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Wir hatten nicht gesehen, wer uns bei dem ganzen Hin und Her als Türöffner benutzt hatte. Clytus war an uns vorbei auf die Granger geschlichen und hatte sich mittels eines selbstgebauten Werkzeugs Zugriff zum Maschinenraum verschafft. Hier saß Jannings zwar gerade an einer Konsole und las einen Netzwerkbericht, war aber ansonsten abgelenkt genug, dass Clytus mit dem Werkzeug zu einer Abdeckung gehen und sie lösen konnte. Darunter kam eine Plasmaleitung zum Vorschein.

Der Junge warf die Abdeckung weg und nahm Anlauf. Das laute Geräusch hatte jetzt aber auch Jannings aufgeschreckt, der Clytus gerade noch an den Schultern packen und an sich ziehen konnte. Dabei umfasste er ihn so, dass er seine Arme an seinen Körper gedrückt hielt. So zerrte er ihn jetzt von der offenen Leitung weg. Das Einzige, das Clytus vor Schreck losgelassen hatte, war das Werkzeug, das in die Leitung gefallen war und dort verdampfte. Na gut., dachte Jannings. Das kann er wenigstens nicht mehr als Waffe gegen mich benutzen.

Clytus hatte erkannt, dass er in seiner jetzigen Gestalt wohl keine Chance gegen den weitaus älteren und stärkeren Jannings haben würde, denn genesianische Jungen waren doch eher schmächtig. Seine Hände konnte er ja eh nicht benutzen, aber seine Füße hatte er ja noch. Auf einem Bein stehend trat er abwechselnd mit dem einen und dem anderen Fuß nach Jannings’ Schienbeinen in der Hoffnung, ihn zu Fall bringen zu können. Aber das war ein hoffnungsloses Unterfangen, weil der im Nahkampf ausgebildete Offizier es immer wieder schaffte, ihm tänzelnd auszuweichen. „Hör mir zu!“, schrie Jannings. „Das hier ist mein verdammter Arbeitsplatz und hier wird sich nicht umgebracht!“ „Aber ich kann so auch nicht leben!“, schrie Clytus zurück. „Nicht mit meiner Schuld und nicht in dieser Gestalt. Es wird keine Lösung für mich geben und …“ „Blödsinn!“, sagte Jannings, der schon ziemlich außer Atem war, denn Clytus hatte sich schwer gemacht. Er hoffte, ihn so dazu zu bringen, ihn doch noch loszulassen. Wenn es so weiter ging, dann würde ihm das auch gelingen, befürchtete Jannings, denn lange konnte er ihn so nicht mehr halten.

Elektra betrat den Maschinenraum. Sie hatte vor, ihren Vorgesetzten abzulösen, wie es der Schichtplan vorsah. Aber die Androidin hatte auch blitzschnell die Situation erfasst. Nur ging sie zunächst mit teilnahmslosem Gesicht an den Kämpfenden vorbei, um sich an eine Konsole zu setzen und einige Eingaben zu machen. Ihr teilnahmsloser Blick war für Androiden normal, da sie ja keine Emotionen besaß. Deshalb fühlte sich Clytus auch sicher. Er ahnte ja nicht, was für ein Programm für Notfälle bereits hinter dem Gehäuse ihrer Stirn ablief.

Gerade wollte Jannings sich Hilfe suchend an sie wenden, als Elektra blitzschnell ihren Phaser zog, ihn auf Betäubung stellte und auf Clytus’ Rücken feuerte. Schlaff hing der Junge in Jannings’ Armen. „Gute Arbeit, Assistant.“, lobte Jannings. „Da haben Sie den Umstand, dass Sie Androidin sind, ja prima ausgenutzt.“ „Das ist korrekt, Sir.“, sagte die künstliche Lebensform nüchtern. „Agent Mikel und den Medizinern habe ich per Mail Bescheid gegeben. Sie müssten jeden Moment hier eintreffen.“ „Wenn ich Sie nicht hätte, Assistant.“, sagte Jannings erleichtert und legte Clytus sanft auf dem Boden ab.

