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Mehr Glück, als der in euren Augen bestimmt nicht wirklich bedauernswerte Telzan, sollte ein anderer gewisser Vendar haben, der in diesem Augenblick den Maschinenraum der Basis 281 Alpha betrat. Bereits am Eingang hielt Joran nach Jenna Ausschau, die gerade das Cockpit der zweiten IDUSA-Einheit verlassen hatte. „Wie sieht es aus bei ihr, Telshanach?“, fragte Joran. „Oh, es sieht sehr gut aus bei ihr, Telshan.“, flötete die hoch intelligente Halbschottin zurück. „Um in unseren sprachlichen Dimensionen zu sprechen: Sie ist kerngesund.“ „Dann ist ja alles in Fett, wie man so schön sagt.“, gab Joran zurück. „Was?“, fragte Jenna und musste mit einem Lachen kämpfen, das sie sich dann doch nicht verkneifen konnte. „Was ist so lustig, Telshanach?“, fragte Joran. „Dein erneuter sprachlicher Ausrutscher.“, antwortete die Chefingenieurin. „Ich weiß ja, was du meintest. Du meintest, es sei alles in Butter.“ „Wusste ich’s doch.“, überspielte Joran seinen Fehler mit einem Lächeln und dem ihm ganz eigenen Charme. „Es war irgendein fettiges Zeug zum aufs Brot Streichen.“ Jenna musste jetzt erst recht lachen.

Joran ging an ihr vorbei in Richtung der Tür von IDUSAs Cockpit. Dann stieg er ein und setzte sich auf den Pilotensitz, um danach seinen Neurokoppler anzuschließen. Das Schiff, das seine Reaktionstabelle längst erstellt hatte, lud diese sofort. Jetzt sah Joran in das Gesicht des ihm bereits bekannten Schiffsavatars. Ihm fiel nur auf, dass sie heute einen Scheitel trug, der ihm bei ihrer ersten Begegnung nicht aufgefallen war. „Hallo, Joran.“, sagte sie mit ihrer etwas jung wirkenden hellen Stimme. „Ich grüße auch dich, IDUSA.“, sagte der Vendar. „Ich nehme an, Anführerin Zirell hat dir durch die Einheit der Station bereits unsere Befehle mitteilen lassen.“ „Ich weiß, dass wir eine vermisste Person suchen sollen.“, sagte das Schiff. „Aber ich denke, dass wir angesichts der Situation, in der sich diese Person befindet, kaum eine Chance haben werden, sie noch lebend zu bergen.“ „Du wirst Recht behalten, wenn wir uns nicht beeilen!“, sagte Joran energisch und gab ihr ebenso energisch den Gedankenbefehl zum Start.

Sie dockten ab und bald waren sie ein ganzes Stück weit von der Station entfernt. Der Vendar stellte den Interdimensionsantrieb des Schiffes auf die Koordinaten ein, die ihm die IDUSA-Einheit der Station gegeben hatte. Dann befahl er IDUSA, den Antrieb zu aktivieren. „Warum schickt uns der Commander auf so eine aussichtslose Mission, Joran?“, wollte das noch sehr unerfahrene Schiff von ihrem Piloten wissen. „Kannst du das näher ausführen?“, fragte Joran, der für ihren Einwand durchaus Verständnis hatte. „Nun.“, setzte das Schiff an. „Ich meine, die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass wir zu spät kommen. Ihre Biozeichen waren schon sehr schwach und sie wird bei den in meinem Cockpit herrschenden Temperaturen auch nicht überleben.“ „Das Leben ist keine Rechenaufgabe, IDUSA.“, sagte Joran ruhig und ließ sie aus dem Interdimensionalmodus wieder in den normalen Raum zurückfallen. Nun waren sie im Universum der guten Föderation angekommen, aber sie befanden sich noch ein Stück weit von dem Planetoiden entfernt. „Warum haben Sie gerade diese Koordinaten gewählt, Joran?“, fragte IDUSA. „Ich hätte auch noch viel näher heran fliegen können. Oder trauen Sie sich das selbst nicht zu? Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe keine Daten über Ihre fliegerische Ausbildung, deshalb muss ich das alles jetzt von Ihnen persönlich herausfinden.“ „Ich nehme dir das nicht übel, IDUSA.“, tröstete Joran. „Aber der Grund, aus dem ich dir so weit von unserem Ziel entfernt befohlen habe, in Normalmodus zu gehen, liegt nicht bei mir, sondern in gewisser Hinsicht bei dir.“ „Was meinen Sie damit?“, fragte IDUSA. „Hat Techniker McKnight Ihnen nicht versichert, dass ich tadellos funktioniere?“ „Das hat sie in der Tat.“, sagte Joran. „Aber es geht auch weniger darum, dass ich glaube, dass bei dir etwas kaputt ist, als darum, dass wir etwas tun müssen, das naturgemäß etwas dauert und leider auch nicht zu beschleunigen ist.“

