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    Mikel und ich hatten Kissara in ihrem Quartier aufsuchen wollen. Der Computer hatte uns gesagt, dass sie sich dort befand. „Wie sollen wir das nur Nugura beibringen?“, fragte ich sorgenvoll. „Du meinst die Sache mit der veränderten Zeitlinie?“, vergewisserte sich Mikel. „Was denn sonst?!“, zischte ich zurück. Dann aber entschuldigte ich mich sofort. „Sorry, Mikel. Ich kann mir vorstellen, dass es für dich auch nicht gerade einfach ist. Schließlich liegt dein Vater im Sterben. Oder sagen wir zumindest die Person, die dich irgendwann in seinem Leben adoptiert hat und die du Vater nennen darfst.“ „Das ist für mich gleich.“, sagte Mikel. „Ich teile das gleiche Schicksal wie du. Ich kenne meinen leiblichen Vater auch nicht.“

    Wir hatten die Tür erreicht und Mikel betätigte die Sprechanlage. „Wer ist dort?“, fragte Kissaras Stimme von drinnen. „Agent Mikel und Allrounder Betsy, Commander.“, stellte Mikel uns vor. „Sie hat ihre Aussage beendet und wir würden Ihnen gern meine daraus entstandenen Ermittlungsergebnisse präsentieren.“ „Warum ist sie noch bei Ihnen, Agent?“, fragte unsere gemeinsame Kommandantin. „Weil sie die Einzige ist, die sich etwas gemerkt hat, das sehr wichtig sein könnte.“, erklärte Mikel.

    Es vergingen einige Sekunden und dann öffnete sich die Tür. „Kommen Sie rein, Sie zwei.“, sagte Kissara und zog uns, einen rechts, einen links, in ihren Flur. Von dort aus gelangten wir ins Wohnzimmer, wo sie uns sofort innerhalb ihrer Sichtweite auf dem Sofa platzierte und selbst zum Replikator ging, um für sich ihr auf Fleischbrühe basierendes Lieblingsgetränk nebst einem Glas Kölsch für Mikel und einer Cola für mich zu replizieren. „Ich weiß, dass Sie im Dienst sind, Agent.“, nahm sie Mikels Einwand vorweg, als sie ihm das Glas zuschob. „Aber von einem Glas werden Sie mir hier schon nicht stirnhagelvoll aus der Tür wanken, wenn wir mit allem durch sind!“ Wieder erinnerte mich ihre Art zunehmend an die von Janeway, nur war die nicht so katzenhaft. Das Katzenhafteste an Kissara war wohl ihre Beharrlichkeit, die sie auch jetzt wieder an den Tag legte. Eine Ablehnung des Getränks würde sie nicht dulden, das ahnte Mikel. Deshalb bedankte er sich höflich und streckte seine rechte Hand nach dem Glas aus, um einen ersten Schluck daraus zu trinken. „Auf dreizehnhundert, Agent.“, half ihm Kissara. Dies hatte sie aus der alten Militärsprache des 20. Jahrhunderts entliehen. Es bedeutete nichts anderes als auf ein Uhr und das wiederum hieß, dass sich das Glas ein Stück weit rechts auf dem Tisch befand, wenn man von der Position des Gesichtes desjenigen ausging, der vor dem Tisch saß.

    Sie setzte sich uns gegenüber auf einen Sessel und sah Mikel erwartungsvoll an. Dies schien er zu spüren und begann: „Allrounder Betsy ist Allrounder Tchey begegnet.“ Kissara stellten sich bei seinen Worten die Nackenhaare auf. „Oh, nein!“, sagte sie. Tcheys Ruf war ihr durchaus ein Begriff. „In was hat diese verantwortungslose Abenteurerin unsere arme Betsy hineingezogen?! Kein Wunder, dass Sie so fertig sind, Allrounder!“ Sie drehte sich bei ihren letzten Worten zu mir und strich mir mit ihrer sanften linken Hand über die Wangen. „Sie hat nichts Böses getan, Ma’am.“, verteidigte ich Tchey. „Der Grund, aus dem ich so fertig bin, ist ein anderer. Wir sind nur ins Universum geflogen, weil sie angeregt hatte, dass wir mit Lycira und einem Mietshuttle ein kleines Wettfliegen veranstalten könnten. Daran ist ja wohl nichts auszusetzen. Wir sind beide ausgebildete Fliegerinnen.“ „Da haben Sie Recht, Allrounder.“, sagte Kissara. „Aber bei der Sache muss irgendwas passiert sein. Sonst hätten Sie beide doch nicht den Agent zwecks einer Aussage aufgesucht.“