Die Mediziner und Mikel betraten bald darauf den Ort des Geschehens. „Was ist hier passiert, Techniker?“, wendete sich Mikel an Jannings. „Clytus wollte sich umbringen.“, sagte dieser. „Er hat sich hier hereingeschlichen und hat dann eine Abdeckung zu einer Plasmaleitung entfernt. Wenn er sich da rein gestürzt hätte, dann …“ „Ich kann es mir denken.“, sagte der Ermittler. „Aber wie kommt er an ein Werkzeug, um die Türsensoren zum Maschinenraum zu überbrücken? Ich meine, dieser Ort ist für Zivilisten an sich nicht zugänglich. Waren Sie nachlässig mit Ihrem Werkzeug, Mr. Jannings?“ „Nein, Sir.“, sagte der Chefingenieur. „Aber er muss sich selbst eines gebaut haben. Nur hat er es bei unserem Kampf verloren. Es ist da rein gefallen.“ Jannings zeigte auf den offenen Schacht. Aber gleich darauf entschuldigte er sich: „Entschuldigung, Agent. Ich meinte, es sei in den Schacht gefallen. Wenn ich auf irgendwas zeige, hilft Ihnen das ja nicht.“ „Schwamm drüber, Mr. Jannings.“, sagte Mikel. „Aber wenn es so ist, wie Sie gesagt haben, dann wird es Rückstände geben. Wo ist der Ort genau?“

Jannings warf Elektra einen Blick zu, der sie sofort zu einem Spind eilen und eine Art Kletterausrüstung herausholen ließ, die sie Mikel anlegte. Dann führte sie ihn, ihn am Seil sichernd, auf die offene Leitung zu. Mikel war so etwas schon gewohnt. Wenn er in dem gefährlichen Labyrinth aus Stegen und Leitungstunneln im Maschinenraum ermitteln musste, hatten sie es immer so gehandhabt. „Bücken Sie sich jetzt bitte herunter, Agent.“, sagte Elektra. „Genau vor Ihnen liegt die Abdeckung.“ Sie spannte das Seil leicht, um Mikel ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. „Alles klar, Technical Assistant.“, sagte dieser und zog seinen Erfasser, um die Abdeckung zu scannen. Das Hilfsmittelprogramm verriet ihm tatsächlich, dass sie unsachgemäß entfernt worden war. „Führen Sie mich jetzt bitte zu der Leitung, Elektra.“, sagte er. Sie erwiderte: „Ja, Sir.“, und half ihm, sich sicher umzudrehen. Dann standen beide vor der offenen Plasmaleitung. Auch diese, die Jannings inzwischen für den Durchfluss gesperrt hatte, damit wichtige Spuren nicht verloren gingen, scannte Mikel. „Es sieht tatsächlich so aus, als wäre da Materie, die dort nicht hingehört.“, sagte er. „Die Rückstände lassen zumindest darauf schließen. Ich werde Clytus vernehmen müssen.“

Loridana und ihr Assistent hatten Clytus untersucht. „Wir werden ihn zunächst auf die Krankenstation der Basis bringen.“, sagte Loridana. „Das ist mir sicherer. Da ist er zumindest ständig unter Aufsicht und kann so einen Unsinn nicht noch einmal versuchen. IDUSA würde es merken und die Tindaraner sicher auch. Deshalb hat er es wohl auch nicht auf der Basis, sondern hier versucht, obwohl die Basis viel näher gewesen wäre.“ „Davon gehe ich auch aus.“, pflichtete ihr Learosh bei.

Mikel war hinzugekommen. „Wann werde ich mit ihm reden können, Loridana?“, fragte der Agent. „Das wird wohl noch etwas dauern.“, gab die Ärztin zurück. „Außerdem müssen Sie sich dann an meinen Kollegen Ishan wenden, Sir. Es ist mir sicherer, wenn er auf der Basis behandelt wird.“ „OK.“, sagte Mikel. „Ich bin hier auch erst mal fertig. Sie können die Leitung wieder freigeben, Mr. Jannings. Ich muss Clytus’ Tante noch verständigen.“ „In Ordnung, Sir.“, erwiderte Jannings.

