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Ginalla hatte Radcliffes zu ihren Zimmern in der vierten Etage geführt. Zuerst hatte sie Nayale und Malcolm das Ihre gezeigt, da die besorgte Mutter darauf bestanden hatte, den völlig übermüdeten Jungen so bald wie möglich in sein Bett bringen zu können. In dem Zimmer stand an der hinteren Wand ein Bett mit normalen Ausmaßen für Erwachsene. Daneben befand sich eines, das durchaus für ein Kind in Malcolms Alter geeignet war. Es war erheblich niedriger mit seinen 20 cm Höhe vom Boden aus gemessen. Außerdem war es keine zwei Meter, sondern nur 1,60 m lang. Die Breite betrug statt 90 nur 60 cm. Das Kissen stellte einen weichen Plüschhundekopf mit Schlappohren dar. Auch die Decke war in Felloptik gehalten. „Ui, is’ das weich.“, staunte Malcolm und strich liebevoll über das Bettzeug. „Da wirst du dann ja um so besser schlafen können, kleiner Matz.“, lächelte Ginalla, hob ihn auf die Matratze und deckte ihn zu. „Danke, Tante Ginalla.“, lächelte Malcolm und war auf der Stelle eingeschlafen.

Nayale sah sich weiter im Zimmer um. Neben ihrem normal mit einem dekorativen Blumenmuster verzierten Bett befand sich der Nachttisch, auf dem sich eine kleine Lampe befand, die mit ihren zwei Bäuchen als Schirm irgendwie an einen Schneemann erinnerte. Der hatte den Schalter auf dem Bauch und seine Augen waren die Leuchtkörper. Auch einen Schreibtisch und das übliche Rechner- und Sprechanlagenterminal gab es. „Ich werde jetzt Ihren Mann in sein Zimmer bringen.“, flüsterte Ginalla und drehte sich von der ihr noch zunickenden Nayale fort.

Das Zimmer, in das sie Mr. Radcliffe brachte, unterschied sich nicht sehr von einer normalen Einrichtung in anderen Zimmern auch. Es gab die in ihrer Kneipe übliche Bebilderung an den Wänden und auch den Schreibtisch, ein schlicht bezogenes Einzelbett mit normalen Maßen und die schon erwähnte Technik. „Is’ alles zu ihrer Zufriedenheit?“, fragte sie. „Noch nicht ganz.“, antwortete Mr. Radcliffe. „Was kann ich denn noch für Sie tun?“, wollte Ginalla wissen. „Sie sollten viel eher fragen, was ich noch für Sie tun kann.“, antwortete Radcliffe. Die junge Celsianerin sah ihn verwirrt an. „Ich kann mir denken, dass Sie es nicht verstehen.“, sagte Radcliffe. „Wie sollten Sie auch? Aber auch Sie tragen die Erbsünde in sich, weil Sie Bürgerin der Föderation der vereinten Planeten sind.“

Ginalla schien zu ahnen, wohin das führen würde, aber sie wollte sich nichts anmerken lassen. Deshalb spielte sie weiterhin das Dummchen. „Ich kann mir beim besten Willen nich’ erklären, was Sie meinen.“, sagte sie. „Das werden Sie wissen, wenn ich Sie rein gewaschen habe.“, sagte Radcliffe. „Allerdings bin ich dabei auf ihre Freiwilligkeit angewiesen.“ „Aha.“, sagte Ginalla. „Aber dann muss ich doch wohl zumindest wissen, um was für ’ne Erbsünde es hier geht, nich’?“ „Vor 800 Jahren.“, sagte Radcliffe. „Ist etwas Ungeheuerliches geschehen! Ein Offizier der Sternenflotte hat Gesandte der Romulaner ermorden lassen wollen und es den damaligen Kriegsgegnern in die Schuhe geschoben, um sich eine Allianz mit den Romulanern zu erschleichen. Seither tragen alle Generationen, die danach gekommen sind, diese Blutschuld in sich.“ „Verstehe.“, täuschte Ginalla Bereitschaft vor, seine Reinwaschung über sich ergehen lassen zu wollen. „Alle tragen diese Schuld, weil sie Bürger der Föderation sind.“ „Genau.“, sagte Nathaniel. „Aber ich bin auserwählt, sie von Ihnen zu nehmen. Niemand Geringeres, als die Propheten von Bajor, hat mich auserwählt.“ „Na dann.“, sagte Ginalla und setzte sich auf sein Bett. „Was muss ich tun?“, fragte sie. „Bleiben Sie genau so sitzen.“, sagte Radcliffe und näherte sich ihr langsam. Im gleichen Moment aber streckte sie blitzschnell ihr rechtes Bein aus, was zur Folge hatte, dass ihre Schuhspitze Radcliffes linken Hoden traf, denn er stand ihr genau gegenüber. Dann geschah das Gleiche mit der linken Schuhspitze auf der anderen Seite. Als ob das noch nicht genug war, zog Ginalla ihm, der in gebückter Haltung vor ihr kauerte, noch die neben ihr auf dem Nachttisch stehende Lampe mit einem Kampfschrei über den Schädel, der selbst einen japanischen Karatemeister hätte neidisch werden lassen. Dann schob sie den Gebeutelten noch mit einem Fußtritt in die Mitte des Raumes, stand vom Bett auf und schloss mit ihrer Stimmgenehmigung, die wie ein Generalschlüssel wirkte, die Zimmertür von außen ab, nachdem sie den Raum verlassen hatte.

