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Mit Warp 9,99, also nah am Bereich, Warp 10 und damit den Schwebezustand zum Interdimensionsflug zu erreichen, raste Rescue One in Richtung Celsius. Nachdem sich D/4 genauer bei Kelly über die Situation am Unfallort erkundigt hatte, hatte die Sonde genau diese Geschwindigkeit angeordnet. Wäre es ein anderer Pilot gewesen, der Rescue One geflogen hätte, wäre ihr das sicher nie über die Lippen gekommen. Aber da Tchey eben Tchey war, konnte sie das durchaus verlangen. Aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit auf der Scientiffica wusste sie, dass Tchey nicht nur sehr abenteuerfreudig, sondern auch eine sehr versierte Fliegerin war, die ihr Fluggerät jederzeit unter Kontrolle hatte, auch wenn andere schon längst aufgegeben hätten. Die anderen ehemaligen Mitglieder der Besatzung des genannten Schiffes und sie hatten des Öfteren gemeinsam gewitzelt: „Es gibt beim Fliegen keine drei, sondern vier Schwierigkeitsgrade. Grad eins, Grad zwei, Grad drei und Grad Tchey.“

Jetzt hatte D/4 das Mikrofon in der Hand und ließ sich noch einmal von Kelly den genauen Hergang schildern. „Der Melder sagt.“, sagte die Vermittlerin. „Dass er selbst erst dazugekommen ist. Er hat leider keine genauen Informationen, wie lange die Situation schon andauert. Er sagt, er sei ein Tourist, der alles auch erst gerade gesehen hat.“ „Verstanden, Kelly.“, sagte D/4. „Wir werden uns selbst ein Bild machen müssen.“ „Das schätze ich auch.“, meinte die SITCHerin und beendete fürs Erste die Verbindung.

Sekunden später leitete Tchey plötzlich die Schubumkehr ein und das Shuttle verlangsamte auf Impuls. Die plötzliche Vollbremsung hatte allerdings dafür gesorgt, dass D/4 mit dem Kopf auf die Konsole vor ihr getroffen war und Mühe hatte, sich aufrecht im Sitz zu halten. „Nennen Sie den Grund für dieses Manöver!“, sagte sie und sah Tchey mit einem fast bohrenden Blick an. „Ich musste uns stoppen.“, sagte die versierte Pilotin. „Sonst wären wir mit fast Warp 10 ins celsianische Sonnensystem eingeflogen. Das hätte unter Umständen dazu geführt, dass wir mit einigen Planeten zusammengestoßen wären und das hätten wir sicher nicht überlebt. Dann hätten wir unseren Patienten wohl kaum noch retten können! Sagen Sie selbst, wäre das etwa effizient gewesen, he?! Außerdem kann ich nichts dafür, wenn Sie trotz meiner Empfehlung Ihr Sicherheitskraftfeld nicht aktivieren. Also, wessen Fehler war das jetzt wohl?!“

Die Gesichtszüge der Sonde wurden schlagartig weicher. „Es tut mir leid.“, sagte sie und reaktivierte ihr Sicherheitskraftfeld, das in Shuttles des 30. Jahrhunderts den uns wohl eher bekannten Sicherheitsgurt ersetzte. Entgegen Tcheys ausdrücklicher Empfehlung vor dem Start hatte sie es nämlich tatsächlich während des Fluges nicht für nötig erachtet, es aktiv zu lassen. „Sind Sie beschädigt?“, fragte Tchey mitfühlend. „Negativ.“, tröstete die Sonde.

Sie hatten die Umlaufbahn von Celsius erreicht. Tchey begann damit, die Sensoren nach dem ihr von Kelly und D/4 geschilderten Unfallgeschehen suchen zu lassen. Tatsächlich wurde sie bald fündig. „Da ist es ja.“, sagte sie. Im gleichen Moment hörte sie aber einen schrillen Systemalarm vom Schiff, der sie zwang, es steil nach oben zu ziehen. „Bevor Sie mich wieder anpflaumen.“, sagte sie zu D/4. „Werde ich Ihnen lieber gleich sagen, warum ich das gemacht habe. In dem See, in dem sich unsere Patienten befinden, gibt es starke Ablagerungen von Mineralien, die von den Sensoren nicht gerade gemocht werden. Wenn ich da unten nach Sensoren fliegen würde, wäre ich quasi blind. Wir müssen das anders machen.“ Damit ging sie ins Menü des Steuerpultes und fuhr den Rechner für die Sensoren einfach herunter. „Tut mir leid, Rescue One.“, entschuldigte sich Tchey. „Aber damit ich ungestört und gut sehen kann, muss ich dir leider das Augenlicht nehmen. Dann machen wir’s auf die Altmodische! Auf geht’s!“

Sie stieß das Shuttle genau so steil wieder herunter, wie sie es vorher hochgezogen hatte. Auf Sicht zu fliegen war im Zeitalter von Sensoren- und Computernavigation etwas, das sich nur noch wenige Piloten im 30. Jahrhundert zutrauten. Das war auch mir aufgefallen, die ich ja aus einer Zeit kam, in der das, wenn man die Entwicklungsstufen verglich, sicherlich noch in den Kinderschuhen steckte. Insgeheim hatte ich nur Tchey und Thomas Eugene Paris in der Lage gesehen, das durchzuführen. Um so spektakulärer musste es auf andere wirken, wenn jemand das tat.