    Ich holte erneut Luft, aber Mikel stieß mich in die Seite: „Lass mich reden. Dein Auftritt, oder besser der deines Gedächtnisses für Zitate, kommt noch früh genug.“ Ich nickte. „Die Beiden haben gesehen, dass die Genesianer offensichtlich unser Gebiet erobert haben, Kissara.“, erklärte Mikel. „Sie haben sich an Bord eines genesianischen Schiffes geschmuggelt und dort einer Feier beigewohnt. Die Genesianer haben das Wunder von Sachometh gefeiert, aber wenn Sie mich fragen, dann war da nichts Wunderbares dran. Im Gegenteil. Ich glaube, die Genesianer wurden gründlich verarscht!“ „Mikel!“, entrüstete sich Kissara. „Verzeihen Sie, Commander.“, bat Mikel um Entschuldigung. „Man kann nur furchtbar sauer werden bei dem Gedanken an das, was wahrscheinlich geschehen ist.“ „Und was ist nun geschehen, Agent?“, fragte Kissara. „Betsy hat auf der Feier ein höchst aufschlussreiches Lied gehört.“, erklärte Mikel. „Sie kann es sogar auswendig. Zumindest die englische Version, die sie übersetzt hat. Sie wissen, dass sie Genesianisch kann.“ „Das weiß ich.“, erwiderte Kissara. „Und was war nun an dem Lied so aufschlussreich?“ „Das werden Sie gleich hören, Kissara.“, sagte Mikel und stieß mich erneut an: „Trag’s vor.“

    Ich stellte mich in die Mitte des Raumes und zitierte: „Der Mond ward finster in der Nächte sieben. Am nächsten Tage, so steht es geschrieben, da wurde so sich man noch in Jahren erzählt, die oberste Prätora von der Wächterin von Gore beseelt. Sie hat zum Beweise der göttlichen Macht, ‚nen Stern im Weltall zum Bersten gebracht. Drauf folgten ihr alle mit Freud’ in die Schlacht. Die Feinde egal welcher Zahl mäht’ sie nieder. Mit blitzenden Augen ist dieses getan. Viel’ Salven von Blitzen regneten hernieder, auf alles und jedes, das in den Weg ihr kam. Drauf flogen wir weiter in and’re Gestade, wo mächtige Wesen sich finden daheim. Doch konnten und das ist nun für sie wirklich schade, sie uns auch nicht wirklich ein Gegner sein. Denn denkt euch, auch jenes gut geschützte Reich, besiegte die Prätora mit einem Fingerstreich.“

    Kissara blieb der Mund offen. „Um Gottes Willen!“, rief sie aus. „Und auf so was sind die hereingefallen? Ich sage Ihnen was, Mikel. Wenn Sie auch keine Verdächtige Nummer eins haben, dann habe ich aber eine. Sytania wird das gewesen sein. Jawohl! Aber dass sie keine Skrupel hat, sich als Göttin auszugeben und den Körper einer wehrlosen Sterblichen zu besetzen, um ihre Ziele zu erreichen, hätte selbst ich ihr nicht zugetraut. Ich kann mir denken, warum Sie sich dieses Zitat so gut merken konnten, Allrounder. Es geht Ihnen nämlich gewaltig gegen die moralische Hutschnur, was da passiert ist und wenn so etwas passiert, merken Sie sich solche Dinge immer sehr gut.“ „Langsam, Kissara.“, versuchte Mikel, ihre Wut zu bremsen. „Betsy und ich gehen davon aus, dass Sytania nicht die Hauptdrahtzieherin ist. Wenn sie das wäre, dann hätte sie uns schon längst aus der Geschichte getilgt, wie sie es schon immer vorgehabt hat. Nein, ich denke, es gibt noch jemanden. Sie wird auf den Zug aufgesprungen sein und das Ganze zu ihrem Vorteil nutzen wollen. Sie sucht sicher schon nach einer Lücke, in die sie hineinstoßen kann.“ „Na, die hat sie sicher schon gefunden.“, stöhnte Kissara. Dann drehte sie sich zu mir: „Betsy, gehen Sie zur Brücke und bringen Sie uns ins Universum zurück. Ich möchte mir selbst ein Bild von der Situation machen. Mikel, Sie begleiten sie. Ich werde nachkommen, sobald ich meinen Ärger etwas verdaut habe. Wegtreten!“ Wir nickten und Mikel nahm mich bei der Hand. Dann ließen wir sie zunächst mit ihrem Ärger allein.

