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Stunden lang hatten Lomādo und ich jetzt schon mit dem großen freundlichen Hund gespielt. Dabei bestand das Spiel nicht nur darin, dass er den von uns abwechselnd weggeworfenen Ast immer wieder zu uns zurückbrachte, nein, wir spielten auch ein Suchspiel mit ihm, in dem meine Aufgabe darin bestand, ihn abzulenken, damit mein neuer aldanischer Freund den Ast irgendwo verstecken konnte. Dabei versuchte Lomādo immer wieder, den Ast durch Schleifen über den Boden auch noch für ihn riechbar zu machen. Auf ein telepathisches Zeichen von Lomādo schickte ich den Hund, den wir in Ermangelung der Kenntnis seines wirklichen Namens erst einmal Softi genannt hatten, dann auf die Suche. Sobald das geschehen war, kam Lomādo zu mir zurück und führte mich hinter dem schnüffelnden Hund her. „Sie haben sich da ja ein paar hübsche Schlangenlinien ausgedacht.“, stellte ich fest. „Na ja.“, meinte Lomādo. „Wir wollen es ihm ja auch nicht zu einfach machen, nicht wahr?“ Ich nickte.

Dann hielt er mich plötzlich stark zurück. „Passen Sie auf.“, flüsterte er mir zu und im gleichen Moment hörte ich, wie der Hund sich an einem Laubhaufen in der Ecke zu schaffen machte und den Ast ausgrub. Dann trug er ihn stolz zu uns und wedelte mit dem Schwanz. „Feiner Softi!“, lobte ich und dann begannen Lomādo und ich damit, ihn fest und aus vollem Herzen zu kraulen. Er setzte sich hin und begann zu grunzen, was für mich ein eindeutiges Zeichen von Wohlgefühl war. Diese Tatsache ließ mich damit beginnen, über beide Ohren zu grinsen. „Na toll!“, lachte Lomādo. „Der eine grunzt, die andere grinst. Herz, was willst du mehr!“

Softi stand auf und drehte sich plötzlich um, bevor er sich mit Genuss auf den Bauch fallen ließ und sich auf den Rücken rollte. „Ui.“, machte ich. „Machst du kuller-kuller? Is’ das so fein hier? Hm?“ Als wollte er mir antworten, fuhr Softi damit fort, sich laut grunzend im Sand zu wälzen. Dann legte er sich vor uns flach auf den Bauch und begann damit, seine Pfoten zu lecken. „Der is’ platt wie ’ne Flunder, aber zufrieden.“, flapste ich. „Sie meinen, er sei erschöpft?“, erkundigte sich Lomādo, der mit meiner Äußerung wohl wenig anfangen konnte. „Genau das.“, bestätigte ich. „Dann sieht es wohl so aus, als müssten wir eine Weile hier bleiben.“, sagte er. „Ich glaube nicht, dass ich so einen großen Hund zurück zu unserer Bank tragen kann.“ „Das hat auch niemand von Ihnen verlangt, Lomādo.“, lächelte ich.

Er zog mich ein Stück beiseite und dann bekam ich nur noch mit, dass es eine Art Geräusch gab. Dann lag vor uns eine Wolldecke und mitten darauf stand ein riesiger Picknickkorb. „Wie haben Sie denn das gemacht?“, wollte ich wissen. „Sie wissen doch.“, meinte Lomādo, dass wir uns hier alles wünschen können, was wir wollen.“ „Entschuldigung.“, sagte ich. „Das habe ich wohl total vergessen.“

Er führte mich auf die Decke und dann setzten wir uns hin. Danach begann er, den Korb auszupacken. Auch an Hundewürstchen für Softi hatte er gedacht. Für uns gab es allerlei belegte Brote und Obst, sowie Hackbällchen und diverse Getränke mit und ohne Alkohol. Softi bekam eine große Schale mit Wasser.

„Ich hoffe, Sie wollen nicht mit mir anbändeln.“, sagte ich mit einem Grinsen auf meinen von terranischem Zaziki beschmierten Lippen. „Aber nein.“, scherzte Lomādo. „Ich habe nur versucht, das Beste aus unserer Situation zu machen. Ich weiß ja, dass Sie verheiratet sind und dass Sie alles daran setzen, zu ihrem Mann ins Leben zurückzukommen.“

Ich fuhr zusammen. Er schien doch mehr über mich zu wissen, als mir zunächst bewusst war. „Wenn Sie wissen, dass ich verheiratet bin.“, sagte ich. „Was wissen Sie noch?“ „Ich weiß.“, sagte Lomādo. „Dass Sie einen Freund haben, den Sie neben Ihrem Ehemann sehr lieben. Ich weiß auch, dass das Ganze eine kompliziertere Geschichte ist, als es auf den ersten Blick scheint.“ „Woher wissen Sie das?“, fragte ich. „Die Toten können die Geschicke der Lebenden beobachten.“, sagte er. „Das werden Sie auch noch lernen, wenn Sie in Shinells Unterricht gut aufpassen.“ Ich wurde das Gefühl nicht los, dass in seinem letzten Satz eine gewisse Art von Zynismus mitgeschwungen hatte, eine Eigenschaft, die ich an sich bei Aldanern noch nie festgestellt hatte, aber er war ja, nach seinen eigenen Angaben, ein ungewöhnliches Exemplar seiner Spezies.

Plötzlich kamen weibliche Schritte auf uns zu. Lomādo erblickte eine ca. 1,80 m große Frau, die eine sportliche schlanke Figur hatte und deren Kopf eine kurze rotbraune Haarpracht zierte. Außerdem hatte sie eine für eine Bajoranerin typische leicht eingedrückt wirkende Nase. Sie trug einen leichten weißen Rock und eine rote Bluse. Ihre strumpflosen Füße steckten in zwei pinken Flipp-Floppys. Sie ging gleich auf Softi zu und legte ihm eine mitgebrachte Leine an, deren unteres Ende mit bunten Steinchen verziert war. Der Rest steckte in einem blauen Plastikgehäuse und bestand aus einer dicken festen Schnur, die auf eine Spule aufgewickelt war. Am anderen Ende des Gehäuses befand sich ein handlicher Griff.

