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An Bord von IDUSA hatte Shimar sofort wieder den Neurokoppler aufgesetzt, nachdem er sich um mich gekümmert hatte. Er hatte mich auf die Rückbank des Cockpits verfrachtet und mir eine Decke und ein Kissen repliziert. „Du solltest dich besser hinlegen.“, sagte er. „Ich werde dich nicht aus den Augen lassen. IDUSA weiß, wo wir hinwollen und sie kann den Weg auch allein finden.“ „Danke, Srinadar.“, sagte ich. „Du bist so gut zu mir. Am liebsten würde ich jetzt schlafen.“ „Dann tu das doch.“, sagte Shimar tröstend. „Ich habe hier schon alles unter Kontrolle. Wenn du aufwachst, sind wir schon da und Scotty und ich werden dir einen Urlaub bereiten, von dem du noch deinen Enkelkindern erzählen wirst.“ „Das will ich sehen.“, erwiderte ich. „Na dann pass auf.“, sagte er und ich hatte das Gefühl, dass er meinem Unterbewusstsein telepathisch den Befehl zum Einschlafen übermittelt hatte. Eigentlich war das höchst unfair, aber im Moment hatte ich nicht das geringste Bedürfnis, mich zu wehren. Es tat so gut, dass er bei mir war! Er tat so gut! Dass er und ich gemeinsam an Bord von seinem Schiff waren, das tat so gut! Auch zu wissen, dass wir auf dem Weg nach Celsius zu Scotty waren, das tat so gut! All diese Dinge würden mir helfen, mit meinem Problem klarzukommen. Aber die Gedanken an meine Fehleinschätzung von Radcliffe ließen mich nicht los. Warum war ich so naiv gewesen und hatte mich ohne weitere Prüfung darauf eingelassen?! Als ausgebildete Sternenflottenoffizierin hätte ich doch eigentlich Sytania Lichtjahre weit gegen den Wind riechen müssen! Mit dem Erfasser hätte ich ihn scannen müssen, jawohl! Warum war ich so vertrauensselig?! Wo war meine Wachsamkeit?! Was zur Hölle war mein Problem?! Mein Problem war die Erde! Hier zu leben hatte meine Sinne abstumpfen lassen. Vielleicht hatten die so genannten Existenzialisten, von denen ich während meiner Zeit als Kadettin gehört hatte, ja Recht gehabt! Wenn wir zu lange im Paradies leben, werden wir wieder zu naiven kleinen Kindern! Ich wusste doch genug über Sytania! Ich wusste doch genug über das grausame und oft böse Universum da draußen außerhalb unserer Käseglocke, die sich Föderation nennt! Warum um alles in der Welt hatte ich dieses Wissen nicht eingesetzt und Radcliffe die Hilfe verweigert?! Anscheinend waren nicht nur meine Augen, sondern auch mein Geist im Laufe der Jahre blind geworden! Du bist unfair gegen dich selbst, Kleines!, hörte ich Shimars Stimme in meinem Geist. Und jetzt wirst du dich nicht länger so runter machen und nicht länger darüber nachdenken. Ich werde diese Gedanken jetzt für dich verschließen. Zumindest so lange, bis unser Urlaub vorbei ist. Du kannst nicht mehr an sie heran! Dann ließ er ab und flüsterte in mein linkes Ohr: „Verzeih mir, Kleines. Aber es ist besser so für dich.“

Ein künstlich anmutendes Räuspern in seinem Geist hatte ihn aufhorchen lassen. „IDUSA.“, sagte er etwas irritiert und gleichzeitig verschämt, denn er wusste genau, dass sein Schiff ihn ertappt hatte, was ihr ja aufgrund der Tatsache, dass er den Neurokoppler trug, durchaus möglich war. „Verbinde mich sofort mit Scottys Rufzeichen auf Celsius!“, befahl Shimar. „Anscheinend sind Sie so aufgeregt, dass Ihnen jegliche Form der Höflichkeit abhanden gekommen ist.“, stellte das Schiff nüchtern fest. „Entschuldige, IDUSA.“, sagte Shimar. „Natürlich erst mal Hi.“ „Der Grund für Ihren Ausfall mir gegenüber.“, analysierte die künstliche Intelligenz. „Wird wohl sein, dass ich Sie bei einer Handlung gegenüber Ihrer Freundin ertappt habe, die eigentlich nicht rechtens ist. Ihren Geist zu manipulieren, ist eigentlich ein Verbrechen und das wissen Sie.“ „Das weiß ich.“, argumentierte Shimar und sah den Avatar dabei hilflos an. „Aber wenn ich dazugekommen wäre, wenn jemand jemanden anders mit einem Messer bedroht und ich denjenigen mit meiner Waffe zur Strecke bringe, um dem unbewaffneten Opfer zu helfen, dann wäre das ja auch allenfalls Nothilfe, obwohl ich an dem Täter ja auch das Verbrechen der Körperverletzung oder gar Tötung begangen hätte. Bei Betsy habe ich ja im Grunde nichts anderes gemacht. Sie wurde auch indirekt von Sytania bedroht.“ „Wenn Sie das so sehen?“, sagte der Avatar und ihr zuerst ernster strenger Blick wurde wieder weich und freundlich. „Du hättest mich doch nicht wirklich gemeldet, oder?“, fragte Shimar unsicher. „Unter Umständen hätte ich das müssen.“, sagte das Schiff. „Die Lex Technologica ist da eindeutig in ihren Bestimmungen. Wenn ein Schiff ein Verbrechen beobachtet, muss sie es den Behörden melden, auch dann, wenn es von ihrem Stammpiloten verübt wird. Dass wissen auch Sie.“ „Du hast ja Recht.“, sagte Shimar. „Und ich würde ja auch gar nicht verlangen, dass du für mich eine Ausnahme machst. Aber du weißt nicht, was ich erfahren habe.“ „Das ist korrekt.“, bestätigte der Avatar. „Aber ich gehe davon aus, dass Sie es mir früher oder später sagen werden. Übrigens habe ich seit geraumer Zeit Scotty in der Leitung.“ „Gib ihn her!“, befahl Shimar.