    Clytus und Scotty hatten wieder einmal nebeneinander gearbeitet. Dem Terraner war der blaue Fleck aufgefallen, den Clytus am rechten Arm hatte und der trotz Sträflingskleidung gut zu sehen war. Was der Grund dafür sein konnte, hatte der Techniker nicht zu sehen vermocht, da er meistens sofort auf dem Strohlager eingeschlafen war. „Sag mal.“, begann er. „Wo hast du das her?“ Dabei zeigte er auf Clytus’ Arm. Die Wärterinnen hatten aufgrund guter Arbeitsergebnisse bei fast allen Gefangenen das Redeverbot ausgesetzt. „Da stechen sie mir jeden Abend 'ne Nadel rein.“, erwiderte Clytus kleinlaut. „Damit ernähren sie mich.“ „’ne Tropfkonsole?“, fragte Scotty. Dann wurde ihm klar, welchen Grund das haben könnte. Beim Essen hatte er gesehen, dass Clytus den eigenartigen Brei zwar in seinen Mund gestopft, ihn aber nicht heruntergeschluckt hatte. Dies hatte zur Folge gehabt, dass alles wieder heraus gequollen war. Dann hatte der Junge seinen Napf frustriert auf den Boden gestellt und zugesehen, wie die zuständige Wärterin, meistens war es Bansabira, ihn abgeholt hatte. „Na schön.“, meinte Scotty. „Weil du dich für einen Mächtigen hältst, glaubst du, dass du nicht essen musst und tust, als würdest du es auch nicht können. Dein Körper vermittelt dir auch kein Hungergefühl, weil du durch einen genesianischen Tropf zwangsernährt wirst. Aber du musst diese Fantasie wirklich langsam loswerden. Was glaubst du, wie schön Essen sein kann! Versuch’s doch einfach mal.“ „Wie soll ich essen, wenn ich nicht essen kann?!“, weinte Clytus verzweifelt. „Quatsch!“, meinte Scotty abfällig. „Jeder kann essen und trinken. Dir ist nur deine Mächtigenfantasie im Weg. Wenn du die los wärst, dann ginge es dir sicher viel besser.“ „Das ist keine Fantasie.“, erwiderte Clytus. „Es ist die Wahrheit.“

    Zwei weitere Gefangene, ein Romulaner und ein Cardassianer, sahen von ihrer Arbeit auf. „Du hältst dich also für einen Mächtigen.“, spottete der Cardassianer und der Romulaner fügte bei: „Wenn er nicht essen muss, Scotty, dann können die Wärterinnen das Essen, das für deinen Freund bestimmt wäre, ja theoretisch auch einem von uns geben. Er scheint es ja nicht zu brauchen. Soll er doch krepieren. Um so mehr bleibt für uns.“ „Ihr wollt wohl was auf die …“, begann Scotty, den sehr schmerzte, wie die Beiden über seinen neuen Freund, dem er ja nur helfen wollte, sprachen und drehte sich zu ihnen, die Seite an Seite auf ihn zu rannten. Im gleichen Moment zerriss eine Stimme die Luft, die Scotty zu kennen glaubte und ein Demetaner, der zuerst still seiner Arbeit nachgegangen war, erschien auf der Bildfläche und zerrte Clytus zwischen zwei der merkwürdigen Bodenfliesen, die weder Scotty noch Clytus einzuordnen vermochten. Dann wendete er sich an Scotty: „Stellen Sie sich neben den Jungen, Techniker Scott und rühren Sie keine Faser Ihres Körpers! Das ist ein Befehl, Techniker!“ Automatisch sagte Scotty: „Aye-Aye, Sir.“, obwohl er den Fremden nicht wirklich erkannt hatte. Seine beiden Kontrahenten rannten weiter auf ihn zu, wurden aber im nächsten Moment von irgendwas in die Luft geschleudert, stießen krachend gegen eine Wand und fielen aufgrund von Schädelverletzungen tot auf den Boden zurück. „Was war das?“, fragte Clytus und schmiegte sich eng an Scotty. „Ein rotes Licht, das aus dem Boden kommt und das Leute an Wende schleudern kann?“ „Kraftfeldemitter.“, erkannte der geschulte Ingenieur. „Die sollen wohl Auseinandersetzungen zwischen uns verhindern.“ „Das haben Sie korrekt erkannt.“, meldete sich der Demetaner, der jetzt aus dem Schatten der Felswende trat. Erst jetzt erkannte Scotty sein Gesicht. „Agent Yetron.“, wunderte er sich. „Was machen Sie denn hier? Ich dachte, so einen hinterlistigen Fuchs wie Sie kriegen die Genesianer nicht.“ „Ich bin mehr oder minder mit Absicht in ihre Gefangenschaft geraten.“, deutete Yetron an. „Aber das erkläre ich bei Gelegenheit.“