Sie führte den Hund zu der Bank, machte dort ein Handzeichen und sagte: „Sitz und bleib!“ Dann kam sie zu uns zurück. „Dieser Schlingel!“, lächelte sie. „Der muss auch immer versuchen, mit allen und jedem Freundschaft zu schließen. Hat er Sie belästigt?“ „Oh, nein, Miss.“, lächelte ich, der ihre Stimme irgendwie sehr bekannt vorkam. „Ich mag Hunde. Eigentlich mag ich alle Tiere, wie mir mal jemand bescheinigt hat.“ Lomādo nickte nur bestätigend.

„Ach, setzen Sie sich doch zu uns.“, sagte ich und deutete auf einen Platz auf der Decke direkt neben mir. „Und gegen die Gesellschaft Ihres lieben Vierbeiners habe ich auch nichts. Wir haben die ganze Zeit so nett miteinander gespielt!“ „Also gut.“, sagte die Fremde und pfiff. Dann rief sie: „Odo, hier!“ Ich musste laut lachen, konnte aber auch nicht glauben, was ich da gerade gehört hatte. Hatte sie den Hund gerade wirklich Odo gerufen?

Softi oder Odo, wie wir jetzt besser wussten, kam wedelnd zu uns gelaufen und ließ sich von seinem Frauchen neben mich auf die Decke dirigieren. Dann legte er sich dort ab. „Sagen Sie mal.“, sagte ich verwirrt. „Haben Sie Ihren Hund tatsächlich nach dem Sicherheitschef von Deep Space Nine benannt?“ „Oh, ja.“, grinste sie. Auch Lomādo lachte verschmitzt. Wenn ich damals schon gewusst hätte, warum die Beiden sich so verhielten, dann wäre mir sicher einiges nicht so geheimnisvoll vorgekommen.

Die Bajoranerin sah, wie ich mit einer sehr vollen Flasche Saft kämpfte. „Warten Sie.“, sagte sie freundlich. „Ich werde Ihnen helfen. Sonst machen Sie sich noch ganz schmutzig. Wissen Sie eigentlich, dass Sie ansonsten sehr gut zurechtkommen? Ich meine, Sie sind blind und tragen keinen Visor. Das ist etwas, was man schon in dem Jahrhundert, in dem ich gelebt habe, selten angetroffen hat. Aber jetzt, ca. 800 Jahre später, sollte man doch meinen …“ „Oh, ich war eine Pendlerin zwischen den Jahrhunderten.“, sagte ich. „Deshalb durfte ich nicht …“ „Aber hier dürften Sie doch.“, sagte sie. „Ich meine, jetzt, wo Sie tot sind, unterliegen Sie doch keinen Beschränkungen mehr.“ „Das wäre eine zu große Umstellung für sie.“, sprang Lomādo für mich in die Bresche. „Es würde sie total überfordern.“ Dann wandte er sich telepathisch an sie: Ja, wir haben die Richtige, Neris!

Mir war aufgefallen, dass wir uns noch gar nicht vorgestellt hatten. „Übrigens, ich heiße Betsy Scott.“, sagte ich. „Kira Neris.“, stellte sie sich vor. „Sie können mich ruhig Neris nennen.“ „OK, Neris.“, sagte ich. „Dann sagen Sie aber bitte auch Betsy zu mir.“ „OK, Betsy.“, sagte sie.

Lomādo hatte das Tor zum Park, das er aus unserer Position heraus gut sehen konnte, die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Jetzt wandte er sich an mich: „Ich denke, wir müssen diese Unterhaltung bald beenden. Da kommt unsere gestrenge Frau Therapeutin.“ „Dann werde ich am Besten wieder gehen.“, sagte Neris und nahm die Leine: „Komm, Odo!“ Dann war sie verschwunden. Wie gesagt, wenn ich gewusst hätte, was diese ganzen Hinweise, die sie gestreut hatte, noch für eine Bedeutung haben würden, dann …

„Warum haben Sie Neris fortgeschickt?“, fragte ich. „Weil die normalen Toten hier normalerweise nicht so gern gesehen sind.“, erklärte er. „Shinell und ihr Personal meinen, sie könnten uns viel zu viel und viel zu schnell in Dinge einweihen, die uns noch zu unvorstellbar erscheinen könnten. Deshalb sehen wir uns nur heimlich.“ „Haben Neris und Sie eine Beziehung?“, fragte ich. „Nein!“, sagte er. „Wo denken Sie hin? Da würde jemand anderes total eifersüchtig werden.“ Das war schon wieder so ein Hinweis. Wenn ich nicht bald herausbekommen würde, was hier los war, dann würde ich noch vor Neugier platzen! „Neris und ich sind nur Freunde.“, sagte Lomādo, während er mir den Rest des Saftes in mein Glas goss. „Aber sehr gute Freunde.“

Er musste mitbekommen haben, wie aufgeregt ich war. Ganz ruhig., hörte ich seine Stimme in meinem Geist. Gleichzeitig merkte ich, wie ich wieder von einer merkwürdigen Ruhe erfasst wurde. Ich werde Ihnen jetzt helfen, unsere Unterhaltung mit Neris vor Shinell zu verstecken. Wenn sie in der Nähe ist, werden Sie sich nicht mehr daran erinnern. Sobald sie weg ist, aber schon. Vertrauen Sie mir. Sonst wird es für uns beide unangenehm. Versuchen Sie, sich zu entspannen! Ja! Viel besser! Vertrauen Sie mir. Ganz ruhig jetzt!