Der Avatar trat vor Shimars geistigem Auge einige Schritte zurück, um dem Bild des älteren Terraners Raum zu geben. Dann hörte Shimar Scottys Stimme: „Hi, Junge. Was verschafft mir die Ehre? Nein, weißt du, erst macht dein Schiff hier die Pferde scheu, indem sie sagt, es sei sehr dringend und dann lasst ihr zwei mich hier Stunden lang warten. Das soll noch mal einer verstehen. Aber glaub dem alten erfahrenen Scotty, Junge. Es gibt nix, was man nich’ mit ’nem guten Whisky wieder kuriert kriegt.“ „Das sollte ich lieber lassen, Scotty.“, sagte Shimar ernst. „Immerhin habe ich ein Schiff zu steuern und deine völlig aufgelöste Ehefrau hinten auf der Rückbank des Cockpits!“ „Was?“, fragte Scotty alarmiert. Jetzt war er nicht mehr so flapsig, wie wir es von ihm gewohnt waren. Wenn es um mich ging, dann konnte er schon mal zu jemandem werden, von dem sich so mancher Feind wünschte, ihm nie begegnet zu sein. „Jetzt erzähl mir auf der Stelle, was mit unserer armen, armen Betsy passiert is’!“, drängte Scotty. „Ich weiß was Besseres.“, sagte Shimar. „Ich werde es dir zeigen.“ Damit begann er, sich auf Scottys Geist zu konzentrieren. Aber die Bilder, die Scotty empfing, waren sehr verschwommen, was der junge Telepath eifrig zu korrigieren versuchte. Aber da Shimar immer noch sehr aufgeregt war, wollte ihm das einfach nicht gelingen, so sehr er sich auch anstrengte. „Konzentrier dich, verdammt!“, zischte er sich zu. „Schon gut, Junge.“, meinte Scotty. „Bemüh dich nich’ länger. Du kannst mir auch alles erzählen, wenn ihr hier seid. Ich denke mal, dass ihr zu mir wollt. Auf der Werft, auf der ich arbeite, wurde eine Wartung für ein tindaranisches Schiff von einer gewissen Techniker Jenna McKnight bestellt. Das war dann wohl die liebe Jenn’. Das kann ja dann nur bedeuten, dass es sich um dein Schiff handelt, dem dein Commander einfach mal eine Schönheits- und Wohlfühlkur in celsianischen Händen gönnen will. Aber ihr müsst ja auch irgendwo bleiben, Betsy und du, meine ich. Aber ich mag sie gar nicht einladen in meine unaufgeräumte Junggesellenbude. Schon gar nicht jetzt, wo sie doch so dringend Erholung braucht. Aber der alte Scotty hat auch da eine Lösung. Wir mieten uns einfach alle drei bei Ginalla ein. Die hat nämlich eine Kneipe aufgemacht und da hat sie auch Gästezimmer. Ich leite alles in die Wege.“ Er beendete die Verbindung.

Aus dem Augenwinkel heraus hatte Shimar gesehen, dass ich mich bewegt hatte. Er drehte sich zu mir um und küsste mich zärtlich auf die Wange. „Hey, schon wieder wach?“, fragte er mit leiser freundlicher Stimme. „Ja.“, sagte ich. „Du hast wohl vergessen, mir zu sagen, wie lange ich schlafen soll.“ „Du weißt, dass ich …“, sagte Shimar erstaunt. „Zumindest kann ich das vermuten.“, sagte ich. „Ich hatte ein wohliges Gefühl und das habe ich immer, wenn du in meinem Kopf bist. Es tut mir so gut, dass du bei mir bist! Es tut mir so gut, dass ich an Bord von deinem Schiff bin! Es tut mir so gut, dass wir nach Celsius fliegen!“ „Genau das war auch meine Absicht.“, sagte Shimar.

Ich setzte mich auf. „Falls du Angst hast, dass ich dir böse bin.“, sagte ich. „Dann kann ich dich beruhigen. Es ist zwar eigentlich nicht fair, was du gemacht hast, aber es war wohl nötig. Ich kann endlich wieder klar denken.“ „Dann ist ja gut.“, sagte Shimar erleichtert. „Wenn du das wirklich nicht gewollt hättest, dann hätte es auf Garantie nicht funktioniert! Ich meine, auch ihr Nicht-Telepathen lernt ja im Sternenflottentraining, euch zur Wehr zu setzen, falls ihr irgendeine Möglichkeit habt zu erkennen, dass ihr manipuliert werdet und du sagst, du hättest mich erkannt.“ „Aber bei dir doch nicht, Srinadar.“, versicherte ich. „Ich vertraue dir! Schließlich hast du mir gegen meine Angst vor Telepathie geholfen und außerdem.“, ich machte einen Kussmund, den ich in Richtung seines Gesichtes bewegte: „Ich liebe dich!“ Damit küsste ich ihn mitten auf den Mund. „Volltreffer, Kleines.“, sagte Shimar und erwiderte den Kuss.