Shimar hatte von mir abgelassen und Scotty und er lagen jetzt rechts und links neben mir. „Eines würde mich interessieren.“, fragte mein Freund. „Woher hast du dieses Bild, Kleines? Ich meine, wenn ich reiten könnte, wüsste ich das ja sicher und wann waren wir schon einmal im dunklen Imperium unterwegs?“ „Oh.“, redete ich mich heraus. „Da war wohl eher der Wunsch der Vater des Gedanken.“ „Und deine Fantasie seine Mutter.“, sagte Shimar und küsste mich. „Aber es hat sich für mich so angefühlt, als hättest du es wirklich schon einmal erlebt.“ „Na ja.“, sagte ich. „Ich habe eben eine ziemlich rege Fantasie.“ „Das kann ich mir denken, Darling.“, mischte sich Scotty in die Unterhaltung ein. „Aber mir is’ alles recht, was dich von deiner Angst kuriert. Willst du ’ne Hand? Ich mein’, Shimar und ich hätten glaub’ ich gerade jeweils eine übrig.“ „OK.“, sagte ich und Scotty steckte mir seine rechte und Shimar mir seine linke Hand in die Meine. So lagen wir einfach nur eine Weile lang da.

„Warum hast du eigentlich mit der Behandlung so plötzlich aufgehört?“, wollte Scotty von Shimar wissen. „Meine Konzentration hat nachgelassen.“, sagte er. „Wenn das passiert, dann verfliegt der Effekt. Außerdem haben wir erreicht, was wir für heute erreichen wollten.“ „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Scotty. „Woher weißt du denn das?“, fragte Shimar. „Dazu muss man kein Telepath sein.“, antwortete der Schotte. „Man braucht nur ein gutes Gehör.“ „Wieso?“, mischte ich mich ein. „Weil du so was Ähnliches gemacht hast wie Schnurren, du kleine liebe Miezekatze.“, scherzte Scotty. „Was?!“, lachte ich. „Oh, ja.“, bestätigte Shimar und ließ mich telepathisch noch einmal hören, was für Laute ich von mir gegeben hatte. Die kleine Pause musste seiner mentalen Verfassung bereits sehr gut getan haben. „Ups.“, machte ich verschämt. „Das muss dir nicht unangenehm sein, Kleines.“, tröstete Shimar. „Dadurch wussten wir alle beide zumindest, dass wir auf dem richtigen Weg waren.“ „Zumindest war das für mich ’ne Bestätigung.“, sagte Scotty. „Wir Nicht-Telepathen benötigen ja in der Hinsicht ’n Wink mit dem Gartenzaun.“ „Ach.“, machte Shimar. „Dass du dein Licht immer so unter den Scheffel stellen musst.“ „Aber es stimmt doch.“, wehrte sich Scotty. „Im Gegensatz zu dir bin ich doch ein unsensibler Klotz.“ „Das meinst du doch jetzt wohl hoffentlich nicht ernst.“, empörte sich Shimar, verstummte aber gleich wieder, denn er hatte meinen alarmierten Blick gesehen. „Was ist, Kleines?“, fragte er. „Ich weiß nicht.“, sagte ich. „Da waren Geräusche. Ich glaube sogar, dass ich Ginallas Stimme erkannt habe. Sie hat geschrieen. Bitte, irgendwas stimmt da nicht.“ „Wir werden mal nachsehen!“, sagte Scotty fest und warf Shimar einen auffordernden Blick zu. Beide standen vom Bett auf und verließen schnell das Zimmer. Ich stand ebenfalls auf und begab mich zur Sprechanlage, um im Notfall einen Notruf absetzen zu können. Als ausgebildete Kommunikationsoffizierin war mir das entsprechende Vorgehen nicht fremd. Auch wo sich die dafür notwendige Taste befand, wusste ich, da die Sprechgeräte alle genormt waren. Ich hoffte nur, dass Shimar mir telepathisch Bescheid geben würde, ob dies nötig war. Sonst würde ich hier wohl noch ewig mit dem Mikrofon in der linken Hand und dem rechten Zeigefinger auf der Taste sitzen.

Meine beiden Männer hatten den Flur betreten und standen nun vor einer über beide Ohren grinsenden Ginalla. „Ihr kommt viel zu spät, Jungs.“, sagte sie ruhig. „Ich hab’ mir schon selbst geholfen. Kann mich ganz gut allein wehren, wie es aussieht.“ „Was ist denn passiert, Ginalla?“, fragte Shimar fürsorglich. „Ach.“, sagte die junge Celsianerin mit einem verächtlichen Blick auf die Zimmertür von Mr. Radcliffe. „Da wohnt jemand, der mir weiß machen wollte, es gebe ’n Grund, mich von innen zu waschen, oder so. Aber Ginalla, die war fit! Sie trat ihm in den Schritt und traf dabei, oh, weih, wohl voll sein linkes Ei. Und gleich darauf, so ’n Pech, geschah das Gleiche rechts! Schade um meine neuen Schuhe und um die schöne Nachttischlampe, die ich auf seinem Schädel zerdeppern musste, aber diese widerliche Kellerassel wollte mir an die Wäsche und an die geistige Gesundheit!“ Sie hielt die Reste der Lampe hoch, die sie mitgenommen hatte. „Komm, gib her, Ginalla.“, sagte Scotty. „Die werde ich reparieren! Dann is’ sie wieder wie neu.“ „Danke, Scotty, du Teufelsbastler.“, scherzte Ginalla und gab ihm die Einzelteile. Soweit es möglich war, verstaute er sie in seinen Taschen.

