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Ginalla und Kamurus hatten die Basis der Regierung der Föderation erreicht. Dabei waren sie von genesianischen Sensoren völlig unbehelligt geblieben, weil diese das Schiff aufgrund eines erneut geänderten Transpondersignals für ein platonisches Freizeitschiff gehalten hatten. „Sorry, dass ich dein Signal schon wieder geändert habe.“, entschuldigte sich Ginalla. „Ich hoffe, du weißt am Ende selbst noch, wer du wirklich bist.“ „Mach dir keine Sorgen.“, tröstete das Schiff. „Ich kenne meine Identität noch sehr genau. Aber jetzt sollten wir langsam mal einen Schlachtplan machen. Wie hast du dir unser weiteres Vorgehen vorgestellt?“ „Ich dachte, du beamst mich einfach mal ganz gepflegt in Nuguras Büro.“, sagte Ginalla ruhig. „Dann wirst du dort allein sein.“, sagte Kamurus. „Meine Scans haben ergeben, dass sich dort im Augenblick niemand befindet.“ „Oh, das is’ nich gut.“, sagte Ginalla. „Kannst du mir sagen, wo das ausgeflogene Vögelchen jetzt nistet?“ „Ich vermute, sie ist im Plenarsaal.“, sagte Kamurus. „Was heißt, du vermutest?“, fragte die junge Celsianerin. „Die Genesianer oder jemand anders muss hier in der Nähe Sonden installiert haben, die meine Sensoren empfindlich stören.“, antwortete ihr Schiff. „Ich kann zwar grob feststellen, dass sich jemand dort befinden muss, kann aber nicht genau sagen, wer es ist.“ „Dann machen wir das anders.“, sagte Ginalla und aufgrund der nachfolgenden Gedankenbefehle wurde es dem Avatar recht mulmig. Trotzdem verband er seine Pilotin wenig später mit Nuguras Vorzimmer, wie sie es ihm befohlen hatte.

Saron war über das fremde Gesicht auf dem Schirm etwas irritiert, gab sich aber dennoch sehr höflich. „Hier Vorzimmer von Präsidentin Nugura. Sekretär Saron.“, meldete er sich. „Moin.“, flapste ihm die breit grinsende Ginalla entgegen. „Ich heiß’ Ginalla. Kriech’ ich mal die Chefin von dem Laden hier?“

Saron stockte der Atem. So war er noch nicht einmal von der ersten Electorine von Celsius angesprochen worden, obwohl offensichtlich war, dass die Frau, mit der er sich jetzt unterhielt und ihr Staatsoberhaupt vom selben Planeten stammten. „Bedaure.“, stieß er schließlich hervor. „Die Präsidentin befindet sich in einer Konferenz. Sie ist zur Zeit nicht über SITCH erreichbar. Vielleicht können Sie es in ca. drei Stunden noch einmal probieren.“ „Das geht nich’.“, flapste Ginalla zurück. „Wissen S’e, mein Jutster, ich hab’s nämlich eilig. Ich hab’ ’n paar echt heiße Infos, die ich gern loswerden würde, bevor ich mir dran die Finger verbrenne. Also, wo is’ S’e?“ „Ich darf Ihnen das nicht so einfach sagen.“, sagte Saron. „Wie ich sehe, sind Sie Zivilistin und ich darf nicht …“ „Die Leier kenne ich auswendig, Mister!“, wurde Ginalla unwirsch. „Aber Ihre Chefin kennt mich und wird sicher nich’ sehr erbaut darüber sein, dass die gute Ginalla sie nicht besuchen konnte, weil ihr dusseliger Sekretär nichts Besseres zu tun hatte, als sie abzuweisen. Haben S’e schon mal was von Bürgernähe gehört? Ich meine auch im Hinblick auf die nächsten Wahlen, Sie verstehen doch, oder? Ich bin quasi so was wie ihre beste Freundin. Die wäre bestimmt schwer enttäuscht von Ihnen und dann gebe es ein Donnerwetter. Also, es liegt ganz bei Ihnen, wie Sie Ihren Arbeitstag beenden.“ „Also gut.“, sagte Saron. „Sie ist im Plenarsaal. Wenn Sie eine so gute Freundin von meiner Vorgesetzten sind, dann wissen Sie ja sicher, wo das ist.“ „Darauf können S’e gepflegt einen lassen oder auch zwei.“, sagte Ginalla und beendete die Verbindung.

