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Maron hatte in dieser Nacht, wie schon oft, kein Auge zugemacht. Er wusste, dass Nitprin immer noch von schweren Albträumen gequält wurde. Gerade deshalb wollte er sie nicht aus den Augen lassen, zumal sie zwar im Schlaf sprach, sich aber nach dem Aufwachen an nichts mehr erinnern konnte. Um das Puzzle trotzdem irgendwie zusammenfügen zu können, hatte der Agent IDUSA den Befehl erteilt, die nächtlichen Redeschwalle des Mädchens aufzuzeichnen. Außerdem sollte der Rechner ihn wecken, wenn Nitprin wieder einen Albtraum hatte. Dass dies in dieser Nacht entfiel, hatte der selbstständig denkende Rechner auch schon gemerkt, denn der erste Offizier hatte noch bis spät in die Nacht über Unterlagen gesessen, die er mit ihren Systemen bearbeitet hatte. Seine übliche Formulierung: „Ich gehe ins Bett, IDUSA!“, die sie normalerweise das Programm initiieren ließ, hatte er nicht benutzt.

„Soll ich Nitprin trotzdem überwachen, Agent?“, fragte der Stationsrechner. „Ja, IDUSA.“, sagte der erste Offizier und machte eine bestätigende Bewegung mit dem Kopf. „Ich frage nur, weil Ihr Verhalten von den programmierten Parametern abweicht.“, begründete IDUSA. „Das stimmt wohl.“, sagte Maron und klang dabei schon fast etwas amüsiert. „Aber du solltest trotzdem auf sie aufpassen und auch ihre Äußerungen weiterhin aufnehmen.“ „Haben Sie vor, sie beim Frühstück damit zu konfrontieren?“, fragte der Rechner. „Genau das!“, bestätigte Maron. „Aber ich werde schon aufpassen, dass ihr das Essen nicht im Hals stecken bleibt.“

Er wandte sich wieder den Unterlagen auf IDUSAs virtuellem Schirm zu, aber im gleichen Moment versperrte ihm der Avatar die Sicht. Sie hatte einen sehr ernsten Blick aufgesetzt und machte einige alarmierende Gesten vor seinem geistigen Auge. „Was ist los, IDUSA?!“, fragte Maron. „Nitprins medizinische Werte haben sich verändert.“, erklärte der Rechner nüchtern. „Sie produziert große Mengen von bei den Breen üblichen Stresshormonen. Außerdem zittert sie und ruft wieder Dinge im Schlaf.“ „Gib mir den Ton und das Bild aus ihrem Zimmer!“, befahl Maron. Der Avatar nickte und führte seinen Befehl aus. Der Demetaner konnte jetzt an der angestrengten und auf sehr große Angst hindeutenden Atmung des Mädchens gut hören, dass es ihr nicht gut ging. Außerdem schrie sie ununterbrochen Dinge wie: „Die Frösche! Hilfe, Maron, Betsy, Vater! Wo seid ihr?! Helft mir! Nein, sie dürfen mich nicht fangen! Der Kegel, nehmt euch doch den verdammten Kegel und lasst mich in Ruhe! Weg! Geht weg! Sytania, nein!“

Maron stand ruckartig auf und drehte sich in Richtung Tür. Dann befahl er noch in Richtung des Stationsrechners: „Aufzeichnung abbrechen, IDUSA! Hol Ishan oder Nidell! Sag ihnen, wir treffen uns in Nitprins Zimmer!“ Dann rannte der Agent, so schnell ihn seine Füße tragen konnten, ins Kinderzimmer. Dort sah er die völlig verkrampfte Nitprin in ihrem Bett liegen. Er nahm sie an den Schultern und rüttelte sie: „Jinya, wach auf! Du hast wieder einen Albtraum! Komm schon, wach auf! Wach auf!“

Einige Minuten vergingen, ohne dass sich etwas tat. Dann schlug das Mädchen plötzlich die Augen auf. „Oh, Maron!“, sagte sie und holte tief Luft. „Ist ja schon gut, Jinya.“, sagte der Demetaner tröstend. „Du hast nur mal wieder schlecht geträumt. Aber ich würde gern erfahren, um was es in deinen bösen Träumen eigentlich geht.“ „Das hatten wir doch schon, Maron.“, sagte Nitprin fast resigniert. „Ich kann mich nicht erinnern, wenn ich erwache. Denkst du, Sytania hat damit was zu tun?“ „Wie kommst du darauf, Jinya?“, fragte Maron interessiert. „Weil doch diese Geschichte mit Betsy und dem Professor passiert ist und weil sie ihn dazu gebracht hat, meinen Vater zu töten. Was ist, wenn sie mich jetzt lebenslang mit diesen Träumen strafen will, die deshalb nicht therapiert werden können, weil ich niemandem sagen kann, was ich träume. Ich bin damit also ganz allein! Total allein! völlig allein!“ Sie begann zu weinen.

Maron nahm sie so fest in den Arm, wie er es nur konnte. Er bezweifelte zwar, dass sie durch ihren Kälteanzug viel davon mitbekam, aber allein die Geste zählte, wie er fand. „Und genau das bist du nicht, Jinya!“, sagte er fest. „Du hast uns und wir haben das, was du im Traum gesagt hast. Die gute IDUSA hat nämlich auf meinen Befehl hin alles aufgezeichnet. Ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel.“ „Warum sollte ich?“, fragte Nitprin. „Wenn es uns hilft, kann es doch nur gut sein, oder?“

Maron ließ erleichtert die Luft aus seinen Lungen entweichen. „Und ich dachte schon.“, sagte er. „Was dachtest du?“, wollte Nitprin wissen. „Ich dachte, dass du jetzt kein Wort mehr mit mir redest, weil ich dich sozusagen bespitzelt habe.“ „Na ja.“, versuchte sie, einen Scherz zu machen. „Du bist Geheimagent. Du kannst nicht anders!“ Maron grinste.

Das Piepen der Sprechanlage kündigte Besuch an. „Ich muss da mal kurz antworten, Jinya.“, flüsterte Maron ihr zu und ließ sie langsam los, worauf sie zurück in die Kissen glitt. Dann nahm er das Mikrofon, stellte die Anlage auf Lautsprecher, damit Nitprin auch hören konnte, wer da draußen war und sagte dann: „Maron hier!“ „Maron, hier ist Nidell.“, kam die Antwort einer kleinen leisen ruhigen Stimme zurück. „IDUSA sagt, du brauchst mich.“ „Komm rein, Nidell!“, sagte der erste Offizier und befahl IDUSA dann, die Tür zu entriegeln.