Er setzte sich auf das untere Ende der Bank. „Ich muss dich noch was fragen, Kleines.“, sagte er dann und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er mich mit dem, was er mir erzählen würde, ablenken wollte. „Was ist denn?“, fragte ich aufmerksam. „Es ist ein kleines Knobelrätsel für dich, meine kleine Verhaltensforscherin.“, sagte er. „Nur zu.“, ermunterte ich ihn. „Hältst du es für möglich, dass eine Katze einen Telepathen mag?“ „Wenn die Katze Caruso und der Telepath Shimar heißt.“, grinste ich. „Dann kann ich es mir schon vorstellen.“ „Aber die meisten Forscher sind doch der Meinung, dass Katzen uns nicht mögen.“, sagte der junge Tindaraner. „Weil im Allgemeinen nur mit Katzen und mit Proben von Telepathen aus unserem Universum und aus dem Dunklen Imperium experimentiert wurde.“, gab ich eine mögliche Erklärung ab. „Du meinst, bei tindaranischer Energie ist das anders?“, fragte Shimar. „Zumindest ist belegt, dass es bei deiner Energie und bei Caruso anders ist.“, sagte ich. „Über mehr kann ich nicht urteilen. Da fehlen mir die fundierten Daten.“ „Du könntest das ja mal bei der wissenschaftlichen Abteilung der Sternenflotte anregen.“, grinste Shimar. „Ich wäre gern Versuchskaninchen.“ „Pass auf, was du dir wünscht.“, sagte ich albern und piekte ihm meinen rechten Zeigefinger in den Bauch. „Wenn das hier vorbei ist, schreibe ich denen noch wirklich.“ „Von mir aus.“, sagte er.

„Shimar?“, hörte der Angesprochene die künstliche Stimme des Avatars. „Was gibt es, IDUSA.“, wandte er sich ihr zu. „Wir haben das terranische Sonnensystem schon lange verlassen und ich würde gern auf Warp gehen, wenn Sie und der Allrounder beabsichtigen, noch in diesem Jahr auf Celsius anzukommen.“, erklärte das Schiff. „Selbstredend.“, sagte Shimar. „Also gut.“, sagte IDUSA. „Dann halten Sie sich beide gut fest.“ Sie zündete den Warpantrieb. „Eilig hat sie es ja gar nicht.“, sagte ich mit ironischem Unterton. „Wie kommst du denn darauf?“, fragte Shimar eben so ironisch. „Na ja.“, sagte ich. „Wir haben mindestens Warp acht auf dem Kessel, wenn ich das richtig einschätze.“ „Wenn man dir einen klasse Urlaub verspräche.“, nahm Shimar IDUSA in Schutz. „Dann würdest du sicher auch so schnell wie möglich deinen Urlaubsort erreichen wollen.“ „Das stimmt.“, gab ich zu.

Dass ich IDUSAs Geschwindigkeit ziemlich genau eingeschätzt hatte, ließ Shimar keine Ruhe. „IDUSA, wie schnell sind wir?“, fragte er, ohne sich von ihr die Steuerkonsole, auf der er alles hätte ablesen können, zeigen zu lassen. „Exakt Warp acht.“, sagte das Schiff nüchtern. „Danke.“, meinte Shimar bedient und wendete sich irritiert wieder an mich: „Wie in aller Welt hast du das gemacht? Ich meine, wenn etwas mit den Trägheitsdämpfern nicht stimmt, dann kann das ja gleich mal nachgesehen werden.“ „Ich fürchte, da würden die Techniker ihre Zeit verschwenden.“, sagte ich lächelnd. „Mit denen ist nämlich alles in Ordnung.“ „Aber wie hast du das dann angestellt?“, fragte Shimar. „Ich meine, du kannst keine Anzeigen lesen und wenn du es nicht am Hosenboden gespürt hast, weil etwas mit IDUSAs Ausgleichsfunktionen nicht in Ordnung ist, dann …“ „Knobel mal ruhig noch ein bisschen.“, sagte ich. „Ich habe ja auch dein Rätsel gelöst. Jetzt bist du halt mit meinem dran.“

Shimar setzte sich wieder auf seinen Sitz. Er begann angestrengt nachzudenken. Jetzt war er abgelenkt, das wusste ich. Er würde also nicht merken, dass ich im Begriff war, neben ihn zu schleichen. Dann zog ich leise den zweiten Neurokoppler aus dem Fach an der zweiten Konsole und schloss ihn an. IDUSA registrierte dies sofort und lud auch meine Tabelle. „Was gibt es, Allrounder?“, fragte sie. Kannst du mir sagen, was Shimar gerade denkt?, dachte ich. „Oh, ja.“, sagte das Schiff und stellte genau dieselbe Verbindung zwischen uns dreien her, die Shimar und sie auch damals bei meiner Therapie gegen meine Angst vor Telepathie benutzt hatten. Ich versuchte krampfhaft, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich wusste, auf was für einem Holzweg Shimar mit seinen Gedanken war. Da ich keine trainierte Telepathin war, würde es mir sehr schwer fallen, ja sogar vielleicht für mich unmöglich sein, meine Gefühle zu verbergen. Das Schiff, dem dies offensichtlich klar war, zeigte mir aber im gleichen Moment, in dem mir das klar wurde, irgendein technisches Schema und erklärte: „Dies ist das Schema unserer Dreierverbindung. Ihnen wird auffallen, dass es zwischen Shimar, mir und Ihnen jeweils zwei Balken mit Pfeilen in beide Richtungen gibt, zwischen Shimar und Ihnen aber nur einen mit Pfeil von Ihnen zu ihm, aber nicht von ihm zu Ihnen.“ „Das stimmt, IDUSA.“, sagte ich. „Das ist mir auch schon aufgefallen. Das bedeutet ja, du lässt nicht zu, dass er weiß, was ich denke.“ „Das ist korrekt.“, erwiderte das Schiff. „Natürlich habe ich keinen Einfluss auf seine telepathische Wahrnehmung an sich, aber da ich in der technischen Verbindung das Relais bin, kann ich auch entscheiden, was wer zu sehen bekommt. Um Sie telepathisch wahrzunehmen, ist Shimar im Moment zu abgelenkt.“ „Pfui Spinne!“, grinste ich. „Du kannst ja ganz schön gemein sein.“

