- Schriftgröße +

 

Ich war von Shinell wieder aus ihrem Unterricht entlassen worden, nachdem sie festgestellt hatte, dass meine Kenntnisse über die Welt der Toten hauptsächlich theoretischer Natur waren. Die Dinge, die ich in meinen Träumen gesehen hatte, als ich damals Shimar beobachtete, hatte ich ja nur aus der Perspektive einer Zuschauerin wahrgenommen.

Shinell hatte mir zwar gesagt, dass ich mir hier alles wünschen konnte, was ich wollte und mir auch eine entsprechende Anleitung gegeben, aber ich hatte ja längst klar gemacht, dass ich meine Entscheidung bezüglich des Wünschens getroffen hatte. Mir waren außerdem die Verhaltensregeln für Sternenflottenoffiziere im Falle einer Gefangennahme durch den Feind in den Sinn gekommen, nach denen ich alles versuchen musste, um zu entkommen. Zwar galt das im Normalfall sicher nicht für den Tod, aber dies war kein Normalfall, wie sich einwandfrei feststellen lassen hatte.

Während Shinells Unterricht hatte ich mir nur meinen lieb gewonnenen Taststock hergewünscht, ohne den ich in meinem Jahrhundert aufgeschmissen gewesen wäre. Sicher hätte ich mir auch Technologie des 30. Jahrhunderts wünschen können, aber ich wollte ihr eine eindeutige Botschaft hinterlassen, die da lautete: „Ich lasse mich nicht von euren Annehmlichkeiten verführen! Ich bleibe bei meinem Ziel!“ Nachdem ich mit dem Stock in der Hand aus dem Nebenraum gekommen war, hatte mich eine meiner klingonischen Leidensgenossinnen doch tatsächlich gefragt, ob es eine Waffe sei, was ich lächelnd verneint hatte.

So saß ich nun überlegend an meinem Schreibtisch in meiner Wohnung. Das Thema meiner Überlegungen lautete: „Wie behalte ich meine Erinnerungen?“, denn ich hatte nun wirklich keine Lust auf dieses große Vergessen, was von Shinell als die Lösung aller Probleme deklariert worden war und nach dessen Einsetzen ich mich hier sehr wohl fühlen würde. Denn, wenn ich alles vergaß, dann bedeutete dies auch, dass ich mein Leben und die Sache vergaß, wegen der ich eigentlich hier war. Sytania hatte mich sicher nicht umsonst töten lassen! Das stand für mich fest, genau wie die Tatsache, dass nur sie etwas mit meinem frühen Tod zu tun haben konnte, auch dann, wenn ich dies nicht beweisen konnte. Das durfte auf keinen Fall passieren! Ich durfte nicht vergessen, aber wie sollte ich diesem Prozess entgegenwirken, der laut Shinell irgendwann ja ganz natürlich einsetzen würde? Wie stoppte man die Natur? Das Wissen, das ich über die Vorgänge in der Welt der Lebenden hatte, war extrem wichtig! Ich durfte es nicht verlieren! Dass ich es vielleicht nicht in meinem Kopf halten können würde, war mir klar. Aber fast im gleichen Moment, als ich darüber nachdachte, fielen mir die Worte meines alten Computerlehrers ein, der mich im 21. Jahrhundert in meiner dortigen Berufsausbildung unterrichtet hatte. Als Pragmatiker, der er gewesen war, hatte er mir immer wieder eingeschärft: „Sie müssen nicht alles Wissen im Kopf haben. Sie müssen nur wissen, wo es steht!“ Wo es stand? Natürlich! Da gab es eine Möglichkeit!