    „Die wirst du auch bald bekommen, Demetaner.“, bemerkte Bansabira, die alles mit angesehen hatte und die jetzt gemeinsam mit ihren Kolleginnen die Leichen in die Materierückgewinnung beförderte. „Schließlich hast du unsere beste Arbeitskraft gerettet. Wenn du ihn nicht zurückgehalten hättest, wäre er wie die Beiden da geendet. Um die ist es aber nicht so schade.“ Damit gab sie den Toten einen letzten Fußtritt, der sie endgültig in die Materierückgewinnung beförderte. „Das waren die zwei Zellengenossen von unserem Demetaner.“, erklärte Bansabira. „Er wird sich jetzt mit euch die Zelle teilen. Wir brauchen jeden Platz und Einzelzellen sind daher nicht möglich. Wir sind ein Gefangenenlager und kein Luxushotel.“ Bei ihren letzten Sätzen hatte sie auf Scotty und Clytus gezeigt.

    Yetron, der verstanden hatte, worum es ging, stellte sich zu Scotty und Clytus, die schon wieder in ihre Arbeit vertieft waren. „Was meinen Sie damit, Agent, dass Sie mehr oder minder mit Absicht hier sind?“, fragte Scotty leise. „Das kann und werde ich Ihnen hier nicht beantworten, Techniker.“, erwiderte der Demetaner. „Vielleicht kommen wir später in der Zelle zum Reden. Aber hier hören mir zu viele Leute zu.“ „Schon verstanden.“, gab Scotty zurück. „Es ist also mal wieder so eine geheime Operation.“ „Ja!“, sagte Yetron und wirkte dabei leicht gestresst. „Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir ein bisschen dabei helfen könnten, dass es auch eine bleibt.“ „Verstehe.“, sagte Scotty fast konspirativ. „Ich soll also meinen Mund halten.“ Yetron nickte.

    Bansabira war die Reihen der arbeitenden Gefangenen abgeschritten und hatte sich die Haufen mit Kristallen angesehen. Bei Clytus war sie plötzlich stehen geblieben und hatte ihn mit wuterfüllten Augen angesehen. „Was ist das?!“, fragte sie. „Das sind Kristalle, die ich abgebaut habe.“, erwiderte der Junge kleinlaut. „Du wagst es, das als Kristalle zu bezeichnen?!“, fragte die Wärterin empört. „Ja.“, sagte Clytus. „Als was denn sonst.“

    Sie holte mit ihrer starken kampferprobten Hand aus und bewegte sie in Richtung von Clytus’ Gesicht. Kurz davor hielt sie sich aber mühsam zurück und sagte: „Na gut. Weil du ein naives Kind bist, werde ich noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Aber diesen Müll hier, den kann doch keiner gebrauchen! Kannst du mir vielleicht mal verraten, wie wir den in unsere Schiffe einbauen sollen!“

    Sie gab Clytus’ Kristallhaufen einen Tritt in Richtung Materierückgewinnung. „So!“, kommandierte sie dann. „Das machst du gleich noch mal! Und zur Strafe will ich am Ende des Tages die doppelte Menge von dir sehen als von allen anderen.“ Sie ging.