Ich hörte einen Seufzer neben mir, der gleichzeitig auf ein hohes Maß an Enttäuschung, aber auch auf Resignation hindeutete. „Ich gebe auf, Kleines.“, sagte Shimar. „Ich werde nie darauf kommen.“ „Welche Sinne habe ich denn zur Verfügung?“, half ich ihm. „Du kannst fühlen, schmecken, riechen und hören.“, sagte er. „Welche Sinne kannst du ausschließen, weil sie definitiv keine Aussage über das Wahrnehmen von Geschwindigkeiten treffen können?“, fragte ich weiter. „Riechen und Schmecken.“, sagte er. „Weil bei IDUSA nichts schmort …“, erklärte er, aber ich unterbrach: „Siehst du? Und das Fühlen haben wir ja auch ausgeschlossen, weil mit IDUSAs Trägheitsdämpfern auch alles in Butter ist. Also, was bleibt dann noch?“ „Das Hören.“, sagte Shimar. „Aber wie?“ „Mach die Augen zu.“, flüsterte ich. „Aber wieso …?“, fragte er. „Du vertraust mir doch.“, setzte ich voraus. „Ja.“, sagte er. „Also.“, sagte ich. „Wenn du mir vertraust, dann machst du jetzt deine verdammten Augen einfach zu!“ „Sie sind zu, Kleines.“, sagte er. „OK.“, entgegnete ich. „Aber nicht schummeln. IDUSA, auf einen vollen Impuls verlangsamen!“ Das Schiff führte meinen Befehl bereitwillig aus. „Und jetzt?“, fragte Shimar. „Jetzt wirst du genau zuhören!“, sagte ich fest und befahl dem Schiff: „IDUSA, geh wieder auf Warp acht! Aber beschleunige erst dann, wenn ich aktivieren sage! Und du zählst laut mit mir, Shimar. Aber zwischen den Zahlen sagst du immer Mississippi.“ „Ich sage was?“, fragte er. „Mississippi.“, wiederholte ich. „Dabei bricht man sich ja die Zunge.“, stellte er fest. „Dann denk es halt nur.“, sagte ich. „Bereit?“ „Na gut.“, sagte er. „Also schön.“, sagte ich und befahl in Richtung Schiff: „Aktivieren, IDUSA!“

Wir hörten das typische Surren des Warpantriebs, das auf den Aufbau des Warpfeldes hinwies. „Eins, Mississippi, zwei, Mississippi, drei, Mississippi, vier, Mississippi.“, zählten wir, Dabei dachte Shimar den Mississippi wie abgesprochen nur. Dann hörten wir den typischen Woush, der uns sagte, das wir auf Warp gegangen waren. Shimar hatte wie vereinbart nur die Zahlen mitgesprochen. „Ich verstehe immer noch nicht.“, sagte Shimar. „Na komm schon.“, sagte ich. „Das nehme ich dir nicht ab! Du bist doch auch Flieger und müsstest wissen, dass der Aufbau eines Warpfeldes länger dauert, je schneller man fliegen will, weil es dann entsprechend stärker sein muss, um den Weltraum stärker falten zu können. Das sind zwar nur Sekunden, aber immerhin. Das Wort Mississippi auszusprechen, dauert eine Sekunde. Das ist ein kinderleichter und uralter Trick. Du könntest auch sagen, ein Mississippi =zwei Warp.“ „Wow.“, staunte er. „Aber was zur Hölle ist Mississippi?“ „Ein Fluss auf der Erde.“, antwortete ich. „Natürlich.“, sagte Shimar. „Mann, Oh, Mann. Dass du keinen Visor brauchst, ist wohl mehr als offensichtlich. Du wärst sicher die einzige Blinde unserer Zeit, die überleben würde, wenn alle Technologie auf einen Schlag ausfiele.“ „Davon kannst du ausgehen!“, sagte ich selbstbewusst, denn ich fühlte mich an meine Zeit als Kadettin erinnert, in der mir mein Flugprofessor etwas Ähnliches bescheinigt hatte. „Du hast Tricks drauf.“, sagte Shimar. „Da schlackert man mit den Ohren und zwar rückwärts.“ „Nun übertreib mal nicht.“, lächelte ich. „Wir sollten jetzt aber machen, dass wir zu Scotty kommen.“ „Soll ich die Steuerkontrolle behalten?“, fragte IDUSA. „Ist wohl besser.“, Entschied Shimar, der angesichts meiner Vorführung wohl ziemlich geplättet war.

Scotty hatte sein Haus verlassen und war auf dem schnellsten Weg in Richtung von Ginallas Kneipe gelaufen. Er wusste, dass seine alte Freundin ihn sicher in dieser Situation nicht im Stich lassen würde. Die junge Celsianerin hatte immer ein offenes Ohr für den älteren Terraner gehabt. Es würde bestimmt in diesem Fall nicht anders sein.

Er betrat die Bar. Hier erinnerte alles immer noch sehr an die tindaranische Einrichtung, die Ginalla wohl im Wesentlichen von Kibar übernommen haben musste, wie Scotty jetzt auch feststellte. Da ja die ganze Sache mit Clytus und der Eroberung des Föderationsuniversums im Prinzip nie stattgefunden hatte, konnte sich Scotty ja nicht daran erinnern, was Ginalla dort für eine tragende Rolle gespielt hatte. Ich hatte, da ich die Einzige war, die sich erinnerte, ihm zwar davon erzählt, aber auch er wusste als ausgebildeter Sternenflottenoffizier, dass er über Details fein den Mund zu halten hatte. Er kannte aber auch Ginalla und ihre Lust auf Abenteuer. Sicher würde sie gern wieder mitmachen, wenn er ihr jetzt von dem neuen Problem erzählen würde. Verschweigen konnte er es nicht, denn spätestens dann, wenn Shimar und ich auftauchten, würde es Fragen geben.