Elektra befreite Mikel von dem Klettergurt. „Ich werde dann gehen.“, sagte der Agent. „Ich hoffe nur, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“ „Das hoffen wir wohl alle.“, sagte Loridana, die ihren Patienten gemeinsam mit Learosh auf eine mitgebrachte Trage legte und sich dann von IDUSA per Transporter auf die Krankenstation der Basis bringen ließ.

Mikel hatte das Schiff zu Fuß wieder verlassen. Dass er jetzt mehr Zeit brauchte als die Mediziner war ihm sehr lieb. So konnte er sich auf dem Weg überlegen, wie er Tolea beibrachte, was gerade passiert war.

Bald stand der Spionageoffizier vor Gästequartier eins. Aber der Weg war ihm viel zu kurz vorgekommen. Mit klopfendem Herzen betätigte er die Sprechanlage. „Wer ist dort?“, fragte eine noch nichts ahnende Tolea. „Tolea, hier spricht Agent Mikel.“, sagte er. „Ich muss Ihnen etwas mitteilen. Bitte lassen Sie mich ein.“ „Augenblick.“, sagte sie und entriegelte die Tür.

Mikel schritt langsam in den Flur, wo die Mächtige ihn bereits erwartete. „Was gibt es denn, Agent?“, fragte sie. „Sie schauen ja so ernst.“ „Um ehrlich zu sein, möchte ich das lieber sagen, wenn wir beide sitzen, Tolea.“, sagte Mikel. „Also gut.“, erwiderte Tolea und führte ihn ins Wohnzimmer. Dort setzte man sich gemeinsam auf das Sofa. „Was ist denn nun so schlimm, Agent.“, fragte Tolea. „Ihr Neffe.“, begann Mikel. „Er hat versucht, sich das Leben zu nehmen.“ „Oh, das ist mir bekannt.“, sagte Tolea ruhig. „Ich verstehe nicht.“, bat Mikel um eine Erklärung. „Ich weiß, dass Clytus so nicht mehr leben will.“, sagte Tolea. „Ich habe alles gesehen. Der Grund, aus dem ich nicht eingegriffen habe ist, dass Clytus begreifen soll, dass es auch auf sterblichem Wege eine Lösung für ihn geben wird. Er soll lernen, dass es nicht schlimm ist, sterblich zu sein. Das ist ja auch nicht der primäre Grund für seinen Suizid, sondern seine Schuld an euch Sterblichen. Aber er soll lernen, dass ihr ihm vergebt und dass er in euch sogar Freunde hat, die ihn auffangen und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb habe ich es dem guten Jannings überlassen, der seine Sache nebenbei bemerkt sehr gut gemacht hat.“ „Aha.“, sagte Mikel. „Sie haben also keine Hoffnung mehr, Sytanias Bann zu besiegen?“ „Das habe ich nicht gesagt, Agent.“, sagte die Mächtige. „Ich habe nur gesagt, dass wir alles tun müssen, um Clytus deutlich zu machen, dass es sich auch in seiner momentanen Situation lohnt zu leben. Das müssten Sie doch am besten wissen. Schließlich haben Sie und der Allrounder so auch meinem Bruder geholfen, der in einer ähnlichen Situation war.“ „Aber er stand nicht unter Sytanias Bann.“, sagte Mikel. „Sein Problem war leichter zu lösen.“ „Deshalb sprach ich von einer ähnlichen Situation, Agent.“, sagte die Mächtige.

Die Sprechanlage beendete ihre Unterhaltung. „Ich gehe schon.“, sagte Tolea und machte sich auf den Weg zur Konsole. „Hier Tolea.“, nahm sie das Gespräch entgegen. „Hier ist Ishan.“, meldete sich eine nüchterne Stimme. „Ich wollte Ihnen und dem Agent nur mitteilen, dass Ihr Neffe aufgewacht ist. Commander Zirell und Commander Kissara werden auch hier sein.“ „Wir kommen.“, sagte Tolea und hängte das Mikrofon ein.