    Traurig sah Clytus Richtung Felswand. Er wusste nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte. Als er noch ein Mächtiger war, hatte er nie Hilfe gebraucht. Er hatte sich immer alles ermöglichen können, was er wollte. Aber jetzt sah die Sache anders aus. Er war allerdings zu stolz, um sich zu der Frage nach Hilfe bei Scotty und Yetron durchzuringen. Zu gern hätte er gelernt, wie er seine Hände besser koordinieren konnte, um gleichmäßigere Kristalle aus der Wand schneiden zu können. Aber dann würde er sich eine Blöße geben, die beide seiner Meinung nach nicht sehen sollten. Sie dachten ja ohnehin, dass er ein Fantast war. Wenn er jetzt auch noch um Hilfe bitten würde, so dachte Clytus, würden sie ihn vielleicht für einen kompletten Versager halten. Also machte er weiter wie bisher.

    Ginalla und Kamurus waren noch immer auf dem Weg zur Erde. Die junge Celsianerin hatte ihrem Schiff befohlen, die Steuerkontrolle zu übernehmen. Zu sehr war sie mit dem Gedanken an Toleas plötzlichen Sinneswandel beschäftigt. Warum arbeitete sie plötzlich mit Sytania zusammen? Auch wenn Ginalla als Zivilistin über Tolea und ihr Verhältnis zu den Sterblichen nicht viel wusste, schon gar nicht so viel wie ein Sternenflottenoffizier, so war sie doch sicher, dass diese Zusammenarbeit keine freiwillige Basis hatte. „Weißt du was, Kamurus.“, begann sie. „Für die ganze Mischpoke mit Sytania und Tolea gibt es für mich nur zwei Erklärungen. Entweder, sie ist zu einem gemeinen Monster mutiert oder Tolea wird erpresst. Ich glaube allerdings eher an das Zweite. Ich wette 100 zu eins, dass Sytania die arme Tolea irgendwie in der Hand hat.“ „Du scheinst dir ja tatsächlich Sorgen zu machen.“, staunte der Schiffsavatar. „Das ist nicht die Ginalla, die ich kenne. Das ist eine neue Ginalla. Eine Ginalla mit sozialem Gewissen. Sonst würde dich doch mit Sicherheit Toleas Schicksal nicht interessieren und du würdest einfach nur deinen eigenen Vorteil aus der Sache ziehen. Soll ich die Situationen für dich durchsimulieren und dann die wahrscheinlichste Möglichkeit für dich heraussuchen?“ „Heißen Dank und kalte Füße, mein Freund.“, erwiderte Ginalla. „Das wäre echt cool von dir. Aber hast du denn dafür auch genug Daten?“ „Das wird sich zeigen.“, meinte Kamurus. „Also gut.“, entgegnete Ginalla. „Dann mach es so.“

    Gerade wollte Kamurus mit den Simulationen beginnen, als am rechten unteren Rand des virtuellen Bildschirms vor Ginallas geistigem Auge ein genesianisches Schiff erschien, das sich ihnen auf einem Schnittkurs näherte. „Was ist das, Kamurus?“, fragte Ginalla. „Ein genesianisches Patrouillenschiff.“, antwortete Kamurus. „Soll ich die Schilde heben?“ „Wer wird denn gleich!“, grinste Ginalla. „Ich glaube eher, dass es Zeit für unseren Auftritt wird.“ „Das denke ich auch.“, bestätigte Kamurus die Vermutung seiner Pilotin. „Wir werden nämlich gerade gerufen.“ „Dann stell durch!“, grinste Ginalla.