Ich lehnte mich zurück und stellte mir meine gute alte Punktschriftschreibmaschine vor. Tatsächlich stand sie bald vor mir. Daneben lagen einige leere Ordner und einige Packungen mit Papier und ein Locher , die ich mir ebenfalls gewünscht hatte. Damit würde ich mein ganzes Leben aufschreiben. Dann konnte ich es immer wieder nachlesen. Die Ordner würde ich auf meinem Schreibtisch liegen lassen, damit sie mir immer wieder in die Hände fielen, auch dann, wenn ich sie vergessen sollte. Sicherlich war das gegen die Quellenwesen, die ja bestimmt allmächtig und allwissend waren, kein Schutz, denn in ihrer Allwissenheit wussten sie bestimmt auch, was Punktschrift war und könnten meine Pläne buchstäblich mit einem Gedanken zunichte machen. Aber ich wusste auch, dass sie sich in Shinells Tun nicht direkt einmischten. Sie vertrauten ihr und sie wusste beileibe nicht, was man mit so einem in ihren Augen sicher antiquierten Schreibgerät anfangen konnte, geschweige denn, dass sie Ahnung von Punktschrift hatte. Es war nämlich nicht nur die Klingonin gewesen, die meinen Taststock sehr interessant und faszinierend gefunden hatte. Shinell hatte mich wahrscheinlich wohlweislich gefragt, warum ich mir keine Technologie des 30. Jahrhunderts gewünscht hatte. Wahrscheinlich hätte sie damit mehr anfangen und schneller hinter meine Pläne kommen können und mich somit auch leichter überwachen können, aber den Gefallen wollte ich ihr nicht tun!

Ich spannte also ein Blatt Papier in meinen treuen Helfer und begann damit, mein Leben aufzuschreiben. Allerdings lenkte ich mein Augenmerk zunächst auf das Leben, das ich im 30. Jahrhundert geführt hatte, denn dort gab es ja ein Problem, zu dessen Lösung ich unbedingt beitragen wollte und musste. Das verlangte schon allein mein Gewissen. Um mein anderes Leben im 21. Jahrhundert würde ich mich bei Zeiten kümmern. Ich schrieb in Deutsch, was Shinell, falls sie dahinter kommen sollte, die Erkennung meiner Pläne auch noch erschweren sollte. Englisch hätte es ihr viel zu leicht gemacht.

Während des Schreibens überlegte ich auch, ob ich nicht so einigen meiner neuen Freunde auch helfen sollte. Lomādo zum Beispiel würde sich ja noch sehr gut an sein Leben vor dem Tode erinnern! Vielleicht wäre er mir ja sogar sehr dankbar, wenn ich sein Leben für ihn aufschreiben und ihm immer wieder vorlesen würde. Bei Gelegenheit würde ich ihn danach fragen, aber jetzt hatte ich erst mal mit mir selbst zu tun.

Saron war zwischenzeitlich wieder zum Büro seiner Vorgesetzten unterwegs. Er hatte es abgelehnt, von Doktor Jenkins’ Praxis aus mit Nugura zu sprechen. Das Taxi aber hatte er dankbar angenommen und überlegte nun die gesamte Fahrt lang, wie er es anstellen konnte, Nugura davon zu überzeugen, dass sie ihr böses Ich nur zu akzeptieren brauchte, um ihre alte Stärke und ihr Selbstbewusstsein zurückzubekommen. Er ahnte, dass dies wohl ein besonders hartes Stück Arbeit werden würde, denn seine Vorgesetzte würde mit Sicherheit große Angst vor ihrem bösen Ich haben. Dies war ein Umstand, den er ja selbst noch gut kannte. Aber er würde versuchen, sie auf die gleiche Weise zu überzeugen, wie Jenkins und Malia es bei ihm geschafft hatten. Er war sicher, die sehr vernünftige Nugura würde dafür bestimmt offen sein.

Nach der Ankunft stieg er aus dem Taxi. Der Fahrer hatte ihn einige Schritte vor dem Gebäude abgesetzt. So hatte der Sekretär noch Zeit, sich in Ruhe über sein Vorhaben klar zu werden, während er sich zu Fuß auf den Weg in Richtung Gebäude machte. Nichts, nicht die geringste Reaktion von ihr, durfte ihn erschüttern.