Etwas störte Shimar an der Angelegenheit gewaltig! Was wusste Ginalla und vor allem, warum wusste sie überhaupt etwas? Für ihn war sie immer noch nichts weiter als eine Zivilistin, die bestimmte Dinge am besten gar nicht wissen sollte. Aber anscheinend wusste sie mehr, als ihm unter den gegebenen Umständen lieb sein konnte. Auch er hatte die telepathische Wahrnehmung wieder erkannt, die er auf Khitomer gehabt hatte. Sie kam zweifelsfrei von hinter dieser Tür, auf die sie gerade gedeutet hatte. Aber wer konnte sie entsprechend informiert haben? Wer wusste genug von der …?

So leid es ihm tat, aber dafür kam nur einer in Frage. Und die Tatsache, dass er ihr offensichtlich trotz seiner militärischen Ausbildung geheime Informationen zukommen lassen hatte, machte ihn sehr wütend. Scotty war viel älter und ein Offizier mit viel mehr Erfahrung als er. Aber nun war offensichtlich er es, der ihm sagen musste, dass dies so nicht ging. Er, der gerade mal in einem Alter war, in dem zu früheren Zeiten, als es noch eine andere Struktur bei der Sternenflotte gab, allenfalls als Fähnrich durchgegangen wäre und noch als sehr grün hinter den Ohren gegolten hatte. Wie konnte Scotty zulassen, dass eine arme Zivilistin Informationen ausgesetzt wurde, die ihr unter Umständen jede Nacht den Schlaf rauben würden und sie vielleicht sogar vor Angst in den Selbstmord treiben könnten. Oder, noch viel schlimmer, es konnte dazu kommen, dass diese Zivilistin aus Angst die Informationen noch an andere weitergab und dann könnte es zu einer Massenpanik kommen. Zumindest waren dies Szenarien, die ihm auf der tindaranischen Akademie beigebracht worden waren. Aber all dies wurde doch sicher auch auf der Akademie der Sternenflotte gelehrt und Scotty musste es doch wissen! Wie hatte er dies zulassen können?!

Shimars Wut wurde so groß, dass er beschloss, Scotty einen Denkzettel zu verpassen. Mein Mann bemerkte nur noch, dass er in Richtung Decke schwebte und dort anstieß, um im nächsten Moment kleben zu bleiben. „Hey, was soll das?!“, rief Scotty. „Lass mich gefälligst wieder runter, du verrückter Telekinetiker du!“ Ginalla, die alles mit ansah, musste laut lachen. „Das werde ich erst dann tun!“, sagte Shimar mit Nachdruck in der Stimme. „Wenn du mir verrätst, welcher Teufel dir eingeflüstert hat, Ginalla über die Sache mit dem Professor zu informieren! Sie ist Zivilistin, verdammt! Du weißt doch wohl viel besser als ich, dass man so jemanden nicht über derart gefährliche Dinge informiert! Du dürftest dir ja wohl denken können, wohin das führen kann! Wieso hast du es ihr gesagt? Wolltest du eine Massenpanik auf Celsius provozieren?! Was habt ihr für ’n verdammten Deal?! Was ist das für ’ne Nummer, Scotty?!“

Mein Mann schwieg eisern. „Na gut!“, sagte Shimar. „Es liegt bei dir! Wenn du hier runter willst, dann brauchst du nur zu reden! Ansonsten lasse ich dich da oben verhungern!“ „Ich bin mal gespannt, wie lange du das durchhältst.“, sagte Scotty. „Irgendwann wird deine Konzentration nachlassen.“ „Aber das ist wohl nicht sehr bald!“, ließ Shimar seine mentalen Muskeln spielen. „Ich bin überzeugt, vorher steigt dir das Blut in den Kopf und das ist dir so unangenehm, dass du freiwillig redest!“

Ginalla wurde die ganze Situation langsam peinlich. Dazu gehörte bei ihr, die bei so etwas ja eigentlich als komplett schmerzfrei galt, zwar schon einiges, aber der ganze Wirbel um ihre Person war ihr sichtlich unangenehm, zumal jetzt auch noch ein guter Freund von ihr in einer unglücklichen Situation war und das nur, weil ein anderer Freund sie ziemlich unterschätzt hatte. Ihr war klar, dass sie hier nichts machen konnte, denn Shimar würde in seinem Eifer, sie, die arme Zivilistin, vor der bösen Welt da draußen schützen zu wollen, ihr nicht glauben, wenn sie ihm versichern würde, schon mit der Information zurechtzukommen. Das müsste schon jemand tun, der eine ähnliche Ausbildung wie Shimar selbst aufweisen können würde. Wenn die Person noch dazu eine Frau wie sie selbst wäre, dann wäre das noch viel besser. Sie wusste auch gleich, wo sie eine solche Person finden würde, die alle Voraussetzungen erfüllte.