„Ich wusste gar nicht, dass du mit der Präsidentin der Föderation befreundet bist und ich wusste nicht, dass du so gut Leute manipulieren kannst.“, sagte Kamurus. „Dass ich mit Nugura befreundet bin, wusste ich bis eben auch noch nich’.“, flapste Ginalla. „Aber dass Amtsschimmel ungern Ärger mit ihren Vorgesetzten riskieren und schon gar nicht ihren Job, das war mir klar. Ich kann logisch denken und weiß, dass dem guten Saron jeden Tag die Angst im Nacken sitzt, doch noch in den Minen zu landen, nur weil er ein Mann ist. Der wird jeder Art von Ärger aus dem Weg gehen wollen.“ „Pfui, du kannst ja richtig fies sein.“, meinte Kamurus. „Volltreffer.“, flapste Ginalla. „Schließlich habe ich Jahre lang nur so überlebt. Aber mal was anderes. Kannst du mich in den Saal beamen oder nich’?“ „Das kann ich.“, sagte das Schiff. „Aber wir müssen das Ganze aus einer niedrigeren Umlaufbahn heraus tun, damit ich eine klarere Erfassung bekomme. Der Vorgang wird nur eine Sekunde dauern.“ „Dann registrieren die genesianischen Sensoren uns hoffentlich nich’.“, sagte Ginalla. „Also, legen wir los!“

Kamurus schaltete sich auf Sinkflug und beamte Ginalla noch im Vorbeiflug an der Station mitten in den Saal, so dass sie genau neben der völlig verwirrten Präsidentin auf der Bühne landete. Ihr plötzliches Erscheinen hatte einen solchen Tumult unter den Anwesenden ausgelöst, dass die genesianischen Sicherheitsbeamtinnen sehr viel damit zu tun hatten, das Chaos wieder zu ordnen. Diesen Umstand aber hatte Ginalla genutzt, um ihrem Schiff per Sprechgerät zuzuflüstern: „Hack dich in das System hier. Sobald du von mir das Zeichen bekommst, spielst du alles von A bis Z ab.“ „OK.“, gab das Schiff zurück und begann gleich mit der Ausführung ihres Befehls. Die Antwort hätte so oder so niemand mitbekommen, da Ginalla einen Ohrhörer benutzte.

„Wer sind Sie?!“, fragte Nugura irritiert. „Und wie sind Sie an den Sicherheitsvorkehrungen vorbeigekommen?“ „Das wird mein süßes Geheimnis bleiben.“, flapste Ginalla und stellte sich lässig hin. Im gleichen Moment erhielt sie von Kamurus die Information: „Ginalla, ich bin drin.“ Grinsend nahm die junge Celsianerin das zur Kenntnis und witschte an Nugura vorbei zum Mikrofon des Rednerpultes. „Ladies, ich habe Ihnen was zu sagen.“, sagte sie. „Ihr seid alle das Opfer eines verliebten Jungen geworden. Aber das wär’ ja alles nich’ so wild, wenn sich dann nich’ diverse Leute noch eingemischt hätten, die ihr eigenes Süppchen kochen und die Sache ganz fies für sich ausgenutzt haben. Deshalb sitzen wir bis zum Hals in der Tinte, aber keine Angst, die liebe Ginalla und ihre Freunde holen uns da schon wieder raus. Aber was red’ ich mir hier eigentlich den Mund fusselig. Ich finde es viel besser, wenn ich es Ihnen allen zeige. Kamurus, du bist dran!“

Eine gewisse Auserwählte hatte begonnen, bei Ginallas Worten, die ihre Wirkung nicht verfehlt hatten, unruhig auf ihrem Stuhl hin und her zu rutschen. Sie fühlte sich definitiv ertappt, wollte sich dies aber nicht wirklich anmerken lassen. Aber da die Stühle im Plenarsaal fest mit dem Fußboden verbunden waren und in einer bestimmten Richtung zum Monitor standen, auf dem Kamurus jetzt alles erscheinen ließ, war sie jetzt auch noch gezwungen hinzusehen. Noch viel nervöser wurde Agatha allerdings, als Kamurus die Sache mit den Genesianern und unserer Rettung zeigte. „Dieses Schiff hat genau die gleiche Technik benutzt, die ich …“ Sie biss sich auf die Zunge. „Kamurus, Aufzeichnung anhalten!“, befahl Ginalla lässig. „Genau hier. Und gib es uns ganz groß.“

Agatha wünschte sich wohl in diesem Moment nichts sehnlicher, als blind zu sein, damit sie das viel sagende Bild nicht mehr sehen musste. Jenes Bild von der Prätora, die gerade gesehen hatte, wie leicht sie doch aufgrund ihres Glaubens zu manipulieren war und die jetzt einsah, dass es nicht ehrenhaft war, auf ein wehrloses Schiff zu schießen und die aus Angst davor, in der Zwischenwelt statt im Gore zu landen, lieber ihr Schiff umdrehte. Kleinlaut und kurz vor einem Geständnis war Agatha in ihrem Stuhl zusammengesunken.