Er nahm per Gedankenbefehl Zugriff auf ihre Umweltkontrollen und programmierte diese so um, dass die Temperatur im Frachtraum auf winterliche -50 Grad sank. Dann gab er ihr noch den Befehl, es dort kräftig schneien zu lassen und Eis zu produzieren. „Ich nehme an, das soll ihr Krankenzimmer werden.“, sagte IDUSA, während sie seine Befehle ausführte. „In der Tat.“, sagte Joran und strich mit den Händen über die freien Ports, wie er es auch bei dem anderen Schiff getan hatte und es von Shimar gelernt hatte, der ihm den Hinweis gegeben hatte: „IDUSAs mögen das.“ „Sobald sie an Bord ist, verbindest du mich mit Ishan. Er soll mir sagen, was zu tun ist, um sie notfalls wieder zu beleben oder ihr Überleben zu sichern.“, sagte er. „Wie Sie wünschen.“, sagte das Schiff. „Ich möchte nur anmerken, dass Sie bei Ihrer Planung zwar sehr auf unsere Patientin, aber weniger auf sich geachtet haben.“ „Ich bin ein Vendar.“, antwortete Joran. „Ich habe ein Fell! So schnell wird mir nicht kalt!“ „Darum geht es mir nicht.“, sagte das Schiff. „Es geht mir eher darum, dass ich vermeiden muss, dass Sie einen Kreislaufschock erleiden, wenn Sie aus meinem wohl temperierten Cockpit in den Frachtraum gehen. Ich schlage vor, dass wir aus der Achterkabine, die ja zwischen Frachtraum und Cockpit liegt, eine Temperaturschleuse für Sie machen. In der können Sie sich auch umziehen. Ich werde Ihnen winterfeste Kleidung replizieren. Sobald Sie sich umgezogen haben, senke ich die Temperatur in der Achterkabine langsam auf das Niveau des Frachtraums ab. Wenn Sie zurückkehren, mache ich es umgekehrt.“ Sie zeigte ihm ihren Grundriss. „Eine sehr gute Idee, IDUSA.“, sagte Joran. „Ach, das ist doch gar nichts.“, gab das Schiff zurück. „Das ist doch nur mein Job. Ich bin ein Beschützerschiff und als solches programmiert, alles zu tun, um das Leben meines Stammpiloten oder meiner Besatzung und/oder beider zu bewahren.“ „Du musst dich nicht immer hinter den tindaranischen Gesetzen verstecken.“, sagte Joran. „Ich weiß längst, dass du es nicht nur deshalb getan hast. Und jetzt komm! Suchen wir die Kleine!“