In der Mitte des Gastraums war Scotty stehen geblieben. Die Einrichtung kannte er eigentlich. Nur war ihm aufgefallen, dass Ginalla wohl einige Veränderungen anbringen lassen hatte. Rechts neben dem Tresen führte nämlich eine Tür ins Unbekannte. Scotty fragte sich, was das wohl wieder werden würde. Er wusste, dass sie kleine Geheimnisse sehr mochte. Ob sie ihn in dieses einweihen würde, müsste sich noch herausstellen. Aber auch er hatte ja ein Geheimnis, das die anderen Gäste nicht unbedingt mithören sollten.

Er setzte sich auf eines der zylindrischen Sitzkissen vor einem der Tische und tat, als wolle er das Angebot des Tischreplikators studieren. Einer von Ginallas Angestellten, ein Bajoraner von kleinem Wuchs und kräftiger Statur mit kurzen roten Haaren, wurde auf ihn aufmerksam. Er ging auf Scottys Tisch zu und stellte sich rechts neben den nervösen Terraner. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte seine junge leise Stimme freundlich. „Is’ die Chefin da?“, fragte Scotty. „Mrs. Ginalla ist leider zur Zeit nicht abkömmlich.“, sagte der bajoranische Kellner. „Aber vielleicht darf ich Ihnen die Bedienung des Replikators näher bringen?“ „Um den albernen Replikator geht es nich’.“, flapste Scotty. „Das kann ich schon, seit ich drei Jahre alt war. Bitte, Mister! Ich brauch’ die Chefin! Es is’ privat!“

Ein Schatten war hinter dem Tresen aufgetaucht. DA Scotty ungünstig saß, konnte er leider nicht sehen, wer diesen geworfen hatte. Aber auch die Werferin des Schattens musste ihn gesehen haben, denn im nächsten Augenblick tönte ein gellender Schrei durch die ganze Kneipe: „Scotty!“ Dann wuselte jemand hinter dem Tresen hervor und setzte sich mit raschelnder Kleidung zu ihm an den Tisch. Sie drehte sich zu dem Bajoraner um und flapste ihm noch eine Anweisung zu: „Da drüben an Tisch drei sitzt ’ne ganze Busladung vulkanischer Touristen. Kümmer’ dich!“ Er nickte und schlurfte irritiert davon.

Erst jetzt sah Scotty die Frau im weißen Sommerkleid genauer an. Ihre graublauen Augen in Herzform erinnerten ihn an jemanden, aber ihre Haarfarbe musste sie verändert haben. Sie erinnerte jetzt eher an Kastanientöne. Die Statur der Frau erinnerte ihn ebenfalls an seine Freundin Ginalla, aber immer noch konnte er sich nicht vorstellen, dass sie es wirklich war. Lange Zeit war er nicht in ihrer Bar gewesen und hatte sie auch länger nicht gesehen. Jetzt umarmte die Fremde ihn auch noch und sagte: „Welch Glanz in meiner Hütte! Mann, Scotty, ich kann’s ja gar nich’ fassen, dass du mich hier mal aufsuchst.“ Die freche kesse Stimme belehrte Scotty jetzt doch darüber, dass es sich nur um Ginalla handeln konnte. „Du hast dich verändert, Gin’.“, stellte er fest. „Ach was.“, wischte sie seine Äußerung weg. „Nur ’n neuer Look, ’ne neue Fassade. Aber dahinter steckt immer noch die alte Ginalla. Also, was führt dich zu mir?“ „Nich’ hier.“, flüsterte Scotty ihr leise, aber bestimmt zu. „Ich kann hier nich’ reden. Ich habe Schwierigkeiten! Hast du ’ne Minute im Hinterzimmer?“ „Oh, Backe!“, schnippte Ginalla zurück. „Du lässt aber auch wirklich nichts anbrennen, kleiner Schäker, was? Na dann komm mal mit. Dann wird die gute Gin’ mal gucken, ob sie deine Schwierigkeiten kuriert kriegt.“

Sie stand auf und winkte ihm lächelnd. Im Vorbeigehen warf sie einem ihrer Angestellten noch einen Blick zu und zeigte auf den Tresen. Der Platonier, der gemeint war, wusste, was das bedeutete und stellte sich hinter ebendiesen.

Scotty und Ginalla hatten den Gastraum über eine Seitentür verlassen und waren einem Gang gefolgt, der sie in ein kleines Zimmer führte, das mit einem warmen Teppich ausgelegt war. In der Mitte des an Wenden und Teppich Ton in Ton gehaltenen blauen Zimmerchens stand ein kleiner Tisch mit zwei Sofas, die jeweils zwei Sitze hatten. „Das is’ an sich unser Pausenraum.“, sagte Ginalla. „Aber für so prominente Gäste wie dich machen wir mal eine Ausnahme.“