Nugura war das nicht verborgen geblieben. „Wollen Sie uns etwas erklären, Agatha?!“, fragte sie ihre Kollegin streng, denn jetzt konnte sie sich einiges erklären. Dass Agatha gut darin war, Leute nach ihrem Willen zu manipulieren, wusste sie. Aber jetzt war ihr auch klar, warum sie bei der Abstimmung so eine Schlappe hatte hinnehmen müssen. Sicher hatte Agatha dort auch schon ihr Gift versprüht und die armen Genesianer, die schon genug als Marionetten in diesem Spiel benutzt worden waren, auch damit infiziert, nur um einen eigenen Vorteil zu erlangen. Dass die Situation für Angel One nicht wirklich schlecht war, wie sie jetzt war, sollte allen klar sein. „Ich gestehe in vollem Umfang.“, sagte Agatha blass. Wahrscheinlich hoffte sie, damit eine Milderung ihrer Strafe erwarten zu können. „Ich gestehe, die anderen Mitglieder des Parlaments psychisch manipuliert zu haben, damit sie der Aufbringung der Granger zustimmen, damit Angel One daraus einen Vorteil hat. Ich gestehe auch, die Genesianer mit Hilfe ihres Glaubens zu meinem Werkzeug gemacht zu haben. Aber wir sollten uns doch darüber freuen, wenn jemand so leicht zu manipulieren ist. Oder gefällt Ihnen diese Situation nicht auch? Ist es nicht schön, wenn die Männer …“ „Halten Sie Ihren verdammten Mund!!!“, entfuhr es Nugura entrüstet. „So jemanden wie Sie, Agatha, kann ich in meinem Parlament nicht gebrauchen!!! Sie haben auf das Schändlichste gegen alle moralischen und gesetzlichen Grundlagen verstoßen, auf denen die Föderation sich aufbaut! Die Genesianer mögen unsere Gegner im Krieg sein, aber das gibt uns noch lange nicht das Recht, ihr Ehrgefühl und ihren Glauben mit Füßen zu treten und zu benutzen und zu beschmutzen! Sie sind von Clytus wahrlich genug herumgeschubst worden. Ihm verzeihe ich sogar, weil er ein dummes Kind ist, das noch nicht weiß, was es tut! Aber bei Ihnen, Agatha, sieht es anders aus! Hiermit beantrage ich, Angel One aus der Föderation zu entfernen! Irgendwelche Gegenstimmen?!“ Alle Politikerinnen, die jetzt auch gemerkt hatten, was hier gespielt wurde, schüttelten geschlossen die Köpfe. „Dann soll es so sein.“, sagte Nugura und gab zwei Genesianerinnen von der Sicherheit ein Zeichen. Diese schnappten sich Agatha und setzten sie grob vor die Tür.

Die Präsidentin atmete erleichtert auf und wandte sich Ginalla zu. „Dass ausgerechnet Sie uns noch einmal von so einer Geißel befreien, hätte ich nicht gedacht.“, sagte sie. „Es klingelt also doch bei Ihnen, Präsidentin.“, sagte Ginalla. „Oh, ja, Ginalla.“, sagte die Politikerin. „Ich weiß, wer Sie sind und was für einen Ruf Sie haben. Aber das hat sich ja alles geändert. Die alte Ginalla hätte sich bestimmt Agatha angeschlossen, aber Sie nicht. Ich bin geneigt, Ihnen die Sarek-Medaille für politischen Weitblick zu verleihen.“ „Nu’ bleiben S’e mal auf’m Teppich, Verehrteste.“, flapste Ginalla. „Das war reines Glück. Ich war einfach immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das mit der Medaille lassen wir mal schön.“ „Das bestimme ich ja auch nicht allein.“, sagte Nugura. „Darüber entscheidet ein Komitee. Aber darf ich Sie wenigstens vorschlagen?“ „Na jut.“, gab sich Ginalla geschlagen. „Sonst komme ich ja nie hier weg. Muss nämlich dringend weiter. Wichtige Geschäfte, Sie verstehen?“ Nugura nickte. „Also gut.“, sagte Ginalla und zog ihr Sprechgerät: „Kamurus, eine Person beamen und dann ab nach 281 Alpha!“ „Warten Sie!“, rief Nugura. „Wo kann ich Sie erreichen?“ „Erst mal genau da.“, sagte Ginalla und hob die Hand, was für Kamurus ein sicheres Zeichen für das OK war, den Transporter zu aktivieren. Nugura sah der immer durchsichtiger werdenden Säule noch lange nach.