Ich bekam das Gefühl, aus einem Traum aufzuwachen. Dann stand Shinell neben mir und sprach mich an. Lomādo war fort und auch an meine Unterhaltung mit Neris konnte ich mich nicht mehr erinnern. „Es ist spät, Betsy.“, sagte Shinell. „Ich bringe dich jetzt in dein Zimmer. Schlaf dich aus. Morgen beginnt ganz früh der Unterricht. Dein aldanischer Nachbar wird dich abholen.“ „OK, Shinell.“, sagte ich und folgte ihr. „Du musst übrigens keine Angst vor Mr. Baldāri haben, obwohl er Telepath ist.“, sagte sie, während wir ins Gebäude gingen. „Oh, ich habe keine Angst vor Telepathen mehr.“, sagte ich. „Das verdanke ich schließlich deinem Bruder.“ „Ich weiß.“, sagte sie.

Shinell führte mich den langen Gang entlang, den ich schon einmal kennen gelernt hatte. Dann gelangten wir zu einem Turbolift, mit dem wir in den zweiten Stock fuhren. Hier ging ein langer breiter Flur von dem Gang ab, in dem sich die Tür des Lifts befand. Von diesem Gang wiederum zweigten Türen in verschiedene Appartements ab.

Ich ging zur nächsten Wand, um von dort, wie ich es gewohnt war, die Türen zu zählen. „Du weißt, dass du hier nicht mehr so umständlich handeln musst.“, sagte Shinell. „Das weiß ich.“, sagte ich. „Aber ich will mich nicht zu sehr an den Luxus des Wünschens gewöhnen. Schließlich will ich noch einmal wieder zurück ins Leben.“ „Na gut.“, sagte Shinell. „Dann eben auf die Umständliche.“

Sie stellte sich neben mich und nahm mich bei der Hand, um mich zur Lifttür zurückzuführen. „Nimm sie in den Rücken.“, sagte sie. „Und jetzt geh einfach geradeaus rüber.“ Das tat ich und landete an einer der Wände mit den Türen. Die Wandverkleidung fühlte sich warm und weich an, als würde hier ein Teppich hängen. „Gibt es hier Wandteppiche, Shinell?“, fragte ich. „Ja, die gibt es.“, antwortete Shimars Schwester. „Sie zeigen die gleichen Motive wie die Fliesen im Eingang. Schließlich wollen wir hier keinem auf die Füße treten, was seine Glaubensgrundsätze angeht. Aber wenn du sie sehen willst, warum wünscht du dir nicht einfach, dein Augenlicht zu besitzen?“

Ich drehte mich exakt in die Richtung, aus der ich ihre Stimme gehört hatte, baute mich vor ihr auf und sagte langsam deutlich und bestimmt: „Ich habe dir gerade schon gesagt, Shinell, dass ich mich nicht an das Wünschen gewöhnen möchte! Meiner Ansicht nach, ist das nämlich der erste Schritt in eure Abhängigkeit von den Quellenwesen! Kein Wunder, dass ihr das normale Leben irgendwann als Strafe empfindet! Ich habe keine Ahnung, was die davon haben, euch hier zu halten, aber im Notfall kriege ich sogar das raus! Verlass dich drauf!“ „Nun mal nicht gleich so hitzig.“, versuchte Shinell, mich zu beruhigen. „Wieso?!“, sagte ich. „Wieso, he! Hat die liebe Shinell etwa Angst um ihren neuen heißen Job, den ihr die Quellenwesen gegeben haben?! Du musst dir ja sehr mächtig vorkommen! Vielleicht glaubst du sogar, irgendwann selbst einmal zu einem …!“

Betsy, stopp! Die telepathische Stimme, die mir dies eindringlich eingeschärft hatte, erkannte ich sehr wohl. Es war Lomādo. Er musste uns beobachten. Wahrscheinlich wollte er wissen, wohin Shinell mich brachte. Aber mir war, wenn ich es recht bedachte, auch längst klar, warum er mich gestoppt hatte. Wenn ich offenen Widerstand leistete, dann konnten Shinell und ihre Leute gewarnt sein und mir die Rückkehr in mein Leben noch viel mehr erschweren. Wenn ich aber nach außen so tat, als würde ich mitmachen, könnte ich es vielleicht schaffen, sie zu überzeugen, mich irgendwann von der Leine zu lassen und dann …

Ich holte tief Atem und versuchte, meine doch sehr hart gewordenen Gesichtszüge wieder merklich zu entspannen. Dann sagte ich: „Tut mir leid, Shinell. Ich denke, es war für mich heute alles etwas viel! Kannst du mir noch einmal verzeihen?“ „Natürlich.“, sagte sie. „Deine Reaktion ist außerdem völlig normal. So, oder so ähnlich reagieren die Meisten, die hier herkommen, bevor ihre Sanduhr eigentlich abgelaufen ist. So heftig habe ich das zwar noch nie erlebt, aber du scheinst eben heute etwas impulsiv zu sein.“ „Vielleicht sind es die Hormone.“, scherzte ich. „Du bist ja selbst eine Frau. Also weißt du ja auch, wie das ist, so alle vier Wochen.“ „Du bist witzig.“, meinte sie, die meinen Witz durchaus verstanden hatte, denn sie wusste ja auch, dass ich keinen Körper mehr hatte und mir dessen Bedürfnisse dann auch nichts mehr anhaben konnten. „Außerdem verzeiht man der Familie ja wohl fast alles. Wie sagt man bei euch auf der Erde noch? Blut ist dicker als Schnaps, nicht?“ „Nimm Wasser.“, scherzte ich. „Is’ gesünder.“ „Alles klar.“, sagte Shinell und korrigierte: „Blut ist dicker als Wasser.“ „Wie kommst du darauf, dass wir eine Familie sind?“, fragte ich. „Weil du mit meinem Bruder eine Beziehung hattest.“, sagte Shinell. „Also warst du fast so was wie meine Schwägerin.“ „Ach so.“, sagte ich.