Die junge tindaranische medizinische Assistentin betrat das Quartier des stellvertretenden Commanders. Aufgrund der ihr bereits bekannten Vorgeschichte wusste sie gleich, wo sie Maron finden würde. Sie ging also gleich ins Gäste- beziehungsweise Kinderzimmer durch. Das Bild, das sich ihr hier bot, war für sie recht eindeutig. „Hatte sie wieder einen, Maron?“, fragte sie und zeigte auf die hellwach vor ihr im Bett liegende Nitprin. „Ja, Nidell.“, sagte Maron. „Sie hatte wieder einen Albtraum. Dieses Mal war es wohl besonders schlimm. IDUSA sagt, ihre Stresskurve war schon kritisch. Wenn wir nicht bald herauskriegen, was sie gesehen hat und ihr helfen, wird sie noch einen Herzanfall erleiden und das trotz ihrer Jugend.“ „Vielleicht könnte ich telepathisch …“, schlug Nidell vor, aber der erste Offizier sah sie ernst an und schüttelte streng den Kopf. „Ich denke, davon sollten wir absehen, Nidell!“, sagte er mit strengem Unterton in der Stimme, denn er wollte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass es ihm ernst war. „Sie hat Sytania erwähnt und ich denke, dass jeder telepathische Eingriff ihr Trauma sogar noch verschlimmern könnte! Das müsste dir, als medizinischer Assistentin, doch wohl eher klar sein, als mir!“ „Stimmt.“, sagte Nidell und blickte beschwichtigend zur Seite. „Du hast Recht. Es tut mir auch leid, aber ich wollte ihr doch nur helfen.“ „Das wollen wir alle, Nidell.“, sagte Maron. „Wir dürfen nur vor lauter Feuereifer nicht die falschen Wege einschlagen. Ich wollte IDUSA ihr noch einmal ihre eigenen Worte vorspielen lassen, wenn einer von euch da ist. Vielleicht hilft uns das ja auch und du könntest im Notfall sicher eingreifen.“ „Das könnte ich.“, sagte Nidell und zeigte demonstrativ auf den Koffer mit ihrer Ausrüstung, den sie mitgenommen hatte.

„Also schön.“, sagte Maron und drehte sich zum Computermikrofon. Seinen Neurokoppler hatte er im Eifer des Gefechtes im Nebenraum gelassen. „IDUSA!“, befahl er. „Die letzte Aufzeichnung von Nitprins Albtraum abspielen!“ „Sofort, Agent.“, sagte die freundliche Stimme des Rechners. Dann gab es ein kurzes Signal und dann hörten alle Nitprin sagen: „Die Frösche! Hilfe, Maron, Betsy, Vater! Wo seid ihr?! Helft mir! Nein, sie dürfen mich nicht fangen! Der Kegel, nehmt euch doch den verdammten Kegel und lasst mich in Ruhe! Weg! Geht weg! Sytania, nein!“

Ohne Vorwarnung zuckte Nitprin plötzlich zusammen und gab einen markerschütternden Schrei von sich. Dann zitterte sie und klammerte sich fest an Maron. „Bitte, Maron, lass mich nicht allein!“, schrie sie. „Bitte, lass nicht zu, dass mich die Frösche kriegen! Bitte, ich habe solche Angst!“

Spiel ihr Spiel mit., hörte Maron Nidells Stimme in seinem Geist. Sag IDUSA, sie soll den Waffenalarm für dein Quartier ausschalten. Du musst mit dem Phaser in die Luft schießen. Tu, als wolltest du die Frösche vertreiben.

Sie ging zu seinem Schreibtisch und holte ihm die Waffe, die dort lag. „IDUSA, den Waffenalarm für mein Quartier temporär ausschalten!“, befahl Maron in Richtung des Computermikrofons. Dann befreite er sich aus Nitprins Griff, nahm die Waffe, stellte sie auf Betäubung und schoss mindestens zwei mal in die Luft. Danach drehte er sich dem Mädchen zu: „Es ist alles in Ordnung, Nitprin. Ich habe die Frösche vertrieben. Alles gut, Jinya. Sch.“

Das Mädchen holte tief Luft und entspannte sich merklich. „Ich weiß es wieder, Maron.“, sagte sie. „Ich kann es dir alles wieder erzählen.“ „Das wird zu lange dauern.“, entgegnete der Agent. „Aber ich habe eine andere Idee. Wir gehen in die Simulationskammer und dort kannst du es mir mit IDUSAs Hilfe illustrieren. Nidell, bitte komm du auch mit.“ „Jetzt?“, fragte Nitprin irritiert. „Mitten in der Nacht?“ „Ja, mitten in der Nacht!“, sagte Maron fest. „Jetzt sind deine Erinnerungen noch sehr frisch. Also komm mit. Nidell, du auch! Kommt jetzt, gehen wir!“ Nidell und Nitprin nickten und folgten ihm. Seine Vorgehensweise hatte ihnen verdeutlicht, dass er wohl keinen Widerspruch dulden würde.

Nitprin hatte ihre kleine Hand ängstlich in die von Nidell geschoben und ging zögerlich neben ihr, die auf der anderen Seite ihren Koffer mit der medizinischen Ausrüstung trug, hinter Maron her, der beiden mit vergleichsweise forschen Schritten voranging. „Ich habe Angst, Nidell.“, flüsterte die kleine Breen. „Das musst du nicht.“, tröstete die zierliche Tindaranerin. „Alles, was du siehst, wird dir nichts tun, weil es keine aktiven Routinen bekommt. Maron wird nur das Erkennungsprogramm für Phantombilder benutzen.“ „Da bin ich aber froh.“, sagte Nitprin und atmete auf. „Weißt du, Nidell, ich möchte sie am liebsten nie wieder sehen, diese Wesen mit ihren scheußlichen grünen Glupschaugen und den Froschfratzen!“ „Na, na!“, tadelte Nidell sie. „Redet man etwa so über andere Spezies? Man beurteilt eine Person nicht nach ihrem Äußeren! Merk dir das!“ „Aber sie haben mir Angst gemacht.“, sagte Nitprin und klang fast etwas enttäuscht, denn eine solche Erziehungsmaßnahme hatte sie von ihrer Lieblingskrankenschwester eigentlich nicht erwartet. „Ich kann ja verstehen, dass du Angst hast, Jinya.“, rief Maron nach hinten. „Aber Nidell und ich sind ja jetzt bei dir, um dir die Zusammenhänge besser zu erklären.“

Sie betraten die Simulationskammer und setzten sich auf drei Sitze. „Lehn dich zurück und leg deinen Kopf in die Mulde, Nitprin.“, erklärte Nidell. „Ich weiß, wie man eine Simulationskammer benutzt.“, sagte die kleine Breen und Nidell hatte fast den Eindruck, ein Lächeln auf ihrem Gesicht zu erkennen. „Dann ist ja gut.“, sagte sie.

