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Über Little Federation war ein neuer Tag angebrochen, als Sedrin ihren weinroten Jeep zum Raumflughafen der Stadt Washington lenkte. Ihr Freund hatte sich angekündigt. Er würde den Nachtliner von Demeta nehmen. Sedrin wusste, dass es dann nicht mehr lange dauern würde, bis er ankäme. Wie sie ihn kannte, würde er gleich zur Arbeit schreiten wollen. Das war ja auch sehr wichtig, wenn man bedachte, was Yara unter Umständen gesehen haben könnte. Ihre Erinnerungen würden jetzt noch sehr frisch sein. Da Tiere ja im Allgemeinen im Hier und Jetzt leben und kein Denken in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wie wir kennen, müsste ihre „Vernehmung“ auch so schnell wie möglich über die Bühne gehen.

 

Die Demetanerin stellte den Jeep auf dem Parkplatz ab und ging in Richtung der Ankunftshalle. Hier war alles noch fast wie ausgestorben, was kein Wunder war, wenn man die frühe Zeit – es war immerhin erst sechs Uhr morgens – betrachtete. Nur vereinzelt saßen Mitarbeiter hinter Schaltern und regelten Buchungen für gemietete Jeeps oder etwas Ähnliches. Ihr Weg führte sie in Richtung der Gepäckbänder. Sie wusste, dass ihr Freund sicher einiges mitbringen würde. Er hatte ja schon Andeutungen gemacht.

Mit geschärftem Blick hielt die Agentin, die sich Personenbeschreibungen schon aus beruflichen Gründen gut einprägen konnte, nach dem Mann Ausschau. Sie und Tymoron hatten verabredet, dass er genau das Gleiche tragen sollte wie bei ihrem Gespräch auch, damit sie ihn besser erkennen würde. Außerdem wanderte ihr Blick ab und zu zur Tafel, auf der sie die Ankündigung der Landungen verfolgen konnte. Sonderflüge wie der Nachtliner wurden ohnehin noch zusätzlich durch einen Gong angekündigt, den Sedrin auch bald hörte. Jetzt richtete sie ihre Augen nur noch starr auf das Gepäckband. Irgendwann würde er ja kommen und seine Koffer abholen. Diese waren es auch, die ihr als Erstes auffielen. Etwa zehn gleichfarbige Koffer mit gleicher Aufschrift wurden durch das Band heran geschoben. Dann folgte ihnen ein älterer Demetaner mit schlanker sportlicher Figur zu Fuß, der in blaue Jeans, ein rotes Hemd und rote Schuhe gekleidet war. Er ging mit jedem Koffer einzeln zur Plattform für den Transporter, der die Koffer sofort in einen Jeep auf dem Parkplatz beamen konnte. Die Anfrage nach Hilfe, die ihm die zuständige Mitarbeiterin, eine blonde Terranerin von kleinem Wuchs und zierlicher Statur stellte, lehnte er höflich aber bestimmt ab. Du wolltest schon immer alles allein machen, Tymoron., dachte Sedrin, die ihn längst erkannt hatte.

„Werden Sie abgeholt?“, fragte die Flughafenangestellte. Tymoron nickte. „Dann nennen Sie mir doch bitte das Kennzeichen des Fahrzeugs, mit dem Sie abgeholt werden.“, erläuterte sie die Arbeitsweise der von ihr bedienten Geräte. „Der Transporter kann danach suchen, wenn es schon auf dem Parkplatz ist.“

Sedrin drängte sich nach vorn und übernahm den Rest. „Das Kennzeichen lautet LF- SH 3035.“, sagte sie. „Es ist mein Fahrzeug.“ „Danke, Mrs.“, sagte die junge Frau mit ihrer hellen etwas piepsigen Stimme und gab die Buchstaben- und Zahlenkombination in das Suchfeld ein. „Er hat es gefunden.“, sagte sie dann und ließ die Koffer genau in den Kofferraum beamen, was Sedrin und Tymoron am Bildschirm verfolgten.

„Immer gleich da, wenn man gebraucht wird.“, lächelte Tymoron. „Da ist so etwas wie eine Begrüßung doch glatt Nebensache.“ „Entschuldige.“, sagte Sedrin ruhig. „Hi.“ „Schon besser.“, lobte Tymoron. „Aber ich denke, wir sollten uns jetzt so schnell wie möglich zu unserer Patientin begeben. Auspacken kann ich immer noch später. Außerdem enthalten fast alle meine Koffer Werkzeug, das wir brauchen werden.“ „Und du bist immer noch der gleiche arbeitsame Streber, als den ich dich in Erinnerung habe. Aber wenn du drauf bestehst.“ Sie winkte und er folgte ihr.

Sie verließen den Raumflughafen durch die Drehtür. Dann standen sie auch bald vor dem Jeep. „Nettes Kennzeichen.“, stellte Tymoron fest und deutete auf den kleinen Bildschirm an der Vorderseite des Fahrzeugs, auf dem der von Sedrin genannte Schriftzug zu sehen war. „Ich nehme an, die Jahreszahl symbolisiert euer Hochzeitsjahr. Das Erste sind die Kennbuchstaben von Little Federation und das in der Mitte deine neuen Initialen.“ Sedrin nickte. „Du sprichst mich doch sicher nicht umsonst darauf an.“, sagte sie dann. „Ich komme immer noch nicht über die Tatsache hinweg, dass du einen Terraner geheiratet hast.“, sagte Tymoron. „Und dann war er auch noch dein vorgesetzter Offizier. Was hat er gemacht, um dich dazu zu bringen. Hat er es dir befohlen?“ „Nein.“, lächelte Sedrin. „Wir haben uns ganz normal ineinander verliebt.“ „Nicht zu fassen!“, staunte Tymoron. „Dabei haben dich die terranischen Jungs doch früher immer so genervt mit ihrem ständigen Posen und ihrem eingebildeten Gehabe!“ „Jaden war nichts davon.“, stellte Sedrin fest. „Um ehrlich zu sein, war er ein kleiner Tollpatsch, den man an die Hand nehmen musste.“ „Ah, ein Helfersyndrom.“, scherzte Tymoron, während er auf der Beifahrerseite des Jeeps einstieg. „Zu Anfang.“, sagte Sedrin, während sie das Fahrzeug in Bewegung setzte. „Waren ihm meine Erinnerungen an bestimmte Dinge oft ziemlich zuwider und er hat mich mit T’Pol verglichen, die Archer ja auch oft wieder auf den richtigen Weg gebracht hat. Aber unsere Ingenieurin hat es schon immer gewusst. Sie hatte wohl von Anfang an ein Näschen dafür. Was sich liebt, das neckt sich. Tressa weiß nicht, dass ich weiß, dass sie mit ihrem Assistenten des Öfteren darüber gescherzt hat und ich wäre dankbar, wenn es so bliebe!“ „Keine Angst.“, tröstete Tymoron. „Ich kenne deine Techniker Tressa ja gar nicht. Also komme ich auch nicht in Versuchung, ihr irgendwas zu verraten.“

Sie bogen vom Highway auf jene Landstraße ab, die zum Tierheim von Little Federation, das etwas außerhalb lag, führte. „Wir sind bald da, Tymoron.“, sagte Sedrin. „Wirst du noch Helfer benötigen?“ „Kommt auf die Situation an, die sich mir bietet.“, sagte Tymoron. „Ich werde mich wohl erst einmal mit Yara bekannt machen. Das Tier bestimmt das Tempo, in dem wir arbeiten. Mal sehen, wie weit wir heute kommen.“ „OK.“, sagte Sedrin und stellte das Fahrzeug auf dem Parkplatz vor dem Tierheim ab. „Dann komm mit.“ Beide stiegen aus.