Wir gingen weiter und fanden uns bald vor der dritten Tür von links wieder. „Hier wohne ich?“, fragte ich. „Ja, hier wohnst du. Teste es doch mal.“, meinte sie.

Ich tastete an der Wand nach den im 30. Jahrhundert üblichen Fingermulden. Endlich hatte ich sie gefunden und legte meinen rechten Zeigefinger hinein. „Biologischer Fingerabdruck akzeptiert.“, sagte eine nüchterne Rechnerstimme. „Die Quellenwesen und ich waren unsicher, ob wir dir eine Wohnung mit moderner, oder mit Einrichtung des 21. Jahrhunderts geben sollten. Aber da du aus der Welt des 30. Jahrhunderts kamst, als du gestorben bist, fanden wir es für deine Akklimatisation so besser.“ „Schon klar.“, sagte ich.

Ich betrat neben Shinell den Flur meiner neuen Unterkunft und bemerkte, dass sie meinem Quartier auf der Granger sehr ähnlich sah. Der Schnitt der Wohnung war genau so mit dem Flur, der direkt ins Wohnzimmer führte und den rechts und links von ihm abzweigenden Türen in die restlichen Zimmer.

„Ich werde dich jetzt erst mal allein lassen.“, sagte die junge Tindaranerin und wandte sich in Richtung Tür. Dann war sie verschwunden.

Ich ging ins Wohnzimmer und sah mir zunächst einmal meine Einrichtung an. Auf dem Sofa, das die ganze rückwärtige Wand einnahm, lagen weiche Kissen mit Tiergesichtern, die man sogar sehr gut fühlen konnte. Eines, das Motiv auf dem rechten Kissen, erinnerte mich an meinen Kater Mikosch, das andere auf dem Linken an meinen Hund Mausi. Du hast deine Hausaufgaben wirklich gemacht, Shinell., dachte ich. Dann strich ich über die weiche in verschiedener Art gefleckte Decke, die sich ebenfalls auf dem Sofa befand. Ansonsten sah es aus wie ein durchschnittliches 2-sitziges Sofa mit geschwungenen Armlehnen. Vor dem Sofa stand ein kleiner 4-eckiger Tisch. Er war rechteckig und glatt. Nur in seiner Mitte bildeten einige Fliesen ein Mosaik, das an eine strahlende Sonne erinnerte. In einer weiteren Ecke, auf die ich genau zu ging, wenn ich mich am Sofa orientierte, fand ich einen großen Schreibtisch. Darauf stand der Replikator in der rechten hinteren Ecke. In der Linken fand sich der Hausrechner und in der rechten vorderen Ecke das Terminal für die Sprechanlage. Die linke vordere Ecke war frei. Davor fand sich ein normaler Bürostuhl.

Mich überkam plötzlich eine merkwürdige Müdigkeit. Wahrscheinlich war das Erlebte ziemlich viel für mich gewesen. Ich ging also in Richtung meines Schlafzimmers und ließ mich dort in mein weiches kuscheliges Bett fallen, das sich für mich genau so anfühlte, als wäre ich zu Hause in meinem Haus in Little Federation. Neben dem Bett befand sich ein kleiner Nachttisch, auf dem sich ebenfalls ein Terminal für eine Sprechanlage befand. Als ich die Tasten berührte, gingen meine Finger unwillkürlich einen ganz bestimmten Weg. Da ich die Tastatur einer Sprechanlage, als ausgebildete Kommunikationsoffizierin, ja auswendig kennen musste, wusste ich auch bald, was für ein Weg das war. Ich vermutete sofort, dass dies Lomādos Rufzeichen war, was ich aus der Buchstaben- und Zahlenkombination auch eindeutig herleiten konnte. „Oh, Mr. Baldāri, Sie schlimmer Finger.“, flüsterte ich, bevor ich einschlief. „Sie haben wohl eindeutig mehr getan, als nur das Gespräch abgeschirmt, an das ich mich in Shinells Gegenwart nicht erinnern soll.“

Viele Wochen lang war Saron nun schon von Therapiesitzung zu Therapiesitzung gepilgert. Er wusste zwar nicht genau, ob er den zivilen Arzt, dem ihn Sendor und seine Frau anvertraut hatten, wirklich alles erzählen konnte, was er wusste, aber es war ihm ohnehin sicherer gewesen, das nicht zu tun. Da sich der Wäscher im Moment auch nicht um weitere Waschungen kümmern konnte, würde Doktor Jenkins wohl auch nicht so schnell eines seiner Opfer werden können. Radcliffe hatte aus strategischen Gründen wohl auch kein Interesse an noch einem Zivilisten. Aber dies kam wohl auch nicht von ihm, sondern eher von Sytania, die viel mehr Interesse an Schlüsselfiguren aus Politik und Sternenflotte hatte. Dass ihr aber gerade dies noch zum Verhängnis werden sollte, ahnte die Imperianerin noch nicht.

Der Sekretär hatte wie immer das Gebäude betreten, in dem Doktor Jenkins seine Praxis hatte. Die freundlich lächelnde Frau an der Anmeldung, eine Platonierin Mitte der 40er mit roten lockigen Haaren und einem ordentlichen weißen Kostüm, zu dem sie helle leicht hochhackige Schuhe trug, winkte ihn gleich durch. Sie war mit 1,60 m sehr klein, aber sie hatte auch schon durch intelligente Ratschläge ihren Teil dazu beigetragen, dass es Saron heute schon viel besser ging. „Gehen Sie doch schon mal durch, Mr. Saron.“, sagte sie. „Der Doktor erwartet Sie.“ „Danke, Malia.“, sagte Saron und bog in Richtung Sprechzimmer ab.