Er steuerte sie in die Umlaufbahn des Planetoiden. Von hier aus würde sie mit ihren Sensoren nach dem Mädchen Ausschau halten. Aber an den Koordinaten, an denen sie sein sollte, war sie nicht mehr. Zumindest konnte IDUSA sie dort nicht mehr ausmachen. „Hat man sie entführt?“, wollte Joran wissen. „Den Spuren nach zu urteilen.“, sagte das Schiff. „Hat man das nicht. Es gibt zumindest keine Transporterspuren, aber wenn die Entführung lange her ist, könnten diese auch schon längst zerfallen sein. In der Atmosphäre haben sich aber vor einiger kurzer Zeit starke Gewitter entladen. Es ist durchaus möglich, dass die Reste noch immer meine Sensoren stören.“ „Kannst du eine Sonde starten?“, fragte Joran. „Negativ.“, sagte das Schiff. „Auch deren Sensoren würden vermutlich gestört.“ „Dann werde ich selbst gehen müssen.“, sagte der Vendar und stand auf. „Aber ich werde einen Transportverstärker mitnehmen. Wenn ich sie finde, kannst du uns so leichter erfassen. Außerdem kannst du dadurch eine Peilung von mir behalten.“ „Das ist korrekt.“, sagte das Schiff und replizierte Joran das gewünschte Gerät. „Ich danke dir.“, sagte er ruhig und nahm es an sich, um sich dann in eine transportgerechte Position zu begeben. Außerdem setzte er den Neurokoppler ab, was für sie ein sicheres Zeichen war, die Steuerkontrolle zu übernehmen. Dann befahl er in Richtung Bordmikrofon: „Aktivieren, IDUSA!“ Bereitwillig führte das Schiff seinen Befehl aus.

Joran fand sich unweit der Koordinaten wieder, an denen Nitprin eigentlich hätte sein sollen. Nachdem er per Sprechgerät überprüft hatte, dass er Verbindung zu seinem Schiff hatte, ging er vorsichtig los. Es war dunkle kalte Nacht und ein normaler Mensch hätte sicher die Hand vor Augen nicht gesehen. Aber da ein Vendar ja ohnehin eine ca. 40 % höhere Sehschärfe und somit auch eine effizientere Lichtverarbeitung besitzt, konnte er sich doch noch sehr gut orientieren. Bald hatte er tatsächlich das bewusstlose Mädchen gefunden. Er beugte sich über sie und heftete ihr den Transportverstärker an ihre Kleidung. „Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst.“, flüsterte er ihr zu. „Aber du kannst gewiss sein, dass jetzt alles wieder gut wird.“ Dann zog er sein Sprechgerät und befahl: „IDUSA, erfasse das Signal des Verstärkers und beame uns an Bord!“ „Sofort, Joran.“, gab der Avatar nüchtern zurück. „Soll ich Sie gleich im präparierten Frachtraum absetzen?“ „Genau das!“, sagte Joran entschlossen. „Auch, wenn es mir etwas kalt um die Nase werden wird, aber das muss ich dann wohl aushalten. Sobald wir dort sind, gibst du mir Ishan!“ „In Ordnung.“, sagte das Schiff. „Ich aktiviere.“

Joran fand sich mit Nitprin im Frachtraum wieder. Sie lag vor ihm im Schnee. Er zog einen Erfasser und stellte ihn auf die Biozeichen von Breen ein. Dann scannte er sie und schloss ihn an sein Sprechgerät an. Im gleichen Moment legte IDUSA die Verbindung mit Ishan darauf. „Sehr gute Vorbereitung, Joran.“, lobte der Androide mit dem aldanischen Bewusstsein, der auf Zirells Station der leitende medizinische Offizier war. „Aber ihre Temperatur ist immer noch zu hoch. Wenn das so bleibt, wird sie sterben! Du musst sie entkleiden und sie mit Schnee verhüllen. Außerdem musst du in all ihre Körperöffnungen Eiszapfen stecken. Das muss schnell gehen, Joran. Sehr schnell!“

