- Schriftgröße +

 

Von jenen schicksalhaften Wendungen ahnten Tchey und ich nichts. Wie abgesprochen hatte ich mich mit Lycira auf den Weg zu dem Treffpunkt über dem Strand gemacht. Hier drehten wir jetzt in einer Umlaufbahn um einen emmaginären Fixpunkt Warteschleifen und warteten auf Tchey. Mikel findet mich knautschig., fragte mich Lycira. Was meint er damit? „Er mag dich.“, erklärte ich, die ich meine Gedanken auch oft laut aussprach, wenn ich mit ihr kommunizierte. Das war eine Angewohnheit, die ich wohl nie ablegen würde. Wahrscheinlich hing dies damit zusammen, dass wir Sternenflottenoffiziere an sich mit Schiffscomputern nur über das Mikrofon kommunizierten. Ob ich nun einen Neurokoppler benutzte oder nicht, war da egal. Mit IDUSA hatte ich es nicht viel anders gemacht. Lycira schien dafür Verständnis zu haben.

Ich sehe ein Shuttle mit zeitländischem Transpondersignal., gab mir Lycira wenig später zu verstehen. „Ruf es!“, befahl ich in Gedanken und verbal, da ich mir denken konnte, wer in diesem Shuttle saß. Du kannst sprechen., machte mir Lycira klar, dass die Verbindung stand. „Hi, Tchey!“, lächelte ich. „Hi, Betsy.“, gab sie zurück. „Woher weißt du, dass ich es bin?“ „Blöde Frage.“, erwiderte ich. „Wer sonst sollte sich mir denn wohl jetzt mit einem zivilen zeitländischen Shuttle nähern?“ „Na ja.“, meinte Tchey. „Vielleicht sind ja auch ein paar Zeittländer neugierig auf deinen gestreiften Kürbis. Oh, sorry, Lycia.“ „Sie heißt Lycira.“, verbesserte ich. „Und den gestreiften Kürbis würde ich an deiner Stelle zurücknehmen. Sie hat nämlich Waffen.“ „Oh, entschuldige bitte vielmals, Lycira.“, sagte Tchey. „Ich kann jetzt bloß keinen Kniefall machen, weil ich sonst die Steuerkontrolle über mein Schiff verliere. Die Zeitländer haben mir ein ziemlich altes Modell gegeben. Sie hat noch nicht mal einen interdimensionalen Antrieb. Aber Warp zehn kann sie zumindest. Dabei steht in meiner Fluglizenz eindeutig, dass ich mit so was umgehen kann. Gott, wie gründlich lesen diese Zeitländer eigentlich Lizenzen?“ „Hör mal, Tchey.“, sagte ich deutlich und langsam. „Wenn du wirklich eine so gute Fliegerin bist wie du behauptest, dann kannst du doch sicher auch Interdimensionsflug auf die Klassische. Ich meine, man geht auf exakt Warp 9,99 und ändert dann, wenn das Schiff quasi überall und nirgendwo ist, einfach den Kurs in eine Richtung. Im Prinzip macht ein Interdimensionsfeld nichts Anderes. Nur das kann es schneller und du programmierst die dimensionären Koordinaten vorher.“ „OK.“, sagte Tchey mürrisch. „Aber Lycira und du solltet vor fliegen, damit ihr mir ein Signal hinterlassen könnt. Ich habe das lange nicht mehr gemacht und befürchte, dass ich in der falschen Dimension landen könnte.“ „Na gut.“, sagte ich zu ihr. „Wenn du dir in die Hose machst.“ Und zu Lycira: „Komm, Lycira. Zeigen wir ihr, wo es lang geht.“