Sie waren ganze drei Meter über dem See. „D/4, sagen Sie mir bitte, wenn Sie die Beiden beamen können.“, sagte Tchey, deren Blick starr auf das sich vor ihr befindende Fenster gerichtet war. „Ich bezweifle, dass dies überhaupt so möglich sein wird.“, sagte die Sonde. „Der Radius des Eindämmungsstrahls des Transporters ist so eingeschränkt, dass ich nur einen zur gleichen Zeit beamen könnte. Er muss die Leiche loslassen.“ „Leiche?“, erkundigte sich Tchey. „Im Gehirn des weiblichen terranischen Individuums befindet sich keine neurale Energie mehr.“, sagte die Sonde. „Ein Versuch der Wiederbelebung wäre ineffizient.“ „Woher wissen Sie das?“, fragte Tchey. „Ich dachte, Sensoren, also auch die Ihren, könnten hier nicht …“ „Ihre Interpretation ist fehlerhaft.“, sagte die Sonde. „Die Sensoren dieses Schiffes mögen hier nicht arbeiten, aber die Meinen operieren auf Frequenzen, die offensichtlich durch die mineralischen Ablagerungen und ihre Strahlung nicht tangiert werden. Trotzdem werden wir dem Alaraner verdeutlichen müssen, dass er sie loslassen muss. Legen Sie mich auf den Außenlautsprecher!“ Tchey nickte und führte aus, was die Sonde angeordnet hatte: „Sie können sprechen.“

Noch immer versuchte Korelem, mich über Wasser zu halten. Die Aussicht, mich ganz aus dem See zu holen, hatte er längst begraben, denn langsam schwanden ihm so sehr die Kräfte, dass er glaubte, mit mir abzustürzen, wenn er es versuchen würde. Der Anblick von Rescue One musste für ihn wie eine Erlösung sein. Aber das, was er bald darauf zu hören bekam, passte nun so gar nicht in seine Pläne. Der Außenlautsprecher des Shuttles gab nämlich ein Signal von sich und dann hörte er D/4’s Stimme: „Alaranischer Staatsbürger, hier spricht Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe, Bereitschaftsärztin an Bord von Rescue One. Bitte lassen Sie von Ihrem Vorhaben ab. Wenn Sie das nicht tun, werden Sie auch sich gefährden. Ich wiederhole: Lassen Sie ab! Wir übernehmen ab hier!“ Die Ansage wurde noch einmal im Ganzen wiederholt.

Korelem hatte zwar sehr wohl gehört, was sie gesagt hatte, aber mich jetzt loszulassen, das kam für ihn einem Aufgeben und somit einem Zeugnis der Schwäche gleich, eine Tatsache, die Tchey, die auf eine Reaktion wartete, nicht entgangen war . „Es sieht aus, als würde er sich nicht sonderlich um Ihre Anweisungen scheren, D/4.“, sagte sie. „Ihre Beobachtung ist korrekt.“, meinte die Sonde und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Aber was sollen wir Ihrer Meinung nach tun? Beamen können wir nach wie vor nicht. Ich könnte sie zwar gemeinsam mit dem Transporter erfassen, aber dann würden sie auch als ein Ganzes materialisiert.“ „Nur, damit ich das kapiere.“, meinte Tchey. „Die Beiden wären dann auf ewig miteinander verschmolzen?“ „Das ist korrekt.“, sagte D/4. „Solange er sie nicht loslässt, haben wir in dieser Umgebung keine Chance.“ „Das bezweifle ich.“, sagte Tchey und brachte das Schiff noch näher an die Oberfläche heran. „Bitte erläutern Sie Ihre Absichten.“, bat D/4, die sich auf das Verhalten ihrer Untergebenen keinen Reim machen konnte. „Sicher.“, sagte Tchey. „Wir werden sie mit Hilfe der Schilde des Shuttles bergen. D/4, ich werde aber ein zweites Paar Augen benötigen. Außerdem muss jemand die Konfiguration der Schilde entsprechend ändern. Haben Sie Ihr Antennenset dabei?“ „Das habe ich immer dabei.“, sagte die Sonde und legte es demonstrativ auf die Konsole vor Tchey. „Na, um so besser.“, sagte die Reptiloide ruhig. „Dann steht ja unserem Vorhaben nichts mehr im Wege.“ „Trotzdem vermag ich nicht ganz, Ihnen zu folgen.“ „Können Sie die Schilde so konfigurieren, dass sie Korelem nicht verletzen, wenn er auf sie trifft?“, fragte Tchey. „Das kann ich.“, sagte die Sonde. „Ich werde die Daten für die Sicherheitskraftfelder einfach in die Schildmatrix kopieren.“ Damit schloss sie das Set an und nahm direkte Verbindung mit den Systemen des Shuttles auf. „Sagen Sie dem Schildgitter, es soll nur die Generatoren auf dem Dach in Betrieb nehmen.“, sagte Tchey. „Aber dafür mit voller Energie.“ „Ihre Vorgehensweise ist ungewöhnlich.“, stellte die Sonde fest. „Aber ich werde Ihnen vertrauen.“ Damit führte sie demonstrativ Tcheys Anweisungen aus.