Dass sich noch jemand auf dem Gelände befinden würde, ahnten die beiden Demetaner nicht, denn sie hatten noch keinen weiteren Jeep gesehen. Der Grund dafür war, dass jene weitere Person zwar motorisiert angekommen war, sich aber eigentlich nur von ihrem Mann auf dem Weg zur Arbeit vorbeibringen lassen hatte. Sie wollte Yara, mit der sie bereits eine tiefe freundschaftliche Beziehung verband, einen der üblich gewordenen Besuche abstatten, bei denen sie mit ihr spielte und ihr meistens ein dickes repliziertes Putenschnitzel mitbrachte. Später, wenn es Zeit wäre, würde Tchey zu Fuß zur nicht sehr weit vom Tierheim entfernten Einsatzzentrale des Rettungsshuttles gehen. Sie fand, dass ein Spaziergang am Morgen nicht verkehrt war. Außerdem hielt sie das ihrer Meinung nach fit. Um Yaras Fitness zu erhalten, hatte sich die Reptiloide ein Spiel überlegt, bei dem - wie sollte es anders sein - ein Flugobjekt eine große Rolle spielen sollte. Es handelte sich um ein ferngesteuertes Modellraumschiff, wie sie in jedem guten Spielwarenladen zu haben waren. Unten an diesem Schiff hatte ihr Ehemann eine kleine Kiste angebracht, in der sich immer ein Stück des von Yara so sehr geliebten Putenschnitzels befand. Das füllte Tchey jedes Mal nach, wenn Yara die Beute so zu sagen zur Strecke gebracht hatte, um das Schiff dann wieder per Fernbedienung starten und einige Manöver kurz über dem Boden vollführen zu lassen. Ab und an ließ sie es aber auch mal höher steigen, um Yara zum Springen zu animieren. Dies wurde von ihr stets mit dem Kommando: „Yara, hopp!“, angekündigt. Bei der ganzen Aktion hatte Tchey aber auch bemerkt, dass nicht nur Yara gefordert wurde, sondern dass auch sie sich ständig neue Manöver ausdenken musste. Als geübte Pilotin hatte sie damit aber nicht wirklich ein Problem. „Du forderst mich ganz schön, Süße!“, lächelte Tchey, der auffiel, dass die demetanische Wollkatze offensichtlich ein Talent zum Voraussehen ihrer Aktionen besaß.

Von hinten hatte sich ihr jemand genähert, den Tchey nicht sehen konnte, weil sie mit dem Spiel völlig beschäftigt war. Erst dann, als sie von der Person angesprochen wurde – und das auf eine unverwechselbare Art – konnte sie sich denken, wer das war. „Die quadropode Lebensform scheint zu Ihnen eine Affinität entwickelt zu haben.“, sagte jene Gestalt, die Tchey zuerst nur aus dem Augenwinkel ihres rechten Sehorgans wahrgenommen hatte. Erst jetzt hob sie den Kopf von der Fernbedienung, auf der sie das nächste Manöver programmiert hatte und drehte ihn in die Richtung, aus der dieser Satz gekommen war. „D/4!“, rief sie erstaunt aus. „Was tun Sie denn hier? Konnten Sie nicht regenerieren?“ „Meine Regeneration verlief in korrekten Parametern.“, versicherte die Sonde. „Ich habe sie nur mit Absicht einwenig verlegt, um mehr Freizeit mit einer meiner besten Arbeitskolleginnen verbringen zu können. Schließlich weiß ich, dass Sie um diese Zeit meistens hier sind.“

Tchey musste sich setzen. Mit so einer Reaktion der Sonde hatte sie nicht gerechnet. Auch die Fernbedienung für das Modellschiff landete langsam aber sicher auf einem der Pfähle, die den Zaun des Zwingers, in dem sich Yara befand, an seinem Platz hielten. „Ihre medizinischen Werte zeigen mir, dass Sie verwirrt sind.“, stellte die Sonde fest. „Das stimmt.“, gab Tchey - die sonst immer so coole und unerschütterliche Tchey - unumwunden zu. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich Ihnen so viel bedeute, dass Sie für mich sogar Ihre Regenerationszeit verändern. Das haut mich echt voll aus den Socken, D/4!“ „Wenn Sie das schon aus den Socken haut.“, sagte die Sonde. „Dann möchte ich nicht wissen, wie Sie auf Mr. Jelquists Heiratsantrag reagiert haben. Ich schätze, danach musste man Sie wiederbeleben.“ Tchey grinste und sogar die Lippen der Sonde verformten sich entsprechend. „Was war das denn?“, fragte die Reptiloide irritiert. „Haben Sie eben gegrinst?“ „Das ist korrekt.“, antwortete D/4.

Sie sah sich um und ihr Blick fiel auf die Fernbedienung und das sich in Tcheys Hand befindende Schiffchen. „Was tun Sie damit?“, fragte sie. „Ich spiele mit Yara.“, erwiderte Tchey. „Welcher Art sind die Spiele?“, fragte D/4. „Ich zeige es Ihnen.“, sagte Tchey und ging innerhalb des Radius der Fernbedienung ein Stück weit vom Gehege fort. Dann rief sie: „Yara, auf deinen Posten!“ Die demetanische Wollkatze sprang folgsam auf den künstlichen Felsen, der ihr auch als Werkzeug zum Schärfen ihrer Krallen diente. Dann begab sie sich in Hockstellung, was ihr ermöglichte, jederzeit abzuspringen. Ihre Vorderbeine waren durchgedrückt und gerade, ihre Hinterbeine leicht eingeknickt und jeder Muskel ihres Körpers war angespannt. Ihr Schwanz peitschte vor freudiger Erregung hin und her. Ihre Augen waren starr auf das Schiff gerichtet, ihre Ohren gespitzt. Sie gab keinen Laut von sich. „Und aufgepasst!“, rief Tchey und startete den Antrieb des Schiffchens. Dann drehte sie ihre Hand so, dass sie als Startrampe dienen konnte und ließ es los fliegen. Yaras aufmerksamen Augen war das nicht entgangen. Sie sprang vom Felsen und versuchte, dass Schiffchen noch im Flug zu fangen, was ihr dieses Mal auch gelang, da Tchey den Antrieb mitten im Flug deaktiviert hatte. Dann gab sie ein lautes und siegessicheres Fauchen von sich. „Fein! Ich komme schon.“, sagte Tchey. Dann zog sie einen Datenkristall aus der Tasche und ging um das Gehege herum zu dessen Tür. Hier steckte sie den Kristall in ein Laufwerk. „Autorisationskristall akzeptiert.“, sagte eine Rechnerstimme und das Schloss wurde entsichert. Dann betrat sie den Zwinger. Yara saß vor dem Schiff. Hier wartete sie, bis Tchey die kleine Kiste geöffnet hatte. Dann ließ sie sich das Stückchen Fleisch schmecken. Tchey nahm das Schiff mit und ging wieder hinaus. Nachdem sie das Gehege verlassen und den Datenkristall entfernt hatte, schloss auch der Schließmechanismus wieder.

D/4 hatte das Geschehen erstaunt beobachtet. „Warum besitzen Sie einen Datenkristall, der Ihnen den Zutritt zu einem dieser Zwinger ermöglicht?“, wollte die Sonde wissen. „Weil Lasse und ich ’n paar verdammt heiße Anwärter auf Yaras neue Familie sind.“, antwortete Tchey. „Ich habe mir auch schon ’ne Menge Wissen angeeignet.“ „Bestätigt.“, sagte die Sonde. „Sonst hätten Sie ja bestimmt nicht gewusst, dass demetanische Wollkatzen bereit sind, unter gewissen Umständen ihre Beute einzutauschen.“ „Oder, dass sie halt einfach bequem genug sind, sie herzugeben, wenn es ihnen einen Vorteil bringt.“, brillierte Tchey. „Yara weiß, dass es gut für sie ist, wenn sie wartet, bis ich die Büchse geknackt habe.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich so sehr engagieren.“, sagte die Xylianerin. „Warum nicht?“, fragte Tchey. „Sie wissen doch. Wenn ich etwas wirklich will, dann …“ „Dieser Wesenszug ist mir von Ihnen sehr wohl bekannt.“, sagte die Sonde.