Auf der Basis 818 hatte man auch Nachrichten gehört und Commander Cinia saß ziemlich bedient vor dem Sprechgerät. „Nicht zu fassen.“, wandte sie sich Agent Indira, ihrer ersten Offizierin, einer Lionin mittleren Alters mit schwarzer Löwenmähne, einem Löwenkopf und vier kräftigen Händen, zu. „Ich bin heilfroh, Indira, dass es uns, Techniker Cenda Nia sei Dank, nicht gelungen ist, die Granger aufzubringen. Hätten wir das getan, dann hätte ich in die Kerbe von dieser angelanischen Teufelin geschlagen. Wie heißt sie noch? Agatha, nicht wahr?“ „Ihre Annahme ist richtig, Commander.“, erwiderte die Lionin mit ihrer kräftigen hohen energischen Stimme mit starkem Akzent. Sie hatte sich schon in ihrer Zeit als Kadettin standhaft geweigert, einen Universalübersetzer zu benutzen und hatte deshalb lieber selbst Englisch, die Amtssprache der Föderation, gelernt. Sie wollte sich nicht zu abhängig von Technologie machen, da sie befürchtet hatte, dass mächtige Feinde diese Abhängigkeit, in die sich viele ihrer Kameraden ihrer Meinung nach begaben, ausnutzen könnten, um der Föderation empfindlichen Schaden zuzufügen. Einer Mächtigen wie Sytania würde es sehr leicht fallen, nur durch ein Fingerschnippen oder ein Augenblinzeln die Naturgesetze außer Kraft zu setzen und schon würde die ganze schöne Technik nicht mehr funktionieren. Mit dieser Ansicht war Indira aber nicht allein. Ihren Akzent war sie zwar nie losgeworden, aber jetzt mussten ihre Gesprächspartner eben damit leben. Er war sogar im Laufe ihrer Dienstzeit zu ihrem Markenzeichen geworden. Niemand konnte das R so charmant rollen wie sie, fanden zumindest einige ihrer Kollegen.

Cinia hatte sich ein platonisches Getränk repliziert, das auch eine gewisse Menge an Alkohol enthielt. „Aber Commander.“, bemerkte Indira. „Doch nicht im Dienst!“ „Tut mir leid, Agent.“, sagte die ältere Platonierin. „Aber auf diese Situation muss ich erst mal einen trinken. Wo war nur mein Instinkt, als ich mich einverstanden erklärt hatte, die Granger aufzubringen. An Times Seite habe ich doch schon so oft gegen die Regierung rebelliert. Aber kaum bin ich allein, falle ich um wie ein nasser Sack!“ Sie war offensichtlich sehr wütend auf sich selbst. Anders ließ sich nicht erklären, warum sie den Inhalt ihres Glases in einem Zug herunterstürzte und selbiges dann mit voller Wucht gegen die Wand warf, dass es zerschellte und die Splitter in alle Richtungen flogen. „Es ist doch nichts geschehen, Commander.“, sagte Indira tröstend. „Von wegen nichts geschehen.“, sagte Cinia. „Clytus macht einen Streich, der 20 Nummern zu groß für ihn ist und diverse Leute haben nichts Besseres zu tun, als sich wie die Aasgeier darauf zu stürzen und für sich den bestmöglichen Vorteil herauszuschlagen. Hätte Cenda nicht … Oh je, dann hätten wir uns auch noch schuldig gemacht.“ „Ich gehe davon aus, dass Cenda nicht im Alleingang gehandelt hat.“, vermutete die ausgebildete Spionageoffizierin. „Ich denke, dass alles genau so geplant war und dass sie gemeinsam mit Time und Yetron geplant haben wird, was zu tun ist, damit wir alle uns nicht noch schuldig machen.“ „Was?“, fragte Cinia irritiert. „Sie meinen, Time hätte …“ „Ja, das meine ich!“, erwiderte Indira energisch. „Sie kennen Time. Sie wissen, dass er niemals zulassen wird, dass …“ „Sie meinen also wirklich, Cenda sollte irgendeinen Plan ausführen, falls Time sterben sollte?“ „Genau das.“, sagte Indira. „Aber zu den genauen Fakten werde ich sie noch vernehmen.“