Maron hatte sich an IDUSA gewandt: „IDUSA, das Erkennungsprogramm für Phantombilder laden. Dann von uns allen Reaktionstabellen erstellen, wenn nötig und laden!“ „Sofort, Agent.“, sagte der Stationsrechner. Dann sahen alle ein leeres Blatt Papier vor sich. Verwundert sah Nidell den Agenten an. „Wir beide haben noch nie mit so etwas gearbeitet, oder?“, fragte dieser. „Nein, Maron.“, sagte die junge Tindaranerin. „Aber ich kenne das.“, sagte Nitprin. „Maron und ich haben es in den letzten Tagen ja oft genug benutzt.“ „Da waren deine Erinnerungen aber noch verschüttet, Jinya.“, sagte Maron. „Aber ab jetzt ist ja alles anders.“ „Kann IDUSA uns auch die Dinge so zeigen, als würden wir sie real sehen?“, fragte die kleine Breen. „Oder werden wir sie nur auf dem Zeichenblock zu sehen bekommen.“ „Das liegt bei uns.“, erklärte Maron. „Das, was wir jetzt sehen, ist nur der normale Eingangsbildschirm des Programms.“ „OK.“, sagte Nitprin. „Dann möchte ich bitte alles so sehen, als sei ich mitten drin. Kannst du IDUSA das sagen?“ „Ich glaube, das lässt sich machen, Jinya.“, lächelte Maron und befahl in Richtung des Rechners: „IDUSA, das Programm im normalen Simulationsmodus fortsetzen!“

Das Blatt Papier verschwand vor ihren geistigen Augen und machte einer Art Bluescreen Platz. „OK, Nitprin.“, sagte Maron. „Wir haben die Aussage von Joran, was die Landschaft angeht, in der wir dich gefunden haben. IDUSA, Ergebnis meiner Vernehmung von Joran bei zentraler Allzeit 3036.0622,1230 in das Programm einfügen!“

Wieder veränderte sich das Bild und Nitprin, Maron und Nidell fanden sich auf dem Planetoiden wieder. „Ziemliche Wüste hier.“, sagte Nidell. „Und weit und breit keine Menschenseele. Ich kann mir vorstellen, dass du dich hier sehr einsam gefühlt hast und dich vielleicht sogar nach Gesellschaft gesehnt hast.“ Sie legte tröstend ihren Arm um Nitprin. „Die Gesellschaft, die ich dann aber bekommen habe.“, setzte Nitprin ängstlich an. „War aber beileibe nicht die, die ich mir gewünscht habe. Ich meine, bevor Joran eingetroffen ist und mich gerettet hat.“ „Was war denn das für Gesellschaft, Jinya?“, fragte Maron. „Wie sah die genau aus?“

Nitprin begann nachzudenken. „Ich habe so viele Bilder im Kopf, Maron.“, sagte sie. „Ich weiß nicht, womit ich anfangen soll.“ „Als sie angekommen ist, diese gruslige Gesellschaft.“, mischte sich Nidell ein. „Da hast du doch bestimmt zuerst ihr Schiff gesehen, nicht wahr? Versuch doch bitte erst mal, das zu beschreiben.“ Dann warf sie einen Blick zu Maron hinüber: „Entschuldige.“ „Was soll ich entschuldigen, Nidell?“, fragte der demetanische Ermittler. „Dafür gibt es überhaupt keinen Grund. Das Problem, das Nitprin gerade hat, ist ja wohl eher psychischer Natur und damit kennst du dich aufgrund deiner Ausbildung ja wohl am Besten aus.“ „Das stimmt.“, sagte Nidell. „Ich wollte nur den Eindruck vermeiden, dass ich dir reinreden würde.“ „Oh, das tust du nicht!“, versicherte Maron.

Nitprin hatte inzwischen versucht, sich an das Schiff der Fremden zu erinnern. Da IDUSA ihre Gedankenbefehle detailliert mitbekommen hatte, konnte sie bald ein Ergebnis präsentieren, das sie ihnen direkt vor die Nase setzte. „Dieses Schiff sieht aus wie eine Rulettscheibe.“, stellte Maron fest. „Oder wie ein Glücksrad.“ „Das war mir auch schon aufgefallen.“, sagte Nitprin. „Irgendwie fand ich das komisch. Ich meine, wer baut solche Schiffe?“ „Diese Frage wirst du uns vielleicht gleich sogar selbst beantworten können, Jinya.“, sagte Maron. „Als das Schiff gelandet war, ist doch bestimmt die Besatzung ausgestiegen. Was kannst du uns über sie sagen? Wie sahen sie aus? Was war das Erste, das du gesehen hast?“ „Ich habe mich so schnell wie möglich versteckt.“, sagte Nitprin. „Deshalb habe ich vielleicht nicht viel gesehen. Aber ich werde mal sehen, was ich noch weiß.“ „Du hast Glupschaugen erwähnt.“, half Maron ihr auf die Sprünge. „Glupschaugen und Froschgesichter. Du hast es zwar etwas unfeiner ausgedrückt, aber ich weiß schon, was du gemeint hast.“ „Ja, das stimmt, Maron.“, sagte Nitprin. „Aus dem Schiff kamen zwei riesige Frösche. Sie sahen aus wie terranische Ochsenfrösche aber sie waren so groß wie Menschen. Wenn ihr mich fragt, waren die voll hässlich. Sie hatten Panzer aus Schildpatt. Die waren wohl ein Teil ihres Körpers und nicht ihrer Kleidung. Außerdem hatten sie auf ihrem Kopf einen Hautlappen, der wie ein Füllhorn oder ein Trichter aussah. Keine Ahnung, was sie damit wollten.“ „OK, Jinya.“, sagte Maron. „Das reicht mir erst mal.“ Dann wendete er sich an IDUSA: „IDUSA, zwei terranische Ochsenfrösche im Maßstab von durchschnittlichen Humanoiden generieren. Ihre Körper mit Panzern aus Schildpatt bedecken und jedem einen Hautlappen in Gestalt eines Füllhorns auf den Kopf setzen!“

Der Stationsrechner führte den Befehl aus und bald darauf standen die Simulationen vor ihnen. „Igitt!“, rief Nitprin aus. „Diese fiesen Glupschaugen! Maron, sie sollen mich nicht ansehen!“ „IDUSA.“, sagte der Agent. „Die Simulationen um 90 Grad zu unserer Position drehen!“ Dann wandte er sich tröstend an Nitprin: „Gleich siehst du sie nur noch von der Seite, Jinya.“ Das geschah dann auch, eine Tatsache, die von der kleinen Breen mit Genugtuung zur Kenntnis genommen wurde.