Sowohl der Computer, als auch der Leibwächter am Eingang, hatten Saron bald positiv identifiziert. „Mr. Saron, was machen Sie denn hier?“, fragte der Wächter verwundert, als er des demetanischen Sekretärs ansichtig wurde. Der Mann war ein deutschstämmiger Terraner von ca. 180 cm Körpergröße, einem muskulösen Äußeren und sportlicher drahtiger Figur. Er war in die normale schwarze Uniform eines Leibwächters gekleidet, unter der er eine Energie abweisende Weste zum Schutz vor Angriffen mit dem Phaser trug. Er trug ebenfalls schwarze Stiefel und hatte kurze rote Haare. Außerdem sprach er mit starkem sächsischem Akzent. „Ich gehe zur Arbeit, Mr. Zimmermann!“, erwiderte Saron selbstbewusst. „Aber ich denke, Sie sind krank.“, wunderte sich Zimmermann. „Das war einmal und ist nicht mehr.“, lächelte der Demetaner. „Und jetzt lassen Sie mich bitte vorbei! Ich kenne nämlich einen Weg, wie wir alle geheilt werden können. Den werde ich an Nugura selbst demonstrieren!“

Zimmermann legte seine rechte Hand an die Waffe, einen Phaser des Typs drei, den er in einem Halfter an seinem Gürtel trug und stellte sich zwischen Saron und das Tor. Er war bereit, jederzeit von seiner Waffe Gebrauch zu machen, sollte sich herausstellen, dass Saron nicht der war, der er vorgab zu sein. In letzter Zeit war viel durch die Nachrichten gegangen, was den aufmerksamen Wächter irritiert hatte. Was war, wenn der Wäscher sich unter Umständen jetzt von einem unbekannten Terraner in Mr. Saron verwandelt hatte, um auch noch die heimzusuchen, die sich bis jetzt erfolgreich gegen seine Maßnahmen gewehrt hatten. Auch bei Zimmermann hatte der Wäscher es versucht, aber der hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes gekonnt ausgehebelt, was ihm natürlich Schmerzen verursacht hatte. Wie ihr ja wisst, konnte er dann seine Kräfte nicht benutzen und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. An diese Begebenheit hatte sich Zimmermann jetzt wohl erinnert.

Saron war klar, dass Zimmermann wohl glaubte, in ihm eine Bedrohung zu sehen. Er wusste nicht, wie er ihm dies ausreden sollte. „Ich weiß nicht, für wen Sie mich halten.“, beschwichtigte der Demetaner. „Aber ich bin garantiert keine Bedrohung. Im Gegenteil! Ich denke, ich kann einen guten Teil dazu beitragen, dass diese gefährliche Situation, in der wir uns alle befinden, bald vorbei ist. Ich habe es geschafft, mich wieder mit meinem bösen Ich zu vereinen und ich habe alle seine Informationen. Ich weiß, was man im Antiuniversum plant! Das klingt komisch, ich weiß, aber es ist die reine Wahrheit. Fragen Sie Nugura! Sie wird Ihnen sicher bestätigen, dass ich wirklich Saron bin!“ „Also schön.“, sagte der Leibwächter. „Ich werde sie fragen. Aber Sie rühren sich nicht von der Stelle, verstanden?!“ Saron nickte.