Sie wandte sich zur Tür, hielt aber urplötzlich in ihren Bewegungen inne und sah ihre platonische Vorgesetzte an. „Was beschäftigt Sie, Agent?“, fragte Cinia. „Ich hatte nur gerade ein Bild im Kopf, das die Situation, in der sich Clytus befindet, meiner Meinung nach sehr gut beschreibt.“ „Was für ein Bild ist das, Agent?“, fragte Cinia und machte ein teilnahmsvolles Gesicht. „Ich habe einen Wolfswelpen gesehen, dem es irgendwie gelungen ist, einen stattlichen Hirsch in die Enge zu treiben und zu töten. Aber jetzt ist er mit dieser viel zu großen Beute total überfordert und das hat dazu geführt, dass sich sämtliche Aasfresser jetzt daran machen, sich die besten Stücke herauszupicken. Die Aasfresser sind Schwärme von Geiern, Raben und anderen Vögeln, gegen die sich der arme kleine Wolf nicht wehren kann, weil sie fliegen können und er nicht. Als ob das nicht genug ist, verachten sie ihn mit ihrem Krächzen und bombardieren ihn noch mit ihrem Kot von oben.“ „Nettes treffendes Bild, Agent.“, lobte Cinia. „Und die Oberkrähe ist wohl Sytania, was? Der Hirsch ist die Zeitlinie und der kleine einsame Wolf ist Clytus. So meinten Sie das doch.“ Indira nickte so leidenschaftlich, dass ihre Löwenmähne einige Male vor und zurück, vor und zurück, vor und zurück federte. „Aber dann will ich Ihnen mal was sagen. Ich werde das Bild jetzt nämlich für Sie weiter zeichnen. Der kleine Wolf wird irgendwann auf ein Rudel treffen, das ihn aufnimmt und ihm zeigt, wie das mit dem Jagen richtig geht.“, meinte Cinia. „Sie meinen uns.“, sagte die Agentin. „Genau.“, gab die Kommandantin zurück. „Ich rede von uns, der Granger, Ginalla und den Tindaranern. Ich bin sicher, eine gewisse Zirell lässt das auch nicht so einfach zu. Ich habe ja schon die wildesten Gerüchte über diese Frau gehört. Ich würde sie gern einmal zu Gesicht bekommen.“ „Das ließe sich sicher einrichten.“, sagte Indira. „Sicher nicht über offizielle Kanäle, aber Cenda hat sicher einen Weg gefunden, Allrounder Betsy zu informieren, was sie mit unserem Schiff gemacht hat, damit wir die Granger eben nicht aufbringen konnten. Der Allrounder und der Techniker verstehen sich zu gut, als dass sie sich gegenseitig im Ungewissen lassen würden.“ „Alles läuft auf Cenda heraus.“, stellte Cinia fest. „Wir sollten wirklich mit ihr reden.“ „Also gut.“, sagte Indira und verließ den Bereitschaftsraum, in dem sie sich mit ihrer Vorgesetzten getroffen hatte.

Cenda war in ihrem Quartier und packte ihre Sachen, als die Sprechanlage sie zwang, ihre Arbeit zunächst zu unterbrechen. Sie legte das Kleidungsstück, das sie gerade in der Hand hatte, unordentlich auf ihr Bett und ging zur Konsole. „Wer ist da?“, fragte sie flapsig, wie es ihre typische celsianische Art war. Dabei klang sie auch etwas genervt. „Hier ist Agent Indira, Techniker.“, sagte eine der Celsianerin sehr wohl bekannte Stimme zur Antwort. „Ich würde Ihnen gern etwas mitteilen. Dazu müsste ich aber Ihr Quartier betreten.“ „Warum so freundlich?“, fragte Cenda. „Wenn Sie mich verhaften wollen, gehen Sie doch normalerweise sicher viel strenger vor.“ „Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie verhaften will?“, fragte die Agentin. „Weil ich mir vorstellen kann, dass Sie längst herausbekommen haben, dass die Niagara sich nicht aus eigenem Antrieb geweigert hat, auf die Granger zu schießen.“, gestand die celsianische Chefingenieurin. „Sie werden längst wissen, dass ich meine Finger im Spiel hatte. Also, warum bringen Sie mich nicht einfach so in die Sicherheitszelle, in die ich gehöre und sorgen dafür, dass ich unehrenhaft aus der Sternenflotte fliege. Ich mein’, mit den Ermittlungsergebnissen werden Sie …“

Indira drückte die Break-Taste, was beide von der Verbindung betroffenen Terminals umschaltete. Jetzt konnte sie senden, obwohl Cenda die Sendetaste noch immer gedrückt hielt. „Seit wann fliegen Heldinnen unehrenhaft aus der Sternenflotte?“, erkundigte sie sich. „So ein Vorgehen des Oberkommandos wäre mir wirklich total neu.“ „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.“, sagte Cenda. „Dann würde ich mich an Ihrer Stelle hereinlassen.“, sagte Indira. „Dann bestünde zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass Ihnen jemand dass alles erklärt.“ „Also gut.“, sagte Cenda und ließ den Computer die Tür entriegeln.