„Was kannst du mir noch über sie sagen, Nitprin?“, fragte der Agent. „Sie waren nicht beide gleich groß.“, sagte die Angesprochene. „Die eine Lebensform war kleiner, als die andere. Es waren eine Frau und ein Mann. Sie war ungefähr ein Viertel kleiner als er insgesamt.“ Auch diese Details ließ Maron von IDUSA in die Simulation einflechten. „Und dann hatten sie graue juteartige Uniformen.“, sagte Nitprin. „Ich glaube, ich kenne sogar ihre Namen. Sie heißt Dianora und er heißt Lenn. Sie haben den Kegel mitgenommen. Den Kegel aus der Ausgrabungsstätte. Der ist es auch, von dem Professor Radcliffe diese Kräfte bekommen hat, mit denen er meinen Vater getötet hat. Betsy konnte mich retten, weil ich getan habe, was sie gesagt hat. Sie wollten um den Kegel mit Leuten spielen. Das Spiel, das sie erwähnten, heißt Quisar, glaube ich.“

Nidell erschauerte. „Musst du mir etwas sagen, Nidell?“, fragte der erste Offizier, dem diese Regung nicht entgangen war. „Lass von IDUSA eine Bestimmung der Spezies machen, Maron!“, sagte die Tindaranerin. „Dann wirrst du wissen, wovon ich rede.“ „Also gut.“, sagte der Agent und gab dem Rechner die entsprechenden Befehle. „Es handelt sich um zwei Mitglieder der Spezies Vagasiden.“, sagte IDUSA. Nidells Gesicht verfinsterte sich. „Welche Daten hast du über die Vagasiden, IDUSA?“, fragte der erste Offizier, für den ihre Reaktion noch immer keinen wirklichen Sinn machen wollte. „Kriegerisch sehen die mir nicht aus.“ „Kriegerisch nicht.“, sagte Nidell mit zusammengebissenen Zähnen.

Inzwischen hatte IDUSA die Daten über die Vagasiden herausgesucht. „Die Heimatwelt der Vagasiden.“, begann sie. „Befindet sich in der tindaranischen Dimension. Es handelt sich um einen Planeten mit überwiegend Sumpffläche. Die gesellschaftliche Ordnung der Vagasiden basiert auf den Regeln des Glücksspiels. Sie suchen teilweise die Galaxie nach Dingen ab, um die sie mit anderen spielen können. Dabei ist ihnen Herkunft und moralische Gesinnung ihrer Partner egal.“

Jetzt wurde auch Maron anders. Bei dem Gedanken daran, in welche Hände so ein mächtiges Ding, wie dieser Kegel, dadurch kommen konnte, drehte sich ihm der Magen um. „Mutter Schicksal, hilf uns!“, betete er. Dann wandte er sich an den Rechner: „IDUSA, weck Zirell!“ „Hab ich was Schlimmes gesagt?“, fragte Nitprin irritiert, die angesichts seiner Reaktion die Welt nicht mehr verstand. „Nein, Jinya.“, tröstete Maron. „Im Gegenteil. Du hast vielleicht die ganze Galaxie gerettet mit deiner Aussage. Nidell, bitte bring sie weg. Eine Kommandobesprechung ist nichts für Kinder!“ „OK, Maron.“, sagte Nidell und nahm Nitprin bei der Hand: „Komm mit! Es ist wirklich besser, wenn du noch ein paar Stunden schläfst. Morgen musst du schließlich wieder zum Fernunterricht und da solltest du fit sein.“ „Also gut, Nidell.“, gähnte Nitprin, die jetzt auch erst merkte, wie müde sie eigentlich war. Das Adrenalin, das sie bisher aus Angst gespürt hatte, musste das wohl bis dahin verhindert haben. Langsam folgte sie Nidell aus dem Raum.

Auch an einer anderen Stelle musste es offensichtlich sehr schnell gehen. Überhastet hatte Radcliffe nämlich damit begonnen, seine und die Sachen seiner Familie zu packen. Derjenige, der ihn dabei erwischte, war Malcom. „Warum packst du so schnell, Daddy?“, fragte er. „Weil unser Urlaub zu Ende ist.“, sagte der nervöse Mann schnell und warf noch einige Sachen in den Koffer. „Aber warum bist du so aufgeregt?“, wollte sein kleiner Sohn wissen. „Das geht dich gar nichts an!“, sagte Radcliffe fest, denn er fühlte sich durch Malcom sehr ertappt. Hatte er doch von vorn herein ein schlechtes Gewissen. Dieses schlechte Gewissen war auch der Grund, aus dem er Celsius so schnell wie möglich wieder verlassen wollte. Jenen Ort, an dem er in Sytanias Auftrag mitgeholfen hatte, einen Mord zu begehen, eine Tatsache, die ihn, der eigentlich von Natur aus kein blutrünstiger Killer war, wohl noch bis an sein Lebensende verfolgen würde, wenn ihm Sytania diesen Schmerz nicht nehmen würde, was er sich insgeheim von ihr erhoffte. Er wusste ja nicht, wie sie tatsächlich zu ihm stand und was sie ihm noch antworten würde.

Malcoms Blick war auf die Amphore gefallen, die Nathaniel wohl aus Nachlässigkeit auf dem Sims seines Zimmerfensters stehen lassen hatte. „Was is’ das, Daddy?“, fragte der Junge und hielt sie hoch. Erst jetzt sah auch Radcliffe, was sein Sohn dort gerade entdeckt hatte. „Das ist nur ein altes Stück.“, sagte Radcliffe. „Du weißt ja, was Daddy arbeitet.“ „Ja.“, sagte Malcom. „Du machst was mit alten Sachen, Daddy. Aber warum riecht es aus der Flasche nach Marzipan? Ich liebe Marzipan!“ Er zog den Korken aus der Amphore. „Nein, Malcom.“, sagte Nathaniel nervös und riss ihm das Gefäß aus der Hand. Dabei scheuerte es so sehr an den kleinen zarten Fingern des Jungen, dass diese ganz blutig wurden, denn Malcom hatte wohl nicht die Absicht, seine neue Entdeckung so einfach herzugeben. „Au!“, weinte er. „Du hast mir wehgetan, Daddy!“

Durch den Schrei ihres Kindes alarmiert war jetzt auch Nayale hinzugekommen. „Was ist hier passiert?!“, fragte sie. „Zeig Mummy mal deine Hand, Malcom.“ Folgsam streckte ihr der Junge seine Hand entgegen. „Ui.“, sagte Nayale und küsste seine Finger. „Das geht schon wieder weg. Mummy holt was.“ Dann ging sie in ihr Zimmer, um wenig später mit einem Hautregenerator zurückzukehren, mit dem sie Malcoms Verletzungen behandelte. „Daddy hat mir wehgetan.“, sagte Malcom. „Weil ich die komische Flasche nich’ hergeben wollte.“ „Welche Flasche?“, fragte Nayale. „Die da.“, sagte der 6-Jährige und zeigte auf die Amphore, die Radcliffe gerade unter einem Berg Schmutzwäsche im Koffer zu verstauen versuchte. „Weißt du, da is’ Marzipansaft drin. Den wollte ich trinken, aber das wollte Daddy nich’.“