Die Frauen wurden auf einen sich langsam nähernden silberfarbenen Jeep aufmerksam. „Es sieht aus, als würden wir Besuch bekommen.“, sagte die Sonde. „Wer kann das sein?“, fragte Tchey. „Unbekannt.“, sagte D/4.

Wenig später wurde das Fahrzeug auf dem Parkplatz abgestellt und jemand näherte sich dem Gelände. Er hatte eine Tasche dabei. Erst beim Näher kommen wurde klar, um wen es sich handelte. „Agent Peters.“, erkannte die Sonde, die erst kürzlich bei ihm eine Aussage gemacht hatte. „Genau, D/4.“, sagte der Agent. „Aber ich frage mich, was Sie und Tchey hier tun.“ „Ich habe mit Yara gespielt.“, antwortete die Reptiloide. „Und ich habe ihr Gesellschaft geleistet.“, fügte die Sonde bei. Dann fiel ihr Blick auf die Tasche. Ihre Sensoren hatten schnell den Inhalt erfasst. „Warum tragen Sie fremde getragene Kleidung mit sich herum?“, fragte sie den Agenten verwundert. „Diese Wäsche gehört unserem Verdächtigen Nummer eins.“, sagte der Terraner deutscher Herkunft. „Da Gefahr im Verzug ist, habe ich sie aus seinem Haus besorgen können und dürfen. Sedrin und der Verhaltenstrainer brauchen sie, damit Yara ihn gegebenenfalls besser und leichter identifizieren kann. Ich habe heute Nacht noch eine Mail von ihr bekommen, in der sie ihn und sich angekündigt hat. Ist sie schon hier?“

„Das bin ich, Karl!“ Eine Stimme aus dem Hintergrund hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er drehte sich um und sah in das konzentriert dreinschauende Gesicht seiner demetanischen Partnerin. „Hi, Sedrin.“, sagte er. „Und das ist dann wohl unser Experte.“ Er deutete auf Tymoron. „Mein Name ist Tymoron.“, stellte sich dieser vor. „Ach, wer sind denn die zwei reizenden Ladies?“ Damit zeigte er auf D/4 und Tchey. „Ich bin Tchey Neran-Jelquist.“, stellte sich selbige vor. „Ich bin die feste Pilotin des Rettungsshuttles. Das ist Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe. Sie können sie D/4 nennen. Sie ist unsere Bereitschaftsärztin.“ „Na, es wird schon nicht so schlimm werden, dass wir die Rettung benötigen.“, lächelte Tymoron. „Ich fürchte, dass es hier ein Missverständnis gegeben hat.“, klärte die Sonde auf. „Tcheys und mein Interesse an Yara ist rein privater Natur. Aber falls es notwendig sein sollte, wären wir bereit, Ihnen bei ihren Experimenten zu assistieren.“ „So kann man auch umschreiben und tarnen, dass man neugierig ist, D/4.“, flapste Tchey. „Warum sollte ich zu so einem reizenden Angebot nein sagen.“, sagte Tymoron. „Also gut. Sie sind hiermit eingestellt. Aber heute werde ich mich Yara sowieso erst einmal vorstellen. Sedrin, wir sollten zunächst einen Tierpfleger aufsuchen, der Yara kennt und uns mit ihm beraten.“ „OK.“, nickte die Agentin und beide drehten sich Richtung Bürogebäude.

D/4 hatte beobachtet, wie sie um die nächste Ecke verschwunden waren. Dann drehte sie sich zu Agent Peters um und sagte: „Ihre Ausführungen sind inkorrekt.“ „Was meinen Sie damit?“, sagte der Agent. „Ich meine, dass die Gefahr nicht nur im Verzug, sondern schon eminent ist. Sie können gegenüber Tchey und mir ruhig ehrlich sein. Ich weiß, dass Sie es gegenüber einem Zivilisten vielleicht nicht dürfen, aber Tchey ist eine ausgebildete Offizierin der Sternenflotte.“, referierte die Sonde. „Das stimmt.“, sagte Peters. „Aber es gibt hier einen unbedarften Zivilisten, nämlich Mr. Tymoron.“ „So unbedarft ist er sicher nicht.“, erwiderte die Sonde. „Er weiß bestimmt mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Ihre Partnerin wird ihm sicher die notwendigen Daten übergeben haben.“ „Das denke ich auch.“, überlegte Peters. „Aber manchmal kann ich nicht anders. Wenn etwas wie ein Zivilist aussieht, dann ist es einer für mich und ich spule das in der Agentenschule gelernte Verhalten einfach ab, ohne auf eventuelle Abweichungen zu achten.“ „Dieses Verhalten ist kurzsichtig!“, urteilte die Sonde. „Mag sein.“, sagte Peters. „Aber ich kann leider nicht aus meiner Haut. Ich bin Deutscher. Vielleicht wissen Sie das nicht, aber mein Menschenschlag ist dafür bekannt und berühmt, sich extrem stark an Vorschriften und Regeln zu halten. Manchmal vielleicht auch etwas zu stark und dann ist uns genau dieses Verhalten im Weg. Reichlich ineffizient, was?“ „Bestätigt.“, sagte D/4. „Das ist ineffizient. Aber ich weiß, dass Ihr Volk auch in gewissen anderen Dingen wiederum sehr effizient sein kann. Beispielsweise werden Sie als gute Handwerker gehandelt und Sie achten bei Ihrer Arbeit sehr auf Qualität, was wiederum sehr effizient ist. Ich denke, es kommt immer auf die Situation an. Ihre Partnerin und Mr. Tymoron werden Ihnen diesen kleinen Lapsus sicher verzeihen, wenn ich die Daten zugrunde lege, die ich über das Verhalten des demetanischen Agent sammeln konnte. Sie kann sicher auch nicht aus ihrer Haut. Demetanerinnen sind dem System als sehr verständnisvoll bekannt. Aber wir wissen auch, dass sie eine Bioeinheit ist, die sich auch komplett entgegen jeder mathematischen Wahrscheinlichkeit verhalten kann.“ „Sind Sie online?“, fragte Peters irritiert ob ihrer letzten Sätze. „Hören Ihre Leute uns etwa jetzt zu?“ „Negativ.“, sagte die Sonde. „Was ich Ihnen mitteilte, ist reines allgemeines Wissen des Systems.“ „Ach so.“, atmete Peters auf. „Und ich dachte schon.“ „Dass Sie mich gefragt haben, ob ich online sei, zeugt aber doch von einem gewissen Bildungsstand über uns Xylianer, den Sie zweifelsfrei besitzen.“ „Das stimmt.“, sagte der Agent. „Ich weiß, dass Sie im Gegensatz zu den Borg auch völlig selbstständig operieren können, ohne an irgendwelchen Folgen zu leiden. Sie können sich vernetzen, müssen es aber nicht.“ „Das ist korrekt.“, lobte die Sonde.