Jorans Gesichtsfell stellte sich auf, ein Zeichen, dass es ihm mit dem ihm von Ishan gegebenen Auftrag nicht wirklich gut ging. „Aber ich kann doch nicht … Ich meine, was wird sie von mir denken?! Es muss eine andere Lösung geben, Ishan!“ „Es gibt keine andere Lösung!“, sagte der Androide jetzt ziemlich energisch und jedem sollte klar sein, dass er auf der Ausführung seiner Anweisungen bestand. „Du bist jetzt mein verlängerter Arm. Normalerweise würde ich genau das Gleiche tun. Also, wenn du ein ernsthaftes Interesse daran hast, dass sie durchkommt, dann befiehlst du IDUSA jetzt, dir die Eiszapfen, die sie bereits auf meinen Befehl repliziert hat, in den Frachtraum zu beamen und entkleidest unsere Patientin! Sonst wirst du Zirell, Maron und der Zusammenkunft erklären müssen, warum du den Befehl des leitenden medizinischen Offiziers verweigert hast und somit eine wichtige Zeugin gestorben ist, nur weil du Angst hattest, nicht mehr als Gentleman anerkannt zu werden. Es wird dir übrigens nichts nützen, wenn IDUSA dich mit Zirell verbindet. In medizinischen Angelegenheiten stehe ich im Rang über ihr und dies ist eine medizinische Angelegenheit!“

Joran wollte etwas erwidern, aber der Alarm seines Erfassers schrillte. Er nahm das Gerät hoch und befahl ihm, das Interpretationsprogramm zu aktivieren. Dort konnte er jetzt lesen, wie schlecht es wirklich um die Kleine stand. „Kelbesh!“, fluchte er. „Dann muss ich es wohl wirklich tun.“

Er machte sich daran, den defekten Kälteanzug des Mädchens zu öffnen und sie auszuziehen. Dann hüllte er sie völlig mit Schnee ein, wie Ishan es ihm befohlen hatte. „Bist du zufrieden?“, fragte er in sein Sprechgerät. „Nein!“, gab der Arzt vom anderen Ende der Verbindung zurück, der über die Kamera auch gesehen hatte, was Joran tat. „Wo sind die Eiszapfen?!“ „Das kann ich nun wirklich nicht tun!“, sagte Joran. „Ich meine, meinst du wirklich alle Körperöffnungen?“ „Ja, alle!“, bestand Ishan auf der korrekten Ausführung seiner Befehle. „Ihre Körpertemperatur muss sinken! Das können wir nur erreichen, indem wir sie gleichermaßen von außen und innen senken. Du musst, Joran! Du musst! Sonst wird sie sterben! Sie wird sterben!“

Verschämt warf der Vendar einen Blick auf seinen Erfasser. Er hoffte so sehr, dass das Gerät ihm anzeigen würde, dass es dem Mädchen schon so gut gehen würde, dass es außer Lebensgefahr war und Ishan sich vielleicht geirrt hatte. Aber den Gefallen tat der Erfasser ihm nicht. Er zeigte ihm nur hässliche rote Zahlen und daneben einen Text vom Interpretationsprogramm, der besagte: „Das gescannte Individuum ist in Lebensgefahr! Bitte wenden Sie sich an einen Mediziner oder schalten Sie das Anleitungsprogramm für erste Hilfe zu!“ Joran überlegte, letzteres zu tun, aber er dachte sich, dass dieses Programm ihm wohl auch nichts anderes als Ishan sagen würde und einen Mediziner, den hatte er ja schließlich schon in der Leitung.

Erneut schrillte der Alarm und ein Totenkopf wurde im Display des Erfassers sichtbar. Außerdem zählte das Gerät herunter, wie lange es voraussichtlich noch dauern würde, bis die Kleine ihren letzten Atemzug tun würde. Joran, der die ganze Zeit in Hockstellung neben dem Mädchen verbracht hatte, sprang auf und hechtete zum Mikrofon der Sprechanlage: „IDUSA, schaff mir die verdammten Eiszapfen her! Auf der Stelle!“ Er wusste, dass er keine Wahl hatte und war sehr froh, sie bald in Händen zu halten. Dann ging er damit zu Nitprin zurück und grub eine Körperöffnung nach der anderen frei, um sie mit einem Eiszapfen zu versehen. Dann deckte er sie wieder zu. „Vergib mir.“, flüsterte er dem Mädchen zu, obwohl er sicher war, dass sie ihn nicht hören würde. Dann nahm er sein Sprechgerät, das er abgelegt hatte, wieder auf. Die Verbindung mit Ishan war noch immer aktiv. „Ich habe es getan.“, sagte er verschämt. „Du hast das Richtige getan.“, versicherte der Arzt. „Ich hoffe nur, dass es noch rechtzeitig war.“ „Das hoffe ich auch.“, sagte Joran und beendete die Verbindung. Dann ging er in Richtung Tür, die ihn in die Temperaturschleuse führte.