Sie kehrte zu Mikel zurück, der sie erwartungsvoll ansah. „Clytus ist wach, Agent.“, lächelte sie ihm zu. „Ishan sagt, es wäre gut, wenn wir ihn jetzt besuchen würden. Ihr Commander und Commander Zirell werden auch zugegen sein.“ „Also gut.“, sagte Mikel. „Dann kann ich ihn ja auch gleich vernehmen, obwohl Sie mir ja sein Motiv schon genannt haben. Aber ein guter Kriminalist gibt nichts auf Hörensagen.“ „Ganz recht.“, sagte Tolea und nahm Mikel bei der Hand. „Ich werde Sie führen, wenn Sie nichts dagegen haben.“, sagte sie. Mikel nickte und sie gingen los.

Auf der Krankenstation standen Zirell und Kissara bereits an Clytus’ Krankenbett. Der Junge war überrascht, in ihre Gesichter zu blicken. Außerdem war Nidell in seiner Nähe, die ständig einen der medizinischen Monitore im Blick hatte. „Wo bin ich?“, fragte Clytus. „Du bist auf der Krankenstation von Commander Zirells Basis.“, erklärte Kissara. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“ „Es tut mir leid.“, sagte Clytus. „Aber ich kann meine Schuld nie wieder sühnen. Dann ist es doch wohl besser, wenn ich mich töte. Ich habe so viel Krieg und Tod über die Dimensionen gebracht, dass …“ „Na, das mit dem Krieg und dem Tod haben wir wohl eher Leuten wie Sytania und Agatha zu verdanken.“, sagte Zirell. „Außerdem, was habe ich dir denn gesagt zum Thema Lösungen?“ „Aber was wollt ihr denn tun?“, fragte der Teenager verzweifelt. „Ich weiß es nicht.“, sagte Zirell, verbesserte sich aber sofort: „Ich weiß es noch nicht. Aber ich werde gleich eine Konferenz einberufen. Sicher fällt einem der anderen etwas ein.“

Mikel und Tolea betraten die Krankenstation. „Clytus.“, seufzte die Mächtige beim Anblick ihres dort geschwächt auf dem Bett liegenden Neffen. „Was machst du denn für Sachen?“ „Sorry, Tante Tolea.“, sagte Clytus. „Aber ich habe einfach keinen Ausweg mehr gesehen. Agent, Sie müssen nicht mehr ermitteln. Ich gestehe in vollem Umfang, dass ich mich töten wollte.“ „Das ist mir schon längst klar, Clytus.“, sagte Mikel. „Aber das ist sicher völlig unnötig. Wir werden bestimmt eine Lösung für dich finden.“ „Und damit sollten wir am besten gleich anfangen!“, sagte Kissara forsch. „Zirell, sagtest du nicht, du wolltest eine Konferenz einberufen?“ „Ja.“, sagte die Tindaranerin. „Wir sollten uns besser gleich alle im Konferenzraum hier auf der Station treffen.“ „Ich würde gern freiwillig hier bleiben und auf Clytus achten.“, sagte Nidell. „Also gut.“, erklärte sich Zirell einverstanden. „Aber wir sollten auch Ginalla hinzu bitten.“, sagte Mikel. „Immerhin haben wir ihr versprochen, dass sie sich beteiligen darf.“ „In Ordnung.“, sagte Zirell. „IDUSA wird ihr Bescheid geben.“ Dann machten sich alle zum Konferenzraum auf den Weg.

Dort angekommen setzten wir uns alle auf die typischen tindaranischen Sitzmöbel. Zirell stellte sich gemeinsam mit Kissara in die Mitte des Raumes. Von hier aus hatte sie alle gut im Blick und alle konnten sie gut sehen. Auch Ginalla war zugegen und ließ Kamurus per Sprechgerät an unserem Gespräch teilhaben.