Dass dieses Manöver Tchey solches Kopfzerbrechen bereitete, wunderte mich sehr. Aber auf der anderen Seite konnte ich mir auch denken, dass sie durch den interdimensionalen Antrieb der Present in ihrer Zeit auf der Scientiffica sehr verwöhnt worden war. Ich hatte ihr dabei einiges voraus! Die Granger hatte bis vor kurzem keinen Interdimensionsantrieb. Also hatte ich noch Übung darin, auf die klassische Art eine Dimension zu wechseln. Soll ich meinen Interdimensionsantrieb benutzen, Betsy?, fragte Lycira. „Nein.“, gab ich zurück. „Als ich sagte, wir würden ihr zeigen, wo es lang geht, meinte ich das durchaus wörtlich.“ Wie du meinst., erwiderte Lyciras schmeichelnde telepathische Stimme. Dann beschleunigte sie auf Warp 9,99 und ich setzte jenen Kurs per Gedankenbefehl, den man uns allen bereits auf der Akademie auswendig lernen lassen hatte.

„Verbinde mich mit Tchey!“, befahl ich meinem Schiff nach der Ankunft. Lycira tat dies und ich bemerkte, dass sie dazu aber nicht den interdimensionalen Weg gegangen war. Das musste bedeuten, Tchey musste sich ebenfalls schon in unserem Universum befinden. „Danke für deine Rücksichtnahme.“, lächelte sie mir zu. „Kein Problem.“, gab ich zurück. „Aber jetzt verrate mir doch bitte mal, seit wann Tchey Neran Angst vor Flugmanövern hat. Wo ist denn deine Abenteuerlust, he?“ „Hör mal.“, gab Tchey zurück. „Ich mag Tom Paris manchmal nacheifern, aber in einem sind wir Grund verschieden. Er hat Dinge getan, obwohl er die Konsequenzen nicht bedacht hat. Zumindest manchmal. Edwins konnte sich deshalb so auf mich verlassen, weil ich meine Kenntnisse und somit auch das Risiko immer gut einschätzen konnte und jetzt genau wusste, dass auch ich mal Hilfe brauchen würde bei einer Sache, die ich lange nicht gemacht habe. Die Scientiffica ist lange her und wann fliegt man mit dem Rettungsshuttle schon mal in eine andere Dimension und wenn ja, dann hat selbst dieses heute schon einen Interdimensionsantrieb. Aber du hast Recht. Ich sollte, für den Fall, dass der mal ausfällt, vielleicht einen Kurs belegen. Sekunde!“ Ihr war etwas aufgefallen. „Warum rechtfertige ich mich eigentlich. Dein Spott war doch sicher nur die Retourkutsche für den gestreiften Kürbis. Oder?“ „Genau.“, sagte ich. „Uff.“, machte Tchey. „Und ich dachte schon. Das mit dem Kurs meinte ich übrigens ernst. Willst du meine Kursleiterin sein?“ „Na, ich glaube, das machst du lieber in einer amtlichen Flugschule.“, antwortete ich. „Dann hat auch alles seine Richtigkeit für die Behörden.“ „Also gut, Miss Vorschrift.“, lachte Tchey. Oh, Gott., dachte ich. Ich verhalte mich ja wirklich wie Harry Kim. Wer ist Harry Kim?, wollte Lycira wissen. Und sag Tchey bitte, ich nehme ihr den gestreiften Kürbis nicht übel. Ich finde es eher süß, dass sie mich so bezeichnet hat. Nur wenn schon, dann möchte ich bitte als gestreifter Rennkürbis bezeichnet werden. So viel Zeit muss sein.

Ich bekam einen fürchterlichen Lachkrampf. Mit Lyciras Reaktion hatte ich nicht gerechnet. „Was ist los bei dir da drüben?“, sagte Tchey. „Nichts.“, lachte ich. „Ni-hi-hi-hi-chts.“ Ich räusperte mich. „Also, wo ist nun die coole Stelle, von der du geredet hast.“ „Kooomm, Miez-Miez-Miez!“, machte Tchey und düste mit ihrem Shuttle voran. Lycira und ich zockelten gemütlich hinterher, obwohl wir sie bei Warp drei leicht hätten überholen können. Aber sie musste ja Zeit haben, oder es war Absicht, um das Beste noch weiter herauszuzögern, damit es noch besser würde.

