt SITCHen.“, sagte Mikel. „Wir werden jemanden an Bord beamen, der uns begleitet. Es wird Mr. Ducatchin sein. Der wird uns auch führen, oder besser du wirst ihm auf den Sender gehen, damit ich in Ruhe schnüffeln kann, Naralinn.“ „Aber sicher werde ich ihn gern für dich ablenken, Markus.“, lächelte Kissara.

Mikel gab ein Rufzeichen in das Sprechgerät des Shuttles ein. Bald meldete sich ein älterer Zagdorn. „Mein Name ist Semm Ducatchin.“, sagte er. „Angenehm.“, sagte Mikel und legte einen starken deutschen Akzent in sein Englisch. „Ich bin Markus Meier von der Erde. Meine thundarianische Freundin und ich sind hier, weil ich ihr zu unserem 20. Jahrestag gern einen lang gehegten Wunsch erfüllen wollte. Sie sagt zwar, sie liebt mich, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich sie mit Commander Time teilen muss. Sie kommt damit gar nicht klar, dass er ins Gras gebissen hat.“ „Ah, ja.“, sagte der Zagdorn. „Wir haben per SITCH-Mail Kontakt gehabt. Ich erinnere mich. Seien Sie versichert, bei mir wird Ihre Freundin alles noch so vorfinden, wie es war, als Time gestorben ist. Bei uns wird so schnell nichts verändert. Darauf passen wir schon auf. Meine Familie verwaltet diesen Raumschifffriedhof schon seit rund 800 Jahren und noch nie ist etwas passiert! Bitte deaktivieren Sie jetzt den Antrieb, damit ich zu Ihnen an Bord beamen kann.“ „Machen wir.“, flapste Mikel und tat, worum der Zagdorn ihn soeben gebeten hatte.

„Ducatchin.“, überlegte Kissara. „Den Namen kenne ich.“ „Ich auch.“, sagte Mikel. „Und dann wissen Sie ja auch um die kleine peinliche Affäre, wegen der ich ihm seine Angeberei nicht abnehme.“ „Oh, ja.“, sagte sie. „Aber bei so einem aufgeblasenen Ego sollte es mir leicht fallen, ihn abzulenken. Übrigens sollten Sie das Steuer behalten, Mikel. Sie dürften mit den Maßeinheiten, die sie für die Geschwindigkeit benutzen, vertrauter sein.“ „Schon gut.“, sagte Mikel. „Du willst dich ja sicher noch frisch machen, Naralinn.“ „Aber sicher, Markus.“, antwortete sie. „Schließlich will ich an der Wirkungsstätte meines Idols nicht wie ein Bauerntrampel auftreten.“

Der Zagdorn wurde an Bord gebeamt und Kissara verschwand in den hinteren Teil des Shuttles. Hier würde sie warten, bis Mikel sie über die Sprechanlage darüber informiert hätte, dass sie am Liegeplatz der Electronica angekommen waren. Während die Männer das Schiff dorthin brachten, würde sie viel Zeit haben, über ihre Rolle nachzudenken und sich noch besser dort hineinzufühlen. Die etwas dümmliche Rolle, die Mikel ihr bei dieser Aktion zugedacht hatte, störte Kissara nicht. Sie einzuhalten würde sogar von enormer Wichtigkeit sein. Ducatchin durfte ja auf keinen Fall sehen, was im Hintergrund passierte.

Fasziniert hatte Ducatchin Mikel beim Fliegen des Shuttles zugeschaut. „Ich benutze ein Hilfsprogramm, das mir alle Hindernisse ansagt.“, erklärte der blinde Agent. „Na dann ist ja gut.“, stöhnte Ducatchin erleichtert. „Ich hatte schon befürchtet, Sie permanent dirigieren zu müssen.“

Der Liegeplatz der Electronica war erreicht und Mikel dockte das Shuttle an einem ausgewiesenen Dock daneben. Dann benutzte er die Sprechanlage: „Mausi, bist du so weit? Wir wären dann da.“ „Einen Moment noch, Schatzi.“, quietschte Kissara übertrieben hoch zurück. „Ich kann mich einfach nicht für eine Farbe Lippenstift entscheiden. Ach, da kannst du mir ja nicht helfen. Das siehst du ja nicht. Das habe ich total vergessen. Verzeihst du mir noch mal, Bärchen?“ „Aber sicher doch, Mausezahn.“, sagte Mikel und versuchte, ein genervtes Gesicht zu machen. „Ja, ja.“, stöhnte er. „Die Frauen. Man kann nicht mit ihnen und man kann nicht ohne sie.“ „Wem sagen Sie das.“, erwiderte der Zagdorn.