„Die Schilde sind konfiguriert.“, sagte die Sonde einige Sekunden später. „In Ordnung.“, sagte Tchey. „Auf mein Zeichen aktivieren Sie bitte das Programm.“ „Was meinten Sie, als Sie sagten, Sie würden ein zweites Paar Augen benötigen?“, fragte D/4. „Ich muss wissen, was hinten passiert.“, sagte Tchey. „Wenn ich auf Sicht fliege, dann kann ich ja nur meine Vorderseite abdecken. Aber bei diesem Manöver muss ich auch wissen, was hinter und vor allem über uns passiert. Deshalb benötige ich die Hilfe Ihrer nicht beeinträchtigten optischen Sensoren.“ „Sie werden mehr bekommen, als nur das.“, sagte D/4 und nahm Zugriff auf die Programme, die Tchey sonst die entsprechenden Bilder auf den Flugschirm zauberten. Zwar war der Hauptrechner für die Sensoren nach wie vor heruntergefahren, aber die Sonde hatte dem System deutlich gemacht, ihre optische Einheit temporär als Rechner zu akzeptieren. „Wow!“, machte Tchey. „Was hätten Paris und Seven für ein Team bilden können, wenn …“ „Ihre Vorfreude ist verfrüht.“, sagte die Sonde sachlich. „Sie können nicht wissen, ob Ihr Versuch positiv endet.“ „Natürlich nicht.“, sagte Tchey, die sich jetzt doch sehr auf das Fliegen konzentrierte. „In die Zukunft sehen kann ich nicht. Aber etwas Optimismus hat noch nie geschadet.“ „Ihre Intensionen sind für mich immer noch nicht vollständig transparent.“, sagte D/4. „Das werden sie schon noch werden.“, tröstete Tchey.

Sie senkte das Schiff langsam noch weiter ab. Dabei kamen sie der Oberfläche des Wassers schon extrem nahe. „Sie müssen die Impulstriebwerke ausschalten.“, sagte D/4. „Die Felder werden das Wasser zum Kochen bringen und der aufsteigende Dampf wird …“ „Nur die Ruhe.“, sagte Tchey und tat in aller Seelenruhe, was die Sonde verlangt hatte. „So weit war ich nämlich auch schon. Ab jetzt nur noch mit Manövrierdüsen.“

Die Manöver von Rescue One waren einigen Touristen nicht verborgen geblieben, die sich jetzt in einer großen Gruppe dem Strand näherten. Einige von ihnen zückten sogar Simu-Cams, um ihren Lieben einige Bilder für die Nachwelt zu hinterlassen. Man drängelte sogar um die besten Plätze, denn ein solches Unterfangen hatte man noch nie gesehen. Ein Raunen und Flüstern ging durch die Reihen. „Was haben sie wohl vor?“, fragte eine weißhaarige ältere Terranerin. „Haben Sie so was schon mal gesehen?“, wollte ein jüngerer schwarzhaariger Celsianer wissen. „Das kann doch nicht gut gehen.“, meinte ein etwas untersetzter rothaariger Platonier mit Schnauzbart. „Vielleicht doch. Diese Tchey Neran-Jelquist soll ja ’n echtes Ass am Steuerpult von Raumschiffen sein.“, meinte eine jüngere brünette kleinere Demetanerin mit Fernglas. „Ja, gibt es denn da keine andere Lösung!“, regte sich der Platonier vom Anfang auf. „Ach, sie macht das schon.“, versuchte ein hinzugekommener Vulkanier mit schlanker Figur und schwarzen Haaren, die Situation zu beruhigen. „Was wissen Sie denn?!“, fragte der Platonier empört in seine Richtung, wurde aber gleich wieder durch einen Fingerzeig der Demetanerin mit Fernglas auf das Geschehen zurückgelenkt. „Schauen Sie mal, was die jetzt machen.“, sagte sie.

Tchey hatte Rescue One schräg gestellt. „Passen Sie auf, D/4.“, sagte sie. „Wenn er das nächste Mal ihre Schultern aus dem Wasser hat, dann schiebe ich die Nase von Rescue One unter die Beiden. Dann aktivieren Sie sofort die Schilde!“ „In Ordnung.“, sagte die Sonde. Dann sah sie zu, wie Tchey sich Korelem und mir langsam mit dem Schiff näherte. Dabei musste sie aufpassen, dass sie Atmosphäre und Wasser nicht zu sehr aufwirbelte, um nicht durch eine selbst verschuldete Instabilität das ganze Manöver doch noch zum Scheitern zu verurteilen. Da sie sich uns von Vorn näherte, konnte sie bald selbst den richtigen Moment abpassen. „OK, D/4!“, sagte Tchey. „Schilde hoch!“ Die Sonde nickte und folgte ihrer Anweisung. Dann schob Tchey den schräg gestellten Bug des Shuttles unter Korelem und mich, was dazu führte, dass wir gekonnt auf das Schildkissen auf dem Dach des Schiffes gelöffelt wurden. Dann stellte sie sofort das Schiff gerade. Erleichtert ließ Korelem mich los und rollte sich zur Seite. „Wir haben sie, D/4.“, sagte Tchey erleichtert, die wohl selbst nicht ganz sicher war, ob dieses waghalsige Manöver tatsächlich klappen würde. Allerdings hatte sie D/4 dies nicht wissen lassen wollen. „Ich muss uns jetzt zu einer Stelle bringen, an der wir landen können. Der Rechner für die Sensoren muss wieder hochgefahren werden, wenn wir nach Hause kommen wollen. Im offenen Weltraum auf Sicht zu fliegen und das auch noch bei Warp ist nicht möglich, weil es keine Bezugspunkte gibt. Ich kann das nicht während des Fliegens tun, weil die Sensoren einen festen Punkt brauchen, an dem sie sich orientieren, wenn ihr System sich neu einstellt.“, erklärte Tchey. „Sie wollen mit unseren Passagieren auf dem Dach landen?!“, fragte D/4. „Mir bleibt keine Wahl.“, sagte Tchey. „Oder können Sie jetzt etwa beamen?“ „Nicht unter diesen Umständen.“, sagte D/4. „Wir müssen weiter weg vom See.“ „Na sehen Sie.“, sagte Tchey. „Halten Sie die Beiden im Auge. Ich will sofort wissen, wenn sie ins Rutschen kommen.“