    Auf dem Schirm erschien das Gesicht Yanistas. „Ich bin Prätora Yanista vom Clan der Vetash und Kommandantin des genesianischen Kampfschiffes Canara.“, stellte sich die Genesianerin vor. „Was sucht ein ziviles Schiff so mutterseelenallein auf dem Weg nach Terra, Celsianerin? Möchtest du nicht eher von uns begleitet werden?“ „Heißen Dank, Prätora.“, entgegnete Ginalla. „Aber ich denke, dass ich schon zurechtkomme. Ich bin nur eine harmlose Frachterpilotin. Ich bringe eine Lieferung zu einem Kunden nach Terra. Mehr is’ da nich’.“ „Unsere Scanns zeigen uns, dass du einen Roboter an Bord hast.“, erkundigte sich Yanista weiter. „Hast du keine Angst, dass eventuell Romulaner oder so auf dich aufmerksam werden könnten und dir das gute Stück einfach so unter dem Hintern wegklauen. Ich meine, immerhin sieht der Roboter nach komplizierter Technik aus und die Ferengi würden sicher auch gern …“ „Die Ferengi.“, lachte Ginalla. „Die sind doch so was von bestechlich, dass es schon wehtut. Denen brauche ich ja nur 'n paar Barren Latinum zu versprechen und sie lassen ab. Die haben doch kein Rückrad. Da hätte ich schon mehr Schiss vor den Romulanern, wenn ich nich’ wüsste, dass ihr die auch schon längst unterworfen habt. Das ganze bekannte Universum soll ja schon euch gehören. Also, wovor sollte ich mich fürchten?“

    Kamurus legte das Gespräch in die Warteschleife. „Woher weißt du das mit den Romulanern?“, fragte er. „Das ist doch gar nicht raus. Wir wissen doch gar nicht, ob …“ „Noch wissen wir es nicht.“, erwiderte Ginalla. „Aber wir wissen es bald. Warum sind die denn der Föderation nicht zur Hilfe gekommen, he? Immerhin haben die mit ihr ein lockeres politisches Band und wenn das ganze verdammte Universum in Gefahr ist, dann ist es doch wohl egal, wessen Gebiet angegriffen wird. Dann sollte man sich gegenseitig helfen. Die Info könnte wichtig sein, um die neue Macht der Genesianer einschätzen zu können.“ „Ah.“, machte Kamurus. „Kenne deinen Feind.“ „Genau.“, grinste Ginalla. „Und gib die Prätora wieder her.“

    Kamurus machte die Warteschleife rückgängig. „Sorry, Prätora.“, entschuldigte sich Ginalla in einer Ausdrucksweise, die selbst jeden amerikanischen Trucker vor Neid erblassen lassen würde. „Meine Chefin. Sie hat mir schon wieder den nächsten Auftrag aufs Auge gedrückt. Also, ich hab’s echt eilig.“

    Sie gab Kamurus einen versteckten Wink, worauf dieser auf Warp drei ging. Im gleichen Moment fühlte das Schiff einen genesianischen Traktorstrahl an seinem Rumpf. „Offensichtlich sind die Genesianer mit uns noch nicht fertig.“, stellte er fest und zeigte Ginalla die Sensorenbilder. „Das Gefühl habe ich auch.“, antwortete Ginalla. „Also schön. Fragen wir sie, was sie wollen.“

    Kamurus sendete einen Ruf an das aus dem Transpondersignal des Schiffes hervorgehende Rufzeichen. „Wieso werde ich noch festgehalten?“, fragte Ginalla, nachdem die Verbindung zu Stande gekommen war. „Wir würden gern deine Fracht inspizieren, Celsianerin.“, erwiderte Yanista. „Das Ganze kommt uns höchst merkwürdig vor.“ „Na gut.“, gab sich Ginalla scheinbar geschlagen. „Tut euch keinen Zwang an. Aber wenn ihr die Kiste aufbrechen müsst, dann erklärt ihr das meinem Kunden.“ Sie betätigte die virtuelle 88-Taste. Dann wandte sie sich an Kamurus: „Jetzt steigt die Show. Dann wollen wir mal rechts ran fliegen, Kamurus. Antrieb aus und Ankerstrahl setzen! Du weißt, was du zu tun hast.“ Der Schiffsavatar nickte und verschwand, um dem Bild von einer normalen Konsole Platz zu machen. Dann scannte er unbemerkt die Genesianerinnen, die sich bereits an Bord gebeamt hatten, um von ihnen Reaktionstabellen zu erstellen. So sahen sie, was auch Ginalla sah.