„Es ist etwas geschehen, Ladies und Gentlemen, über das wir dringend alle sprechen müssen.“, begann Kissara, der Zirell das Wort erteilt hatte. „Wie einige von Ihnen sicher wissen, hat Clytus versucht, sich heute das Leben zu nehmen. Wenn Mr. Jannings nicht so geistesgegenwärtig eingegriffen hätte, dann wäre er heute nicht mehr am Leben. Das hat allerdings nichts damit zu tun, dass es eine Schmach für ihn darstellt, als Sterblicher leben zu müssen, sondern ist vielmehr das Resultat der großen Schuld, die er auf sich geladen hat, was ihm sehr wohl bekannt ist. Er möchte sehr gern alles wieder gut machen, aber dazu ist es notwendig, ihn zurückzuverwandeln. Aber wie Sie wissen, können dies nur Sytania und Tolea gemeinsam zuwege bringen. Sytania ist aber mit der Situation, wie sie jetzt ist, sehr einverstanden und wird einen Teufel tun, Clytus auf Toleas Bitten hin aus seiner momentanen Gestalt zu erlösen. Wir werden eine andere Möglichkeit finden müssen.“ Sie sah mich an: „Und sei sie noch so schräg.“ „Je schräger, desto besser, Kissara El Thundara, was?“, lachte Joran. „Genau.“, sagte Kissara. „Ich hoffe, dass Sytania dann nicht drauf kommt.“

Es wurde still im Raum. So still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Wahrscheinlich warteten alle darauf, dass ich etwas sagen würde. Die Einzige, die ein erleichtertes Gesicht machte, war Jenna, die wohl hoffte, dass der Kelch dieses Mal an ihr vorübergehen würde. Zum ersten Mal in ihrem Leben hätte sie nämlich zugeben müssen, ein Problem nicht lösen zu können. Für sie wäre dies zuzugeben eigentlich kein Problem gewesen, denn ihr Ego war stark genug, um das auszuhalten. Aber alle, die Erwartungen in sie gesetzt hatten, wären sicher schwer enttäuscht gewesen. Aber Moment mal! Sytania! Die würde es keineswegs aushalten, wenn ein anderer behauptete, etwas zerstören zu können, das sie geschaffen hatte, oder wenn derjenige auch nur ansatzweise die gleiche Macht hätte wie sie, zumindest das behaupten würde. Wir würden nur ein künstliches Neuralmuster brauchen, das ihrem so ähnlich sei, dass wir glaubten, dass es ihres perfekt nachahmen könnte. Aber wir würden mit Absicht eine kleine Abweichung einbauen, damit sie sich dächte, dass wir Stümper ja mit so etwas gar nicht umgehen könnten. Dann würde sie uns ihre Macht demonstrieren wollen und selbst den entsprechenden Gedankenbefehl geben nach dem Motto: „Seht ihr? Nur ich kann es!“ Aber damit hätten wir genau das erreicht, was wir erreichen wollten. Die Cobali müssten uns da eigentlich helfen können. Schließlich besaßen sie Technologie, mit der man biosynthetische Neuralfelder in tote Gehirne pflanzen konnte. Wenn wir ihnen Daten zur Verfügung stellen würden, wie Sytanias Hirnwellenmuster aussieht, dann dürfte das gehen. Ja! So müsste ein Schuh draus werden!

Ich stand auf, trat neben die beiden Kommandantinnen hin und sagte: „Wir könnten Sytania bei ihrem Ego packen.“ Alle lauschten gespannt. Ich hatte förmlich das Gefühl, dass sie an meinen Lippen hingen. „Interessanter Ansatz, Allrounder.“, lobte Kissara. „Darf ich wissen, wie Sie das genau bewerkstelligen wollen?“ „Sicher.“, sagte ich und räusperte mich. Dann referierte ich: „Sytania ist extrem eitel, wie Sie alle wissen. Sie mag es nicht, wenn jemand behauptet, die gleiche Macht wie sie zu besitzen. Wie wäre es, wenn wir ein künstliches Neuralmuster etablieren, das ihrem fast bis aufs I-Tüpfelchen gleicht? Das wird sie auf den Plan rufen und sie wird uns ihre Macht demonstrieren wollen. So werden wir sie dazu bekommen, dass sie Clytus doch noch zurückverwandelt. Die genauen Frequenzen könnten durch einen Abdruck von Tolea, wenn sie den Gedankenbefehl gibt und den Umrechnungsfaktor zu Sytanias Frequenzen ermittelt werden. Aber wie gesagt, wir bauen absichtlich einen kleinen Fehler ein.“ „Und wo willst du Technologie finden, die so ein exaktes Muster herstellen kann, Betsy?“, fragte Zirell. „Wir könnten die Cobali fragen.“, sagte ich, die ich durch meine Träume von Shimar immer auf dem Laufenden war. „Ich meine, immerhin können die biosynthetische Neuralmuster produzieren, die von sämtlichem Hirngewebe akzeptiert werden. Also müssten sie doch auch …“