Tchey flog eine weite Kurve, bei der sie zur Wende fast einmal den ganzen See überflog, aber jede kleinere Wende hätte uns unter Umständen vom Dach fegen können. Das wusste die versierte Pilotin. Dann brachte sie das Schiff auf einer ebenen Fläche am Strand herunter. Aber auch die Touristen, die sich das natürlich nicht entgehen lassen wollten, waren ihnen gefolgt. „Oh, Gott.“, sagte Tchey. „Ich hasse Gaffer! Die haben bei mir etwa die Effiziensklasse eines Lochs im Kopf und die Sympathie eines Geschwürs am Hinterteil!“ „Ich werde das Problem in die Hand nehmen.“, sagte die Sonde und öffnete die Luke, um dem Shuttle zu entsteigen. Die Touristen begannen sofort zu klatschen und Dinge zu rufen wie: „Klasse gemacht! Was für ein Manöver!“ Völlig unbeeindruckt von diesen Sätzen stellte sich D/4 direkt vor sie hin und sagte: „Ich nehme an, dass niemand von Ihnen über ausreichende Kenntnisse der Medizin verfügt, um uns effizient assistieren zu können.“ Alle nickten verschämt. „Dann sollten Sie gehen, damit wir unsere Arbeit tun können. Ihr Verhalten ist ineffizient. Ihre Anwesenheit ist hinderlich!“ Beleidigt schlappte das Grüppchen von dannen. „Das war aber ganz schön beleidigend, D/4.“, sagte Tchey. „Genau das war mein Operationsziel.“, meinte die Sonde. „Jetzt werden sie sich ein solches Verhalten hoffentlich noch einmal überlegen.“ „Uff.“, machte Tchey geplättet. „Nicht gerade die feine englische Art, aber wirkungsvoll.“ „Kümmern Sie sich jetzt bitte um die Schiffssensoren.“, sagte die Sonde. „Ich habe unsere Patienten bereits in den Stasecontainer und in die Achterkabine gebeamt. Für ihn kann ich noch etwas tun, aber für sie kommt jede Hilfe zu spät, wie ich bereits sagte. Wenn wir wieder starten können, steuern Sie bitte zunächst die Exo-Klinik auf Demeta an!“ „Wie Sie wollen.“, sagte Tchey und machte sich daran, den Rechner für die Sensoren erneut in Betrieb zu nehmen, während die Sonde in Richtung Achterkabine verschwand.

Korelem hatte sich auf einer Trage im Inneren von Rescue One wieder gefunden. Er war sehr erschöpft und extrem außer Atem. Da der Transporter ihn bäuchlings abgeladen hatte, musste er sich zunächst drehen, um seine genaue Position abzuschätzen. Jetzt sah er auch im schwachen Licht der Kabine diejenige, die auf ihn durch die Luke zuging. Da er, wie viele andere auch, bei ihrem Anblick eine merkwürdige Art von Schauer verspürte, was gut sichtbar für sie war, sagte die Sonde vorsorglich: „Ich bin Xylianerin!“ „Ist schon gut.“, sagte der Insektoide. Ihm war klar, dass sie wohl auf den Umstand angespielt haben musste, dass viele sie für eine Borg hielten, wenn sie ihrer zum ersten Mal ansichtig wurden, obwohl das ja eigentlich nicht möglich war, denn die waren bereits vor mehr als 800 Jahren durch Janeway vernichtet worden. Das Trauma, das sie damals aber gesetzt hatten, dauerte aber offensichtlich immer noch an, obwohl die Sache schon mehrere Generationen her war. D/4’s Meinung nach hatte die gesamte Föderation längst in Therapie gehört. Deshalb hatte sie sich angewöhnt, jedem neuen Patienten auch die Zugehörigkeit ihrer Spezies zu verraten, sozusagen als vertrauensbildende Maßnahme. „Schon gut, meine tapfere und hübsche Sonde.“, lächelte Korelem. „Ich bin wohl einer der wenigen, die Bescheid wissen und Sie nicht für eine Borg halten.“ „Dann frage ich mich, was Ihre ängstliche Reaktion ausgelöst hat.“, meinte D/4. „Das waren die Gesamtumstände.“, sagte Korelem. „Ich meine, was ist mit Allrounder Betsy? Bitte helfen Sie zuerst ihr! Ich kann warten! Wenn sie nicht wieder belebt wird, dann …“ „In ihrem Gehirn ist keine neurale Energie mehr vorhanden.“, unterbrach ihn die Sonde. „Eine Wiederbelebung ist unmöglich und der Versuch wäre ineffizient. Sie kann warten. Ihre Leiche befindet sich im Stasecontainer. Dadurch hoffe ich, die Beweise für den eventuellen Mord an ihr zu konservieren.“ „Mord, oh, ja.“, sagte Korelem und versuchte sich aufzusetzen. Da seine Beine aber sehr kraftlos waren, gelang ihm das nicht. „Verbleiben Sie bitte in dieser Position.“, beruhigte ihn D/4. „Ihre gesundheitliche Situation ist nicht sehr rosig. Sie sind stark beschädigt. Ich registriere einige Risse in den für Ihr Fortkommen wichtigen Partien Ihrer Muskulatur. Auch Ihr Kreislaufsystem ist angegriffen. Wir werden Sie nach Demeta in die Exo-Klinik verbringen. Dort wird man Sie behandeln. Es könnte sogar notwendig werden, Sie zu operieren.“ „Da habe ich mich wohl wirklich verausgabt.“, sagte Korelem. „Ihre Einschätzung ist korrekt.“, meinte die Sonde. „Warum haben Sie nicht abgelassen, als ich Ihnen die Instruktion gab?“ „Weil ich sie um jeden Preis retten wollte.“, erwiderte Korelem. „Sie hätten sehen müssen, dass dies Ihnen aufgrund der Konzeptionisierung ihrer Biosysteme nicht möglich war.“, sagte D/4. „Das stimmt.“, sah Korelem ein. „Aber da gibt es vielleicht etwas, das Sie nicht kennen und vielleicht auch nicht kennen können. Ich schätze, mein verdammter Stolz war mir im Weg! So was kennen Sie sicher nicht, die Sie allein aus Sachzwängen heraus entscheiden.“ „In der Theorie ist Stolz uns nicht unbekannt.“, sagte die Sonde. „Aber Sie haben Recht. Empfinden können wir ihn nicht. Aber wir kennen seine Auswirkungen. Hier war er aber eindeutig fehl am Platz.“ „Ich weiß.“, sagte Korelem und sah sie verschämt an. „Es muss Ihnen nicht peinlich sein.“, sagte D/4 tröstend. „Ich weiß, dass Sie eine biologische Lebensform sind und als eine Solche durchaus Stolz, also auch falschen Stolz, empfinden können. Dies ist bei Ihnen ein völlig normaler Prozess, also nichts, das man verurteilen müsste. Bitte halten Sie jetzt ganz still. Ich werde Sie examinieren.“ „Vielen Dank für die Warnung, meine Liebe.“, sagte Korelem und versuchte zu lächeln. „Ich kenne Ihren Namen ja noch nicht einmal.“ „Meine Kennung lautet: Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe.“, stellte sich die Sonde vor. „Sie können mich D/4 nennen.“ „Angenehm, D/4.“, sagte der Schmetterlingsartige. „Ich heiße Korelem.“ „Ebenfalls angenehm, Korelem.“, sagte sie und begann, ihn von Kopf bis Fuß zu scannen. „Diese Ergebnisse bestätigen meine grobe Diagnose vom Anfang.“, sagte sie dann. „Auf Demeta wird man sich gut um Sie kümmern.“