Die Lionin betrat das Quartier der Celsianerin, die ihr bereits auf dem Flur entgegentrat und ihr wie auf einem Tablett ihr Rangabzeichen entgegenstreckte. Indira aber nahm dies nicht zur Kenntnis, was Cenda sehr irritierte, aber sie verblieb in dieser Haltung. „Wenn Sie hier noch länger so stehen, Techniker, werden Sie das bekommen, was man landläufig als Tennisarm bezeichnet.“, scherzte Indira. „Agent, ich wollte Ihnen nur mein Rangabzeichen übergeben.“, sagte die Technikerin. „Dass muss ich doch, wenn ich entlassen …“ „Ich habe Ihnen gerade an der Sprechanlage schon gesagt, Techniker, dass das nicht passieren wird.“, sagte die Agentin. „Aber wir sollten das in Ihrem Wohnzimmer besprechen. Ich glaube, wenn Sie hören, was ich Ihnen zu sagen habe, werden Sie eine Sitzgelegenheit benötigen!“ Damit zerrte sie Cenda vom Flur in das eigene Wohnzimmer und pflanzte sie auf die Couch. Dann setzte sie sich neben sie. „Dass ich gegen Sie keine Chance habe, Verehrteste, ist mir klar.“, sagte Cenda leicht mürrisch. „Schließlich haben Sie vier Hände und ich nur zwei. Reichlich unfair, was?“ „Tut mir leid, wenn ich unfaire Mittel anwenden muss.“, entschuldigte sich Indira. „Aber anders sind Sie ja offensichtlich nicht wachzurütteln. Sie scheinen immer noch in dem Albtraum gefangen zu sein, dass Sie unehrenhaft entlassen werden sollen, aber da kann ich Sie beruhigen. Das wird nicht passieren! Wie gesagt: Seit wann entlässt die Sternenflotte Heldinnen?“ „Wovon reden Sie, zum Teufel?!“, sagte Cenda etwas unwirsch. „Ich rede von der Tatsache, dass Sie uns genau vor diesem gerettet haben, Techniker.“, sagte die Agentin. „Pikanterweise aber lebt dieser Teufel, beziehungsweise diese Teufelin auf einem Planeten, dessen Name im Englischen eigentlich eher die Anwesenheit von Engeln suggerieren sollte.“ „He?“, machte Cenda. „Ich spreche von Angel One und seinem Staatsoberhaupt, Agatha, der Auserwählten.“, erklärte Indira. „Sie hat das Parlament und auch alle anderen inklusive der Genesianer so manipuliert, dass sie ihr willfährig waren. Sie können sich doch auch wohl denken, Cenda, dass Agatha aus der Situation, wie sie jetzt ist, für sich einen Vorteil sieht, den sie nicht mehr missen möchte. Die Granger wäre ihr im Weg, wenn sie die Wahrheit herausfinden würde. Deshalb hat sie das getan, was sie getan hat. Wenn Sie Nachrichten gehört haben, Techniker, dann werden Sie mitbekommen haben, was geschehen ist. Dann werden Sie gesehen haben, dass eine Landsmännin von Ihnen ins Parlament der Föderation eingedrungen ist und Nugura gehörig den Kopf gewaschen hat. Nebenbei hat sie noch Agatha entlarvt, die ein volles Geständnis abgelegt hat, von dem ich in meiner ganzen Laufbahn beim Geheimdienst als vernehmende Agentin nur träumen konnte. Hätten wir die Granger aufgebracht, dann hätten wir sie und uns in ihre Hände gespielt. Aber das darf nicht passieren!“ „Das heißt, Commander Cinia und Sie drehen mir keinen Strick?“, fragte Cenda. „Genau das heißt es.“, sagte Indira. „Und genau darüber wollten der Commander und ich Sie informiert haben. Wir hatten nicht vor, Sie vor den Richter zu ziehen.“

Die Celsianerin ließ erleichtert die Hand mit ihrem Rangabzeichen sinken. „Und ich dachte schon.“, sagte sie. „Also.“, sagte Indira. „Werden Sie mir jetzt zu Commander Cinia folgen, oder nicht?“ „Sicher.“, sagte Cenda. „Aber jetzt, wo Sie mir alles erklärt haben, was soll ich dann noch bei ihr?“ „Commander Cinia und ich dachten, Sie könnten uns vielleicht eine inoffizielle Möglichkeit nennen, mit der Granger oder gar Commander Zirell von den tindaranischen Streitkräften in Kontakt zu treten.“ „Wieso ich?“, tat Cenda unschuldig. „Die ganze inoffizielle Mischpoke ist doch eher Ihr Ding, Frau Geheimdienst.“