Jetzt geschah etwas, das uns alle in großes Erstaunen versetzte. Kissara begann plötzlich, leise zu schnurren. Dann wuchs sich das Schnurren zu einem Brausen aus, das in ein Gurren überging. Gleichzeitig krabbelte ihr seidiger Katzenschwanz aus der rückwärtigen Tasche ihrer Uniformhose ans Tageslicht und seine Spitze wippte aufgeregt durch die Luft, während der Rest von ihm gerade aufgerichtet war. „Großartig!!!“, schnurrte sie. „Schräg, aber großartig!“ „Na ja.“, sagte ich bescheiden. „Ich habe gedacht, Energie ist Energie, ist Energie, ist Energie. Deshalb dachte ich …“ „Und Energie hat Frequenzen.“, sagte Kissara. „Und damit kennen Sie sich ja wohl am besten aus, meine Liebe.“ Ich nickte.

Alle anderen, die sich das Schauspiel mit angesehen hatten, machten verdutzte Gesichter und zeigten immer wieder auf Kissaras Hinterseite. Alle außer Ginalla, die jetzt aufstand und sagte: „Oh, Mann! Ihr alle seid verdammt heiße Anwärter auf das dümmste Gesicht der Sternenflotte oder der tindaranischen Streitkräfte. Ich wünschte, ihr könntet eure Glotzaugen sehen! Aber in ihrer Spezies ist das wohl ’n stinknormaler Vorgang. Ich dachte, das wüsstet ihr, wo ihr doch immer wieder behauptet, euch so gut in andere Kulturen reinversetzen zu können. Sorry, dass ich so ehrlich bin, aber ich bin Zivilistin, ich darf das. Würde manch anderer hier in diesem Raum das gesagt haben, hätte er oder sie jetzt sicher einen freien Platz auf der Anklagebank des Kriegsgerichtes gewonnen. Aber mir könnt ihr da nix! Ätsch!“ Sie drehte allen eine lange Nase. „Eigentlich hat Ginalla Recht.“, sagte Maron. „Sie hat es zwar etwas uncharmant formuliert, aber das ist ein Umstand, den wir ihr wohl nachsehen müssen, weil sie Celsianerin ist. Aber jede Spezies hat nun einmal ihre eigene Art, ihre Freude zu zeigen. Kissara hat ja nichts getan, was ungehörig wäre.“ „Da stimme ich dir zu, Agent Maron.“, sagte Joran, den alle entsprechend ansahen. „Und ich stimme auch Allrounder Betsy zu. Meine ehemalige Gebieterin ist sehr eitel. Sie wird uns auf jeden Fall auf den Leim gehen, denke ich! Ihr Plan hat eine gute Chance zu funktionieren. Ich denke, das wollten doch alle von mir wissen.“ Zirell und Kissara nickten.

„Allrounder, Sie können uns doch bestimmt die einschlägigen Frequenzen der Cobali nennen, oder?“, fragte Kissara. „Sicher, Commander.“, sagte ich. „Gut.“, sagte sie. „Dann kommen Sie bitte in einer halben Stunde in Commander Zirells Bereitschaftsraum. Sie und ich werden gemeinsam eine Art Notruf aufzeichnen, den IDUSA in regelmäßigen Abständen an die Cobali senden soll. Damit dürften wir das richtige Schiff eigentlich finden können. Falls Sie noch etwas an unserer Ausdrucksweise zu bemängeln haben, können wir das ja dann gemeinsam ändern.“ „In Ordnung.“, sagte ich. „Dann können wir diese Besprechung ja auflösen.“, sagte Zirell. „Und ich habe eine frohe Botschaft für Clytus. Es wird bald eine Lösung für ihn geben.“ „Freu dich bitte nicht zu früh.“, sagte Kissara vorsichtig. „Wir wissen ja noch gar nicht, ob die Cobali mitmachen, geschweige denn, ob wir sie überhaupt finden.“ „Oh, ich bin da guter Hoffnung.“, sagte Zirell. „Ich werde es ihm am besten gleich sagen.“ Sie gab allen ein Zeichen, und man erhob sich, um gemeinsam den Raum zu verlassen.