Ein Signal von der Sprechanlage zwang D/4, sich nach dem Gerät umzudrehen. „Es ist Tchey.“, sagte sie, nachdem sie das Display abgelesen hatte. Ihre Verbindung zu den Schiffssystemen hatte sie, effiziensliebend, wie sie nun einmal war, wieder gekappt, denn jetzt benötigte sie diese ja nicht mehr. Außerdem wollte sie Komplikationen vermeiden, die eventuell sonst beim Neustart der Systeme hätten auftreten können.

Sie nahm das Mikrofon in die Hand und meldete sich: „Hier ist D/4.“ „D/4, ich wäre dann so weit.“, sagte Tchey. „Wir können starten, wenn dem von Ihrer Seite und von Seiten unserer Patienten nichts im Wege steht.“ „In Ordnung, Tchey.“, sagte die Sonde. „Wie gesagt, setzen Sie Kurs in Richtung Demeta und verständigen Sie die Exo-Klinik!“ „Sofort, D/4.“, sagte Tchey und hängte das Mikrofon auf ihrer Seite der Verbindung wieder ein, was sie automatisch beendete.

„Warum haben Sie nicht erwähnt, dass Sie nur einen lebenden Patienten zu versorgen haben?“, fragte Korelem. „Weil sie Allrounder Scott kennt und die Kenntnis über ihren Tod sie zu diesem Zeitpunkt in eine emotional instabile Lage bringen könnte, was im jetzigen Moment sicher nicht sehr effizient wäre. Das könnte ihre Dienstfähigkeit beeinträchtigen. Sie könnte nicht mehr in der Lage sein, uns zu unserem Ziel zu fliegen. Sicher werde ich sie informieren, aber zu einem Zeitpunkt, der mir als geeigneter erscheint.“ „Verstehe.“, sagte Korelem.

Es gab eine Erschütterung und der Antrieb des Shuttles summte auf. Dann erhob es sich vom Grund. „Ich denke, wir sind gestartet.“, sagte Korelem. „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte die Sonde.

Sie drehte sich, um die Achterkabine wieder zu verlassen. „Bitte versuchen Sie, etwas zu schlafen.“, sagte sie. „Das wird Ihnen sicher gut tun.“ „Das bezweifle ich nicht.“, sagte Korelem. Dann sah er zu, wie sie einen Sensor berührte, der die Tür zum Cockpit öffnete. „Bitte warten Sie!“, rief er ihr noch hinterher. „Ich hätte da noch einige Fragen.“