Indiras Löwenmaul näherte sich langsam aber bestimmt, trotzdem fast zärtlich, Cendas rechtem Ohr. Ihre Schnurrhaare kitzelten sie dabei am Ohrläppchen. Dann flüsterte die Lionin: „Ich weiß, dass Sie über private Kanäle zu einem gewissen terranischen deutschen Allrounder verfügen. Mit ihrer Hilfe wäre ja bestimmt so einiges möglich, nicht wahr? Ich bin mir sogar sicher, dass Sie diese Kanäle benutzt haben, um sie zu informieren, dass Sie ihr und ihren Leuten geholfen haben. Außerdem kennt sie doch bestimmt auch die Wahrheit über die Schlacht mit den Genesianern. Ich möchte gar nicht wissen, was Sie in Yetrons Auftrag mit dem Replikator gemacht haben, damit er den Frühstückskaffee gewisser Leute vielleicht mit ein wenig Peptidsenker versetzt, hm?“ „OK, Sie haben mich erwischt.“, gab Cenda zu. „Ich mein’, haben Sie im Ernst geglaubt, die oberste Prätora wird plötzlich telepathisch? Time, Yetron und ich wussten, dass hier was nich’ stimmt. Müssen Sie mich eigentlich immer noch mitnehmen? Ich mein’, falls nich’ würde ich gern meine inoffiziellen Kanäle nutzen. Sie verstehen?“ „Ziemlich gut.“, lächelte Indira. „Aber wenn ich es recht bedenke, muss ich Sie auch gar nicht mehr mitnehmen. Ich werde Commander Cinia einen Bericht von unserem Gespräch zukommen lassen. Und Sie lassen den gewissen Allrounder wissen, dass sie nach Möglichkeit versuchen soll, einen Kontakt zwischen uns und Commander Zirell einzufädeln. Wir würden uns nämlich auch gern an der Suche nach einer Lösung beteiligen.“ „Geht klar.“, flapste Cenda und wartete gelassen ab, bis ihre Vorgesetzte ihr Quartier verlassen hatte, um über das Interdimensionsrelais eine SITCH-Mail an mein direktes Rufzeichen zu senden, die unter anderem das Rufzeichen von Cinias Bereitschaftsraum enthielt. Sie dachte sich, dass ich schon wissen würde, was damit anzufangen ist.

Shimar erwachte auf einer sandigen Ebene. Um ihn herum waren Büsche, die er aber kaum optisch wahrnehmen konnte, denn immer, wenn er seinen Kopf drehte, überkam ihn ein unglaublicher Schwindel. Außerdem dröhnte sein Kopf und drohte zu platzen. Jedenfalls fühlte es sich für den jungen Tindaraner so an. Seine Ohren sausten und er konnte keinen Fuß vor den anderen setzen. Seine Fähigkeit zur Koordination und sein Gleichgewichtsorgan mussten ordentlich was abbekommen haben. Dass Shimar beim Transport einen der Weltraumwirbel gestreift hatte, war ihm natürlich nicht bewusst, aber es war zumindest eine denkbare Erklärung. Ihm war speiübel! Irgendwie musste er seinen Kreislauf wieder auf Touren bringen, das wusste er. Aber er konnte noch nicht einmal ans Aufstehen denken, ohne dass der Inhalt seines Magens bereits höflich am Ausgang der Speiseröhre Richtung Mund anklopfte. Aber das wäre so oder so passiert. Deshalb beschloss er, die Zähne zusammenzubeißen und irgendwie zu versuchen, wieder auf die Beine zu kommen.

Er sah sich um und versuchte etwas zu entdecken, woran er sich hätte hochziehen können. Dass ein freihändiger Versuch aufzustehen zwecklos war, konnte er sich angesichts seines Gesundheitszustandes ausrechnen. Aus der Suche wurde allerdings nicht viel, denn im gleichen Augenblick setzte sein Essen den angesprochenen Weg fort. Danach war es Shimar zwar leichter, aber so richtig zufrieden war er nicht. Die weiteren Auswirkungen waren nämlich nicht so schnell weg wie sein Magengrummeln. Trotzdem robbte er zu einem der Stämme der Büsche, nachdem er seine Hinterlassenschaft verscharrt hatte. Dann umfasste er diesen und versuchte, sich daran hochzuziehen, was ihm unter großen Mühen und mit vielen Schwindel bedingten Pausen zwar letztendlich gelang, aber die offensichtlichen Probleme mit seinem Gleichgewichtsorgan zwangen ihn, sich gleich darauf wieder hinzusetzen. „Na schön.“, flüsterte er. „Dann werde ich hier eben lagern, bis es mir wieder besser geht. Vielleicht …“

Sein Blick war auf die Tasche gefallen, die ihm Marak mitgegeben hatte und die er auf dessen Anweisung immer am Arm getragen hatte. Solche Taschen kannte Shimar. Sowohl die Sternenflotte, als auch das tindaranische Militär benutzten sie zum Transportieren mobiler Ausrüstung. Dazu gehörten im Allgemeinen eine Waffe, ein Erfasser, ein Sprechgerät und ein Med-Kit.