Sedrin, Cupernica und Novus hatten das inzwischen wieder auf dem Raumflughafen in Washington gelandete Shuttle verlassen und waren auf dem Weg zum Parkplatz. Hier stand der Jeep genau so, wie sie ihn nach der Anfahrt verlassen hatten. „Offensichtlich sind wir auch in dieser Version der Geschichte hier her gefahren und haben Ihren Sohn abgeholt, Scientist.“, bemerkte die demetanische Agentin. „Bestätigt.“, antwortete die androide Medizinerin, während sie alles noch einmal überprüfte. Cupernica war der Meinung, dass man nie vorsichtig genug sein konnte. Wer wusste schon, was die Zeitlinie mit dem Jeep oder der umgebenden Situation angestellt hatte?

Sie verstauten die Koffer und dann ging es los. Novus zählte die am Fenster vorbeigehenden Personen und sortierte sie in seinem positronischen Gehirn nach Männern und Frauen. „Offensichtlich sind um diese Zeit mehr Frauen als Männer auf der Straße.“, stellte der Androidenjunge fest, ohne genauer auf Zahlen einzugehen. Er konnte sich denken, dass diese sein Gegenüber doch eher langweilen würden. Seine Mutter würde nichts dagegen haben, aber er wollte vor allem Rücksicht auf Sedrin nehmen. „Welchen Schluss ziehst du aus deiner Feststellung, Novus?“, fragte Cupernica. „Ich ziehe den Schluss, dass vielleicht die Genesianer das Gebiet der Föderation erobert haben könnten.“, schlussfolgerte Novus. „Zumal ich, wenn ich Männer sehe, bemerke, dass sie mindestens zehn Schritte hinter den Frauen gehen, mit denen sie unterwegs sind. Außerdem tragen sie alle ein breites ledernes Band mit Clansymbolen und einem Schloss um den Hals und sie sprechen nicht. Die einzigen Lippenbewegungen, die ich wahrnehme, sind die der Frauen.“ „Das würde auch zu den Transponderwerten passen.“, mischte sich Sedrin in das Gespräch der Androiden. „Dann würde ich Commander Huxley schnell nach genesianischem Ritus heiraten, wenn ich Sie wäre, Agent.“, schlug Cupernica vor. „Wer weiß, ob ich das überhaupt noch muss.“, entgegnete die Demetanerin. „Wer weiß, was die Zeitlinie mit der Ehe von Jaden und mir gemacht hat. Immerhin war er nicht zeitlich isoliert, als die Geschichte verändert wurde.“ „Sie könnten Recht haben.“, sagte Cupernica. „Vielleicht fragen Sie ihn einfach, nach welchem Ritus Sie geheiratet haben. Ansonsten würde ich wie gesagt sofort eine Heirat nach genesianischem Ritus empfehlen, damit Ihre Ehe nach dem Recht der momentan Herrschenden gültig ist. Ist dies nicht der Fall, würde Commander Huxley prinzipiell als Freiwild gelten und könnte Ihnen von jeder beliebigen Genesianerin weggeschnappt werden. Einen Anspruch auf ihn hätten Sie in deren Augen dann nicht.“ „Ich weiß.“, sagte Sedrin und versuchte dabei ähnlich sachlich zu klingen wie Cupernica, was ihr aber nicht wirklich gelang. „Ich könnte auch Ihnen beratend zur Seite stehen, damit Sie sich mit der veränderten Zeitlinie arrangieren können.“, bot die Androidin an. Am abweichenden Frequenzschema von Sedrins Stimme hatte sie durchaus gemerkt, dass auch mit der sonst so patenten Agentin etwas nicht stimmte. „Sie haben gerade über meinen Mann geredet, als sei er ein Wesen zweiter Klasse, Cupernica!“, entrüstete sich Sedrin. „Viel anders wird er in den Augen der Genesianerinnen auch nicht behandelt.“, erklärte die Androidin. „Gut, vielleicht sieht man ihn als Lebewesen, aber als ein solches ohne Rechte. Er hat nicht mehr Rechte als das Bakterium zwischen Ihren Zähnen. Jedes Tier wird bei den Genesianern besser behandelt als ein Mann. In den Augen der Genesianerinnen taugen Männer nur zu zwei Dingen. Das Zeugen von Nachwuchs und die körperliche Arbeit.“ Sedrin lauschte dem Vortrag sehr genau. Sie hing förmlich an Cupernicas Lippen, was die Androidin in Erstaunen versetzte. „Meinen Daten zu Folge, müssten Sie das doch selbst alles wissen, Agent.“, sagte sie mit leicht verwirrtem Tonfall, der den Datenkonflikt in ihren Systemen ausdrücken sollte. „Wie ich sind Sie auch ausgebildete Sternenflottenoffizierin.“ „Das stimmt.“, bestätigte Sedrin. „Aber ich bin auch ein Wesen, das im Gegensatz zu Ihnen Gefühle hat. Ich kann lieben und ich liebe Jaden und es tut mir weh, wenn ich daran denke, was ihm in der Zwischenzeit passiert sein könnte.“ „Dann kann ich Ihnen nur möglichst schnell zu einer genesianischen Hochzeit raten.“, wiederholte Cupernica. „Das ist die einzige Möglichkeit für Sie, Huxley dem Zugriff einer rohen Genesianerin zu entziehen. Gut, auf der Straße werden Sie ihn entsprechend behandeln müssen, aber was Sie hinter ihrer Haustür machen, das geht niemanden etwas an.“ „Danke, Cupernica.“, atmete Sedrin auf. „Sie hätten Anwältin werden sollen.“