    Ginalla tat, als sei sie überrascht, als die zwei muskulösen Kriegerinnen sich vor ihr aufbauten. „Zeig uns deine Fracht, Celsianerin!“, befahl die Eine, die offensichtlich, soweit Ginalla die Perlen auf dem Halsschmuck, den sie trug, interpretieren konnte, eine direkte Verwandte der Prätora war. Ein bisschen Ahnung hatte sie mittlerweile von genesianischen Gebräuchen. „Aber sicher.“, erwiderte sie und stand behäbig auf, um nicht sehr elegant voranzustapfen. Die Genesianerinnen folgten ihr bereitwillig in den Frachtraum, dessen Türen Kamurus öffnete. „Da seid ihr ja, meine kleinen Zuckerpüppchen.“, scherzte Ginalla, nachdem sie sich nach ihnen umgedreht hatte. „Ich dachte schon, ich hätte euch auf dem Weg verloren.“ „Keine Sorge, Celsianerin.“, sagte wieder die Ältere der beiden Kriegerinnen. Ginalla war aufgefallen, dass beide von hohem Wuchs waren, eine kämpferische Statur hatten und eine lange rote Haarpracht trugen. „War’n Witz.“, beruhigte sie die Beiden. „Mann, ihr seid aber auch humorlos!“ „Uns ist nicht nach Scherzen, wenn wir eine potentielle Schmugglerin kontrollieren.“, erwiderte die Rädelsführerin. „Hey, Sekunde.“, meinte Ginalla. „Ich hab’ euch doch meine Absichten genannt und das is’ die Wahrheit. Das schwöre ich beim Holzbein meines Onkels. Der war nämlich Raumpirat.“ „Na bitte.“, sah sich die Genesianerin bestätigt. „Ein Krimineller in der Familie reicht ja schon. Ein fauler Apfel vergiftet den ganzen Korb, wenn man ihn nicht aussondert. Aber wir wollen sehen, ob du die Wahrheit gesagt hast, was dieses Ding da in der Kiste angeht. Führ es uns doch vor!“

    Ginalla kam ins Schwimmen. Natürlich hatte sie gewusst, wie man Data wieder hochfahren konnte, aber das durfte jetzt auf keinen Fall passieren. Die Genesianer durften nicht den geringsten Verdacht schöpfen. „Ich kenne die Codes nich’.“, entschuldigte sich Ginalla flapsig. „Und das mit dem Piraten war auch nur wieder 'n Witz.“ „Lenk nicht ab!“, sagte die Genesianerin energisch. „In dieser Kiste wird es doch sicher eine Bedienungsanleitung geben und da stehen sicher auch die Codes drin. Mach die Kiste auf! Sonst tun wir es!“ Sie richtete ihren Phaser auf das Schloss.

    Im nächsten Moment wurde sie aber durch ein lautes Signal von ihrem Sprechgerät gestört. Im Display konnte sie das Rufzeichen der obersten Prätora ablesen. „Kehrt unverzüglich auf euer Schiff zurück!“, sagte deren Stimme im Befehlston. „Ich habe andere Pläne mit der Canara. Ihr werdet nicht mehr im Universum der Föderation gebraucht. Kehrt sofort auf die Heimatwelt zurück! Dort werdet ihr Näheres erfahren!“ Überrascht und blass sahen sich die beiden Kriegerinnen an, bevor die Rädelsführerin über einen Tastaturbefehl an ihr Sprechgerät veranlasste, dass sie wieder an Bord der Canara gebeamt wurden.

    Ginalla sah den immer durchsichtiger werdenden Säulen erleichtert nach. „Puh.“, machte sie. „Gerade noch gerettet. Ich muss mich demnächst bei Shashana bedanken. Sie hat ein unglaubliches Timing.“ „Das war nicht Shashana.“, grinste Kamurus. „Das war eigentlich ich. Nur haben sie das nicht gemerkt, weil ich ihr Bild und ihre Stimme verwendet habe.“ „Woher hattest du die Daten?“, fragte Ginalla. „Ich meine, wir zwei sind Shashana nie begegnet und …“ „Datenbanken können sehr gesprächig sein, wenn man sie richtig anfasst.“, grinste Kamurus. Ginalla räusperte sich. „Mich bekniest du, dass ich keine halbseidenen Aktivitäten mehr veranstalte und selber …“ „Es war notwendig.“, verteidigte sich Kamurus. „Sie hätten sonst alles entdeckt. Können wir jetzt weiter?“ „Worauf du dich verlassen kannst.“, lächelte Ginalla.

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