Zimmermann holte ein Sprechgerät aus seiner Tasche und gab das Rufzeichen von Nuguras Büro ein. „Hier ist Präsidentin Nugura.“, antwortete sie mit gleichgültiger Stimme. „Madam President, hier ist Zimmermann vom Tor.“, sagte der Sachse in stark akzentuiertem Englisch. „Hier ist jemand, der behauptet, Ihr Sekretär Saron zu sein. Er sagt, er wisse einen Weg, Sie zu heilen. Er hat ’ne Menge wirres Zeug gestammelt. Von wegen einer Vereinigung mit seinem bösen Ich und so. Soll ich ihn reinlassen?“

Zimmermanns Zusammenfassung der Ereignisse hatte Saron eine Idee gegeben. „Denken Sie nach!“, sagte der Sekretär, so leidenschaftlich er nur konnte. „Wenn ich der Wäscher wäre, dann würde ich doch Nugura sicher kein zweites Mal aufsuchen wollen. Schließlich wäre sie schon einmal mein Opfer gewesen und ich hätte doch bei ihr längst erreicht, was ich erreichen wollte! Es gäbe also gar keinen Anlass für mich, noch einmal wiederzukommen!“ „Auch wieder wahr.“, sagte der Sachse geplättet, steckte sein Sprechgerät ein und winkte Saron durch, ohne das OK der Präsidentin abzuwarten.

Saron betrat das Gebäude und stieg in den Turbolift, der ihn zu Nuguras Büro brachte. Dann stand er bald vor seiner Vorgesetzten. „Sie sehen erholt aus, Mr. Saron.“, sagte Nugura, nachdem sie ihm ins Gesicht gesehen hatte. Er tat es ihr gleich. Dabei fiel ihm auf, wie blass und müde sie wohl im Gegensatz zu ihm wirken musste. Aber das war in Anbetracht der Situation auch kein Wunder. „Das bin ich auch, Madam.“, sagte der Demetaner. „Und ich weiß auch, wie auch Sie das erreichen können! Ich weiß, wie Sie Ihre alte Stärke und Ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen können, das Ihnen von Ihrem bösen Ich schrittweise entzogen wurde. Wir haben unsere böse Seite verleugnet, Madam President! Deshalb konnte der Wäscher hier einhaken. Ich bin sicher, unsere bösen Seiten haben sich Sytania angeschlossen, unserer ärgsten Feindin! Wollen Sie das zulassen, Nugura?!“ „Es ist mir egal.“, sagte die Präsidentin gleichgültig.

In Saron wollte ob dieser Antwort zunächst die Wut aufsteigen, aber er hielt sie zurück. „Sie kann nichts dafür, Saron!“, ermahnte er sich auf Demetanisch. „Sie ist krank!“ Er wusste, auf diese Weise würde er sie nicht überzeugen können. Ihr Zustand dauerte schon zu lange an, als dass sie noch für vernünftige Argumente zugänglich sein konnte. Das Experiment mit der Waage konnte er also auch vergessen. Aber es gab etwas, was ihm sicher Zugang zu ihr, die sich ja jetzt selbst in einer Opferrolle sah, gewähren würde. Die demetanische Tugend der Einfühlsamkeit.

Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich direkt neben die mehr oder minder teilnahmslos an ihrem Schreibtisch hängende Nugura. Dann sah er sie freundlich an. „Sagen Sie mir doch bitte, wie Sie sich im Moment fühlen, Madam President.“, bat Saron. „Ich fühle mich nicht gut.“, sagte Nugura. „Ich bin immer so schläfrig und habe überhaupt keine Lust zu irgendwas. Ich weiß, dass das nicht immer so war und ich mir das als Oberhaupt eines Staates eigentlich überhaupt nicht leisten kann. Das zeigen mir ja alle Dokumente, die ich in der Vergangenheit in diesem Büro verfasst haben muss. Ich weiß nicht, wie ich aus diesem Loch wieder herauskommen soll!“ „Aber ich weiß es, Sea Federana.“, sagte Saron fast zärtlich und nahm ihre Hand. „Und ich werde Ihnen dazu gern noch einmal erklären, was passiert ist. Bitte versuchen Sie mir zuzuhören. Also. Der Wäscher hat Ihnen den Teil genommen, der Ihre Stärke und Ihr Selbstbewusstsein repräsentiert. Den Teil, der Ihnen hilft, energisch zu sein. Ihr böses Ich allein mag negativ sein. Ihr gutes Ich allein mag antriebslos sein, weil es so friedlich ist, dass es zu allem Ja und Amen sagt, um Konflikten aus dem Weg zu gehen, weil es sich nicht behaupten kann. Dazu braucht es die Hilfe Ihres negativen Ich. Aber das allein würde früher oder später auch einen bösen Fehler begehen, weil es sprunghaft ist. Es braucht die Vernunft Ihres guten Ich, um ausbalanciert werden zu können. Gut und böse brauchen sich also gegenseitig, um zu existieren. Deshalb müssen Sie Ihr böses Ich akzeptieren. Dann kommt es zu Ihnen zurück und Sie werden wieder erstarken. Außerdem werden Sie all ihre Pläne kennen. Bei mir war es genau so, Sea Federana! Genau so!“