Sie bogen in die Straße ein, in der die Häuser der Huxleys und Datas und Cupernicas nebeneinander standen. Schon von fern sah Sedrin, Dass etwas nicht stimmte. Huxley hatte sonst noch nie so versteinert auf der Terrasse gesessen! Außerdem konnte sie nur einen glänzenden Gegenstand wahrnehmen, den er in der Hand hielt. „Halten Sie an, Cupernica!“, insistierte sie. „Halten Sie sofort an!“

Kaum hatte die Androidin den Jeep gestoppt, sprang Sedrin heraus und rannte über die stark befahrene Straße zu ihrem Haus hinüber. Dort angekommen schloss sie den schweißnassen Huxley, der am ganzen Körper zitterte, in die Arme. Es war ihr egal, dass dies unter Umständen auf eventuelle genesianische Nachbarn keinen guten Eindruck machte. Und wenn zehn Genesianerinnen sahen, dass sie zärtlich zu ihrem Mann war! Das interessierte sie jetzt nicht!

Sie zog Huxley mit sich ins Haus und platzierte ihn auf der Couch. Dann setzte sie sich neben ihn. „Was ist passiert, Jineron?“, fragte sie. Wortlos zeigte Huxley auf das Halsband. „Das gehört doch Caruso.“, stellte Sedrin fest. „Warum hast du es? Rede mit mir, Jineron Terraneron, was ist passiert?!“

Jaden gab plötzlich einen Laut von sich, bei dem sich Sedrin alles zusammenzog. „Oh, Jinya!“, stieß er hervor. „Er ist tot! Die Genesianerinnen! Ich habe alles gesehen! Sicher wird der arme Kater gerade über einem Lagerfeuer gegrillt. Ich konnt’s nicht verhindern! Oh, ich konnt’s nicht verhindern! Ich durfte ja nicht …“

Sie zog seinen Kopf an ihre Brust. „Natürlich nicht.“, sagte sie. „Sie hätten dich auch nicht angehört. Wahrscheinlich hätten sie dich noch bestraft, weil du in Gegenwart von Frauen unaufgefordert das Wort erhoben hättest. Aber verhindern hättest du es wirklich nicht können. Für die Genesianer war Caruso eben nur eine Jagdbeute.“