Nayale begann innerlich vor Wut zu kochen! Warum verhielt ihr Mann sich so und was war das wieder für ein merkwürdiges Geheimnis? Außerdem fragte sie sich, was in einer der letzten Nächte vor Ginallas Kneipe für ein Auflauf gewesen war. Immer, wenn sie glaubte, dass jetzt alles wieder in Ordnung war, kamen neue Merkwürdigkeiten ans Tageslicht und das erst, seitdem Nathaniel angeblich von dieser merkwürdigen Prinzessin Sytania geheilt worden war und jetzt gab es eine merkwürdige Flasche, die ihr Mann unter allen Umständen vor ihr zu verbergen suchte. Sie war intelligent genug, um zu verstehen, dass hier eindeutig etwas nicht stimmte und sie hatte ja ohnehin schon vermutet, dass Sytania ihn nur für ihre dreckigen Spielchen benutzte und es ihr gar nicht um ihn, sondern nur um den eigenen Vorteil ging. Ihn davon zu überzeugen, hatte sie ja bereits erfolglos versucht. Sie entschied, ihn in dieser Sache zur Rede zu stellen, aber das Kind sollte nach Möglichkeit nichts davon mitbekommen. „Malcom.“, wendete sie sich an ihren kleinen Sohn. „Bitte geh in Mummys und dein Zimmer und warte dort auf Mummy, ja? Daddy und ich müssen was bereden, für das du noch nicht groß genug bist. Mach bitte die Tür zu. Mummy kommt und holt dich, wenn es Zeit ist.“ „OK, Mummy.“, sagte Malcom und tippelte los. Nayale war froh, dass er ihr so sehr vertraute.

Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, baute sie sich vor ihrem Mann auf. „Kannst du mir jetzt vielleicht mal sagen, warum du diese Flasche so beschützt und woher du sie hast?! Ist sie vielleicht wieder von deiner Prinzessin?! Und was ist das mit dem Marzipansaft?! Ich meine, so was gibt es nicht, aber das kann ja unser Sohn noch nicht wissen. Was ist das wirklich, Nathaniel?! Seit dieser Auflauf neulich war und sie diese Frau und diesen Mann aus dem See gezogen haben, benimmst du dich wieder sehr eigenartig! Was ist los mit dir?! Hast du einen Rückfall?! Da hat deine Prinzessin wohl doch nicht Wort gehalten, was?!“

Radcliffe wurde leichenblass. Ihre Worte hatten ihn sehr unter Druck gesetzt. „Na, habe ich dich erwischt?!“, setzte sie ihm weiter zu. „Also, was ist in der Flasche und warum benimmst du dich so seltsam?! Hast du etwa mit der Sache am See was zu tun?!“

Wie versteinert stand Radcliffe da. Immer wieder stellte er sich Sytanias Gesicht vor, um mit ihr in Kontakt zu treten und Instruktionen empfangen zu können, aber nichts geschah. Nayale, die seinen angestrengten Blick sah, wurde jetzt in ihrer Vermutung nur noch mehr bestätigt. „Na, lässt deine Prinzessin dich fallen?!“, fragte sie und hielt die Krawattennadel hoch, die sie inzwischen bei seinen Sachen gefunden hatte und die ihr auch nicht bekannt war. „Oder fehlt dir zu deinem Glück etwa das hier?!“

Wütend ließ sie die Nadel auf den Boden fallen und trat drauf, aber Nathaniel lachte nur und sagte: „Du solltest wissen, mein Liebling, dass kein Sterblicher einen Kontaktkelch zerstören kann, der einem Mächtigen geweiht ist.“ „Ach ja?!“, sagte Nayale langsam und deutlich. „Als ob ich das nicht wüsste! Aber du, mein Lieber, du hast dich gerade verraten! Und in der Flasche mit den Drudenfüßen ist bestimmt ein Gift, dass du dieser armen Frau verabreicht hast, damit Sytania und du sie aus dem Weg habt! Ich werde mitkommen, damit Malcom nichts merkt. Aber du solltest deine Prinzessin mal zur Rede stellen! Ich erkenne dich nicht wieder, Nathaniel! Ich dachte nicht, dass ich mit einem Mörder verheiratet bin. War das der Preis, den du für deine Heilung zahlen musstest?!“ „Ja, Nayale.“, sagte Radcliffe und sah sie hilflos an. „Wie konntest du dich darauf einlassen?!“, fragte sie. „Weil ich Malcom und dich liebe!“, sagte Nathaniel. „Du liebst uns!“, sagte Nayale, deren Blick mittlerweile erneut auf die verhasste Flasche gefallen war, die sie jetzt aus dem Koffer nahm und tat, als wolle sie diese an die Lippen setzen. „Entweder, du sagst mir jetzt, ob ich Recht habe mit meiner Vermutung, was den Tod dieser Frau angeht, oder ich trinke von dem Gift!“, setzte sie Nathaniel die Pistole auf die Brust. „Wenn du uns wirklich liebst, dann wirst du das nicht zulassen! Aber vielleicht liebst du ja deine satanische Prinzessin viel mehr! Ach übrigens, ich werde mich bei nächster Gelegenheit von dir scheiden lassen, um aus ihrem und deinem Einflussbereich zu verschwinden. Wer weiß, wozu sie dich noch alles bringt! Ich zähle bis drei!“

Nathaniel fiel auf die Knie und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Dann schluchzte er: „Nicht trinken, Nayale! Bitte nicht! Ich gebe es zu! Ich gebe es zu! In der Flasche ist Gift und ich habe sie von Sytania! Das Gift verstärkt Hypnose und so haben Sytania und ich Allrounder Betsy Scott getötet!“ „Was für ein Geständnis!“, sagte Nayale. „Aber ich weiß, dass du das nur getan hast, weil sie dich mit deiner Krankheit erpresst. Ich werde sie zur Rede stellen, wenn wir wieder bei ihr sind! Oh, ja!“ „Da bringst du dich nur selbst in Gefahr, Nayale.“, sagte Radcliffe niedergeschlagen. „Bitte, lass mich das tun.“ „Also gut.“, sagte die junge intelligente Zeonide. „Sieh es als Beweis meiner Liebe zu dir.“, sagte er. Nayale nickte. „Dann helfe ich dir mal beim Packen.“, sagte sie. „Und Ginalla sage ich auch Bescheid, dass wir abreisen.“

Durch ihre seherischen Fähigkeiten hatte Sytania alles in ihrem Palast beobachtet. „Wie jämmerlich!“, sagte sie angewidert. „Was werdet Ihr jetzt tun, Hoheit?!“, fragte Dirshan, der seine und ihre Pläne in Gefahr sah. „Ich werde ihn empfangen, damit er sich in falscher Sicherheit wiegt.“, sagte die Königstochter. „Aber um seine Frau werdet ihr euch kümmern. Einige deiner Soldatinnen sollen sie abfangen und festsetzen, sobald sie ihren Fuß auf imperianischen Boden setzt. Sie soll eingekerkert werden und in den Kristallminen als Wäscherin eingesetzt werden. Das Kind soll zu Cirnach gebracht werden. Mit ihm habe ich noch etwas ganz Besonderes vor! Und Nathaniel, der soll von einem deiner Soldaten getötet werden und das am besten irgendwo in einem der vielen Universen da draußen. Er soll es wie einen Unfall aussehen lassen. Aber vorher soll er noch zu mir kommen, damit ich ihn demütigen kann. Er soll lernen, was die Strafe dafür ist, wenn man mich hinhängt.“ „Ein weiser Plan, Herrin.“, stellte Dirshan fest. „Ich werde sofort alles vorbereiten. Also. Lasst uns auf sein Schiff warten!“