Die Demetaner hatten das Bürogebäude des Tierheims betreten und sich am Empfang gleich den Weg in die Chefetage erklären lassen. Tymoron wollte direkt mit der Leitung sprechen, denn dort würde man ihm am besten sagen können, wer von den Tierpflegern geeignet sein würde, bei den Experimenten um Yara und ihre „Aussage“ mitzumachen. Jetzt gingen sie einen langen Gang entlang, der rechts und links von Wandteppichen mit Tiermotiven gesäumt war. Der Flur selbst war mit einem weichen braunen Teppich ausgelegt. Am Ende des Ganges kamen sie zu einer Tür, über der sich ein Schild mit der Aufschrift Besprechungszimmer befand. Hier, so hatte man ihnen am Empfang berichtet, würden sich alle aufhalten, die wichtig wären.

Gerade hatte Sedrin überlegt, ob sie die Sprechanlage betätigen sollte, als sich die Tür des Raumes öffnete und eine kleine zierliche Gestalt mit blonden langen Haaren und einem blauen wallenden Kleid diesen verließ, um in ihre Richtung zu gehen. „Sie müssen der vom Geheimdienst angekündigte Verhaltenstrainer sein.“, wendete sie sich sogleich an Tymoron. „Und Sie sind sicher Agent Sedrin Taleris-Huxley.“ Die Demetaner nickten. „Kommen Sie doch mit.“, sagte die Frau mit ihrer lieben hohen Stimme. „Wir reden auch gerade über Yara. Dann können Sie gleich sicher noch einiges erfahren, Mr. Tymoron.“ „Ja, ja.“, nickte der Demetaner hurtig und bedeutete Sedrin, ihm zu folgen, aber mit ihm einige Schritte hinter der Frau zu bleiben. Dann raunte er ihr etwas auf Demetanisch zu, was ungefähr die Bedeutung von: „Sie ist sicher Telepathin.“, hatte. „Wenn die mit Yara arbeiten soll, sehe ich schwarz. Ich denke, ich sollte mich hier einmischen, um das Schlimmste noch zu verhindern. Immerhin ist Yara keine Hauskatze, sondern ein 70 kg schweres Tier, das, wenn es will, sehr gefährlich werden kann. Ihr Frauchen wurde ihr durch einen Telepathen genommen. Das Trauma hat sie bestimmt noch nicht verarbeitet und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Wollkatzen Telepathie spüren können.“ Auf all seine Sätze nickte Sedrin nur bestätigend.

Sie waren in dem mit gemütlichen Sofas, Sesseln und kleinen Tischen ausgestatteten Zimmer angekommen. Die Fremde führte sie zu zwei Sesseln. Dann sagte sie zu der platonischen Tierheimleiterin: „Mrs. Deria, sie sind jetzt hier.“ „Sehr gut, Inat.“, sagte diese. „Vielleicht kann uns ja dann Mr. Tymoron gleich die Frage beantworten, warum Yara Ihnen gegenüber so skeptisch ist und Sie nur auf Entfernung toleriert.“ „Ich denke, das kann ich wirklich!“, brachte sich der Demetaner ein. „Inat ist kein terranischer Name, ist mir aufgefallen. Ist einer Ihrer Elternteile unter Umständen telepathisch?“ „Mein Vater ist Olianer.“, sagte die junge Frau. „Ach, Sie meinen …“ „Genau.“, sagte Tymoron. „Also, es wäre wohl besser, wenn ein Nicht-Telepath mit Yara arbeitet. Da wird sich doch unter Ihren Leuten sicher jemand finden, Mrs. Deria, oder?“ „Ach, aber natürlich.“, sagte die Tierheimleiterin und schlug verschämt die Hände über dem Kopf zusammen. „Dass die Lösung so einfach ist. Vielen Dank, Mr. Tymoron! So heißen Sie doch.“ „Ja, das ist richtig.“, sagte der Demetaner freundlich und zog ein Tuch aus der Tasche, das er Inat übergab. „Halten Sie das bitte für ca. 30 Sekunden in der Hand!“, instruierte er sie. „Dann wird es Ihre geistige Prägung aufnehmen. Wir werden Yara damit konfrontieren müssen, um eine fundierte Aussage zu bekommen, wenn man so will.“ „OK.“, sagte Inat. „Übrigens, ich heiße Inat Williams und bin hier eigentlich immer für die schwierigeren Fälle eingeteilt gewesen. Aber in diesem Fall geht das wohl nicht.“ „Nein!“, sagte der Demetaner überzeugt und nahm ihr nach Ablauf der Frist das Tuch wieder ab, um es in ein ebenfalls mitgebrachtes energiedichtes Röhrchen zu stecken.

„Ich wäre gern bei den Experimenten mit Yara anwesend.“, äußerte die Tierheimleiterin eine Bitte. „Ich meine, ich habe so etwas noch nie gesehen.“ „Wenn Sie es zeitlich einrichten können.“, sagte Tymoron und deutete an, den Raum verlassen zu wollen. „Aber ich werde mich Yara heute sowieso erst mal nur vorstellen.“ „Wie ich die Kleine einschätze.“, sagte Deria. „Könnte sie aber heute vielleicht schon mehr wollen.“ „Auch gut.“, sagte Tymoron. „Aber das bleibt es ja erst mal abzuwarten. Trotzdem können Sie gern mitkommen.“ „In Ordnung.“, sagte Deria, übergab ihrem Stellvertreter noch die Leitung der Konferenz und ging dann mit Sedrin und Tymoron hinaus.

D/4, Peters und Tchey sahen sie bald um die nächste Ecke biegen. „Ah, da seid ihr ja wieder.“, sagte der deutschstämmige Agent. Dann viel sein Blick auf die beide Demetaner begleitende Platonierin. „Deria, was machst du denn dabei?“ „Ich wollte einfach mal mit ansehen, was mit unserem traumatisierten Sorgenkind aufgestellt wird, Schatz.“, lächelte die Angesprochene. „Ich wusste gar nicht, dass ihr zusammen seid.“, schob Sedrin ein. „Du darfst vielleicht alles essen, aber nicht alles wissen, meine liebe Kollegin.“, neckte Peters. „Ihre Daten sind inkorrekt.“, gab D/4 ihren Kommentar ab. „Der Agent darf auch nicht alles essen. Sie leidet unter der Replikatorkrankheit.“ „Das war ja auch nicht so wörtlich gemeint, D/4.“, sagte Sedrin.

Tymoron räusperte sich. „Ich finde, wir sollten jetzt endlich zur Tat schreiten. Schließlich haben Sie mich ja sicher nicht umsonst hergeholt.“ „Nein!“, sagte Sedrin energisch. „Wie willst du jetzt vorgehen?“ „Ich werde mich zunächst in einem Winkel zum Zaun verstecken, in dem Yara mich nicht sehen, aber gut hören kann. Dann werde ich sie rufen und ihre Reaktion beobachten.“ „In Ordnung.“, sagte Sedrin und begann, mit ihm gemeinsam nach einem Versteck zu suchen. Schließlich fiel ihre gemeinsame Wahl auf ein Gebüsch in der Nähe. Tymoron begab sich dort hin. Dann rief er: „Yara, komm her!“