Sie betrachtete das Halsband, das er ihr inzwischen gegeben hatte. „Aber wie ich das sehe, hat er zumindest nicht leiden müssen. Der Verteilung der Blutstropfen nach war es ein glatter Blattschuss.“ „Das habe ich auch gesehen.“, bestätigte Huxley das Ergebnis der erfahrenen Ermittlerin. „Ich werde Cupernica Bescheid sagen.“, sagte Sedrin. „Und wenn es dich irgendwie tröstet, wir werden alles tun, um die Zeitlinie zu korrigieren, wenn ich mich erst einmal selbst zurechtgefunden habe. Wir müssen beweisen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.“ Jaden nickte.

Scotty kam auf einem Strohlager zu Bewusstsein. Er stellte fest, dass er sich in einem Haus oder zumindest in einem Raum befinden musste. Antriebsgeräusche waren keine zu vernehmen. Auf einem Schiff konnte er also nicht sein und auch nicht auf einer Raumstation, denn auch hierfür fehlten die eindeutigen Geräusche.

Er tastete um sich herum und stellte fest, dass der Boden, auf dem er lag, sehr kalt war und offensichtlich aus kaltem Stein bestand. Außerdem war es sehr dunkel. Er versuchte sich zu erinnern, was vor seiner Bewusstlosigkeit geschehen war, um sich irgendwie eine örtliche Orientierung zu verschaffen. An der Tatsache, dass beide seiner Hemdsärmel hochgeschoben waren, konnte er sehen, dass ihn jemand körperlich untersucht haben musste. „Sieh an, sieh an.“, flüsterte er. „Da is’ mir doch glatt jemand an die Wäsche gegangen. Wo bin ich bloß?“

Er richtete sich auf und ging an der Wand entlang. Dies hatte er von mir gelernt. Ich hatte ihm beigebracht, sich auch ohne Augenlicht im Dunkeln zurechtzufinden. Damals, als er mich darum gebeten hatte, ahnten aber weder er noch ich, wozu es einmal notwendig sein würde.

Er kam zu einem Stück der Wand, das sich eindeutig von ihrem Rest unterschied. Es musste so hoch wie der Raum selbst sein, aber es war nur so breit wie eine Tür und schien aus einer Art Metall zu bestehen. Scotty erinnerte es an das Material, aus dem Türen auf Raumstationen oder Raumschiffen bestehen. „Also.“, sagte Scotty zu sich. „Eine moderne Tür und Felswände. Was kann das bedeuten? Denk nach, Scotty! Denk nach! Na ja. Wahrscheinlich weiß ich jetzt schon mehr als manch anderer Gefangener. Oh, meine Bets’. Diese Kenntnisse habe ich nur dir zu verdanken. Wenn du bloß hier wärst. Du hättest sicher im Handumdrehen raus, was das hier für’n dunkles Loch is’.“

Scotty hörte ein Geräusch, das ihn an den Antrieb einer Tür erinnerte und wich instinktiv zurück. Tatsächlich öffnete sich die Tür und jemand gab einen Befehl auf Genesianisch, auf den hin das Licht eingeschaltet wurde. Noch immer war Scotty irritiert. Was er gerade gehört hatte, konnte ebenso gut Klingonisch gewesen sein. Die beiden Sprachen ähnelten sich in ihrer Klangstruktur sehr. Die Frau, die jene für Scotty unverständlichen Worte benutzt hatte, konnte er immer noch nicht sehen, da sich seine Augen erst an die neue Situation gewöhnen mussten. Schließlich hatte der blendende Effekt aufgehört und er sah in das Gesicht einer älteren Genesianerin. Jetzt war er sicher, dass er soeben Genesianisch gehört hatte. Du bist am Arsch, mein Lieber!, dachte er.