Er schnallte die Tasche ab, öffnete sie und sah hinein. Tatsächlich enthielt sie die soeben genannten Gegenstände. Marak musste für alle Fälle vorsorgen gewollt haben.

Beim Betrachten der Displays der Geräte fiel Shimar auf, dass alle auf Englisch als Bediensprache programmiert waren. DA Nugura eine Annäherung der Cobali an die Föderation schon mehrmals versucht hatte, fand Shimar diesen Umstand nicht ungewöhnlich. Dass sie und ihre Computer Tindaranisch konnten, verlangte er ja gar nicht. Mit der Hilfe, wie sie ihm Marak somit zukommen lassen hatte, war er ganz zufrieden. Nur bei der Aktivierung des Sprechgerätes fiel ihm auf, dass es nach dem eigenen Rufzeichen fragte. „Du willst wissen, wer du bist?“, flüsterte Shimar. „Also gut, ich sag’s dir.“ Er tippte sein normales dienstliches Rufzeichen in die Maske und bestätigte es. Auf diese Weise würden tindaranische Truppen oder auch Logars Vendar, zu denen er wollte, ihn wenigstens als Freund erkennen können, wenn sie ihre Schiffssensoren benutzten. Er war froh, dass er diese Ausrüstung jetzt hatte. Was die Genesianer mit seiner Eigenen gemacht hatten, wusste er nicht. Aber wahrscheinlich war, dass sie diese entweder vernichtet oder an Zirell als Warnung zurückgeschickt hatten. Falls seine Entführung wirklich ein Racheakt sein sollte, hielt er dies für wahrscheinlich.

Er legte das Sprechgerät nieder und widmete sich dem Erfasser, den er so einstellte, dass das Interpretationsprogramm ihm sagen konnte, wie krank er wirklich war. Dann richtete er das Gerät auf sich selbst und initiierte den Untersuchungsvorgang. Ein schriller Alarm und leuchtende rote Zahlen im Display verrieten ihm bereits, dass es nicht sonderlich gut um ihn stehen konnte. Die Bestätigung dafür folgte auf dem Fuße und zwar in Form einer weiteren Seite, auf der zu lesen war, dass sein Gleichgewichtsorgan erheblich beschädigt war. Ähnliche Werte las Shimar auch bezüglich einiger anderer Funktionen seines Gehirns ab. Dabei fiel es ihm immer noch sehr schwer, eine Zeile zu fixieren, denn bedingt durch seinen Zustand flirrte und flimmerte alles vor seinen Augen. Er musste sehr langsam, ja fast Buchstabe für Buchstabe, lesen, um überhaupt ein Wort aus dem Puzzle aus Licht und Sternchen herauslesen zu können. Glücklicherweise war das Interpretationsprogramm so voreingestellt, dass es sofort in die entsprechende Anleitung zur ersten Hilfe in diesem Fall umschaltete, dessen erste Anweisung: „Schließen Sie den Erfasser an den Hypor an!“, Shimar gerade noch so ausführen konnte. Dann wurde er aufgefordert, die entsprechende Patrone mit dem richtigen Medikament aus dem Paket zu nehmen und aufzustecken. Der Erfasser würde ihm melden, wenn es die Richtige wäre. Er würde auch die Einstellung des Hypors übernehmen. Danach würde Shimar diesen nur noch in Richtung seiner Halsschlagader halten müssen, denn das sei der kürzeste Weg zum Gehirn. Auch dabei würde ihm der Erfasser verbal assistieren und ihm sagen, ob er das Gefäß getroffen hätte. Wenn dies der Fall wäre, würde er dem Hypor befehlen, das Medikament dort hinein zu beamen.

Erleichtert nahm Shimar bald zur Kenntnis, dass sich dort wohl etwas tat. Das Ohrensausen und der Schwindel ebbten etwas ab. Er wusste, dass es mit einer Behandlung wohl nicht getan sein würde, denn angesichts dessen, was ihm der Erfasser gesagt hatte, stand es ziemlich schlimm. Aber er würde zumindest etwas ausruhen können, was ihm aufgrund des körperlichen Stress, den er gehabt hatte, bisher nicht möglich gewesen war. Die Ohnmacht, aus der er erwacht war, war ja eine ziemlich ungesunde Art von Schlaf gewesen, aber jetzt hoffte er, zumindest heute Nacht ruhig schlafen zu können. Das Gefühl für Tag und Nacht hatte er längst verloren. Aber es war ihm ohnehin egal, wie spät es war. Er wollte nur noch schlafen.

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