Sie drehte sich in Richtung unserer Tür und betätigte die Sprechanlage. Da ich das Mikrofon immer noch in der Hand hatte, überraschte meine schnelle Antwort sie etwas. „Ich glaub’, ich brauch’ mal Hilfe.“, sagte sie. „Hier sind zwei Typen, die sich wegen mir wohl am liebsten prügeln würden und in gewisser Weise tun sie das auch. Sie sind die Einzige, die noch Schlimmeres verhindern kann, Allrounder Betsy Scott!“ „Ich verstehe nicht ganz, Ginalla.“, sagte ich. „Wenn die Beiden sich wegen Ihnen bekämpfen, dann müssten doch eigentlich Sie …“ „Bitte, schnell!“, insistierte Ginalla. „Ich hab’ keine Zeit für lange Erklärungen. Wenn Sie nich’ bald raus kommen, passiert hier noch ’n Unglück!“ „OK.“, sagte ich genervt, obwohl ich mir nicht erklären konnte, was hier vorging.

Ich hängte also das Mikrofon ein und verließ mein Zimmer, um der völlig verwirrten Ginalla direkt in die Arme zu laufen, die mich sofort zum Ort des Geschehens zog. „Ihr Freund hat Ihren Mann unter die Decke geklebt.“, flüsterte mir Ginalla zu. „Was?!“, fragte ich ungläubig. „Ja.“, sagte sie. „Und alles nur, weil er Angst hat, dass ich mir wegen der Sache mit dem verrückten Professor in die Hose mache. Aber so eine Angsthäsin bin ich nich’! Ich mag zwar Zivilistin sein. Das is’ unstrittig. Aber ich bin nich’ doof. Der, der hier so doof war, auf Sytania hereinzufallen, das war wohl eher unser zerstreuter Professor. Von wegen Propheten!“ Sie zeigte auf die Zimmertür, hinter der sie Radcliffe weggesperrt hatte. „Das kann der seiner Großmutter erzählen, aber nich’ mir! So was funktioniert mit mir nämlich nich’! Nich’ mit Ginalla!“ „Ach so.“, begriff ich. „Und jetzt glauben die Jungs, dass … Gehen Sie mal zur Seite. Ich mache das schon!“

Um mir anzuzeigen, in welcher Richtung Shimar stand, tippte sie mir auf die rechte Schulter. Ich drehte mich entsprechend um und sagte dann mit spitzen Lippen und einer schmeichelnden Stimme: „Mein süßer über alles geliebter Schatz. Würdest du mir bitte erklären, was das hier zu bedeuten hat?“ „Dein verblendeter Professor ist uns nachgereist.“, sagte Shimar schon etwas angestrengt, denn mittlerweile trat wohl fast das ein, was Scotty bereits prophezeit hatte. „Er hat wohl versucht, Ginalla einer Gehirnwäsche zu unterziehen.“ „Ach so.“, verstand ich. „Und du meinst, dass er sie vorher über alles informiert hat.“, sagte ich und zeigte nach oben in Richtung Scotty. „Genau.“, bestätigte Shimar. „Du hast doch gerade gesehen.“, sagte ich. „Dass sich Ginalla offensichtlich sehr gut helfen konnte, was das angeht. Kann es dann also nicht vielleicht doch möglich sein, dass sie gar keine so unbedarfte Zivilistin ist, als die du sie gern darstellen würdest? Du darfst nicht vergessen, Srinadar, ...“ Ich musste nachdenken, denn beinahe hätte ich über die Sache mit den Cobali und Ginallas Verwicklungen in Mikels diplomatische Mission berichtet. Statt dessen sagte ich und meine Stimme wechselte plötzlich von freundlich zu streng, was für mich als Laienschauspielerin kein Problem war: „Ohne Ginalla säßen N’Cara und du heute wohl immer noch in Sytanias Felsenkerker!“

Shimar überlegte. „Du hast Recht, Kleines.“, sagte er schließlich. „Und dann wäre die Sache mit Miray bis heute nicht aufgeklärt. Also gut.“ Sanft ließ er Scotty wieder zu Boden schweben. „Danke, Darling.“, sagte mein blasser Ehemann erleichtert. Ich lächelte nur zufrieden. „Gern geschehen, Kumpel.“, sagte Shimar und betonte den Kumpel noch besonders. Er wollte in jedem Fall, dass mir gegenüber deutlich wurde, dass meine Standpauke dafür gesorgt hatte, dass er Scotty verzeihen würde. „Ich erzähl’ euch jetzt auch, was Ginalla und ich für einen Deal hatten.“, sagte Scotty. „Ich musste ihr versprechen, sie über alles zu informieren, was wir tun. Sonst hätte sich das was gehabt mit den Zimmern.“ „Aber es hätte doch mit Sicherheit noch andere Herbergen gegeben, Scotty.“, sagte Shimar, denn er hatte das Gefühl, dass Scotty sich erpressen lassen hatte. „Willst du etwa, dass das Ganze noch größere Kreise zieht?!“, sprang ich für Scotty in die Bresche, bevor er antworten konnte. „Überleg mal.“ „Hast schon wieder Recht, Kleines.“, sagte Shimar. „Noch mehr Unschuldige sollten hier wirklich nicht mit hineingezogen werden. Da ist es mir schon lieber, die Herbergsmutter, unter deren Dach das alles stattfindet, gehört zu uns.“ „Na siehst du.“, sagte ich. „Und jetzt sollten wir alle erst mal drüber schlafen.“ „Ganz deiner Ansicht.“, nickten meine beiden Männer und auch Ginalla ging. Was allerdings keiner von uns ahnte, war der Umstand, dass unsere Situation aus einem anderen Zimmer heraus von Fassettenaugen beobachtet worden war, deren Besitzer sich königlich darüber amüsierte.