Der Notruf war schnell formuliert und ich hatte lediglich angemerkt, dass man am besten vermied, dass Unbefugte etwas mitbekamen, wenn man nur alle Rufzeichen mit der Kennung: „.Cob“, ansprechen würde. Dies hatte Zirell IDUSA auch programmiert und so hörten auch Aglaia und Marak bald den SITCH von Basis 281 Alpha. „Ich bin Commander Zirell, Commander der tindaranischen Streitkräfte.“, stellte sich selbige vor. „Und ich bin Commander Kissara, Kommandantin der USS Granger von der Sternenflotte.“, tat Kissara es ihr gleich. Dann fuhr Zirell fort: „Wir sind auf der Suche nach einem eurer Schiffe, das vor Kurzem einem meiner Leute begegnet sein muss. Sein Name ist Shimar. Wenn ihr ihm begegnet seid, wird er euch sicher über einiges aufgeklärt haben. Bitte kommt doch zu uns und unterstützt uns bei dem Versuch, die Geschichte zu korrigieren. Clytus, der Urheber des Ganzen war, bereut sehr, was er getan hat und möchte, dass wir ihm helfen. Aber alles Weitere würde ich gern nicht am SITCH besprechen. Interdimensionale Koordinaten folgen.“ „Das wird bereits seit 20 Minuten ununterbrochen gesendet.“, erklärte Aglaia ihrem Mann, der zu dieser Zeit die Schicht im Cockpit übernommen und sie abgelöst hatte. „Shimar hat den Namen seines Commanders nie erwähnt.“, überlegte Marak. „Aber ich kann mir denken, dass es wahr ist, was diese Frauen sagen. Ich meine, die Geschichte ist ja wirklich arg durcheinander und ich habe von Anfang an nicht wirklich an die Rückkehr der genesianischen Göttin geglaubt. Ich hatte mir schon gedacht, dass ein Mächtiger im Spiel sein könnte.“ „Aber was könnte es für ein Geheimnis geben, bei dem diese Commander Zirell unsere Hilfe benötigt?“, fragte Aglaia. „Ich meine, du bist Arzt und ich nur eine einfache Frau aus dem Volk, die noch nicht einmal viel gelernt hat. Ich kann vielleicht ein Shuttle fliegen, aber das ist schon alles. Ich eigne mich sicher nicht als Geheimnisträgerin.“ „Trotzdem sollten wir ihnen helfen!“, sagte Marak fest. „Immerhin schulden wir Shimar etwas. Er hat uns zu unserem Kind geführt. Wenn wir unsere Schuld schon nicht bei ihm zurückzahlen können, dann sollten wir es zumindest bei seinem Commander versuchen. Auch, wenn unsere Rettungskapsel keinen hat, so verfügt doch unser Schiff über einen interdimensionalen Antrieb, den du besser gleich benutzen solltest. Je eher wir da sind, um ihr zu helfen, desto besser für uns alle.“ „Und was ist, wenn das eine Falle ist?“, fragte Aglaia. „Ich meine, immerhin hat Shimar uns berichtet, dass er auch Sytania als Gegnerin …“ „Davon gehe ich nicht aus.“, sagte Marak. „Diese Mühe würde sich diese Sytania nicht machen. Shimar hat sie als sehr ungeduldig beschrieben. Sie würde uns nicht in so eine Art von Falle locken, bei der noch die Möglichkeit bestünde, dass wir gar nicht darauf hereinfallen.“ „Also gut.“, sagte Aglaia und aktivierte den interdimensionalen Antrieb.

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