Nugura begann zu schluchzen. Saron löste seine Hand wieder von der Ihren, ging zur Schublade des Schreibtisches und holte eine Packung Taschentücher hervor, die er ihr gab. „Aber ich habe Angst vor meinem bösen Ich, Mr. Saron.“, schluchzte sie. „Was ist, wenn sie die Oberhand gewinnt und ich schreckliche Dinge tue, die …“ „Das wird nicht passieren, Madam!“, versicherte Saron. „Sehen Sie mich an. Bei mir ist es ja auch nicht passiert, oder würde ich Ihnen sonst so etwas vorschlagen? Wenn mein böses Ich die Oberhand hätte, dann hätte er Sie doch schon längst umgebracht, so schwach und zerbrechlich, wie Sie mir scheinen. Und, Madam President, wenn er die Oberhand hätte, dann hätte ich mich vorhin sicher nicht selbst ermahnt, vorsichtig mit Ihnen umzugehen, weil Sie krank seien!“ „Das mag ja sein.“, sagte Nugura. „Aber wer garantiert mir, dass …“ „Ich denke, es hat etwas mit den Universen zu tun.“, sagte Saron. „Wenn ich in sein Universum gezogen worden wäre, dann hätte er sicher die Oberhand gewonnen. Aber wir sind in meiner Heimat! In meiner und in Ihrer, Nugura! Es gibt also keinen Grund, warum es nicht klappen sollte! Außerdem müssen Sie bald eine Parlamentssitzung leiten, bei der es wichtig ist, Ihren Standpunkt zu vertreten. Das können Sie in diesem Zustand nun wirklich nicht.“ „Von welcher Sitzung reden Sie, Saron?“, fragte Nugura. „Ich spreche von der Sitzung, in der abgestimmt werden soll, wie wir mit der Frage nach der Wahrheit über den Mord an den romulanischen Gesandten umgehen.“, erinnerte sie der diensteifrige Sekretär. „Ach ja.“, sagte Nugura und wurde blass. Dann schlug sie die Augen nieder und gab einen Laut von sich, der auf starke Trauer hinwies. „Wir müssen den Romulanern die Wahrheit sagen.“, sagte sie bestürzt. „Leugnen ist zwecklos, zumal die Xylianer …“ Erneut wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt. „Oh, ich kann noch nicht mal daran denken!“, schrie Nugura. „Es schmerzt mich so, daran zu denken, Mr. Saron!“ „Das tut es, weil Sie im Moment nur aus ihrem guten friedlichen Ich bestehen, das mit einer solchen Situation total überfordert ist.“, erklärte Saron. „Ihr böses Ich, das mit so etwas wesentlich besser umgehen kann, würde das kompensieren. So können Sie auf keinen Fall die Sitzung leiten und die Romulaner warten auch auf Ergebnisse. Wenn wir nicht bald welche liefern, dann wird es Krieg geben. Zumindest schätze ich sie so ein.“ Saron ahnte nicht, wie prophetisch seine letzten beiden Sätze in Wahrheit waren. „Oh, mein Gott!“, schrie Nugura, der jeder Gedanke an Krieg im Augenblick die pure Verzweiflung in die Augen trieb. „Gibt es denn wirklich keine andere Lösung?“ „Nein, Sea Federana!“, antwortete der Demetaner zwar freundlich, aber mit Überzeugung. „Die gibt es nicht!“

Saron rückte ein Stück von ihr fort, um ihr nicht das Gefühl zu geben, sie zu bedrängen. Er wollte ihr im wahrsten Sinne des Wortes auch physisch Raum verschaffen, über seine Worte nachzudenken. Er ließ sie dabei aber nicht aus den Augen.