Die demetanische Wollkatze lauschte, aus welcher Richtung der Ruf gekommen war. Dann schlich sie in geduckter Haltung in Richtung Zaun. Ihre Augen waren mit starrem Blick in Richtung Stimme gerichtet. Ihr Fell war gesträubt, ihre spitzen Ohren verrieten hohe Aufmerksamkeit. Ihr Schwanz war durch das Aufstellen ihrer Haare leicht angeschwollen. Ihr Fang war leicht geöffnet und sie hechelte, was auf Stress hinwies. Trotzdem gab sie ein auf einer höheren Frequenz angesiedeltes Schnurren von sich. Die einzelnen Laute waren außerdem sehr kurz, was wohl auch mit ihrer schnelleren Atmung zusammenhing. „Ich glaube, sie fühlt sich mit Ihnen sehr wohl, Mr. Tymoron!“, rief Peters dem immer noch im Gebüsch wartenden Verhaltenstrainer zu. „Da irren Sie sich gewaltig!“, gab der Demetaner zurück und verließ sein Versteck. Dann stellte er sich neben den ob seiner Antwort sichtlich verwirrten Agenten und erklärte: „Den Fehler machen aber die Meisten. Wenn ein katzenartiges Wesen schnurrt, dann meinen sie, es fühlt sich grundsätzlich wohl. Das ist aber nicht immer der Fall. Man muss immer das Gesamtpaket des Verhaltens sehen. Sehen Sie Yaras Schwanz? Er ist angeschwollen und peitscht. Wenn sie sich freuen würde, wäre er hoch aufgerichtet, normal dünn und würde sich nicht bewegen. Ihr Nackenfell ist außerdem gesträubt und ihre Gesichtsmimik verrät Anspannung. Wenn ich jetzt ihre Fluchtdistanz verletzen würde, würde sie mich mit Sicherheit angreifen!“ Sein Vortrag hatte bei Karl zu einem Aha-Erlebnis geführt. „Und ich dachte immer …“, sagte er. „Ja, Sie dachten.“, sagte Tymoron. „Aber jetzt sind Sie hoffentlich eines Besseren belehrt.“ „Aber was bedeutet dann das Schnurren?“, fragte Peters. „Das ist ein Beschwichtigungsverhalten!“, erklärte Tymoron. „Sie sagt: Tu mir nichts. Komm nicht näher. Dann tue ich dir auch nichts.“ „Das heißt, dass sie eigentlich Angst hat.“, erkannte der Agent. „Sehr richtig.“, lobte der Tiertrainer. „Aber das heißt ja, dass wir schon mitten in der Arbeit sind.“, mischte sich Sedrin ein. „Ich meine, sie hat dich nicht gesehen, Tymoron. Sie hat nur deine Stimme gehört und reagiert gleich mit Angst und Angriffsbereitschaft, obwohl sie dich gar nicht kennt. Das bestätigt mir, dass ihr Trauma durch ein männliches Wesen verursacht wurde.“ „Richtig.“, nickte Tymoron begeistert. „Die junge Dame scheint ein sehr großes Arbeitstempo vorzulegen.“, stellte Sedrin fest, die noch gut ihr Gespräch aus dem Jeep in Erinnerung hatte.

Tymoron sah sich unter den Umstehenden um. Dann ging er zu Tchey hinüber. „Es scheint, als würde ich jemanden brauchen, die Yara erklärt, dass ich harmlos bin, obwohl ich ein Mann bin. Sie haben doch eine so gute Beziehung zu ihr. Wie wäre es, wenn Sie mich vorstellen?“ „OK.“, lächelte die Reptiloide, die noch nicht genau wusste, was sie erwarten sollte. „Was muss ich tun?“ „Wir gehen zusammen am Zaun in Yaras Sichtweite entlang.“, erklärte der Demetaner. „Aber ich werde Ihre Hand halten müssen, damit sich unsere Gerüche vermischen. Wenn ich es Ihnen sage, geben Sie Yara Ihre Hand zum riechen, mit der Sie vorher die Meine gehalten haben.“ „In Ordnung.“, lächelte Tchey. „Das bedeutet also, dass ich zwischen Ihnen und Yara gehe.“ „Genau.“, sagte Tymoron und nahm sie bei ihrer linken Hand. Dann gingen sie einfach nur wie zwei Spaziergänger um das Gehege herum. Yara beobachtete jeden Schritt. Sie fragte sich wohl gerade, was der seltsame Fremde mit ihrer Bezugsperson zu schaffen hatte. „Bleiben Sie ganz locker und entspannt.“, sagte Tymoron. „Wir wollen mich ja schließlich als das Normalste der Welt vorstellen. Wenn Sie so tun, als wäre ich etwas Besonderes, verstärken wir Yaras Angstverhalten unter Umständen noch.“ „Ist geritzt.“, flapste Tchey und entspannte sich merklich.

Auch Tymoron hatte Yara nicht wirklich aus den Augen gelassen. Er sah jetzt, wie sich ihr vorher gesträubtes Fell immer weiter legte, bis es wieder normal an der Haut anlag. Auch ihr Schwanz wurde wieder dünner und bewegte sich immer langsamer, bis er schließlich ganz zum Stillstand kam und sogar herunterhing. „Jetzt hat sie sich auch entspannt.“, übersetzte Tymoron. „Sie hat gelernt, dass ich ihr wohl doch nichts tue. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um dies noch zu bestätigen. Wenn Sie ihr jetzt die Hand unter die Nase halten, an der Sie mich vorher gehalten haben, dann riecht sie, dass wir zu ein und derselben Gruppe gehören, ich also auch nichts Böses von ihr wollen kann, wenn Sie mich akzeptieren. Wollkatzen sind weder echte Einzelgänger, noch echte Rudeltiere. Sie tolerieren eine Art Familienverband, der meistens nur aus weniger als fünf Tieren besteht.“ „Mit Yara wären wir aber schon drei.“, begriff Tchey. „Das stimmt.“, sagte Tymoron.

Die Reptiloide blieb stehen und zog ihre Hand aus der Tymorons. Dann schnippte sie mit den Fingern und rief: „Yara!“ Die demetanische Wollkatze ging zu ihr hinüber und schnupperte aufgeregt durch den Zaun an ihrer Hand. Ihr vorher so ruhiger Schwanz wippte leicht. Das konnte Tchey sehen. Auch ihre Atmung war noch immer sehr schnell, was gut durch die hohen kurzen Schnurrlaute, die sie in schmeichlerischer Absicht von sich gab, zu hören war. „Ruhig, Süße.“, sagte Tchey. „Er will dir nichts tun. Er ist ein ganz lieber.“ Dabei war ihre Stimme betont leise und freundlich. „Sehr gut.“, lobte Tymoron. „Obwohl ich Sie eigentlich nicht als eine so sensible Person eingeschätzt hätte.“ „Was soll das heißen?!“, fragte Tchey empört. „Nun ja.“, sagte der Demetaner. „Sie genießen einen gewissen Ruf. Sie gelten als etwas burschikos und vielleicht auch als etwas rebellisch und verantwortungslos, wenn ich ehrlich sein soll. Man vergleicht Sie des Öfteren mit Thomas Eugene Paris.“ „Na ja.“, sagte Tchey. „Auch den hat man verkannt.“ „Das ist wohl wahr.“, sagte Tymoron und setzte einen Blick auf, als wollte er sich bei ihr entschuldigen. „Immerhin hat die Stadt Sie als Pilotin für das Rettungsshuttle eingestellt, was ja ein sehr verantwortungsvoller Posten ist und das hätten sie sicher nicht einfach so getan.“ „Das glaube ich auch.“, sagte Tchey. „So ein starker Arbeitskräftemangel herrscht schließlich nicht, dass sie nehmen müssen, wer sich ihnen gerade anbietet und ich war definitiv damals nicht die einzige Bewerberin auf den Job.“

Ihre entspannte Plauderei hatte dafür gesorgt, dass sich Yara mitten im Gehege hingesetzt und mit der Körperpflege begonnen hatte. Das hieß, sie hatte ihren Kopf gesenkt, sich hingesetzt und ihre Augen von jeglichem Geschehen abgewendet. So hätte sie auf keinen Fall einer potentiellen Gefahr begegnen können, was wohl auch bedeutete, dass sie wohl keine erwartete. „Ich denke, es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun.“, sagte Tymoron und ging zum Jeep zurück, um sich vorsichtshalber doch ein Paar Schutzhandschuhe zu besorgen. Dann wandte er sich an Deria: „Könnten Sie mir wohl das Gehege aufschließen?“ „Ich dachte, du wolltest dich Yara zuerst nur vorstellen.“, mischte sich Sedrin ein. „Stimmt, Sedrin.“, sagte Tymoron. „Das wollte ich. Aber wie du weißt, halten sich die lieben Tierchen selten an unsere Pläne. Wie du sicher auch schon festgestellt hast, sind wir bereits mitten in der Arbeit.“

Deria winkte dem Demetaner und beide gingen zur Tür des Zwingers, die dann von der Heimleiterin mit einem Datenkristall geöffnet wurde. „Vielen Dank.“, sagte Tymoron ruhig und ging hinein. Dabei achtete er darauf, dass Yara ihn trotz ihrer Haltung gut wahrnehmen konnte. Er stampfte absichtlich etwas stärker auf, während er sich in eine Ecke begab, die für Yara zwar einsehbar, aber etwas weiter von ihr entfernt war. Dort setzte er sich hin und tat einfach eine Weile lang gar nichts.