Wie IDUSA es ihm vorgeschlagen hatte, glich sie die Temperatur der Achterkabine langsam an. Außerdem zeigte sie sich ihm über den Simulator im Raum, da Joran jetzt seinen Neurokoppler nicht aufgesetzt hatte. „Ist alles mit Ihnen in Ordnung, Joran?“, fragte der Schiffsavatar besorgt. „Warum nicht?“, fragte Joran, der wohl glaubte, sie hätte nichts von dem Gespräch zwischen Ishan und ihm mitbekommen. Da alles aber über ihre Systeme gelaufen war, wusste sie doch besser Bescheid, als er sich träumen lassen hatte. „Es geht mir prächtig, IDUSA.“, überspielte Joran den kleinen psychischen Dämpfer, den ihm das Gespräch mit Ishan verpasst hatte. „Das nehme ich Ihnen nicht ab.“, sagte das Schiff. „Schließlich dürfen Sie nicht vergessen, dass ich ganz genau weiß, worüber Sie und Ishan gesprochen haben. Das Gespräch fand schließlich über meine Systeme statt.“ „Dann hat es wohl keinen Zweck, dich zu belügen.“, sah Joran ein. „Nein, den hat es nicht.“, bestätigte IDUSA.

Hinten im Frachtraum wurden IDUSAs Sensoren auf eine Änderung der Situation aufmerksam. „Joran, unsere Patientin ist wach.“, sagte sie und zeigte ihm das Sensorenbild auf einem virtuellen Bildschirm. „Den Göttern sei Dank!“, rief der Vendar aus. „Lass mich zu ihr!“

Der Avatar nickte und das Schiff öffnete ihm erneut die Tür zum Frachtraum, nachdem sich Joran jetzt winterliche Kleidung angezogen hatte. Seine Schritte führten ihn jetzt zu der vor ihm am Boden sitzenden Breen. Auch er setzte sich hin. „Wer bist du?“, fragte Nitprin in leicht verständlichem akzentfreien Englisch. Joran war darüber sehr überrascht. Er hatte zunächst geglaubt, IDUSAs Kenntnisse in Anspruch nehmen zu müssen, damit sie ihm bei der Übersetzung der doch für die Meisten eher wie ein Nuscheln klingenden Sprache der Breen helfen würde. „Ich heiße Joran Ed Namach.“, sagte er. „Es tut mir leid, dass du nackt bist, aber es war überlebenswichtig für dich.“ „Schon OK, Joran. Ich bin Nitprin.“, sagte das Mädchen mit noch immer sehr schwacher Stimme. „Welcher Spezies gehörst du an? Ich meine, für einen Klingonen bist du …“ „Ich bin ein Vendar.“, erklärte Joran. „’n Vendar?“, versicherte sich Nitprin. „Welchem Mächtigen dienst du?“ „Ich diene niemandem.“, sagte Joran, der sehr überrascht über ihr doch wohl sehr umfangreiches Wissen war. „Ich bin ein freier Vendar! Aber ich arbeite für die Tindaraner. Zu denen bringe ich dich auch. Sie werden einige Fragen an dich haben.“ „Nur zu.“, lächelte Nitprin. „Ich habe auch einiges zu sagen, schätze ich.“ „Na dann.“, sagte Joran und ging in Richtung Tür. „Du siehst die Sprechanlage dort.“, sagte er noch zu dem Mädchen. „Ich werde im Cockpit sein. Ruf mich ruhig, wenn du etwas benötigst. Wir sind bald da.“ Die kleine Breen nickte und sah zu, wie er hinter der Tür verschwand. Erleichtert ließ sie sich wieder in den schönen kalten und für sie sehr wohltuenden Schnee zurückfallen. Sie fühlte sich sicher bei Joran. Sie wusste, er würde sie zu einem noch viel sichereren Ort bringen. Dort würde sie endlich alles loswerden können, was sie erlebt hatte. Vielleicht konnte man ihr dort auch helfen, das Erlebte zu verarbeiten.