Wenig später betrat Kissara wieder das Cockpit. „Ihre Freundin sieht umwerfend aus.“, flüsterte Ducatchin Mikel zu. „Wenn ich nicht wüsste, dass Sie mir nur helfen wollten, würde ich dies jetzt als Grund für eine handfeste Prügelei betrachten!“, spielte Mikel den Eifersüchtigen. „Ihr macht niemand Komplimente, außer mir! Ist das klar?!“ Ducatchin nickte. Kissara aber nahm dies gleich zum Anlass, um, wie vorher mit Mikel abgesprochen, mit ihrer Ablenkung zu beginnen. „Oh, er ist immer so aufbrausend, mein Schatzi. Aber das muss Sie nicht kümmern. Er weiß, dass ich keinen anderen Mann liebe außer ihm. Noch nicht mal Time. Ich bin nur ein großer Fan. Ach, könnten wir zur Brücke gehen, damit ich ein paar Simu-Photos machen kann?“ „Natürlich.“, sagte Ducatchin. „Passen Sie aber gut auf sie auf!“, sagte Mikel energisch. „Sonst kriegen Sie Probleme, die Sie sich wünschen lassen, Sie wären mir nie begegnet!“ „Keine Angst, Schatzi.“, flötete Kissara. „Bei ihm bin ich sicher. Schau du dir ruhig das Schiff an. Ich werde für ein paar Bilder sorgen, die unsere Nachbarn daheim vor Neid erblassen lassen.“ Damit stöckelte sie voran zur Transporterplattform und Mikel und Ducatchin folgten, nachdem der Terraner den Transporter eingestellt hatte.

Auf der Brücke des schrottreifen Schiffes angekommen zog Kissara sofort die Simu-Cam aus der Tasche. „Könnten Sie einige Bilder von mir machen, Mr. Ducatchin?“, fragte sie. „Vielleicht sogar von uns beiden? Ich meine, von Ihnen und mir? Der Selbstauslöser ist …“ Sie klickte umständlich in den Menüs herum. „Geben Sie mal her!“, meinte Ducatchin ungeduldig. Ihr (entschuldigt bitte nochmals) tussenhaftes Gehabe ging ihm schon gewaltig auf die Nerven. Dadurch abgelenkt bemerkte der Zagdorn allerdings nicht, dass sich Mikel davongeschlichen hatte. Mit flinken Fingern hatte sich der Agent Zugang zu einer Jeffriesröhre verschafft und war darin verschwunden, um herunter zum Maschinendeck zu kriechen. Der Agent dachte sich, dass hier wohl am ehesten die Stasekammern zu finden wären. Hier musste nach dem Kampf ja die meiste Strahlung geherrscht haben, die ein Auffinden unmöglich machen würde. Jetzt müsste diese aber schon wieder abgeebbt sein.

Seinen Erfasser auf das Signal des Abdrucks eingestellt, den er von Kamurus bekommen hatte, kroch er langsam die Röhre entlang. In den Röhren war es zwar finster, weil ja jegliche Beleuchtung nicht mehr funktionierte, aber das machte es ihm sogar noch leichter als jedem Sehenden. Im Dunkeln war der blinde Mann eindeutig im Vorteil.

Ein bestätigendes Piepen ließ ihn plötzlich innehalten. Der Erfasser musste auf eine Quelle des gesuchten Signals getroffen sein. Da Mikel klar war, dass es das Signal des Geistwesens sein musste, stellte er keinen erneuten Vergleich an, sondern befahl dem Erfasser sofort, das Signal aufzuzeichnen und zu speichern. Dann erkundigte er sich noch, wer hinter der Wand zu finden war. „Die Überreste werden als die von Warrior Shorna identifiziert.“, sagte der Erfasser nüchtern. „Sie sind nicht umsonst gestorben, Warrior.“, flüsterte Mikel. „Jetzt aber raus hier.“ Er machte sich auf den Weg zurück.

In allerlei fast schon grotesk anmutenden Posen hatte sich Kissara ablichten lassen, als Mikel wieder die Brücke betrat und ernst zu ihr sagte: „Nun ist es aber genug, Naralinn! Der Mann ist Verwalter für diesen Raumschifffriedhof und kein Modephotograph!“ „Bitte noch ein Bild, Schatzi.“, bat Kissara. „Nein, jetzt ist es genug.“, setzte sich Mikel schließlich durch und meinte zu Ducatchin: „Hoffentlich ist sie Ihnen nicht all zu sehr auf die Nerven gegangen.“ „Es war gerade noch im Rahmen des Erträglichen.“, sagte der Zagdorn und übergab Mikel die Simu-Cam. Gott sei Dank verstand er nicht, welcher Code hinter dem letzten Dialog zwischen Naralinn und Markus steckte.

Die Beiden kehrten auf ihr Schiff zurück und starteten. Nervös tastete Kissara sich ab. „Suchen Sie nach einer Wanze?“, erkundigte sich Mikel. „Offen gesagt ja.“, sagte Kissara. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mich nicht überwacht haben, Agent. Sie hätten ja schließlich wissen müssen, wenn etwas mit dem Ablenkungsmanöver nicht läuft wie es soll und wir die Aktion hätten abbrechen müssen.“ „Ich war über jedes Wort informiert, Kissara.“, grinste Mikel und sagte dann: „Schauen Sie sich mal ihren Schminkkoffer genau an.“

Sie öffnete den Deckel und sah tatsächlich hinter dem Spiegel einen kleinen Würfel, der aber genau so gut eine Verzierung sein hätte können. „Faszinierend.“, sagte sie. „Und wie fanden Sie mich als Tussi?“ „Umwerfend.“, erklärte Mikel. „Ich wusste gar nicht, dass so eine gute Schauspielerin in dir steckt, Naralinn.“ Er grinste. „Ich auch nicht, Markus.“, grinste sie zurück. Dann aktivierten sie den interdimensionalen Antrieb, um zu Zirells Basis zurückzufliegen.

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