Peters war die ganze Sache etwas unheimlich geworden. „Kannst du mir mal verraten, was dein Exfreund da macht?“, fragte er an Sedrin gewandt. „Ich denke, er versucht Yara noch mehr zu verdeutlichen, dass er nichts Schlimmes von ihr will.“, vermutete die Demetanerin. „Er muss sich ihr wahrscheinlich im Laufe unserer Arbeit noch stärker nähern.“

Plötzlich begann Yara, die einzelnen Schnurrlaute viel länger auszudehnen. Ihre Atmung wurde langsamer und tiefer. Sie unterbrach sogar ihre Körperpflege, um langsam aufzustehen. Dann schlich sie langsam zu Tymoron hinüber und setzte sich laut schnurrend neben ihn, um dann ihr Kinn an seinem Bauch zu reiben. Dann fuhr sie, immer noch laut schnurrend, mit der Körperpflege fort. Tymoron näherte sich zunächst mit seiner rechten Hand, über die er einen Schutzhandschuh gezogen hatte, vorsichtig ihrem Rücken. Dann berührte er sie sogar und konnte sie streicheln! Er öffnete mit seiner freien linken Hand den Verschluss des Handschuhs und schlüpfte langsam heraus. Immer mehr seiner fünf Finger waren nackt und ungeschützt. Mit ihnen berührte er nun ihr weiches wolliges Fell. Schließlich fiel der Handschuh ganz in den Sand. Jetzt war Tymorons gesamte Hand schutzlos auf Yaras Rücken. Wenn sie sich jetzt umdrehen würde, um ihn anzugreifen, könnte er viele Kratzwunden davontragen. Aber nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil! Yara schien seine Streicheleinheiten sogar sehr zu genießen. Sie drückte sich gegen seine Hand und schnurrte, aber mit seltsamen gurrenden Lauten dazwischen. Es war außerdem ein sehr tiefes langes Schnurren, das sie jetzt von sich gab. „Siehst du, Jinya.“, lächelte Tymoron. „Wir beide scheinen uns ja doch noch gut zu verstehen. Das ist auch gut so. Du musst uns nämlich helfen.“

Peters hatte die ganze Situation gebannt beobachtet. „Ist der wahnsinnig?!“, wendete er sich an Sedrin. „Ich meine, wenn er sie anspricht, dann weiß sie doch noch viel eher, dass er ein …“ „Dass er ein Mann ist, weiß sie schon längst.“, erwiderte Sedrin genervt. „Außerdem ist er ausgebildeter und lizenzierter Verhaltenstrainer! Er weiß genau, was er tut!“

Diese These Sedrins wurde jetzt auch durch Yara bestätigt, die laut schnurrend ihren Kopf hob, um mit ihrer langen breiten rauen Zunge Tymorons Hand zu liebkosen, die sich inzwischen bis unter ihr Kinn vorgearbeitet hatte. „Sie weiß, dass so einer wie ich nicht der Angreifer war!“, erklärte Tymoron durch den Zaun. „Wir müssen das Ganze jetzt aber genauer eingrenzen und sie fragen, ob unser Verdächtiger Nummer eins der Schuldige sein könnte! Ich komme erst mal wieder raus! Wir müssen noch einiges vorbereiten!“

Er stand langsam auf, um Yara gegenüber nicht doch noch bedrohlich zu wirken. Tymoron wusste, dass jede schnelle Bewegung unter Umständen von ihr als Herausforderung zum Kampf aufgefasst werden konnte, auch, wenn sie sich scheinbar gut verstanden. Er hatte es hier mit einem traumatisierten Tier zu tun, dessen Verhalten unter Umständen unberechenbar sein konnte!

Er war bei den anderen angekommen. „OK.“, sagte er. „Ich werde jetzt einige Jobs verteilen. Bitte kommen Sie alle mit mir.“ Damit folgten ihm alle Anwesenden zu Sedrins Fahrzeug. Hier holte er einige der zehn Koffer aus dem Gepäckraum und öffnete sie. Dann holte er Teile eines Dummys heraus. Außerdem einige merkwürdig anmutende magazinartige Gegenstände, von denen jeder jeweils fünf kg wog. Diese zählte er durch. „18.“, sagte er. „Das dürfte passen. Wenn wir von einem durchschnittlichen Gewicht von 90 kg des Angreifers ausgehen. D/4, würden Sie bitte zu mir kommen?“ Die Sonde nickte und näherte sich in mittlerer Geschwindigkeit seiner Position. „Als Bereitschaftsärztin sind Sie doch bestimmt mit der menschlichen Anatomie vertraut.“, sagte er. „Das ist korrekt.“, erwiderte die Xylianerin. „Dann könnten Sie mir diesen Dummy hier zusammenbauen, während ich den anderen alles erkläre. Sie werden sehen, dass es im Inneren der Körperteile Führungsschienen gibt. Da müssen die Gewichte rein. Unser Freund hier wird also später um die 90 kg wiegen. Der Rest sind einfache modulare Steckverbindungen, die sich ganz leicht durch Druck auf markierte Punkte verriegeln und entriegeln lassen. Die notwendige Elektronik ist schon eingebaut. Sehen Sie?“ Er demonstrierte es, indem er einen Arm an die Schulter des Torsos steckte, um ihn gleich wieder zu entfernen. „Verstanden.“, sagte D/4 und begann mit ihrer Arbeit.

Tymoron wandte sich Tchey zu. „Wir benötigen Sie als eventuelle Schutzbefohlene für Yara.“, erklärte er. „Da Sie die positivste Beziehung zu ihr haben, wird sie unter Umständen bereit sein, Sie gegen einen eventuellen Angriff zu verteidigen. Vor allem Sie!“ „Das bedeutet was?“, fragte Tchey interessiert. „Es bedeutet.“, sagte Tymoron. „Dass Sie sich gleich in Yaras Gehege begeben. Der Dummy wird schon dort sein und ich werde ihn Bewegungen vollführen lassen, wie sie der Angreifer womöglich gemacht hat. Er soll Sie bedrohen. Sie bekommen das hier.“ Er reichte ihr ein Gerät, das wie ein überdimensionierter Ohrhörer aussah. „Stecken Sie es bitte in Ihr rechtes Ohr.“, instruierte er Tchey. „Es wird unter Umständen sehr laut und hektisch werden, wenn Yara den vermeintlichen Bösewicht angreift, weil sie fauchen und knurren wird. Sie müssen dann trotzdem noch in der Lage sein, meinen Anweisungen zu folgen. Schaffen Sie das? Trauen Sie sich das zu?“ „Vergessen Sie bitte nicht, mit wem Sie hier reden, Mr. Tymoron!“, erinnerte ihn Tchey selbstbewusst. „Na schön.“, sagte der Demetaner und reichte ihr noch eine verstärkte Schürze. Tchey nahm sie auf und prüfte ihr Gewicht. „Oh, Gott!“, sagte sie leicht übertrieben. „Das können Sie nicht ernst meinen! Warum soll ich dieses Monstrum denn überhaupt anlegen?! Ich meine, ich bin nicht diejenige, die von Yara angegriffen werden soll. An Ihrer Stelle würde ich mir eher Sorgen um Ihren Dummy machen!“ „Haben Sie keine Angst vor Querschlägern?!“, fragte der Tiertrainer ernst. „Yaras Tatzen könnten durchaus mal daneben hauen. Sie wollen doch nicht verletzt werden, oder?!“ „Oh, nein.“, überlegte Tchey. „Darauf habe ich ja nun wirklich keine Lust.“ „Sehen Sie?! Und deshalb wird es für uns alle besser sein, Sie ziehen das hier an!“, setzte sich Tymoron durch. Widerwillig legte Tchey die Schürze an. „Jetzt weiß ich ungefähr, wie sich ein Ritter im terranischen Mittelalter gefühlt haben muss.“, stöhnte Tchey. „Na, wir wollen mal nicht übertreiben.“, sagte Tymoron und zog sie zum Eingang des Zwingers. „Bleiben Sie hier bitte erst einmal stehen.“, sagte er. „Aye-Aye, Sir.“, scherzte Tchey.