Sie deutete auf eines der Sofas und Scotty setzte sich erleichtert in die blauen Kissen. Sie lief einmal um den Tisch und setzte sich dann auf das zweite Sofa, das in einem ungefähren 45-Grad-Winkel zu dem Ersten stand. Vorher aber hatte sie auf ihrem Weg noch aus einer kleinen Vitrine zwei Gläser und eine Flasche geholt. Dies stellte sie jetzt auf dem runden blauen Tisch ab, entkorkte die Flasche und goss von ihrem Inhalt großzügig in die beiden bauchigen weißen Gläser ein. Dann schob sie Scotty eines mit den Worten: „Vorsicht, randvoll! Du weißt ja, bei mir gibt’s keine halben Sachen.“, hin. Neugierig beschnupperte und beäugte Scotty den Inhalt. Von der Farbe erinnerte das Getränk ihn stark an Whisky, aber es hatte doch eher eine buttrige Duftnote. „Was für’n Gebräu is’ das, Gin’.“, fragte der verwirrte Terraner. „Die Übersetzung des demetanischen Originalnamens lautet Zungenwecker.“, sagte Ginalla. „So werde ich es auch auf der Karte auszeichnen, wenn es bei meinem Versuchskaninchen hier gut ankommt. Es ist auf der Basis der Milch von irgendeinem demetanischen Haustier. Frag mich jetzt bitte nich’. Ich muss noch mal gucken. Aber Alkohol is’ keiner drin, obwohl man das vom Geschmack her glauben könnte.“ „Na dann.“, sagte Scotty und beugte sich zu seinem Glas: „Ich hoffe, du hast ’ne gute Versicherung, falls das hier gesundheitlich in die Hose geht.“

Der erste Schluck weckte in Scotty wahrhaft heimatliche Gefühle. Er schmeckte den gleichen malzigen Geschmack, den er auch von gutem alten schottischem Whisky kannte. Nur war dies hier etwas dickflüssiger. Bevor er den zweiten Schluck nahm, beobachtete Ginalla, wie seine Zunge rund um seinen Mund ihre Bahnen zog. „Jetzt weißt du, warum die Demetaner es so nennen.“, sagte sie. „Aber genau.“, sagte Scotty, nachdem er seine wild gewordene Zunge wieder eingefangen hatte. „Aber nun sollte ich dir endlich sagen, warum ich hier bin. Ich brauch’ ’n Zimmer für meine Frau, ihren Hausfreund und mich.“ „Da bist du hier goldrichtig.“, grinste Ginalla. „Aber was is’ daran so geheim? Ich würde mich freuen, wenn Shimar, die alte Miefsocke und Betsy hier aufschlagen.“ „Ich weiß nich’ viel.“, sagte Scotty. „Es scheint nur wieder um Sytania zu gehen. Shimars Übermittlung war irgendwie nich’ ganz eindeutig.“ „Sytania?!“, fragte Ginalla mit leicht angeekeltem Ton. „Also, dass ich dich bei Problemen mit der Frau nich’ allein lasse, kannst du dir ja wohl denken. Ginalla macht wieder mit. Da kannst du gepflegt einen drauf lassen! Oder von mir aus auch zwei bis zehn!“

Scottys Selbstkontrolle hatte sich zu Ungunsten seiner hinteren auf seine vorderen Körperöffnungen verteilt, was zur Folge hatte, dass es, als er aufstand, ein Geräusch gab, was man allenfalls mit Krachern in der Silvesternacht verbinden würde. Ihre Äußerung musste ihn total aus dem Konzept gebracht haben. „Ups, ein Pups.“, scherzte Ginalla. „Wohl eher zwei bis zehn.“, sagte Scotty verschämt. „Sorry, Ginalla. Aber du kannst einen manchmal so erschrecken, dass man total die Beherrschung verliert. Mit Sytania is’ es nich’ einfach und du …“ „Die dumme Zivilistin bin ich schon lange nich’ mehr!“, sagte Ginalla selbstbewusst. „Also, entweder, du spuckst aus, oder ihr verbringt die folgenden Nächte auf der Straße!“ „Also gut.“, lenkte Scotty ein. Er wusste, dass es ihr durchaus ernst war. Dann berichtete er ihr alles, was er von Shimar erfahren hatte.

Tchey steuerte Rescue One auf dem schnellstmöglichen Kurs zum Mars. Kelly hatte sie und D/4, die auf ihrem Pager eine kurze Information abgelesen hatte, kurz über die Situation informiert. Sedrin hatte sich sofort von Tchey mit dem Chief-Agent verbinden lassen, um sich von ihr das OK für die Leitung des Einsatzes zu holen. „Sind Sie sicher, dass es sich bei dem Angreifer um Sytania handelt, Sedrin?“, fragte die lockenköpfige Halbklingonin. „Ja, Tamara.“, sagte Sedrin ruhig. „Die Indizien sprechen eine eindeutige Sprache. Die wirklichen Beweise werden wir zwar noch erbringen müssen, aber ich denke, es wird alles darauf hinauslaufen.“ „Ich hoffe, Sie wissen, was Sie da tun!“, sagte Tamara und Sedrin hatte fast den Eindruck, sie hätte vor etwas Angst. Das war etwas, das die Demetanerin sonst noch nie bei ihrer Vorgesetzten bemerkt hatte. Sicher hatte Tamara damit Recht, dass man Sytania nicht so einfach eines Verbrechens beschuldigen konnte, ohne Beweise zu haben. Obwohl sie Staatsfeind Nummer eins war, hätte sie dann jedes Recht, der Föderation den Krieg zu erklären und was das für Konsequenzen haben würde, wusste die umsichtige Agentin genau. Also hatte auch Sytania ein Recht auf ein ordentliches Ermittlungsverfahren. Aber Tamaras Äußerung war nicht nur von vernünftigen Überlegungen geprägt, das hatte Sedrin durchaus mitbekommen. „Wenn Sie Angst haben, Tamara.“, begann sie. „Dann versichere ich Ihnen, dass es dazu keine Veranlassung gibt. Wir werden schon herausbekommen, wer hier wirklich am Werk war. Ich weiß, dass die Presse bereits ihr Urteil gefällt hat, aber die treffen ja Mutter Schicksal sei Dank keine politischen Entscheidungen.“ „Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann, Sedrin.“, sagte die Chefagentin. „Sie sind unsere beste Frau für den Job, wenn es darum geht, Sytania zu überführen. Sie haben die Leitung bei diesem Einsatz!“ Damit beendete sie die Verbindung.