Im nächsten Moment überkam ihn ein Schwächeanfall. Die Genesianerin fing ihn auf und brachte ihn auf das Strohlager zurück, wo sie ihn sanft ablegte. Dies verwirrte Scotty noch mehr. Warum ging sie so vorsichtig mit ihm um? Er hatte erwartet, dass sie ihn mit einem Fußtritt dort hin beförderte oder so. Er wollte etwas sagen, besann sich aber dann doch auf die Tatsache, dass Männer in Gegenwart von Frauen bei den Genesianern ja nur dann sprechen dürfen, wenn sie dazu aufgefordert werden. Reiß dich zusammen!, ermahnte er sich in Gedanken. Verspiel die guten Karten, die du offensichtlich bei ihr hast, nicht gleich wieder. Wenn du überleben willst, ist es klüger, dass du dich anpasst.

„Ich erlaube dir zu sprechen.“ Diesen englischen und noch dazu fehlerfreien Satz hatte Scotty von der Genesianerin jetzt nicht erwartet. Er sah die Alte an. Sie war groß, trotz ihres Alters noch immer sehr stark und hatte ein etwas runzeliges Gesicht, um das lange rote Haare frisiert waren, aus denen ab und zu schon etwas grau blitzte. Ihre fast großmütterlich anmutende Stimme wiederholte den Satz. „Wo bin ich?“, fragte Scotty. „Du befindest dich im Zellentrakt des Gefangenenlagers von Nura vier.“, antwortete die Alte. „Ich bin Amidala. Ich bin die oberste Wärterin hier.“ „Techniker Montgomery Scott.“, stellte sich Scotty vor und war noch immer über ihre Freundlichkeit verwundert. „Dein Sternenflottenrang wird dir hier nichts nützen, Terraner.“, lächelte Amidala. „Sorry.“, entschuldigte sich Scotty. „Bin es so gewohnt. Aber würde es Ihnen etwas ausmachen, mich Scotty zu nennen?“ „Nein.“, sagte Amidala noch immer sehr freundlich. Scotty sah sie immer noch verwirrt an. Er hatte einen wesentlich härteren Ton gegenüber sich erwartet. Jetzt hatte er auch noch um etwas gebeten! Eigentlich hatte er dazu doch sicher kein Recht. Er verstand die Welt nicht mehr, was sich auch bald im Ausdruck seines Gesichtes niederschlug.

Amidala streckte ihre etwas raue Hand aus und strich ihm den Bart zurecht. „Du musst verwirrt sein, Scotty.“, setzte sie voraus. „Sonst würdest du sicher nicht so ungläubig schauen. Du hast immer noch die Erlaubnis zum Sprechen.“ „Warum bist du so freundlich zu mir, Amidala?“, traute sich Scotty dann doch zu fragen. „Weil ich nicht finde, dass ihr Männer für die Fehler derjenigen bestraft werden solltet, die euch erschaffen hat.“, antwortete die Genesianerin. „Natürlich seid ihr ein Fehler der Schöpfung und natürlich habt ihr eine mindere Intelligenz im Gegensatz zu uns Frauen. Aber dafür könnt ihr ja nichts. Dass so etwas wie ihr dabei herauskommen musste, als die Wächterin von Gore, die eigentlich für das Tote zuständig ist, versucht hat, ein Leben zu erschaffen, ist nur logisch. Aber das bedeutet meiner Auffassung unseres Glaubens nach nur, dass wir für euch verantwortlich sind und nicht, dass wir euch wie Dreck behandeln dürfen. Wir müssen euch an die Hand nehmen und uns um euch kümmern. So interpretiert übrigens auch Shashana die alten Schriften. Sie stößt damit zwar auf wenig Gegenliebe, aber ein paar Anhängerinnen hat sie schon. Eine Reform war nie leicht, aber die Shashanistinnen in unseren Reihen werden von Tag zu Tag mehr.“ „Shashanistinnen.“, murmelte Scotty. „Das muss ich mir merken.“ „Nach außen hin.“, sagte Amidala. „Werde ich nicht zeigen dürfen, dass hier einiges etwas anders läuft. Wenn eine fremde Patrouille kommt, werden meine Untergebenen und ich euch genau so herumschubsen müssen wie in anderen Lagern auch. Aber, wenn …“ „Habe verstanden.“, sagte Scotty. „Deine Kolleginnen sind also auch alle samt …“ „Ja, sie sind alle samt Shashanistinnen.“, erklärte Amidala stolz. „Du hast eine sehr rasche Auffassungsgabe für einen Mann.“ Dann drehte sie sich um und ging, nachdem sie das Licht per Stimmbefehl wieder ausgeschaltet hatte.