Tymoron drehte sich in Richtung der alles beobachtenden Heimleiterin. „Deria, gibt es eine Möglichkeit, das Gehege abzuteilen und Yara vorübergehend umzusperren?“ „Die gibt es.“, sagte die Heimleiterin, zog eine Fernbedienung aus der Tasche und ließ damit zwei große metallene Flügel aus zwei Pfeilern des Zaunes kommen, die sich in der Mitte begegneten. Nun war das Gehege in zwei Hälften aufgeteilt. „Ausgezeichnet.“, sagte Tymoron. „Machen Sie zunächst wieder auf. Dann möchte ich, dass Sie ihr Lieblingsfutter holen und es in einer Hälfte platzieren. Wenn Yara dort ist, sperren Sie zu, damit wir in Ruhe in der anderen Hälfte des Geheges sicher arbeiten können.“ „Ist gut.“, sagte Deria, um dann zu verschwinden und wenige Minuten später mit einem dicken Putenschnitzel zurückzukehren. Dieses warf sie von außen in Yaras Napf, was der demetanischen Wollkatze nicht entgangen war. Sie sauste hinüber und tat sich an ihrem Gratishappen gütlich, während Deria das Gehege teilte.

Der Demetaner wendete sich D/4 zu. Er stellte fest, dass sie den Dummy bereits fertig gestellt hatte. „Sehr gut.“, sagte er und gab ihr eine Fernbedienung in die Hand. „Mit der hier können Sie sich schon einmal vertraut machen. Ich möchte, dass Sie unseren Angreifer später lenken. Außerdem können Sie uns somit gleich mal helfen, wenn wir ihn von einem Mr. Nichts sagend in unseren Verdächtigen Nummer eins verwandeln. Sie können ihn seine Arme und Beine bewegen lassen, was uns sehr helfen dürfte, ihn anzuziehen. Dann werden wir ihn einfach an seinen Platz im Gehege führen, denn Sie werden ihm das Laufen beibringen.“ „Ich verstehe.“, sagte die Sonde gleichmütig und studierte die Schriftzüge auf der Fernbedienung. „Ich bin mit der Bedienung dieses Gerätes vertraut.“, sagte sie. „Das ging aber schnell.“, lächelte Tymoron. „Na dann. Karl, würden Sie bitte die getragenen Sachen herbringen?“ Der Agent nickte und brachte die Tasche. Dann machten sich Tymoron und D/4 daran, den Dummy anzuziehen. Auch das Tuch mit der telepathischen Prägung wurde ihm in die Tasche seines Anzugs gesteckt. Dann zogen sich Peters und Tymoron geruchsneutrale Handschuhe an und nahmen den Dummy bei den Händen. „Wir sind so weit, D/4.“, sagte der Verhaltenstrainer. Die Sonde nickte und setzte den vermeintlichen Mr. Radcliffe in Bewegung.

Bald hatten die Männer und die Sonde ihn im Gehege platziert. „Jetzt kommen Sie, Tchey.“, sagte Tymoron. „OK.“, antwortete die Reptiloide und schlurfte lässig heran. „Stellen Sie sich dem Dummy bitte gegenüber.“, wies Tymoron sie an. Tchey nickte und tat, worum er sie gebeten hatte. „Deria, jetzt Sie.“, sagte er und zeigte auf die Fernbedienung in der Hand der Tierheimleiterin. Diese öffnete den Schieber und Yara kam aus ihrem temporären Arrest. Sofort fiel ihr jener Geruch in ihrem Gehege auf! Jener verhasste Geruch, der sie sofort an die Angriffssituation erinnerte. Auch die vermeintliche Anwesenheit eines Telepathen spürte sie. Wieder sträubten sich ihre Nackenhaare, ihr Schwanz wurde dick und sie begann zu knurren und zu fauchen, was ein schier ohrenbetäubendes Spektakel auslöste. „D/4!“, rief Tymoron der Sonde zu. „Lassen Sie es so aussehen, als würde sich unser Angreifer von Yaras Imponiergehabe nicht abschrecken lassen. Tun Sie, als wolle er sie wirklich angreifen!“ „Verstanden.“, sagte die Sonde und ließ den Dummy seinen rechten Arm nach Tcheys Kopf ausstrecken, ein Verhalten, das sie bei Telepathen schon oft beobachtet hatte.

Yara hielt jetzt nichts mehr! Sie sprang auf den Dummy zu und verbiss sich in sein Handgelenk. Dann stieß sie ihn mit ihren Tatzen und den ausgefahrenen Krallen an und versuchte, ihn zu Fall zu bringen. Gleichzeitig drängte sie Tchey mit ihrem Hinterteil ab. Tymoron nahm ein kleines Sprechgerät, das er bei sich hatte, schaltete es ein und flüsterte ruhig hinein: „Tchey, lassen Sie sich beschützen. Gehen Sie langsam weg. Kommen Sie vorsichtig zu uns.“ Die Reptiloide nickte und tat, was er ihr aufgetragen hatte.

Tymoron und die Agenten beobachteten, was Yara mit der neuen Situation anfing. „Sie scheint nicht bemerkt zu haben, dass ihre Schutzbefohlene weg ist.“, sagte Sedrin, die genau sah, dass sie sich noch immer im Handgelenk des Dummys verbissen hatte und nicht daran dachte, irgendwann loszulassen. „D/4, zeigen Sie mir die Fernbedienung.“, instruierte er die Sonde. Diese tat es bereitwillig. „Dachte ich mir.“, sagte Tymoron und deutete auf einen kleinen Bildschirm am Gerät, auf dem eine Graphik zu sehen war. Es handelte sich um ein Tortendiagramm, in dem genau die Druckverteilung auf das Handgelenk des Dummys zu sehen war. „Wovon redest du?“, fragte Sedrin. „Schau mal.“, sagte Tymoron. „Diese Graphik zeigt eindeutig, dass Yara verstärkt mit den Fangzähnen festhält. Das bedeutet, sie will ihren Gegner festhalten, aber nicht zerfleischen.“ „Das ist mir klar.“, sagte Sedrin. „Trotzdem finde ich, sie sollte bald loslassen, um sich nicht die Zähne auszubeißen. Woraus ist die Hülle des Dummys?“ „Duranium.“, sagte Tymoron. „Und du hast Recht. Sie sollte bald loslassen. Ich weiß zwar auch, dass Zahnschmelz das härteste Material im Körper ist, aber mit Duranium kommt es nicht mit. Außerdem mache ich mir Sorgen um den Halteapparat ihrer Zähne.“ „Aus, Yara!“, ging Peters dazwischen, was ihn aber nur einen abfälligen Seitenblick von Tymoron ernten ließ.