Die reptiloide Pilotin hatte den Kopf gedreht. „Tut mir leid, wenn ich gelauscht habe, Agent.“, sagte Tchey. „Aber irgendwie klingt Tamara heute so zaghaft.“ „Das ist mir auch aufgefallen!“, zischte Sedrin ihr zu. „Aber ich wäre Ihnen verdammt dankbar, wenn Sie das nicht an die große Glocke hängen würden.“ „Ja, ja.“, erwiderte Tchey und wandte sich wieder ihrem Flugmonitor zu. „Machen Sie mir eine Sammelverbindung mit allen Shuttles!“, befahl Sedrin. Tchey nickte und führte den Befehl aus. Dann informierte Sedrin alle darüber, dass sie den Einsatz leiten würde.

Einen halben Kilometer von der Siedlung entfernt landete Tchey das Rettungsshuttle und der Pilot von Rescue Two tat es ihr daneben gleich. Auch die Shuttles des Geheimdienstes landeten. Alle verließen die Schiffe und stellten sich um Sedrin herum, die dozierte: „Wir kennen alle die Situation nicht, Ladies und Gentlemen! Das bedeutet, es sind einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten! Halten Sie zueinander unbedingt Sprechkontakt! Niemand geht allein! Die Teams der geheimdienstlichen Shuttles bleiben zusammen, bis auf das von Jacksons Schiff! Sie nehmen den Mediziner von Rescue Two mit! Aber dafür bleibt Jefferson beim Schiff, genau wie Tchey! Es ist möglich, dass wir überlebende Patienten schnell abtransportieren müssen! Deshalb halte ich es für besser, wenn die Piloten bei den Rettungsschiffen bleiben! Halten Sie auf jeden Fall Ihre Rosannium-Waffen einsatzbereit! Wir wissen nicht, ob sich der Angreifer noch hier befindet! Ansonsten halten Sie die Augen und Ohren offen und lassen Sie die Erfasser einige hübsche Bilder machen! Man weiß nie, was einem so für Hinweise begegnen! D/4, Sie kommen mit mir! Hat noch jemand eine Frage?!“ Tchey hob die Hand. „Ja.“, sagte Sedrin und drehte sich in ihre Richtung. „Ich bin ausgebildete Sternenflottenoffizierin!“, protestierte Tchey gegen die Order, beim Schiff zu bleiben. „Mag sein!“, schnippte Sedrin zurück. „Aber Jefferson ist das nicht. Aber wenn Sie bei ihm bleiben, um so besser. Als ausgebildete Offizierin haben Sie sicher nichts dagegen, auf einen armen unschuldigen Zivilisten zu achten. War das alles?“ Tchey nickte missmutig. Sie konnte an Sedrins Blick durchaus ablesen, dass es ihr ernst war und dass sie über ihre Anweisungen nicht mit sich reden ließ. „Na dann, ausschwärmen!“, befahl Sedrin, schnappte sich D/4 und wählte eine Richtung, in die sie mit ihr verschwand.

Jefferson und Tchey waren bei den Schiffen zurückgeblieben und die Reptiloide lehnte sich jetzt lässig an die Wand ihres Fluggerätes. Sie konnte noch immer nicht verstehen, warum Sedrin sie nicht hatte mitgehen lassen wollen. Im gleichen Moment hörte sie eine rauchige leise Stimme neben sich: „Hi, Kollegin. Endlich lernen wir uns mal kennen.“ Sie blickte nach rechts, in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und erkannte einen leicht untersetzten älteren Terraner mit schwarzem Schnurrbart, ebensolchen Haaren und irischem Akzent, der neben ihr stand und ebenfalls eine Fliegerkluft, wie sie an Bord eines zivilen Rettungsshuttles üblich war, trug. „Patric Jefferson.“, stellte er sich vor. „Tchey Neran-Jelquist.“, erwiderte sie gelangweilt. „Sie sind eine ziemliche Berühmtheit.“, stellte Jefferson fest. „So, bin ich das?“, untertrieb Tchey. „Natürlich.“, meinte ihr Gegenüber. „Sie waren auf der Scientiffica und haben den Commander dabei unterstützt, den Diebstahl eines Sternenflottenschiffes auf perfide Weise aufzuklären. Außerdem haben Sie auch noch bei diversen anderen Gelegenheiten Ihre Finger im Spiel gehabt, hörte ich.“ „Wo Tchey ist, steigt die Party, wo Tchey ist, brennt die Luft. Und steigt sie in die Kiste, dann ruft die ganze Gruft: …“ begann Tchey, wurde aber gleich darauf von Jefferson unterbrochen: „Tchey!“ „Genau.“, sagte sie cool. „Woher weißt du, wie der Spruch weiter geht?“ „Das meine ich doch gar nicht.“, sagte Jefferson und klang dabei fast etwas ängstlich. „Ich will doch nur, dass du dich mal umdrehst.“ In Tcheys Ohren hatte er schon fast etwas panisch geklungen. Deshalb sagte sie nur: „Dann lass mal sehen, warum du dir fast ins Höschen pullerst.“, und drehte sich lässig im Schneckentempo um die eigene Achse. Dann sah sie in ein Paar großer grüner Augen, die sie lieb anzwinkerten. Im nächsten Augenblick kam die Besitzerin dieser Augen langsam und schnurrend hinter einem Busch hervor. Yara musste die Ankunft der Schiffe beobachtet haben. Außerdem musste sie gelernt haben, dass aus großen brummenden fliegenden Höhlen zumeist Hilfe zu erwarten war. „Na, Mieze!“, begrüßte Tchey die demetanische Wollkatze freundlich. Jefferson, der noch immer große Angst zu haben schien, versteckte sich hinter dem Schiff.