Unten in der Kneipe war Shimar Jasmin begegnet, die sich gerade wieder auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz befand. Während des Bowlingabends hatte sie Gelegenheit gehabt, unsere komplexe Beziehung zu beobachten und wusste daher, wie wir zueinander standen. Deshalb dachte sie sich wohl, dass sie das, was sie gesehen hatte, auch unbedingt mit ihm besprechen musste. Die Unterredung mit Ginalla, die sie ja geführt hatte, hatte zu keiner wirklichen Lösung geführt, sondern nur noch mehr Fragen aufgeworfen. Derjenige, der in ihren Augen all diese Fragen hätte klären können, war ja von Rescue One weggebracht worden und lag jetzt bestimmt in irgendeiner Klinik. So schnell würde sie also nicht mehr an Korelem herankommen. Aber Shimar war ja auch in die Sache eingespannt und hatte mit Sicherheit auch genug Wissen, um ihr einiges erklären zu können.

Jasmin nahm sich ein Herz und sprach ihn im Gang zwischen den Turboliften an. „Bist du Shimar? Ich muss mit dir reden.“

Der Tindaraner drehte sich um und sah in das ihm noch völlig fremde Gesicht. Zwar hatte er sie beiläufig gesehen, aber da sie in seinen Augen nur eine von Ginallas Angestellten gewesen war, hatte er ihr keine große Bedeutung beigemessen. „Du bist doch Ginallas Auszubildende.“, stellte er fest. „Habe ich Recht?“ „Das hast du.“, sagte das sehr aufgeregte Mädchen. „Aber ich muss echt mit dir reden! Es geht um deine Freundin! Sie ist tot und ich weiß, wie es dazu gekommen ist!“

Shimar ließ ihre Worte kurz auf sich wirken. Wenn es hier jemanden gab, der ihm helfen konnte, mehr über meinen Tod herauszufinden, dann sollte er diese Chance nicht einfach ungenutzt verstreichen lassen. Also sagte er: „OK, komm mit. Wir gehen am besten in mein Zimmer.“ Jasmin nickte und folgte ihm in Scottys, sein und mein Zimmer. Hier setzten sich beide auf das Bett. Dann sah er die Jugendliche erwartungsvoll an. „Was hast du gesehen?“, fragte er. „Es ist alles so verwirrend.“, begann Jasmin. „Es war so viel, das ich gesehen habe. Teilweise kann ich die Sachen gar nicht einordnen.“ „Das macht nichts.“, sagte Shimar. „Fang einfach mit dem Ersten an, das du gesehen hast.“ „OK.“, sagte das Mädchen. „Also, wir bekamen eine Bestellung von Mr. Radcliffe für den Zimmerservice. Ich habe die Sachen zubereitet und rauf gebracht. Radcliffe war ganz komisch zu mir. Er wollte mich gleich wieder loswerden, habe ich das Gefühl gehabt. Ich wollte ihm helfen, den Tisch für ihn und seine Frau zu decken, aber das sollte ich nicht. Er wurde total barsch und dann hat er etwas aus seinem Badezimmer geholt, das er mit auf das Tablett gestellt hat. Es war eine Amphore mit Drudenfüßen. Ich glaube, er wollte nicht, dass ich ihn beobachte. Dann habe ich so getan, als würde ich gehen, aber ihn weiter beobachtet, weil es mir alles sehr komisch vorkam. Er hat das Tablett in dieses Zimmer gebracht. Ich hörte, wie er was von Entschuldigen und guten Absichten zu deiner Freundin sagte. Dann hat mich Korelem in meinem Versteck aufgesucht und mich mitgenommen. Er hat einen Kontaktkelch, der ihn mit Logar verbindet. Er hat gesagt, solange ich sein Zimmer nicht verlasse, stehe ich unter dem Schutz von Logar und es kann mir nichts passieren. Er wollte, dass ich alles beobachte, was er von jetzt an tat. Ich habe gesehen, wie deine Freundin schlafwandelnd in den See gegangen ist. Dann hat Korelem sie zu retten versucht, aber das ging nicht. Dann kam Rescue One. Wow, was für ein Manöver!“ „Sekunde.“, sagte Shimar. „Das sind eine Menge Informationen auf einmal. Aber warum hat Betsy das mit sich machen lassen? Ich meine, die Amphore, was war da drin?“ „Das habe ich nicht gesehen.“, sagte Jasmin. „Ich weiß nur, wie sie ausgesehen hat.“ „Darf ich mir das Bild in deinem Geist ansehen?“, fragte Shimar. „OK.“, sagte das Mädchen. „Was muss ich machen?“ „Du brauchst gar nichts zu tun.“, erklärte der junge Telepath. „Denk bitte einfach nur an das Bild.“

Jasmin lehnte sich entspannt zurück und ließ zu, dass Shimar die Verbindung zwischen ihr und sich aufbaute. Nun sah der Tindaraner genau jenes Bild vor sich, über das auch Jasmin gestolpert war. Aber er sah auch die anderen Details aus ihrer Aussage noch einmal aus ihrer Sicht.

Nachdem er abgelassen hatte, stand er auf und sah sie ernst an. „Hör mal, Kleine.“, sagte Shimar. „Mit diesen Informationen müsstest du eigentlich sofort zum Geheimdienst!“ „Das wollte ich auch.“, sagte sie. „Aber warum ausgerechnet zu denen? würde nicht die Polizei ausreichen?“ „Nicht in diesem Fall.“, sagte der Tindaraner, dem inzwischen klar war, dass er durch das plötzlich aufgetauchte Schiff des Fremden und die damit verbundenen Ereignisse prima vom Wesentlichen abgelenkt worden war. „Wieso?“, fragte Jasmin. „Wer ist die Gegenspielerin von Logar?“, fragte Shimar. „Prinzessin Sytania, seine Tochter.“, sagte Jasmin. „Richtig.“, sagte Shimar. „Du weißt ja wohl auch, dass der Geheimdienst bei Fällen von feindlichem außerirdischen Einfluss zuständig ist.“ „Du meinst, Sytania hat …?“, fragte Jasmin. „Davon gehe ich aus!“, sagte Shimar fest, der sich wohl selbst in den Hintern beißen konnte, weil er auf Sytanias Ablenkung hereingefallen war. Aber unter den Umständen, die zu jenem Zeitpunkt herrschten, war ihm ja keine Wahl geblieben. Hätte er IDUSA damals nicht aus dem Protokoll geholt, wäre auf der Werft sicher noch etwas Schlimmes geschehen. Er würde sich später um Sytania kümmern, oder das vielleicht sogar den Agenten überlassen. „Hör zu, Kleine!“, sagte er ruhig, aber dennoch energisch. „Wie heißt du eigentlich?“ „Ich heiße Jasmin.“, sagte die Angesprochene. „Dann hör zu, Jasmin!“, bekräftigte Shimar. „Du gehst gleich morgen zu deiner Chefin und ihr redet mit dem Geheimdienst auf der Erde. Dort ist auch deren Zentrale für Notfälle! Das ist sehr wichtig! Hast du verstanden?“ Jasmin nickte. „OK.“, sagte Shimar. „Und jetzt lass mich bitte allein. Ich habe noch was zu erledigen.“ „Gut, Shimar.“, sagte Jasmin und verließ erleichtert den Raum. Sie war froh, sich endlich bei jemandem aussprechen zu können und derjenige hatte ihr auch gleich eine Lösung präsentiert, die sie am nächsten Morgen gleich zusammen mit Ginalla umsetzen wollte.