Scotty legte sich wieder hin. Immer noch dröhnte ihm der Kopf! Die Sonde, die ihn schlafen geschickt hatte, musste ein ziemliches Chaos in seinem Innenohr hinterlassen haben. Er war heilfroh, dass man sie entfernt zu haben schien. „Na ja.“, flüsterte er. „Ich werde schon das Beste aus dieser Situation machen. Ich frage mich nur, ob mein Rücken das Schlafen auf diesem kalten Boden lange mitmacht. Aber eine Pritsche kriegen wohl nur weibliche Gefangene. Ich hab’s kapiert.“

Stunden lang hatte Data auf dem Stein gesessen. Er ging immer und immer wieder den Plan durch, konnte aber die Stelle nicht finden, an der er einen Fehler gemacht hatte. Normalerweise hätte er doch alle Daten berücksichtigen müssen. Warum war ihm das mit der genesianischen Rechtsprechung erst eingefallen, als es zu spät für Scotty war?! Einen Fehler in der Organisation seiner Datenbank konnte er ausschließen. Aber wenn seine Funktionen OK waren, warum war dann passiert, was passiert war?

Jenes braungraue herzförmige Augenpaar, das die gesamte Situation beobachtet hatte, hatte der Androide nicht bemerkt. Auch als dessen Besitzerin sich langsam zu ihm schlich und sich stumm neben ihn setzte, reagierte er nicht. „Ach, Data.“, sagte sie und legte ihren linken Arm um ihn. „Jeder macht mal Fehler. Auch Sie.“ „Ginalla?“, identifizierte Data die Person neben sich. „Jawoll.“, sagte sie ruhig. „Ich bin’s.“ „Sie irren sich.“, wehrte sich Data immer noch gegen das Offensichtliche. „Dieser Fehler hätte nicht auftreten dürfen. Ich kann mir nicht erklären, wie es dazu gekommen ist. Meine Datenbank funktioniert normal.“ „Das glaube ich gern.“, lächelte Ginalla. „Nur haben Sie 'ne Menge Daten zu verarbeiten. Wenn dann mal der eine oder andere Datensatz nach unten rutscht und nicht gleich zur Verfügung steht, ist das kein Beinbruch. Sie wollten doch immer so menschlich wie möglich sein. Das ist ein Teil davon. Hat es solche Situationen denn sonst noch nie in Ihrem Leben gegeben?“ „Doch.“, erinnerte sich Data. „Ich verlor ein Spiel gegen ein Wesen aus Fleisch und Blut, bei dem ich eigentlich hätte gewinnen müssen, weil ich Rechenoperationen …“ „Seh’n S’e?!“, unterbrach ihn Ginalla fast begeistert. „Und das Leben ist trotzdem weitergegangen. Aber die gute Ginalla weiß, was wir jetzt machen. Kommen S’e mit mich mit. Wir geh’n jetz’ in mein Haus und dann werde ich dafür sorgen, dass S’e nach Terra in Sicherheit kommen. Dann such’ ich Scottys und Ihre Ehefrauen und dann wird geplant. Die Sternenflottis finden bestimmt 'ne Lösung. Cupernica und Betsy habe ich ja auf der Hochzeit von den beiden Miray kennen gelernt. Die halte ich für clever.“ „Wie beabsichtigen Sie, mich nach Terra zu bringen?“, fragte Data. „Zigeunerinnen sind trickreich.“, antwortete Ginalla grinsend. „Und jetz’ ab!“ Damit zog sie den immer noch völlig verwirrten Androiden hinter sich her.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.