Cupernica war im gerichtsmedizinischen Institut von Little Federation dabei, die Leichen des unbekannten Aldaners und Loranas zu untersuchen. Neben ihrem Job als Hausärztin der meisten Bürger der Stadt waren sie und ihr Assistent Oxilon auch als staatlich vereidigte Gerichtsmediziner bestellt, wenn es um so genannten feindlichen außerirdischen Einfluss ging. Da Sedrin aufgrund der bisher bekannten Fakten genau das vermutete, war Cupernica wohl die richtige Wahl für diesen Job. Die Androidin galt als verschwiegen und ihre Ausbildung als Sternenflottenoffizierin qualifizierte sie obendrein. Zudem hatte sie auch Kenntnisse über Sytania und ihr Vorgehen im Speziellen. Genau diese Kenntnisse waren es jetzt, die sie ein gutes Stück in ihren Ermittlungen weiter bringen sollten.

Mit Lorana war sie gerade fertig geworden. „Wir können die Leiche der Zeonidin freigeben, Mr. Oxilon!“, wies sie ihren Assistenten an. „Sie ist an einer telepathischen Einwirkung auf das Reizleitungszentrum ihres Herzens gestorben. Die Bisswunde am rechten großen Zeh wurde ihr Post mortem zugefügt. Gehen Sie bitte in Agent Sedrins Büro und sagen Sie ihr das! Sagen Sie ihr aber bitte auch, dass ich sie bei der Untersuchung des Aldaners gern dabei hätte!“ „Wird erledigt, Madam!“, erwiderte der Talaxianer eifrig und trat zur Tür. Cupernica drehte sich ebenfalls in seine Richtung und sah ihn ernst an. „Ich hoffe, Mr. Oxilon.“, begann sie eine Erinnerung an die ihnen von Gesetzeswegen auferlegten Regeln. „Dass Sie über die Dinge, die Sie hier sehen, Stillschweigen bewahren. Außer der leitenden ermittelnden Agentin und ihrem Stab sollten die Informationen niemandem zukommen! Ich hoffe, wir verstehen uns! Falls Sie sich an diese Anordnung nicht zu halten vermögen, werde ich gezwungen sein, mir einen anderen Assistenten zu suchen!“ „Das wird nicht notwendig sein, Madam!“, versicherte Oxilon. Dann verließ er den Raum und ließ sie darin allein.

D/4 hatte sich ebenfalls auf den Weg ins Polizeigebäude von Little Federation gemacht. Hier wollte sie das gegenüber den Agenten des Sternenflottengeheimdienstes aussagen, was ich ihr gesagt hatte. Die Situation hatte sich zugespitzt und die Sonde war der Meinung, dass es jetzt dafür an der Zeit war, wenn man noch das Schlimmste verhindern wollte. Wie weit das Ganze tatsächlich bereits um sich gegriffen hatte, konnte sie ja nicht wirklich ahnen.

Sie betrat also das Gebäude und stand nun vor jenem kleinen Anmeldehäuschen, in dem Kelly Davis saß und ihren Dienst versah. Die Vermittlerin öffnete per Knopfdruck die Scheibe und lächelte der Sonde freundlich entgegen. „Sie wünschen?“, sagte sie mit einer leicht fragenden Betonung in der Stimme. „Meine Kennung lautet: Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe.“, stellte sich die Sonde vor. „Sie können mich D/4 nennen. Ich bin hier, um lückenhafte Daten zu vervollständigen. Die Daten betreffen das Geschehen auf dem Mars.“

Leicht irritiert schaute Davis zur Seite. Sie wusste zwar, dass sie selbst die Rettungsshuttles und die Schiffe des Geheimdienstes in Sedrins Auftrag dorthin beordert hatte, aber sie konnte sich nicht vorstellen, welche Informationen diese Frau haben konnte, die ihr oder den anderen unbekannt waren. Außerdem hatte sie strenge Anweisung von Sedrin und Peters bekommen, selbsternannte Zeugen, die sich nur wichtig machen wollten und glaubten, etwas gesehen zu haben, von vorn herein auszufiltern. Von denen hatte es nämlich in letzter Zeit genug gegeben. Außerdem hatte die Presse nicht minder zu diversen Spekulationen beigetragen, indem sie die obskursten Theorien durch Artikel in den einschlägigen Blättern in Umlauf gebracht hatte. Von derlei fruchtlosen Vernehmungen hatten Sedrin und Peters die Nase gestrichen voll. Sie fanden, dass sie ihre Zeit durchaus besser verbringen konnten.

Kelly überlegte. Sie dachte sich, dass D/4, weil sie ja von Anfang an dabei gewesen sein musste, sicher nicht mehr Informationen haben konnte, als alle anderen Anwesenden auch. Es sei denn, dass ihr das System vielleicht Daten zukommen lassen hatte. Sie würde zunächst mit Sedrin und Peters darüber reden müssen, wie sie in diesem speziellen Fall vorgehen sollte. Also betätigte sie die Sprechanlage, deren Mikrofon Peters am anderen Ende der Verbindung in die Hand nahm. „Hier Agent Peters.“, sagte seine etwas sehr norddeutsch angehauchte Stimme. Kellys empfindliches Gehör war dies durchaus gewohnt, dennoch überkam sie jedes Mal eine Gänsehaut, wenn sie diesen Akzent vernahm, denn selbst dann, wenn Peters Englisch sprach, war nicht zu überhören, woher der Deutschstämmige tatsächlich kam. „Agent, hier ist Mrs. Davis.“, gab sich Kelly zu erkennen. „D/4 ist bei mir und sagt, dass sie Dinge wüsste, die noch zu den Ermittlungen beitragen könnten, wenn ich sie richtig verstanden habe.“ „Soll reinkommen.“, brummelte Peters, der sich wohl auch nicht wirklich vorstellen konnte, was das für Daten sein konnten. Aber trotzdem wusste er, dass sie bei dem momentanen Stand ihrer Ermittlungen nichts außer Acht lassen durften.