Man hätte meinen können, die Daten des Systems hätten die Romulaner in Panik versetzt, wenn man beobachtete, was sich in diesem Moment in der Nähe des Labors abspielte, in dem Meret und Toreth arbeiteten. Es war ein schöner Sommertag gewesen und die Beiden hatten das Fenster ihres Aufenthaltsraums, in dem sie ihre Pausen verbrachten, geöffnet. Deshalb nahmen sie auch bald die lauten Geräusche wahr, die ein Convoy von Jeeps verursachte, der sich dem Gebäude von Süden näherte. Die Jeeps fuhren schnell die Straße herunter, um dann mit einigen scharfen Bremsmanövern auf dem Parkplatz des Labors zum Halten zu kommen. Zwei von ihnen parkten den Jeep von Meret und zwei den von Toreth so zu, dass es keine Chance für die Wissenschaftler geben würde, ihnen per Fahrzeug zu entkommen, wenn sie es denn vorgehabt hätten. Aber Toreth und ihr Assistent hatten ja noch nicht einmal die Spur einer Ahnung einer Idee, was hier passieren sollte. Sie sahen nur, dass es sich bei den Jeeps um große schwarze Wagen handelte, wie sie zuweilen von Geheimdiensten benutzt wurden. „Mir ist die Sache da draußen ziemlich unheimlich, Professor.“, sagte Meret und deutete auf das Geschehen vor dem Fenster. „Ich meine, warum tun die so etwas und wer ist das überhaupt? Dass sie gerade unsere Fahrzeuge eingeparkt haben, gibt mir zu denken. Aber auf der anderen Seite war ihr Tun doch so offensichtlich, dass wir sehen mussten, was hier passiert. Was soll das?“ „Das kann ich Ihnen auch nicht beantworten, Remus!“, sagte Kimara mit leicht nervösem Unterton. „Aber ich schätze mal, dass wir es noch früh genug erfahren werden.“

Wie Recht sie damit hatte, sollte sich zum gleichen Zeitpunkt vor dem Labor abzeichnen. Aus den Jeeps waren Agenten des romulanischen Geheimdienstes gestiegen. Sie waren nur als große 2-beinige Gestalten zu erkennen, weil sie sehr vermummt waren. Auch über den Gesichtern trugen sie Masken. Nur eine Person, die aus dem vordersten Jeep gestiegen war, war sehr gut zu erkennen. Es war Senatorin Talera Rakal! Sie stellte sich jetzt vor die Agenten und begann: „Wir gehen rein, Gentlemen! Aber Sie lassen mich reden! Das wird für alle das Beste sein. Der Professor und ich sind gemeinsam zur Grundschule gegangen. Ich hoffe, sie erinnert sich noch an unsere Freundschaft und vertraut mir. Es wäre mir ein Gräuel, Gewalt anwenden zu müssen gegen sie. Das Einzige, was sie mit Gewalt behandeln dürfen, ist Meilenstein! So, nun werden wir reingehen! Ich werde uns anmelden!“ Die Männer nickten ihre Anweisungen ab und folgten ihr ins Gebäude.

Toreth und ihr Assistent waren in ihr Labor zurückgekehrt und arbeiteten an einigen Berechnungen, als der Computer sie auf die Benutzung der Sprechanlage von außen aufmerksam machte. „Verbinde mit mir, Computer.“, sagte Toreth und wartete ab, bis der Rechner das Gespräch an ihre Konsole durchgestellt hatte. Sie war sehr überrascht, in das Gesicht ihrer alten Schulfreundin aus Kindertagen zu blicken. „Talera?“, fragte sie. „Was tust du hier und wer ist deine Begleitung?“ „Ich wünschte, ich müsste nicht tun, was ich tun muss.“, sagte die Senatorin traurig. „Aber die Umstände lassen mir keine Wahl. Ich muss dich warnen, Kimara. Es wird gleich ungemütlich. Du kannst aber einen großen Beitrag dazu leisten, dass es nicht ganz so schlimm für uns alle drei, also deinen Assistenten, dich und mich, wird, wenn du uns einfach einlässt.“ „Du hattest schon immer einen Hang zum Dramatischen.“, lächelte die Wissenschaftlerin und gab dem Computer auch für Talera gut hörbar den Befehl, die Tür zum Labor zu entriegeln.