Zirell war auf IDUSAs Ruf hin gleich aus dem Bett gestiegen, war kurz unter die Schalldusche gesprungen und hatte sich dann ihre Uniform übergeworfen. Ihre Laune war nicht die Beste, denn der Rechner hatte sie gerade aus einem ihrer schönsten Träume geholt, aber die Kommandantin wusste auch, dass IDUSA dies nicht umsonst getan hatte. Dass es da noch eine ausstehende Aussage von Nitprin gab, war ihr auch bekannt.

„Was ist der Grund, aus dem du mich weckst, IDUSA?“, fragte die Kommandantin, nachdem sie aus dem Bad in ihr Schlafzimmer zurückgekehrt war. „Agent Maron benötigt Sie in Simulationskammer eins, Commander.“, erwiderte der Rechner nüchtern. „Ist er allein?“, wollte Zirell wissen. „Ja, Commander.“, antwortete IDUSA. „Aber es wurde eine Simulation aufgrund von Nitprins Aussage erstellt.“ „Wo ist das Kind jetzt?“, fragte Zirell weiter, der es etwas merkwürdig vorkam, dass ihr erster Offizier zuerst die so wichtige Aussage einer Zeugin aufgenommen, letztere aber dann doch fortgeschickt hatte. „Sie befindet sich wieder in Agent Marons und ihrem Quartier unter der Aufsicht von Nidell.“, erklärte der Rechner. „Ach du meine Güte!“, rief Zirell aus. „Na, da muss ja wohl etwas sehr Heftiges vorgefallen sein. Na ja. Ich werde es mir erst mal ansehen!“

Sie betätigte den Sensor für die Tür und ging auf den ausgeleuchteten Flur hinaus. Anhand von Leuchtstreifen auf dem Boden begann IDUSA sofort damit, ihr den Weg zum nächsten Turbolift auszuleuchten, denn im matten Licht der Nachtbeleuchtung der Station befürchtete sie wohl, Zirell könnte sich sonst verlaufen. „Schone deine Energievorräte, IDUSA!“, befahl die Tindaranerin, als sie an einem Computermikrofon im Flur vorbeikam. „Ich kenne diese Station wie die Taschen meiner Uniform.“ „Ich wollte Ihnen ja nur behilflich sein, Commander Zirell.“, sagte der Computer. „Das ist ja sehr nett von dir.“, sagte Zirell mit einem Lächeln, um dann etwas fester und strenger fort zu fahren: „Aber völlig unnötig! Zumindest in meinem Fall!“ Dann ging sie schnurstracks in Richtung des nächsten Turbolifts, mit dem sie auf das Freizeitdeck der Station fuhr, wo sich auch die Simulationskammern befanden.

IDUSA, die ihren Weg genau überwacht hatte, gab Maron Bescheid, als Zirell in den Flur zu Simulationskammer eins einbog. „Sie kommt, Agent.“, sagte sie nüchtern. „Dann ist ja gut, IDUSA.“, sagte der erste Offizier. „Scanne bitte nach ihrem Neurokoppler in ihrer Tasche. Wenn sie ihn bei sich hat, lade bitte ihre Tabelle über den Port, sobald sie eintrifft. Ansonsten wird sie wohl den zweiten Sitz benutzen. Du weißt ja selbst, was das im Zusammenhang mit ihrer Tabelle bedeutet.“ „Das weiß ich, Agent.“, lächelte der Avatar vor Marons geistigem Auge.

Die Tür der Kammer öffnete sich und Zirell betrat diese. Eine Leuchte an einem der Ports forderte sie sogleich auf, ihren tatsächlich mitgebrachten Neurokoppler anzuschließen. „Entschuldige, Zirell.“, sagte Maron. „Es tut mir leid, dass ich dich wecken musste, aber die letzte Entscheidung in allen Belangen hier triffst ja wohl du.“ „Das zweifelhafte Privileg eines Kommandanten.“, erwiderte Zirell und streckte sich. „Ist wohl sehr dringend, Maron.“, lächelte sie ihrem ersten Offizier danach zu, der im Vergleich zu ihr ein sehr verkniffenes Gesicht machte. „Du siehst aus, als wäre sonst was passiert!“, stellte sie fest. „Du wirst gleich selbst sehen, in was für einer Bredouille wir uns befinden, Zirell!“, sagte Maron unwirsch und mit zusammengebissenen Zähnen, denn er wollte sich auf keinen Fall anmerken lassen, wie aufgeregt und nervös er angesichts der Situation war. „Du bist ja total nervös, Maron.“, stellte Zirell fest. „Woher weißt du das?“, fragte der Demetaner, der eigentlich den Eindruck hatte, seine Stimmung perfekt vor ihr verborgen zu haben. „Ich bin Telepathin.“, erklärte Zirell ruhig. „Du weißt, dass du mir so schnell nichts vormachen kannst.“ „Oh.“, meinte Maron. „Das hätte ich doch beinahe übersehen.“ Zirell musste grinsen.

IDUSA hatte Zirells Reaktionstabelle geladen und sie in das laufende Programm integriert. Jetzt sah auch die Tindaranerin die Wüstenlandschaft, in der Nitprin gefunden worden war. Im Hintergrund war die Ausgrabungsstätte zu sehen und im Vordergrund die beiden Simulationen der Vagasiden. Fast angewidert sah Zirell über sie hinweg. Da ihre Reaktion ähnlich ausfiel wie Nidells, ahnte Maron bereits, wie sie mit der Situation umgehen würde.