Hier, in dem hellen Raum mit freundlicher Bebilderung an der Wand und einem kleinen Sofa in der Mitte, das mit seinem bunten Blumenmuster und seinen weichen Kissen geradezu zum Verweilen einlud, erwartete ihn tatsächlich schon Doktor Jenkins. Der Arzt saß hinter seinem schweren Schreibtisch, der sich an der Südwand des Raumes befand und sah seinen Patienten, dessen Akte er auf dem Bildschirm seines Rechners hatte, nachdenklich an. „Da sind Sie ja, Mr. Saron.“, sagte er. „Am besten wird sein, Sie setzen sich. Was ich Ihnen zu sagen habe, könnte Sie sonst unter Umständen von den Socken hauen.“

Erwartungsvoll drehte sich Nuguras Sekretär um und ließ sich in das Polster der Couch sinken. Dann sah er zu Jenkins hinüber. „Ich fürchte, dass ich Ihnen nicht helfen kann, Saron.“, sagte der auch psychiatrisch ausgebildete Mediziner. „Wissen Sie, Malia und ich haben da eine Theorie. Sie wissen ja selbst, wie Sie reagieren, sobald wir Ihnen Bilder von Verbrechen zeigen.“ „Ja, das weiß ich.“, sagte Saron, der schon wieder das Gefühl hatte, man würde ihm den Boden unter den Füßen wegziehen. „Ich bin dann immer so erschüttert, als würde ich noch ein Kind sein, das …“ „Jetzt zitieren Sie mich.“, sagte Jenkins. „Das Gleiche habe ich Ihnen nämlich letzte Woche gesagt. Es scheint bei Ihnen nämlich so zu sein, dass Sie noch immer in einer Welt leben, in der Kinder zu Hause sind, die von der großen bösen Welt da draußen total überfordert wären, da der Teil Ihrer Persönlichkeit, der Ihnen hilft, diese Dinge zu verarbeiten, noch nicht ausgebildet ist. Unsere Untersuchungen haben zweifelsfrei ergeben, dass Sie dieses Verhalten auch nicht erlernen könnten, selbst, wenn Sie wollten, da Ihnen der entscheidende Teil ihrer Persönlichkeit einfach fehlt.“

Er rief ein Bild im Rechner auf. „Das ist Ihr Gehirn.“, sagte er. „Genauer die Verteilung Ihrer neuralen Energie in ebendiesem. Ein normaler Erwachsener Ihrer Rasse hat dieses Verhältnis.“ Damit ließ er ein weiteres Bild rechts neben dem von Sarons Profil erscheinen. „Sehen Sie die Unterschiede?“, fragte er. „Ja.“, nickte der Sekretär. „Es gibt bei mir offenbar ein Gebiet, das vollkommen leer ist.“ „Genau.“, sagte Jenkins. „Dieses Gebiet heißt Mandelkern und regelt das Selbstvertrauen und das Aggressionsverhalten. Weil es bei Ihnen quasi nicht versorgt wird, gehen wir davon aus, dass hier der Grund liegt, warum Sie von bösen Handlungen so mitgenommen werden. Eine Person mit normalem vitalen Mandelkern würde zumindest in Betracht ziehen, sich dagegen irgendwie zu wehren.“ „Sie meinen also, ab und zu mal eine aggressive Tendenz sei normal?“, fragte Saron, der sich durch Jenkins’ Sätze in die Situation seiner Waschung zurückversetzt fühlte, in der ihm der Wäscher eingebläut hatte, dass er keine aggressiven Handlungen mehr dulden und ausführen dürfte. „Oh, ja, Mr. Saron!“, sagte Jenkins mit Überzeugung. „Und das werde ich Ihnen jetzt auch verdeutlichen!“

Er wandte sich auf seinem Bürostuhl herum und einer Sprechanlage zu: „Malia, bringen Sie doch bitte unsere Versuchsanordnung rein, ja?!“ „Sofort, Chef.“, kam die freundliche helle Stimme der Helferin zurück. „Was haben Sie mit mir vor?“, fragte Saron, dem es leicht beklommen wurde. „Ich habe vor, Ihnen etwas zu zeigen.“, sagte Jenkins. „Bedauerlicherweise ist das unsere allerletzte Option. Wenn das nicht gelingt, dann habe ich keine Theorien mehr und bin mit meinem Latein am Ende.“

Die Tür des Behandlungsraumes öffnete sich und gab den Blick auf die kleine zierliche Gestalt der Arzthelferin frei, die einen Wagen vor sich her schob. Darauf befand sich ein Tablett, in dessen Mitte Saron eine altertümliche Waage ausmachen konnte, deren Waagschalen noch leer waren. Außerdem sah er eine Flasche mit Wasser und zwei grüne durchsichtige Töpfe, von denen einer mit schwarzen und einer mit weißen Bällen gefüllt war. Diese standen zu Füßen der Waage, wo sich auch einige Datenkristalle befanden. „Bringen Sie es in die Mitte des Raumes, Malia!“, ordnete Jenkins an. „Und dann beginnen Sie. Ach, diese Akten.“ Sein Blick hatte die Kristalle gestreift. „Na ja, egal. Fangen Sie an!“

Malia nickte und befestigte die Wasserflasche mittels eines Klebestreifens auf dem Balken an der Wage. Da er gerade war, war auch die Flasche im Lot. Dann entkorkte Malia sie. Gleich danach entnahm sie auch den Deckel des Topfes, in dem sich die weißen Bälle befanden und begann damit, sie in die eine Waagschale zu füllen. Sorgenvoll beobachtete Saron, wie sich die Flasche immer weiter neigte und das Wasser über die Kristalle zu laufen drohte. Würde das passieren, das wusste der Sekretär, dann hätte das die Vernichtung der Daten zur Folge. „Halt, Malia!“, versuchte Saron, sie in ihrem Vorhaben zu stoppen. „Damit vernichten Sie vielleicht wichtige Daten! Sie können doch nicht …!“