Im nächsten Augenblick wurde dieses auch schon von den Geheimdienstlern gestürmt. Zwei Agenten machten sich an Meilenstein zu schaffen. Der Eine ging zum Computer und legte einen Datenkristall ins Laufwerk, der den Rechner veranlasste, einen Suchvorgang nach allen Daten zu starten, die etwas mit der Waffe zu tun hatten. Dann wurden sie gelöscht. Der andere Agent zog einen Phaser und ging damit direkt zu Meilenstein, das in einem anderen Nebenraum stand. Dann feuerte er direkt auf das Gerät. Von ihm blieben nur noch einige geschmolzene Teile von Kristallen und ein Haufen Asche übrig.

Kimara stand blass an der Tür zum Nebenraum. Sie hatte noch versucht, Meilenstein durch ihre pure Anwesenheit zu retten, indem sie sich vor das Gerät gestellt hatte. Aber der Agent, der es auch zerstört hatte, stieß sie einfach zur Seite und sagte nur: „Glauben Sie mir, Professor. Es ist besser so. Machen Sie es uns doch allen bitte nicht so schwer.“

Verwirrt sah Kimara ihre Freundin an. „Erklärst du mir vielleicht mal, was das soll, Talera?!“, fragte sie energisch. „Der Senat hat es so beschlossen angesichts der neuen Daten, die uns die Xylianer gegeben haben, Kimara. Aber keine Angst, dir wird nicht das gleiche Schicksal blühen, für dich, deinen Assistenten und mich hat der Senat eine andere Art zu sterben vorgesehen.“ Sie holte einen Picknickkorb hinter ihrem Rücken hervor. „Ich verstehe nicht, Talera.“, sagte die Wissenschaftlerin, die jetzt zusah, wie der Rest ihres Werkes der Materierückgewinnung überantwortet wurde. „Achten Sie darauf, dass kein Staubkorn übrig bleibt, Gentlemen!“, befahl Talera. „Ja, Senatorin!“, sagte der Eifrigste der Agenten schmissig.

Toreth näherte sich vorsichtig ihrer Freundin. „Talera, bitte.“, flüsterte sie in deren rechtes Ohr. „Also gut.“, seufzte die Senatorin. „Du wirst es ja ohnehin bald erfahren. Gehen wir in dein Büro! Mr. Meret sollte uns begleiten. Dann tun wir es am besten gleich dort.“