Sie drehte sich um und kam zu ihm zurück, um sich auf das untere Ende der Trage zu setzen. „Ich höre.“, sagte sie dann. „Als Erstes wüsste ich gern, warum sowohl am Shuttle, als auch an mir und Betsys Körper kein weiterer Schaden entstanden ist, als Sie mich auf diesem Kraftfeld, oder was immer das auch war, balanciert haben. Ich meine, Betsys Leiche und ich waren immerhin nass und …“ „Es mag Ihnen jetzt sehr ironisch vorkommen, was ich gleich sage.“, warnte ihn die Sonde vor. „Aber genau dieser Flüssigkeit um Sie beide herum haben Sie zu verdanken, dass nichts passiert ist. Vielleicht auch dem Umstand, dass ich die Konfiguration für die Sicherheitskraftfelder in die Schildmatrix kopiert habe. Aber der Dampf, der beim Verdampfen des Wassers durch die Energie entstanden ist und die Tatsache, dass Sie ja nicht in direktem Kontakt mit den Generatoren waren, da sich diese im Inneren der Hülle befinden, hatte auf Sie und den Körper des Allrounders den gleichen Effekt, wie in etwa ein Dampfbügeleisen im 21. Jahrhundert auf Kleidung. Der Dampf bremst die Hitze, so dass sie nicht in vollem Umfang auf den Gegenstand wirken kann.“ „Faszinierend.“, sagte Korelem und grinste. „Dann sind wir jetzt zumindest knitterfrei.“

Mit einem leicht verwirrten Blick drehte sich die Sonde ihm zu. „Ich verstehe nicht.“, sagte sie. „Das war ein Witz.“, sagte Korelem. „Damit wollte ich auf Ihren Vergleich mit dem Bügeleisen anspielen.“ „Verstanden.“, sagte die Sonde. „Aber jetzt habe ich auch noch einige Fragen. Sie erwähnten, dass es sich bei der Tötung des Allrounders unter Umständen um Mord gehandelt haben könnte. Woher wissen Sie das?“ „Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen das sagen darf.“, sagte der Insektoide. „Ich bin Ärztin.“, sagte die Sonde. „Ich unterstehe der Schweigepflicht. Sollten keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, wird niemand etwas von dem erfahren, was wir hier gerade besprechen.“ „Und was wären das für Umstände?“, fragte Korelem. „Wenn das Thema unserer Gespräche relevant für die Sicherheit würde und ich somit gezwungen wäre, einem Agenten oder Polizisten Informationen zu geben, oder wenn Sie mich von der Schweigepflicht entbinden würden.“ „Dann tue ich das mal besser vorsorglich, meine Beste.“, sagte Korelem. „Die Entbindung von der Schweigepflicht muss schriftlich erfolgen.“, sagte die Sonde. „Leider habe ich im Augenblick kein geeignetes Pad bei mir.“ „Oh, Sie sind herzlich eingeladen, mich auf Demeta zu besuchen, wenn ich dort im Krankenhaus liege.“, erwiderte Korelem. „Ich denke, dieses Angebot werde ich annehmen.“, sagte D/4. „Tun Sie das.“, sagte Korelem und sah sie freundlich an. „Ich bin sicher, Sie werden es nicht bereuen. Dann gebe ich Ihnen auch die Informationen, die Sie wollten. Wir wollen ja schön alles auf korrekte Weise erledigen, nicht wahr? Sonst kommen die Schuldigen unter Umständen noch wegen eines Formfehlers davon. Das sollten wir lieber nicht riskieren.“ „Sie haben Recht.“, nickte D/4 und unternahm einen zweiten Versuch, die Achterkabine endgültig zu verlassen. „Gehen Sie ruhig.“, sagte Korelem. „Schlafen kann ich auch allein. Ich scheine ja im Moment stabil, oder?“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde. „Falls doch noch etwas ist, befindet sich in Ihrer Reichweite an der Wand ein Knopf, mit dem Sie die Sprechanlage bedienen können. Ich werde dann so schnell wie möglich bei Ihnen sein.“ „Vielen Dank.“, sagte Korelem und schloss die Augen. D/4 verließ die Kabine in Richtung Cockpit.

Im Cockpit eines anderen Schiffes, das gerade wieder auf dem Weg zurück zu seinem Platz auf der Werft war, wurde weiterhin fleißig diskutiert. „Die Situation hat sich geändert, Shimar.“, stellte der Avatar fest. „Eigentlich dürften Sie mich jetzt nur Techniker Scott anvertrauen, denn er weiß im Notfall sicher besser die Umstände zu interpretieren, als es ein ziviler Ingenieur je könnte.“ „Du sprichst über die Sache mit Betsy.“, stellte ihr Pilot fest. „Aber du hast Recht. Wenn ich es recht bedenke, dann sollte wirklich nur Scotty weiterhin mit dir arbeiten. Falls dir noch was ein- oder auffällt, ist er außer mir noch der richtige Ansprechpartner und du müsstest nicht wieder die ganze Werft in Aufruhr versetzen. Also gut. Ich werde es ihnen sagen.“

Er landete IDUSA wieder im Dock. Hier erwarteten ihn bereits Scotty und Milarah. „Wie sieht es aus, Shimar?“, fragte der Schotte, nachdem er gesehen hatte, dass sein Kumpel wohlbehalten seinem Schiff entstiegen war.

Mit leicht alarmiertem Blick sah ihn Shimar an. Er hätte alles mit ihm besprochen, wenn sie allein gewesen wären. Aber die Anwesenheit dieser Zivilistin behagte ihm gar nicht. Ich muss mit dir irgendwo allein reden., machte er Scotty telepathisch deutlich. Der Schotte nickte nur und sagte zu seiner Chefin: „Milarah, ich müsste mal eben jemanden zur Kneipe zurückbringen. Ich glaube, das geht dann schneller. IDUSAs Wartung kann sicher noch etwas warten, oder?“ „Na, in Ordnung, Scotty.“, sagte die Leiterin der Raumwerft, die ihrem Untergebenen sehr vertraute. „Es war außerdem für uns alle eine lange Nacht. Wir sollten uns wohl alle besser schlafen legen, sonst sind wir morgen alle nicht zu gebrauchen.“ „Allerdings.“, sagte Scotty und gähnte übertrieben. Dann wandte er sich an Shimar: „Na komm, Kumpel!“ Erleichtert folgte ihm der junge Tindaraner zu seinem Jeep.