Starr sah die junge Frau ihren Chef an, der ihr aufmunternd zunickte, was sie als Aufforderung verstand, weiter zu machen. „Sie hört Ihnen nicht zu, Saron.“, sagte Jenkins. „Aber vielleicht finden Sie ja auch einen anderen Weg, einen Ausgleich herbeizuführen.“

Es plätscherte. Saron sah, wie sich einige Kristalle bereits in einem See befanden, der sich zu Füßen der Waage gebildet hatte. Aber noch war nicht alles Wasser ausgelaufen und einige waren vielleicht noch zu retten, wenn es ihm irgendwie gelingen sollte, die Richtung der Flasche, in die sie sich geneigt hatte, zu ändern.

Hilflos sah sich Saron im Raum um und erblickte tatsächlich den zweiten Topf mit den schwarzen Bällen. Händeweise begann er, sie in die leere Waagschale zu schaufeln. Da Mengen und Gewichte gleich waren, stand die Flasche auch bald wieder gerade und kein weiterer Tropfen Wasser mehr wurde vergossen. „Gut gemacht, Mr. Saron!“, lobte Jenkins. „Aber warum haben Sie das jetzt gemacht?“ „Als Sekretär weiß ich, wie wichtig Daten sein können.“, sagte Saron. „Dann wird es Sie interessieren, dass diese Kristalle leer waren.“, sagte Jenkins. „Wir haben Sie hereingelegt. Aber wir mussten das tun, um Sie zu einer Handlung zu provozieren. Deshalb wählten wir ein Beispiel aus Ihrem Alltag. Aber warum haben Sie gerade das gemacht?“ Er deutete auf die Waage. „Ich wollte wieder einen Ausgleich herstellen zwischen schwarz und weiß.“, sagte Saron. „Nur so geht es. Nur so …“

Dem intelligenten Demetaner fiel es wie Schuppen von den Augen. „Wollen Sie mir etwa sagen, dass nur ein Ausgleich zwischen gut und böse eine funktionsfähige Lebensweise ermöglicht?“ „Genau!“, sagte Jenkins. „Wissen Sie, junger Freund, der Wäscher hat Ihnen versucht weiszumachen, dass Sie ihre aggressive Seite ablegen müssen. Von mir sollen Sie lernen, sie wieder zu akzeptieren. Die Anomalie, die wir bei Ihnen feststellten, haben Sie nämlich nicht schon seit Ihrer Geburt, sondern erst seit Ihrer Begegnung mit dem Wäscher. Ich bin überzeugt, wenn Sie Ihre aggressive Seite akzeptieren würden, ginge es Ihnen viel besser.“

Saron lehnte sich zurück und dachte über das nach, was ihm der Arzt soeben gesagt hatte. „Aber wie soll ich das machen?“, fragte er. „Ich meine, woher wird meine aggressive Seite wissen, dass ich ihn akzeptiert habe und was wird er dann tun? Wenn Ihre und Malias Theorie stimmt, dann wird er zu mir zurückkommen, oder so. Genau habe ich das nicht verstanden. Ich meine, das ist kein Wunder. Ich bin Sekretär und kein Psychologe.“ „Sie irren sich, Saron.“, beschwichtigte Malia. „Im Gegenteil. Sie haben die Situation sehr gut verstanden. Genau das wird passieren, wenn Sie Ihre aggressive Seite akzeptieren. Wir wissen nicht genau, was der Wäscher mit ihm gemacht hat, aber wir denken, dass, wo immer er auch ist, er den Weg zu Ihnen zurückfinden wird. Ich habe keine Bedenken, dass Sie nicht in der Lage sein werden, mit ihm zurechtzukommen. Das ging ja vor Ihrer Begegnung mit dem Wäscher auch, ohne dass Sie straffällig geworden wären.“ „Sie haben Recht.“, erinnerte sich Saron. „Aber wie sollte ich Ihrer Meinung nach mit ihm in Kontakt treten?“ „Wie treten Sie denn sonst mit Leuten in Kontakt, die Sie noch nicht kennen?“, fragte Jenkins. „Oder wie tun Sie und Ihre Vorgesetzte, die Präsidentin der Föderation, das?“, ergänzte Malia. „Der erste förmliche Kontakt findet durch ein Raumschiff und dessen Besatzung statt.“, antwortete der Sekretär. „Das ist allgemein bekannt.“, sagte Jenkins. „Aber ich nehme doch an, Nugura und Sie werden nicht sofort an Bord dieses Schiffes sein, nicht wahr?“ „Natürlich sind wir das nicht.“, erwiderte Saron. „Das würden die Sicherheitsprotokolle gar nicht zulassen. Der nächste Schritt ist dann im Allgemeinen ein SITCH zwischen Nugura und dem fremden Staatsoberhaupt oder ein Briefwechsel per SITCH-Mail, um Verträge aufzusetzen und so weiter.“ „Dann tun wir das doch.“, sagte Jenkins. „Malia, Sie kennen Ihren Job.“ Die zierliche Platonierin nickte und verließ den Raum. „Was tut sie jetzt, Doktor?“, fragte der etwas verwirrte Saron. „Sie trifft alle Vorbereitungen.“, sagte Jenkins und sah ihn geheimnisvoll an. „Überlegen Sie sich doch schon mal ein paar Bedingungen, die Sie mit ihrer aggressiven Seite aushandeln wollen.“ Vertrauensvoll nickte Saron und tat, was ihm sein Arzt soeben vorgeschlagen hatte.