Kimara winkte ihrem Assistenten und die Frauen und er verließen den Versuchsraum, um durch eine kleine Tür in das Büro der Professorin zu gehen. Hier stellte Rakal den Picknickkorb auf dem Tisch ab, der normalerweise für Gespräche mit Besuchern reserviert war. Es war ein kleiner rotbrauner Tisch in ovaler Form in Holzoptik, der terranische Eiche emittieren sollte. Er stand auf einem großen runden Fuß, der sich in der Mitte verjüngte und nach oben hin wieder breiter wurde, um die Platte tragen zu können. Um diesen Tisch standen vier leichte Korbstühle, die Rakal lakonisch mit den Worten: „Schön hast du’s hier. Magst wohl terranische Einrichtung.“, kommentierte. Dann begann sie, den Korb auszupacken und bedeutete Kimara und Remus mit einem Fingerzeig, sich zu setzen. Ihr Blick dabei verriet, dass sie keinen Widerspruch duldete. „Was meintest du, als du sagtest, wir würden alle drei sterben, Talera?“, fragte die Professorin. „Du scheinst dir noch nicht darüber im Klaren zu sein, was die Konsequenzen der neuen Erkenntnisse sind, Kimara.“, sagte die Senatorin und sah ihre Freundin dabei streng an. „Die Xylianer haben herausgefunden, dass die Föderation sehr wohl schuldig ist, wie du weißt. Das bedeutet, Meilenstein darf auf keinen Fall in ihre Hände geraten. Deshalb werden alle Daten und auch das Gerät selbst vernichtet. Es hat sie nie gegeben, klar?! Aber auch jegliches Wissen über Meilenstein muss vernichtet werden und seine Träger mit ihm. Die Föderation hat starke telepathische Verbündete. Wenn nur jemand noch ein Fitzelchen wüsste und in deren Gefangenschaft geriete, dann … Deshalb werden wir drei das Geheimnis mit ins Grab nehmen. Du magst doch so gern alles, was von der Erde kommt, Kimara. Kennst du Schneewittchen?“ „Willst du damit sagen, diese Nahrung ist vergiftet?“, fragte Kimara angewidert. „Genau das.“, sagte Talera mit Überzeugung. „Aber wir könnten doch Meilenstein und uns Sytania anbieten.“, plädierte die Wissenschaftlerin für ihr Leben. „Ich meine, sie ist immerhin auch eine Feindin der Föderation und würde die Waffe sicher gern gegen ihren Vater …“ „Kein Risiko!“, sagte Talera streng. „Was ist, wenn auf dem Weg zu ihr etwas schief geht und Meilenstein oder wir in die Hände der Föderation oder ihrer Verbündeten gelangen? Willst du das? Aber ich weiß genau, worum es dir geht. Bist du etwa keine Patriotin? Willst du etwa nicht für Kaiserpaar und das romulanische Imperium sterben? Hängst du wirklich so sehr an deinem kleinen unbedeutenden Leben, dass du so etwas Heroisches nicht zu tun bereit bist?!“

Sie zog ein Tuch zur Seite und biss demonstrativ in eine Frucht. Dabei streifte ihr Blick Remus, der sich mit den Worten: „Du gehörst jetzt erst mal mir!“, eine große replizierte Hirschkeule genommen hatte, die er jetzt genüsslich abnagte. „Nimm dir ein Beispiel an deinem Assistenten!“, mahnte Rakal. „Der zetert nicht so herum! Sehr gut, Mr. Meret! Sie wissen wenigstens, was es heißt, ein treuer Bürger des romulanischen Imperiums zu sein! Und du, Kimara, du solltest dir das Ganze jetzt auch mal schleunigst überlegen, sonst kommt einer der Mediziner, die ich mitgebracht habe und verpasst dir das Gift per Spritze! Eure persönlichen Angelegenheiten sind längst geregelt. Verwandte habt ihr ja keine mehr und so fällt all euer Besitz ohnehin an den Staat.“ Sie schloss sich Remus an, der gemeinsam mit ihr die restliche Fleischplatte leerte.

Kimara überlegte. Sie hing an ihrem Leben, aber dann siegte doch die allgegenwärtige romulanische Erziehung über ihren Selbsterhaltungstrieb. „Lassen Sie Ihrer alten Professorin noch was übrig, Remus.“, lächelte sie ihrem Assistenten zu. „Schließlich können auch Sie und meine Freundin hier nur einmal für das Imperium sterben. Ich bin überzeugt, das Gift in einem dieser Nahrungsmittel allein wird schon ausreichen, um uns zu töten.“ „Genau.“, nickte Talera mit vollem Mund, die sich inzwischen dem Fisch zu widmen begonnen hatte. „Wir werden gleich eine gewisse Müdigkeit spüren. Dann werden wir einschlafen und nicht wieder erwachen. Um den Rest kümmern sich die Agenten. Wie schön, Kimara, dass du doch noch zur Vernunft gekommen bist. Ich mag keine Gewalt gegen Freunde.“ „Was tut man nicht alles für den Staat.“, sagte die Professorin und bediente sich ebenfalls an dem von ihrer Freundin mitgebrachten Picknick.

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