Yara drückte ihren großen Kopf an Tcheys rechtes Bein und schnurrte laut auf. Tchey fiel sofort auf, dass sie ein Halsband trug. „Du gehörst wohl zu jemandem.“, vermutete sie. „Na, wenn derjenige dem Angriff zum Opfer gefallen ist, dann war es schon ganz OK von dir, wegzulaufen. Ansonsten hätte Sytania dich wohl auch noch gekillt. Wo war denn dein Zuhause, he? Komm, zeig mal!“

Als hätte Yara Tcheys Aufforderung wortwörtlich verstanden, hob sie ihren Schwanz, drehte sich um und schlich in mittlerem Tempo voran. Tchey machte Anstalten, ihr zu folgen. „Du weißt, was Sedrin gesagt hat!“, rief ihr Jefferson noch hinterher. „Steig in dein Schiff!“, erwiderte sie. „Da bist du sicher, du alter Hosenscheißer!“ Dann lief sie hinter Yara her, die sie in Loranas Haus führte.

Das Erste, dem Tchey hier ansichtig wurde, war Loranas Leiche. „O je.“, sagte sie zu Yara und strich ihr mitleidig über den Kopf. „Dein Frauchen, was? Na ja. Lass mich sie mal scannen, dann wissen wir sicher bald mehr.“ Damit zog sie einen Erfasser aus der Tasche und richtete ihn auf die Tote. Das Gerät zeigte ihr Werte, die sie zuerst nicht wirklich einordnen konnte. Teilweise waren sie terranisch aber sie konnten auch von einem telepathischen Wesen stammen, was einen Terraner aber eigentlich als Täter ausschloss. Tchey schob die Ungenauigkeit zunächst auf die lange Zeit, die der Körper ohne Stasekammer hier gelegen haben musste. Was sie gesehen hatte, musste an der Verfallsrate liegen. Sie hatte zwar gehört, dass es ab und zu mal eine Mutation in den Genen auch bei Terranern gegeben hatte, die auch Telepathen hervorbrachte, aber die lernten doch bei Zeiten, mit ihren Fähigkeiten umzugehen und so einer hätte Sytania sicher erkannt und ihr was gehustet, wenn sie versucht hätte, ihn als Marionette zu benutzen. Die Werte waren auch alle nicht eindeutig! Hier stimmte etwas nicht, da war sie sich sicher und wenn dieses Haustier die einzige Zeugin war, dann musste eine Möglichkeit gefunden werden, mit ihr zu kommunizieren, um ihr sozusagen eine Aussage zu entlocken. Tchey fragte sich nur, wie sie ihr beibringen sollte, dass es unerlässlich war, mit ihr zu kommen und sich für eine Weile in den dunklen und stickigen Frachtraum des Schiffes sperren zu lassen.

Ihr Blick war auf den Replikator gefallen. Wenn das Ding noch Energie hatte, konnte es möglich sein, mit ihm eine kleine Bestechung für Mieze, wie Tchey Yara in Unkenntnis ihres wirklichen Namens nannte, zu besorgen. Tatsächlich ließ der Druck auf die Menütaste das Display aufleuchten. „Na bitte.“, sagte Tchey erleichtert. Dann programmierte sie ein dickes Putenschnitzel, welches ihr das Gerät bereitwillig entgegenspuckte. Sie nahm es in die Hand und riss es in mehrere Brocken, die sie auf dem Weg zwischen dem Haus und dem Schiff verteilte. Schmatzend, weil fressend, folgte Yara der Spur.

Den letzten Brocken aber hob Tchey auf, um ihn im nächsten Moment durch die weit geöffnete Tür des Frachtraums von Rescue One zu werfen. Vorher hatte sie per Sprechgerät und Datenverbindung mit dem Rechner des Schiffes Kontakt aufgenommen, um ihm ebendiesen Befehl zu übermitteln. Yara witschte an ihr vorbei, setzte sich vor das Stück Fleisch, verleibte es sich in aller Ruhe ein, leckte ihre Schnauze, legte sich hin, rollte sich schnurrend auf dem Boden des Frachtraums zusammen und schloss die Augen, eine Reaktion, mit der Tchey nicht im Geringsten gerechnet hatte und die sie sehr verblüffte. „Du bist ja richtig nett zu mir, Mieze.“, lobte sie. „Ich hätte mit mehr Gegenwehr gerechnet. Aber vielleicht fliegst du ja gern, oder du vertraust mir einfach.“ Dann wandte sie sich lässig an den Rechner: „Computer, Tür zu.“ Die Luke des Frachtraums schnappte ins Schloss. Aber selbst das störte Yara nicht. Sie war schnurrend eingeschlafen.

Erleichtert hatte Tchey sich zurück zur Tür des Cockpits begeben und sich dort wieder angelehnt. Außerdem machte sie das unschuldigste Gesicht der Welt. „Kannst du mir mal verraten, was du da gerade gemacht hast?“, fragte Patric. „Ich habe nur eine Zeugin eingeladen.“, meinte Tchey flapsig. „Was für eine Zeugin.“, wollte Jefferson wissen. „Doch nicht etwa dieses Raubtier!“ „Oh, doch, genau das.“, grinste Tchey. „Immerhin ist sie eine wichtige Zeugin.“ „Na, der Agent wird sich freuen.“, sagte Jefferson seufzend. Insgeheim hoffte er wohl, dass Sedrin Tchey bei der Rückkehr für ihr unerlaubtes Verhalten die Leviten lesen würde.

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