Sie hatten gerade das Gelände der Werft verlassen und Scotty war im Begriff, auf die Landstraße einzubiegen, die ihn wieder zu Ginallas Kneipe führen sollte, als Shimar plötzlich sehr ernst schaute und sagte: „Bitte fahr rechts ran, Scotty.“ „Was is’ ’n los?“, fragte der Schotte irritiert. Er war so einen ernsten Blick, wie er ihn jetzt von Shimar wahrnahm, normalerweise von ihm nicht gewohnt. „Bitte tu, was ich dir gesagt habe.“, bestand Shimar weiterhin auf der Erfüllung seiner Bitte. „Is’ dir schlecht?“, fragte Scotty flapsig und wollte sich schier kaputtlachen. „Ne, so was! ’n ausgebildeter Pilot und kriegt bei ’ner langsamen Fahrt über die Straße einen …“ „Bitte fahr rechts ran, Scotty!“, wiederholte Shimar seine Forderung mit mehr Nachdruck. „Eines kann ich dir schon mal sagen. Mir ist nicht schlecht! Und wenn du mir gleich zuhörst, dann wird dir das Lachen sicher schnell vergehen! Also, was ist jetzt?!“ „Na gut.“, seufzte Scotty, dem sehr merkwürdig vorkam, dass Shimar dieses Mal nicht über seinen Humor lachen konnte. Er wusste, wenn dies der Fall war, musste schon etwas sein, das sehr wichtig war und vor allem sehr ernst.

Scotty stellte den Jeep am rechten Rand der Fahrbahn ab und aktivierte vorschriftgemäß die Warnblinkanlage. „So, hier stecken wir jetzt.“, sagte er. „Jetzt verrate mir bitte mal, was los is’.“ „Bitte nimm die Hände von den Bedienelementen.“, sagte Shimar, der genau sah, dass Scotty jederzeit hätte wieder losfahren können. Aber er fand es besser, wenn er dies nicht tun würde. Vor allem nicht nach dem, was er ihm mitzuteilen hatte.

„Was ich dir sagen muss, ist für uns beide sicher nicht leicht.“, setzte Shimar an, nachdem er mit Erleichterung festgestellt hatte, dass seine Bitte erfüllt worden war. „Nun erzähl schon.“, sagte Scotty. „Was haben IDUSA und du da draußen gesehen?“ „Es geht weniger um das, was wir gesehen haben.“, sagte Shimar. „Es geht vielmehr um das, was bei mir passiert ist, während ich drüben auf dem fremden Schiff war.“ „Was für ’n Schiff?“, fragte Scotty, der das Gefühl hatte, seinem Kumpel alles aus der Nase ziehen zu müssen. „Das Schiff, das IDUSA gesehen hat und wegen dem sie Alarm geschlagen hat.“, erklärte Shimar. „Es handelt sich um ein ziviles Schiff der Breen. Aber merkwürdig daran ist, dass es eine Tarnvorrichtung hat. IDUSA und ich haben mit Hilfe einer überwachten Außenmission herausgefunden, dass die Vorrichtung telekinetisch eingebaut wurde. Aber wer das war, konnten wir leider nicht herauskriegen. Es war zu lange her. Aber wir wissen, wer mit dem Schiff hergekommen ist. Nathaniel Radcliffe und seine Familie.“ „Radcliffe?!“, staunte Scotty. „Aber der Is’ Archäologe! Vom Fliegen hat der so viel Ahnung wie ’ne Kuh vom Eierlegen! Seine Frau is’ mit Sicherheit auch keine ausgebildete Pilotin. Von dem 6-jährigen Steppke ganz zu schweigen! Willst du mich verarschen?!“ „Ich wäre froh, wenn es so wäre, Scotty!“, sagte Shimar ernst. „Ich weiß, da passt einiges noch nicht zusammen, aber wir werden schon noch herausfinden, wie das alles zusammen gehört. Meine Leute glauben, Sytania hat damit was zu tun und dass sie Radcliffe benutzt. Für eine Sache hat sie ihn auch wahrscheinlich schon benutzt. Wenn IDUSA Recht hat, dann für die Ermordung von Betsy! Jedenfalls würde das passen.“