Davis hängte das Mikrofon wieder ein und wandte sich der Sonde zu. „Agent Peters erwartet Sie.“, sagte sie ruhig und mit neutraler Stimme. „Vielen Dank.“, antwortete die Sonde und schickte sich an, den Flur in Richtung der Büros zu betreten. Ihre hoch auflösenden Augen hatten das Büro von Peters und Sedrin längst an seiner Beschilderung ausmachen können.

Die gerade erwähnte Demetanerin hatte parallel zu dem Geschehen in der Zentrale das Büro verlassen und war mit dem Turbolift in den Keller des Gebäudes gefahren. Hier hatte sie das Untersuchungszimmer betreten. Dort sah sie zunächst einen etwa zwei Meter in der Länge und 90 Zentimeter in der Breite messenden beweglichen Tisch, auf dem sich Loranas Leiche in einem Totenhemd befand. Da dieser Tisch sehr nah an der Tür stand, dachte sie sich bereits, dass diese abgeholt werden konnte.

Sie ging weiter und traf auf einen weiteren Tisch, an dessen Kopfende sich eine Lampe befand. Dieser Tisch war nicht beweglich und außerdem an eine Diagnoseeinheit angeschlossen. Auf dem Tisch lag die Leiche des Aldaners in einem Stasefeld, das von einem mobilen Generator erzeugt wurde. „Sieht aus, als könnten Sie uns mehr sagen, als Ihre Nachbarin, mein Freund.“, flüsterte sie dem toten Aldaner zu, über den sie inzwischen mittels der gefundenen Personaldaten etwas mehr herausfinden hatte können. Aus seinen Ausweispapieren war hervorgegangen, dass sein Name Lomādo Baldāri war. Er war unverheiratet und lebte seit zehn Jahren in der Kolonie auf dem Mars. Sein Alter betrug 40 Jahre, also nach Föderationszeit 200 menschliche Jahre. Er war also im Jahr 2795 auf Aldania Prime geboren. Seine Eltern waren beide bereits tot und weitere Verwandte hinterließ er nicht.

Der Blick der Agentin streifte den Tisch erneut, als sie sich abwendete und im Raum nach Cupernica Ausschau hielt. Endlich hatte sie die Androidin erspäht, die vor einer Konsole stand und mittels ihres Haftmoduls Daten überspielte. „Cupernica?“, sprach sie die Ärztin an. Diese wandte den Kopf, nachdem sie sich und das Modul vom Rechner gelöst hatte. „Ach, Sie sind es, Agent.“, sagte Cupernica und simulierte Überraschung. Wie Commander Data auch war es ihr möglich, menschliche Reaktionen zu simulieren. Aus ihrer langen Zusammenarbeit an Bord der Eclipse unter Huxley kannte Sedrin dieses Verhalten von ihr bereits sehr gut. „Also, Scientist.“, sagte Sedrin. „Was haben Sie für mich? Oxilon sagte, …“ „Das stimmt.“, sagte Cupernica. „Ich habe einige höchst interessante Entdeckungen gemacht.“

Sie aktivierte den Monitor der Konsole und rief einige Daten auf. Aus den vor ihren Augen erscheinenden Diagrammen wurde Sedrin zuerst nicht wirklich schlau. „Würden Sie mir bitte erklären, was das ist, Cupernica?!“, bestand die Agentin auf näheren Ausführungen. „Sicher, Agent.“, erwiderte die Androidin unbeeindruckt von der etwas unwirschen Stimme ihrer ehemaligen Vorgesetzten.

Sie holte einen Zeigestock aus einer Schublade, trat dann einige Schritte zurück und zeigte auf eine Stelle auf dem Monitor. Sedrin konnte die Überschrift eines der Diagramme erkennen. „Energieverteilungsmuster im Hirngewebe des Patienten.“, war groß, breit und deutlich zu lesen. Auch vor allen Balken befanden sich Überschriften, die medizinische Ausdrücke enthielten, die für Sedrin, wie sie selbst zugab, zum größten Teil böhmische Dörfer waren. Nur der Ausdruck: „telepathischer Kortex.“, sagte ihr etwas. Der Balken, der die Energiemenge anzeigte, die sich dort befand, war allerdings sehr kurz. Lange sah Sedrin sich diesen Umstand an. Dann sagte sie: „Sind Sie sicher, Cupernica, dass Sie hier keinen Fehler gemacht haben?“ „Ist Ihre Frage ernst oder rhetorisch gemeint, Agent?“, fragte die Androidin zurück. „Teils, teils.“, sagte Sedrin. „Ich weiß, dass Sie im Allgemeinen keine Fehler machen, außer Sie leiden selbst an einer Fehlfunktion. Da Sie dann aber nicht dienstfähig wären, allerdings hier in Arbeitskleidung vor mir stehen, also offensichtlich doch dienstfähig sind, weiß ich nicht, wie ich die Umstände einordnen soll.“ „Dann werde ich Ihnen gern dabei helfen.“, sagte Cupernica und ließ den Rechner das Bild auf dem Schirm durch ein noch Detailreicheres ersetzen. Hier sah Sedrin jetzt auch Wellenmuster, die ihr den genauen Verlauf des Kampfes zwischen dem Aldaner und dem fremden Wesen offenbarten, wenn sie diese richtig interpretieren konnte. Da sie aber keine gelernte Medizinerin war, ging ihr diese Fähigkeit ab. „Was in Mutter Schicksals Namen bedeutet das, Cupernica?!“, fragte Sedrin. „Das werde ich Ihnen zeigen.“, sagte die Androidin geduldig und fügte bei: „Computer, Programm Cupernica zweiundvierzig!“