Die, welche dann schließlich genau das Richtige tat, war D/4. Durch einige schnelle Abfolgen von Tastenkombinationen auf der Fernbedienung ließ sie den Dummy hinfallen. Dann biss ihm Yara in die Kehle, worauf D/4 ihn ein eingespeichertes Röcheln abspielen ließ. Dann deaktivierte sie in Windeseile all seine Systeme.

Yara ließ endlich ab. Dann schlich sie durch ihr Gehege und markierte alles mit Pfoten, Krallen und Kinn. Danach ging sie zu ihrem Toilettenplatz und machte einen großen dicken Haufen. „Was hat das zu bedeuten, Tymoron?“, fragte Sedrin. „Sie feiert so zu sagen ihren Sieg.“, erklärte der Angesprochene. „Sie nimmt ihr Revier quasi neu in Besitz. Deria, wenn Yara sich beruhigt hat, möchte ich, dass Sie sie wieder kurz umsperren, damit ich meine Sachen holen kann.“ „Sicher.“, lächelte die junge Platonierin. „Mr. Peters, helfen Sie mir bitte.“, sagte Tymoron zu Karl. „Wenn es dann sicher ist.“, äußerte der Agent Bedenken. „So sicher wie im Leib Ihrer Mutter.“, sagte Tymoron. „Wenn sie umgesperrt ist, kann niemandem etwas passieren.“ „Ich hole noch ein Schnitzel.“, lächelte Deria und ging.

Tymoron wandte sich mit einem breiten Grinsen der Sonde zu, die er zunächst kaum beachtet hatte. „D/4, das war großartig!“, sagte er. „Ich wollte Ihnen genau diese Anweisung geben! Woher wussten Sie, dass …“ „Dies herauszufinden war einfach.“, sagte die Xylianerin. „Das Operationsziel des Tieres lautete, den Angreifer zu besiegen und zu töten, um Tchey zu beschützen. Dies habe ich erkannt und ermöglicht. Yaras Ablassen war das meiner Theorie nach eminente Ergebnis.“ „Wow!“, machte Tymoron. „Einer künstlichen Lebensform wie Ihnen hätte ich das nicht zugetraut. Aber anscheinend besitzen Sie auch ziemlich sichere Instinkte. Ich suche noch nach einer Assistentin. So eine wie Sie würde ich vom Fleck weg einstellen!“ „Ich empfinde meine jetzige Arbeitsstelle als adäquat.“, sagte D/4. „Oh, das glaube ich.“, sagte Tymoron. „Aber falls Sie von der Arbeit als Rettungsärztin einmal die Nase voll haben sollten, steht Ihnen meine Tür jederzeit offen.“ „Den zuerst von Ihnen genannten Umstand bezweifle ich.“, sagte D/4. „Ich denke, das wird niemals eintreten. Langeweile im Job kann ich nicht empfinden.“ „Schade.“, sagte Tymoron und lächelte. „Wir wären sicher ein effizientes Team, nehme ich an.“ „Ihre Annahme wäre sicher korrekt.“, sagte die Xylianerin. „Aber ich muss ablehnen.“

Deria kam mit dem Putenschnitzel zurück. „So.“, sagte sie. „Jetzt kann es losgehen.“ Es folgten die gleichen Aktionen wie vorhin. Während Yara sich auf das Schnitzel stürzte, holten Peters und Tymoron den Dummy aus dem Zwinger, demontierten ihn und verstauten die Einzelteile wieder in den Koffern, die sie im Jeep verstauten. „Ist der Geheimdienst dir gegenüber jetzt irgendwie regresspflichtig?“, fragte Sedrin in Tymorons Richtung. „Aber nein.“, sagte er. „Dass mal was verschrammt wird oder kaputt geht, ist in meiner Branche normal. So ein Handgelenk für einen Dummy macht mein Replikator zu Hause im Schlaf. Das ist eben Berufsrisiko.“

Deria trat heran. „Wie sieht es mit Yaras Vermittlung aus?“, wollte sie wissen. „Ich meine, wir haben da eine Familie von Betazed mit einem reizenden kleinen Jungen , die würde …“ „Sind Sie wahnsinnig!“, fragte Tymoron streng und seine sanfte Stimme, die zuweilen an die des ersten Offiziers der Voyager erinnerte, war plötzlich gar nicht mehr so freundlich. „Yara kann, darf und soll niemals an einen Telepathen vermittelt werden, niemals! Den Grund werde ich Ihnen zeigen!“ Er nahm das Tuch und warf es ins Gehege. Yara, die es sofort sah, stürzte sich darauf und zerfetzte es. „Stellen Sie sich vor, Deria, das wäre der reizende kleine Junge gewesen!“ „Es tut mir leid.“, sagte die schockierte Tierheimleiterin. „Das sollte es auch!“, sagte Tymoron mit immer noch sehr strengem Gesicht. „Von einer ausgebildeten Kraft hätte ich ein vernünftigeres Urteil erwartet!“ „Es gibt keine Telepathen bei den Neran-Jelquists.“, buhlte Tchey bei Tymoron um die Erlaubnis, Yara adoptieren zu dürfen. „Ich denke, Tchey.“, sagte die Heimleiterin. „Dass wir uns dann doch für Sie entscheiden werden.“ „Na also.“, sagte Tchey siegessicher. „Jetzt muss ich meinen Mann nur noch darauf vorbereiten, dass wir Familienzuwachs bekommen.“ Sie ging grinsend.

Tymoron sah auf seine Uhr. „Eventuell kann ich heute noch den Liner zurück nehmen.“, sagte er. „Wenn du mich gleich nach Washington bringst, Sedrin.“ „Gern.“, sagte die Demetanerin. „Wenn ich könnte, dann würde ich dich sogar ganz bis nach Demeta bringen. Schließlich hast du uns bei den Ermittlungen sehr geholfen. Dank dir und Yara hat der Wäscher vom Mars endlich ein Gesicht.“ Sie stiegen in den Jeep und verließen das Gelände des Tierheims.

Während der Fahrt bemerkte Sedrin, dass sich ihr Freund trotz des guten Ausgangs des Experimentes nicht wirklich entspannte. „Was für ein Problem hast du noch?“, fragte sie und hielt demonstrativ am rechten Fahrbahnrand an. „Es ist Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe.“, sagte Tymoron. „Diese kleine Sonde hat mich ganz schön beeindruckt. Am liebsten hätte ich sie sofort eingepackt und mitgenommen und mich nicht mehr mit im Gegensatz zu ihr zweitklassigen Bewerbern herumgeschlagen. Das Beste in Sichtweite zu haben, aber zu wissen, dass man sich dann doch mit dem Zweitbesten zufrieden geben muss, ist kein sehr angenehmes Gefühl, Sedrin. Aber vielleicht ändert sie ihre Meinung ja noch.“ „Davon gehe ich nicht aus!“, sagte die Demetanerin, die jene Sonde ja schon etwas länger kannte, als es ihr Freund je tun würde. „Wenn D/4 etwas durchziehen will, dann tut sie das auch. Sie hat dir ja wohl verdeutlicht, dass sie ihre Arbeit als Bereitschaftsärztin des Rettungsshuttles nicht aufgeben wird, egal was für Versprechungen du ihr auch immer machen würdest.“ Sie startete den Antrieb des Fahrzeugs erneut und sie fuhren weiter in Richtung Raumflughafen. Dort half sie ihm noch kurz mit seinem Gepäck, bevor sie sich dann verabschiedete.

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