Blass sank Scotty in seinem Sitz zusammen. „Was hast du da gerade gesagt?!“, fragte er mit großer Empörung in der Stimme. „Is’ das die neue Art von tindaranischem Humor?! Wenn ja, dann finde ich das nich’ sehr lustig!“ „Ich wünschte, es wäre so.“, sagte Shimar. „Aber die Schutzverbindung, die Betsy und ich aufgrund unserer Beziehung hatten, ist gewaltsam beendet worden. Das habe ich genau gespürt. Ich wollte es zuerst auch nicht wahrhaben. IDUSA musste mich mit der Nase darauf stoßen. Aber jetzt muss ich es wohl leider zugeben. Da IDUSA Betsy für zu ehrlich hält, als dass sie mir verheimlicht hätte, wenn sich ihre Gefühle gegenüber mir geändert hätten und sich meine gegenüber ihr auch nicht geändert haben, hält sie diese Theorie für am wahrscheinlichsten.“ „Na, jetzt warte mal.“, sagte Scotty. „Weil dein Schiff glaubt, dass Betsy tot is’, machst du hier die Welle? Was is’, wenn sich IDUSA irrt?“ „Sie irrt sich sicher nicht, Scotty!“, sagte Shimar und klang dabei sehr ernst, ja fast streng. „Würdest du einem eurer Computer etwa vorwerfen, dass er sich irrt, wenn er eine Sache als die Wahrscheinlichste ausgelotet hat?“ „Sicher nich’.“, sagte Scotty. „Und warum machst du das dann bei IDUSA?! Ich sag’ dir jetzt mal was! Betsys Tod als Ursache für das Ende der Schutzverbindung zu akzeptieren, ist auch mir schwer genug gefallen. Aber je mehr Zeit vergeht, desto sicherer werde ich mir. Ich kann Betsy nämlich hier in diesem Universum, geschweige denn auf diesem Planeten, nicht mehr spüren und das hat nichts mit der Schutzverbindung zu tun. Sie wäre ja permanent und unterbewusst. Aber ich kann sie auch so nicht mehr telepathisch finden! Du weißt, dass ich nicht interdimensional telepathisieren kann! Wenn Sie den Kelch von Korelem benutzen hätte dürfen, dann wäre das unter Umständen was anderes gewesen. Aber sie muss sich ja streng an die medizinischen Vorschriften halten, um ihr eigenes Gehirn nicht zu gefährden. Ich weiß, dass sie in der so genannten roten Phase war, also den Kelch nicht benutzen durfte. Wir führen simultan Kalender darüber.“ „Aber das kann doch nur klappen, wenn sie in ihrem Gehirn wäre oder es eine Verbindung zwischen ihr und ihrem Körper gäbe.“, sagte Scotty. „Zumindest laut dem, was wir bisher über Savarid-Strahlung wissen. „Ob ihr Geist die Energie mitnimmt, wissen wir ja nich’. Wir wissen nur, dass sie sich in ihrer Hirnrinde anreichert.“ „Das stimmt.“, sagte Shimar. „Aber ich habe doch auch ein Gehirn, in dem sich die Strahlung anreichern könnte. Was ist, wenn …“ „Bist du verrückt?!“, fragte Scotty. „Betsy is’ Nicht-Telepathin! Für sie wäre das sicher nich’ so schlimm. Aber hast du ’ne Ahnung, was diese Strahlung mit deinem Telepathiezentrum machen könnte?! Ich mein’, dein Gehirn is’ doch total empfindlich.“ „Savarid-Strahlung macht Telepathie über dimensionale Grenzen hinaus möglich.“, sagte Shimar. „Das ist es, was sie mit meinem Gehirn machen wird! Vielleicht kann ich Betsy somit wieder finden. Wenn sie in der Dimension der Toten ist, dann …“ „Du Verrückter!“, sagte Scotty. „Das werden dir deine oberen Zehntausend nie erlauben. Es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen darüber, was passiert, wenn sich ein Telepath Savarid-Strahlung aussetzt. Die werden nicht das Leben eines ihrer besten Flieger für so ein Experiment riskieren!“ „Oh, doch.“, widersprach Shimar. „Ich denke, das werden sie schon! Sie werden nämlich auch nicht wollen, dass Sytania gewinnt und das würde sie, wenn Betsy aus dem Weg wäre. Sie hat enormes Wissen über die Zusammenhänge im Dunklen Imperium und in Zeitland. Wissen, das sie der Sternenflotte immer gern zur Verfügung gestellt und das dafür gesorgt hat, dass wir Sytania den Göttern sei Dank immer wieder in ihre Schranken weisen konnten. Gut, dieses Wissen hat auch Mikel, aber der hat im Moment ganz andere Probleme. Wenn wir in Ginallas Kneipe sind, bitte ich sie, einen tindaranischen Nachrichtensender einzuschalten. Dann übersetze ich dir, was da gesagt wird. Dann wirst du schon sehen!“ „Na schön, Mr. Krisenherd.“, sagte Scotty, der ihm immer noch nicht ganz glaubte, was die Wahrheit über meinen Tod anging. „Wenn du dich da mal nich’ ins eigene Fleisch schneidest. Am Ende is’ alles vielleicht gar nich’ so schlimm und die Theorie von deinem Schiff bleibt das, was sie is’. Eine Theorie. Du kannst ’n alten Mann aber ganz schön erschrecken.“

„Wir sollten aber noch eines klarstellen.“, sagte Shimar nach einer Weile, die er absichtlich ohne ein Wort vergehen lassen hatte, um Scotty Zeit zu geben, sich mit der Situation zu arrangieren. „Du musst deiner Chefin unbedingt sagen, dass nur du IDUSA warten darfst. In ihrem Rechner befinden sich jetzt zu viele Informationen, die Zivilisten nichts angehen! Außerdem sollten wir die Plätze tauschen. In deinem aufgewühlten Zustand kannst du nicht fahren.“ „Also schön.“, sagte Scotty und stieg aus. Dann ging er zur Beifahrerseite, während Shimar einfach lässig von innen rüber auf den Fahrersitz rutschte und den Jeep nach Scottys Einsteigen wieder in Bewegung setzte. „Aber was sage ich Milarah?“, fragte Scotty. „Sag ihr, dass IDUSA ein Problem hat, an das ein Spezialist ran muss. Deine Chefin weiß doch, dass du gut im Knacken von Spezialfällen bist. Sie wird ihrem besten Mitarbeiter so etwas schon abnehmen.“, sagte Shimar grinsend. „Also schön.“, sagte Scotty.

 

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