Sedrin sah jetzt eine Animation, in der sich der Aldaner und ein Fremder gegenüberstanden. Dann sah sie schwarze und weiße Blitze, die zwischen ihnen hin und her flogen. Diverse Gegenstände, die im Raum waren, wurden herumgeschleudert, allerdings schien der Aldaner es vermeiden zu wollen, seinen Gegner direkt zu treffen. Der aber schien das genaue Gegenteil erreichen zu wollen. Trotzdem kämpfte der Aldaner weiterhin defensiv. Er schien sogar absichtlich einige Schläge einstecken zu wollen. Die Simulation endete mit seinem Tod.

Sehr beeindruckend, Cupernica.“, lobte Sedrin. „Und das haben Sie aus den Daten hergeleitet, die Sie aus seinem Hirngewebe entnehmen konnten?“ „Nicht nur daraus.“, sagte die Androidin. „Auch die Daten, die Sie über die Energieverteilung in den Gegenständen und den Wänden seines Hauses gesammelt hatten, dienten mir als Grundlage. Ich schätze, Mr. Baldāri hat geahnt, dass er gegen den Fremden nicht allein ankommt, hat uns aber so viele Beweise wie möglich hinterlassen wollen.“ „Ich liebe solche Zeugen!“, sagte Sedrin und machte ein fast laszives Gesicht. „Aber das scheint ja bei unserem Fremden Mutter Schicksal sei Dank nicht angekommen zu sein.“ „Davon gehe ich aufgrund der Daten auch aus.“, sagte Cupernica. „Es scheint tatsächlich, als hätte der alles gegeben, um unseren Zeugen zu töten.“

Sedrin rief sich das Bild noch einmal in Erinnerung. „Warum haben Sie die Blitze des Fremden schwarz darstellen lassen, Scientist?“, fragte sie. „Was wissen Sie, das ich nicht weiß. Ich meine, laut Davis’ Aussage hat Mrs. Lorana gemeldet, der Fremde habe im Auftrag der Propheten gehandelt. Schwarze Blitze kommen doch eher von Sytania.“ „Nun, Agent.“, sagte die Medizinerin. „Das hat der Fremde, der durch einen mysteriösen Umstand, den wir noch nicht kennen, diese Kräfte bekommen hat, sicher selbst auch geglaubt. Ich aber habe ein Detail gefunden, das diesen Glauben lügen straft.“ „Ich bin gespannt.“, antwortete Sedrin und ließ sich lässig auf den Rand eines freien Untersuchungstisches sinken. Sie ahnte, dass dies wohl ein noch längerer Vortrag werden würde. Aber auch von hier hatte sie jenen Bildschirm noch gut im Blick, auf dem jetzt eine weitere Graphik zum Vorschein kam. Sie zeigte das Energiemuster des Fremden in Großaufnahme. „Wie ist eine so genaue Darstellung möglich, Cupernica?“, fragte die Agentin staunend, denn so etwas hatte sie allenfalls dann gesehen, wenn sie einen Feind direkt hatte scannen können. Aber wenn der Aldaner sich gewehrt hatte, dann musste das Muster ja von seinem Eigenen durchschnitten worden sein und eine so genaue Darstellung wäre unmöglich. „Ich sagte ja bereits.“, begann Cupernica. „Unser Aldaner, oder nennen wir ihn doch beim Namen: Mr. Baldāri, hat es darauf angelegt, uns so viele gute Bilder wie möglich zu liefern. Erinnern Sie sich bitte an die Graphik vom Anfang, Agent. Wissen Sie noch, dass der Balken, der seine eigene Energie darstellt, im Bezug auf sein Telepathiezentrum sehr kurz war?“ „Daran erinnere ich mich, Cupernica.“, bestätigte die Demetanerin, der so langsam ein Licht aufzugehen schien. „Das muss aber bedeuten.“, äußerte sie eine Theorie. „Dass er genau wusste, was ein Erfasser oder die Augen eines Androiden sehen, wenn sie so ein Energiemuster betrachten. Solche Kenntnisse würden aber auch zu seinen beruflichen Daten passen. Er war Ingenieur mit Fachgebiet Positronik. Hätte Ihr Hausarzt werden können.“ Bei ihrem letzten Satz grinste die Agentin. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Cupernica. „Wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass er mit Absicht so gehandelt hat, komme ich aber noch zu einem anderen Ergebnis.“