Im Antiuniversum saß Nugura mit ihrer Version von Saron zusammen und beratschlagte. „Was werden wir als Nächstes tun, Sea Federana?“, fragte der Demetaner. „Wir werden, das denke ich, zu einem geeigneten Zeitpunkt die gute Föderation angreifen sollen. Das wird sie ablenken von dem, was Sytania eigentlich wirklich vorhat. Aus keinem anderen Grund wurden wir geschaffen.“, sagte die Antinugura. „Und was ist ihr wahrer Plan, Sea?“, fragte Saron und schmeichelte ihr mit den Augen. „Darüber habe ich noch keine genauen Angaben.“, sagte Nugura und lachte gemein. „T’Mir steht in besserem Kontakt mit ihr. Ich weiß nur so viel, dass wir die gute Sternenflotte ablenken sollen. Ich denke, mein lieber Saron, dass ich auch nicht mehr wissen muss und Sie auch nicht. Falls die gute Sternenflotte nämlich doch als Siegerin aus dieser Schlacht hervorgehen sollte und wir in ihre Gefangenschaft geraten, wäre es besser, wir wüssten nicht all zu viel. Sie haben potente Telepathen, die …“

Der böse Saron stand auf, klopfte sich auf die Schenkel und begann laut zu lachen. „Was gibt es da zu lachen, Mr. Saron?!“, empörte sich die böse Nugura. „Die und uns besiegen?!“, prustete Saron. „Wovon träumen Sie nachts, Sea, mit Verlaub. Das ist eine Tatsache, die meines Erachtens niemals auftreten wird. Die Sternenflotte besteht nur noch aus willenlosen gelähmten Pazifisten! All ihren Kampfeswillen haben wir ihnen doch genommen! Um so verwirrter werden sie sein, wenn sie quasi von den eigenen Leuten angegriffen werden. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es da auch noch eine kleine Sache, die auch sehr unangenehm für sie sein wird. Nämlich … Helfen Sie mir!“

Nugura wandte sich zu ihrem Sekretär um. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, ihm die Leviten zu lesen, aber das, was sie jetzt sah, ließ sie dann doch nur mit vor Staunen offenem Mund zurück. Saron schien immer durchsichtiger zu werden und schließlich keine Substanz mehr zu besitzen. Dann schwebte er durch das Dach und ward nicht mehr gesehen.

Sofort nahm die Präsidentin das Mikrofon der Sprechanlage in die Hand und gab das Rufzeichen der Sicherheit ein. „Finden Sie Mr. Saron!“, befahl sie. „Ich glaube, er ist soeben vor meinen eigenen Augen entführt worden!“

Inzwischen war Malia zurückgekehrt und hatte ihrem Vorgesetzten eine Adresse für ein SITCH-Mail-Postfach und ein Kennwort zugeflüstert. Außerdem hatte sie ein Pad in der Hand, das sie Saron gegeben hatte. „Danke, Malia.“, sagte Jenkins. „Ich werde dann gehen. Unser Mr. Saron ist es gewohnt, dass ihm eine weibliche Stimme die Fakten des Tages präsentiert. Da möchte ich mich nicht einmischen.“ Dann lächelte der Arzt und war aus der Tür.

Kaum hatte sich die Tür geschlossen, veränderte sich Malias Gesichtsausdruck. Streng schaute sie jetzt drein und setzte sich hinter den Schreibtisch. Erst jetzt fiel Saron auf, dass sie ein ähnliches Kostüm trug, wie es Nugura hatte, wenn sie im Allgemeinen in den Nachrichten zu sehen war. Auch das Makeup stimmte. „Warum sehen Sie aus wie meine Chefin, Malia?“, fragte Saron. „Wie bitte?!“, sagte die falsche Nugura streng. „Wer ist Malia, Mr. Saron. Sie sind wohl mit den Gedanken noch immer bei Ihrer letzten Urlaubsbekanntschaft! Dabei wäre es sicher besser, wenn Sie schleunigst hier her zurückkämen, denn wir haben heute noch einen Erstkontakt zu besiegeln. Nehmen Sie Ihr Pad und notieren Sie! Die Adresse lautet: as-j 1, 19.ely. Inhaltlich wird es um die Ihnen bereits bekannten Vertragsbedingungen gehen! Haben Sie das?“ „Ja, Madam President.“, sagte Saron, der aufgrund der Zusammensetzung der Adresse durchaus ableiten konnte, dass es sich um eine Adresse im Firmennetzwerk der Praxis handeln musste und dass as wohl für Antisaron stand. Aber er war gewillt, das Rollenspiel mitzuspielen. Deshalb war es für ihn auch nicht schlimm, dass sich Malia als seine Chefin ausgab. „Ja, Madam.“, nickte er. „Ich mache mich sofort an die Arbeit.“ „Tun Sie das aber bitte hier.“, sagte Malia alias Nugura. „Ich möchte gern noch einmal drüber sehen, bevor Sie die Mail senden.“ „Gut.“, sagte Saron und setzte sich wieder auf das Sofa. Er platzierte sich aber so, dass Malia ihn gut sehen konnte. Dann räusperte er sich und begann, folgende Sätze in das Pad zu diktieren: „Lieber Antisaron, was du jetzt von mir zu lesen bekommst, ist sicher nicht das, was man als Idealbild der Föderation bezeichnen würde. Seine aggressive Seite willkommen zu heißen und sie einzuladen, wieder zurück zu kommen, nachdem man von ihr getrennt wurde, ist sicher nicht das Verhalten eines Föderationsbürgers, das man sich unter Theoretikern vorgestellt hat. Sicher habe ich dich recht stiefmütterlich behandelt in der Zwischenzeit. Dies ist eine Tatsache, die ich aus ganzem Herzen bitter bereue, denn mir ist klar geworden, dass wir uns gegenseitig benötigen, um überleben zu können, um beide überleben zu können. Ich benötige deine Stärke, um in der nicht gerade friedlichen Welt da draußen zurechtkommen zu können, aber du benötigst genau so meine Vernunft, um nicht irgendwann eine Handlung zu begehen, die dich unter Umständen das Leben kosten könnte. Als ich zuließ, dass man uns trennte, habe ich dies alles nicht bedacht. Aber jetzt habe ich meine Meinung geändert. Jetzt habe ich gelernt, dass es nur gemeinsam geht. Genau so, wie es im Universum immer zwei gegensätzliche Seiten und Pole geben muss, damit der Energiefluss funktionieren kann, brauchen sich auch gut und böse, um dauerhaft existieren zu können. Deshalb sage ich dir hiermit aus vollem Herzen: Ich akzeptiere dich und …“