„Also. Was haben wir hier, Maron?“, fragte Zirell. „Darf ich dir Lenn und Dianora vorstellen, Zirell?“, fragte Maron. „Das sind die Beiden, in deren Besitz sich der Kegel befindet, den Professor Radcliffe dort ausgegraben hat.“ „Was für ein Kegel, Maron?!“, fragte Zirell unwirsch. „Entschuldige bitte.“, sagte Maron, räusperte sich und begann noch einmal: „Also. Nitprin hat ausgesagt, dass sie und ihr Vater aufgrund von merkwürdigen Signalen aufgebrochen waren, um deren Ursprung zu ergründen. Auf dem Planetoiden sind sie auf Allrounder Betsy Scott und Professor Radcliffe getroffen. Der Professor hat einen merkwürdigen Kristallkegel ausgegraben, der ihm die Kräfte verliehen hat, mit denen er jetzt sein Handwerk des Reinwaschens in Sytanias Auftrag verübt. Der Kegel hat ihn auch dazu gebracht, alle Mitwisser zu beseitigen. Nitprin verdankt Allrounder Betsy Scott ihr Leben, da sie ihren Anweisungen gefolgt ist im Gegensatz zu ihrem Vater.“ „Das ist ja schrecklich!“, rief Zirell aus. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie Radcliffe den armen Breen getötet hat. Aber ich denke, das ist auch nicht das primäre Thema hier, nicht wahr? Ich meine, jetzt verstehe ich auch, warum du die Kleine unter Nidells Aufsicht gestellt und von hier weggebracht hast. Für sie müssen die Ereignisse ja traumatisch gewesen sein! Stell dir vor, du wärst ein 13-jähriger Junge und müsstest auf irgendeinem gottverlassenen Planetoiden deinen eigenen Vater begraben!“ „Das wäre sicher sehr schlimm für mich.“, gab Maron zu. „Aber du hast Recht. Das ist nicht das primäre Thema hier. Es geht vielmehr um das, was danach passiert ist. Irgendwann ist ein Schiff mit zwei Vagasiden aufgetaucht. Die haben sich jetzt des Kegels bemächtigt und werden ihn demjenigen geben, der das Spiel um ihn gewinnt. Du weißt, welche Standards sie setzen, wenn es um die Auswahl ihrer Spielpartner geht. Stell dir mal vor, Zirell, ein so mächtiges Ding wie dieser Kegel gelangt in die Hände von Ferengi oder ähnlichen nur auf ihren eigenen Vorteil bedachten Wesen! Ich mag gar nicht darüber nachdenken, was sie damit anstellen könnten! Aber warum habt ihr Tindaraner eigentlich alle so ein Problem mit den Vagasiden? Da gibt es wohl anscheinend etwas, was dein erster Offizier noch nicht weiß. Aber wenn ich dir helfen soll, musst du mich schon aufklären. Nidell machte zwar eine Andeutung, aber …“

Zirell erschauerte. Dann sagte sie: „Die Aufklärung kannst du gern haben, Maron! Die Vagasiden haben ihre gesellschaftlichen Regeln auf den Regeln des Glücksspiels aufgebaut, das weißt du. Und …“ „Moment!“, unterbrach Maron seine Vorgesetzte. „Wie kann so ein auf so instabilen Säulen erbautes Regelwerk überhaupt bestehen bleiben?“ „Frag mich was Leichteres!“, entgegnete Zirell. „Jedenfalls besteht ihre Gesellschaft schon seit mehr als 20.000 Jahren und ihre Regeln haben sich bis heute nicht geändert. Unsere Forscher meinen, sie hatten eben einfach Glück. Das Glücksspiel an sich ist bei ihnen sogar eine heilige Handlung.“ „Und in den meisten anderen Gesellschaften hat es einen schlechten Ruf und ist sogar strafbar.“, stellte Maron fest. Zirell nickte. „Die Vagasiden behaupten von sich, die reinste aller Gesellschaftsformen zu besitzen.“, ergänzte sie weiter. „Da es keine Privilegien aufgrund von Herkunft oder Berufsstand gibt. Nur das Glück entscheidet.“ „Das wäre trotzdem keine Grundlage, auf der ich persönlich mein Leben aufbauen möchte.“, stellte der erste Offizier nach etwas Nachdenken fest. Anscheinend hatte er ein Modell durchsimuliert. „Ich auch nicht.“, sagte Zirell. „Und die Zusammenkunft auch nicht. Deshalb haben wir auch bisher jeden Antrag der Vagasiden, unserer Allianz mit anderen Völkern beizutreten, abgelehnt. Unsere moralischen Grundvorstellungen sind einfach zu verschieden.“ „Wie bei uns und den Ferengi.“, stellte der Demetaner einen Vergleich an. „Nugura und ihre Amtsvorgänger würden sie niemals in die Föderation holen, weil ihre und unsere Moral nicht zueinander passen, obwohl sie warpfähig sind.“ „Und ich habe immer gedacht, das wäre euer Kriterium Nummer eins!“, sagte Zirell. „Das hat sich, Mutter Schicksal sei Dank, heute sehr gewandelt.“, stellte Maron fest. „Ich nehme an, ihr habt schon einige Reinfälle erlebt.“, vermutete Zirell. „Oh, ja.“, seufzte Maron. „Wir wären aufgrund dessen sogar einmal fast Opfer von Sytania geworden, wenn Time nicht …“ „Euer stets verlässlicher und moralisch integerer Commander Peter Time.“, sagte Zirell. „Er scheint euch ja schon oft gerettet zu haben.“ „Das hat er.“, bestätigte Maron. „Und vor allem hat er ein untrügliches Näschen für Sytanias Einmischung. Er und sein erster Offizier, Agent Yetron, im Übrigen ein Landsmann von mir. Aber an seine Instinkte komme ich nicht dran.“ „Schreib ihm doch mal.“, schlug Zirell vor. „Vielleicht kann er dich trainieren. Ich meine, das dürfte doch möglich sein, so unter Kollegen.“ „Ich glaube, er würde schnell mit mir die Geduld verlieren.“, sagte Maron. „Aber ich glaube auch, wir schweifen ganz schön ab.“

Er deutete wieder auf die beiden Simulationen der Vagasiden. „Du hast Recht.“, sagte Zirell. „Was hat dir die Kleine über sie gesagt?“ „Sie hat gesagt, dass sie Lenn und Dianora heißen und dass das Spiel, das sie um den Kegel spielen wollen, Quisar heißt.“, sagte Maron. „Na, das sind ja schon einmal ein paar Daten, mit denen IDUSA arbeiten kann!“, sagte Zirell und befahl in Richtung des Avatars: „IDUSA, alle vergangenen SITCH-Aktivitäten, alle gegenwärtigen und alle zukünftigen nach den Begriffen: Lenn, Dianora und Quisar scannen! Diejenigen, in denen sie vorkommen, melden und aufzeigen!“ Der Avatar nickte. „Denkst du etwa, die sprechen uns eine Einladung aus?“, fragte Maron. „Davon bin ich überzeugt!“, sagte Zirell. „Das haben sie bisher immer so gemacht. Nur hatten wir strickte Order, diese abzulehnen. Ich werde der Zusammenkunft die neuen Daten geben. Ich bin sicher, sie werden diesen Befehl ausnahmsweise mal lockern.“ „Das hoffe ich!“, sagte Maron. „Bei all dem, was im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Spiel steht. IDUSA soll uns auch die Regeln für Quisar heraussuchen, wenn sie diese Daten hat.“ „Sicher.“, sagte Zirell. Dann beendeten sie das Programm und verließen gemeinsam die Kammer.

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