Sie wandte sich wieder dem Rechner zu und steckte ihr Haftmodul ein. Dann übermittelte sie einen Befehl, der einen kleinen Teil des Musters schwarz einfärbte. Der Teil war aber so klein, dass Sedrin ihn erst zu sehen vermochte, als sie aufgestanden und näher an den Schirm getreten war. „Genau diese Reaktion wollte ich bei Ihnen provozieren, Agent.“, sagte Cupernica und schaute dabei schon fast zufrieden. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie es langsam leid sind, durch meine Reifen zu springen und dass ich Sie ständig mit den normalen Reaktionen einer biologischen Lebensform provoziere. Aber …“, führte sie weiter aus, aber Sedrin winkte nur ab. „Es ist schon OK.“, sagte sie. „Auf diese Weise haben Sie mich früher schon auf Details und Dinge aufmerksam gemacht, die ich sonst mit Sicherheit übersehen hätte. Offensichtlich begreifen wir biologischen Lebensformen die Dinge am besten, wenn wir sie am eigenen Leib erfahren. Also nur weiter, Cupernica. Was wollen Sie mir denn jetzt hiermit sagen?“

Im rechten unteren Eck des Schirms erschien eine ähnliche Graphik, die mit einer Bildunterschrift versehen war. Hier las Sedrin deutlich: „Hirnwellenmuster der Propheten.“ Ihr Blick strich zwischen den beiden Mustern hin und her. Dabei viel ihr auf, dass das Muster des Fremden genau an der Stelle eine Abweichung aufwies, die schwarz markiert war. Aber dieses schwarze Muster hatte Sedrin schon einmal irgendwo gesehen! „Ersetzen Sie das Muster der Propheten bitte durch das von Sytania!“, sagte Sedrin selbstsicher. „Warum sollte ich das tun?“, fragte die Androidin und tat dabei absichtlich unwissend. Das zeigte sie aber so deutlich, dass es selbst einem Tauben hätte auffallen können. „Weil mir gerade etwas aufgefallen ist.“, antwortete Sedrin. „Das ich nur noch bestätigen muss!“ „Na gut.“, sagte Cupernica mit der ihr eigenen Gleichmut und tat, was Sedrin ihr aufgetragen hatte.

Der Blick der Agentin wich nicht von dem oberen Muster, während das Untere ersetzt wurde. Man konnte sogar den Eindruck gewinnen, sie wollte das Muster allein durch ihren Blick verhaften. Erst, als ein Signal ihr sagte, dass der Bildschirm zum Stillstand gekommen und das gewünschte Bild aufgerufen war, sah sie es sich an. Dann klatschte sie in die Hände und rief: „Sie sind identisch! Bingo! Dachte ich’s mir doch!“ „Das ahnte ich, Agent.“, sagte Cupernica. „Offensichtlich hat sich Sytania alle Mühe gegeben, das Energiemuster der Propheten exakt nachzuahmen. Aber wirklich gelungen ist es ihr nicht, wie wir hier sehen. Die Abweichung beträgt nur 1,005 %, aber das reicht aus, um jemanden wie Sie und jemanden wie mich zu irritieren. Ein biologischer Gerichtsmediziner und ein anderer leitender Agent hätten dem vielleicht nicht diese Bedeutung beigemessen, aber …“ „Aber wir tun das.“, unterbrach Sedrin sie. „Weil Sie Androidin sind und ich Sytania gut genug kenne. Uns beiden kann sie nicht erzählen, sie sei über Nacht zu einem Propheten mutiert.“ Sie warf dem Schirm einen abschätzigen Blick zu. „Aber anscheinend jenem bedauernswerten Fremden, der jetzt da draußen herumläuft und in ihrem Namen brandschatzt und mordet.“, ergänzte Cupernica. „Exakt, Scientist.“, sagte die Demetanerin. „Es wäre mir verdammt lieb, wenn wir mehr Details über die Begebenheiten hätten, die zu seiner Wandlung geführt haben und noch lieber wäre mir sein momentaner Aufenthaltsort.“ „Das kann ich mir vorstellen.“, sagte Cupernica. „Leider gibt es aber keine Zeugen, durch die Derartiges in Erfahrung zu bringen wäre.“ „Sie irren vielleicht, meine Liebe.“, grinste Sedrin. „Es gibt eine Zeugin. Ihr Name ist Yara und sie lebt zur Zeit im hiesigen Tierheim. Sie war das Haustier Ihrer zweiten Patientin, Mrs. Lorana, die eine Tochter Namens Nayale hat, die auf Terra mit einem gewissen Professor Nathaniel Radcliffe verheiratet ist. Sie haben einen 6-jährigen Sohn Namens Malcolm. Davis hat gesagt, die Melderin, also Mrs. Lorana, hätte gesagt, ihr Schwiegersohn sei es gewesen, der die Marskolonie angegriffen hätte. Was aber noch viel schlimmer ist, scheint die Tatsache zu sein, dass er mit der Frau und dem Kind auf der Flucht ist!“ „Sie haben Recht, Agent.“, sagte Cupernica. „Die Infektion mit Sytanias Energie macht ihn unberechenbar. Aber wie soll uns dieses Tier helfen können?“ „Abwarten.“, sagte Sedrin. „Davis sucht zur Stunde alle Verhaltenstrainer heraus, die sich mit traumatisierten demetanischen Wollkatzen auskennen. Vielleicht kann uns ja einer von ihnen den Weg zu Yaras Erinnerungen ebnen.“ „Ihre Verhörmethoden sind ungewöhnlich.“, sagte Cupernica. „Das ist ja gerade der Grund, aus dem Sytania sich an mir so oft die Zähne ausgebissen hat.“, lächelte Sedrin. „Ich bin eben schwer zu durchschauen.“ Cupernica nickte bestätigend.

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