Weiter war er nicht gekommen, denn im gleichen Moment wurde er ohnmächtig. Gleichzeitig sah Malia jetzt einen zweiten Saron, der aber irgendwie durchsichtig zu sein schien. Er kam durch das Dach hereingeschwebt und schwebte auf den am Boden liegenden Saron zu, um dann in ihn hinein zu fliegen. Für die irritierte Arzthelferin sah es aus, als würden sich beide miteinander vereinen.

Malia drückte drei mal einen bestimmten Rufknopf an der Sprechanlage, ein Zeichen, das sie mit Doktor Jenkins ausgemacht hatte, sollte etwas passieren. Sofort stürmte der Arzt mit einem Erfasser in der Hand ins Zimmer. „Was ist los, Malia?!“, fragte Jenkins. „Sehen Sie, Doktor!“, sagte die völlig überforderte Malia ängstlich und zeigte auf das Geschehen. Jenkins richtete den Erfasser darauf und traute ebenfalls seinen Augen kaum. „Mit so was hätte ich jetzt am wenigsten gerechnet.“, gab er zu. „Denken Sie etwa ich?“, fragte Malia. „Nein.“, sagte Jenkins. „Aber Fakt ist, dass sich die ganze Energie von unserem immateriellen Freund hier in seinem Mandelkern zu konzentrieren scheint.“

Saron kam zu sich. Seine anfänglich immer blassen Gesichtszüge hatten sich ebenfalls rosig gefärbt und er schaute auch schon wieder viel mutiger drein. „Ich muss zu Nugura!“, sagte er und versuchte sich aufzurichten, was aber zunächst nur in einem weiteren Kuss für den Fußboden endete. „Langsam!“, sagte Jenkins. „Sie ruhen sich jetzt erst mal aus! Dann können Sie ihrer Vorgesetzten immer noch alles sagen. So eine Vereinigung schlaucht sicher auch.“ „Sie wissen …?“, fragte Saron. „Ja.“, sagte Jenkins fürsorglich. „Wir haben alles gesehen. Aber jetzt legen Sie erst mal die Beine hoch!“ „Nein!“, sagte Saron und unternahm einen weiteren erfolglosen Versuch, auf die Beine zu kommen. „Ich muss auf der Stelle zu ihr! Sonst könnte es unter Umständen zu spät sein!“ Er war eingeschlafen. „Hängen Sie ihn an eine Infusion, Malia.“, flüsterte Jenkins seiner Helferin zu. „Wenn er wieder auf den Beinen ist, erlaube ich, dass er von hier ein Gespräch mit Nuguras Büro führen darf. Danach rufen Sie ihm dann bitte ein Taxi.“ „In Ordnung, Doktor.“, nickte Malia.

Sytania fand sich auf ihrem mit goldenen Beschlägen verzierten Bett in ihrem Gemach wieder. Zu ihren Füßen stand Cirnach und an ihrem Kopf stand Dirshan, der die kundige Vendar in Ermangelung eigener Erfahrung hinzugeholt hatte. Nachdem der Novize die Königstochter bewusstlos über ihrem Thron hängend aufgefunden hatte, glaubte er das Schlimmste.

„Was ist geschehen?“, fragte Sytania schwach, nachdem sie die Augen geöffnet hatte. „Ich weiß es nicht, Gebieterin.“, sagte Dirshan. „Ich fand Euch bewusstlos im Thronsaal. Dann ließ ich Euch hier her bringen und schickte nach Cirnach.“ „Du hast recht getan.“, sagte die Prinzessin. Dann drehte sie sich der Vendar zu, die ihr aus einer goldenen Karaffe einen Trank hinhielt. „Diese Kräuter werden Eure mentale Energie stärken, Hoheit.“, sagte sie. „Was immer Euch auch geschehen ist, wurde Euch nicht durch einen Sterblichen getan, soviel steht nach meiner Untersuchung fest. Der Junge … Ach, vergebt mir bitte! Ich meinte, Euer Truppenführer. Er sagte, er habe Euch mit seinem Erfasser gescannt, die Bilder des Gerätes aber nicht einordnen können. Es scheint jedoch, als sei etwas, das Ihr einem Sterblichen getan habt, wieder auf Euch zurückgefallen. Das kann ich mir aber auch nicht erklären. Er hat mir das Gerät gezeigt und das Meine hat das Gleiche angezeigt. Also, an was könnt Ihr Euch erinnern?“ „Ich erinnere mich nicht an sehr viel, Cirnach.“, gab Sytania ihrem Drängen nach. „Ich weiß nur, dass … Moment! Das Gefühl, das ich hatte, entsteht immer dann, wenn ein Sterblicher einen Bann austrickst, den ich über ihn verhängt habe. Reicht mir den Kontaktkelch!“ „Dafür sind Eure Fähigkeiten noch zu schwach.“, sagte die Vendar beschwichtigend. „Bitte erlaubt Dirshan und uns, mit Sonden nach dem Rechten zu sehen. Wir werden das Problem schon finden.“ „Also gut.“, sagte Sytania und schlief ein.

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