Eine Weile lang hatten beide nun schon so dagesessen, als Nugura plötzlich erneut um seine Hand bat: „Bitte helfen Sie mir dabei, Saron.“ Der Demetaner nickte und rutschte wieder näher an sie heran, um ihre Hand nehmen zu können. „Was muss ich tun?“, fragte sie. „Sie müssen Ihr böses Ich aus vollem Herzen und freiem Willen akzeptieren.“, sagte Saron. „Das müssen Sie ihr sagen. Bei mir reichte eine SITCH-Mail. Moment, ich habe eine andere Idee!“

Er holte einen Spiegel von der Wand des nahen Badezimmers und WC und hielt ihn ihr vor das Gesicht. „Das wird Ihnen dabei helfen, hoffe ich.“, sagte er. „Sagen Sie ihr einfach, dass Sie sie akzeptieren!“, sagte Saron zur Ergänzung und zeigte auf ihr Spiegelbild.

Nugura holte tief Luft, räusperte sich und sagte dann: „Ich akzeptiere dich, meine böse Seite! Ich akzeptiere dich aus vollem Herzen und freiem Willen!“ Kaum hatte sie ausgesprochen, wurde sie ohnmächtig. Saron, der bereits damit gerechnet hatte, fing sie auf und legte sie sanft auf dem Boden ab. Seine Augen suchten den Raum nach einer Erscheinung oder einem Licht oder so etwas ab. Von Doktor Jenkins und Malia hatte er genau geschildert bekommen, was sie bei der Vereinigung seines bösen Ich mit ihm selbst gesehen hatten. Bald schwebte auch tatsächlich eine aus reiner Energie bestehende Nugura durch das Dach ein, die Saron nur als reine aus schwarzem Licht bestehende Gestalt wahrnehmen konnte. Er sah, wie sie sich Nuguras Kopf näherte. Dann drang sie durch das Schädeldach ein und war verschwunden. Im gleichen Moment sah Saron, wie die Wangen seiner Vorgesetzten von leichenblass zu rosig tendierten. Zufrieden nahm er dies zur Kenntnis. Jetzt musste er nur noch warten, bis sie erwacht war.

Er wollte sich gerade fortdrehen, um ihr einen Kaffee zu replizieren, als sie die Augen aufschlug. „Mr. Saron?!“ Ihre Stimme war jetzt viel energischer, als sie vorher gewesen war, das war dem Sekretär mit den geschulten Ohren sofort aufgefallen. Sofort drehte er sich wieder zu ihr und half ihr auf. Der Kaffee konnte warten! „Was mache ich hier auf dem Boden?!“, fragte Nugura. „Das ist eine Nebenwirkung, wenn Sie wieder mit Ihrem bösen Ich vereint werden.“, sagte Saron. „Das hatte ich auch.“

Er zog sie auf ihren Bürostuhl zurück. „Oh, mein Gott!“, sagte Nugura plötzlich. „War ich etwa ein Opfer des Wäschers?!“ „Ja, Madam President.“, sagte Saron. „Aber das waren wir Beide. Aber es ist extrem wichtig, dass wir diese Sache hier aufklären. Dieses Antiuniversum darf nicht länger existieren! Die verbliebenen bösen Ichs werden sich Sytania angeschlossen haben, vermute ich und …“ „Sie vermuten richtig.“, sagte Nugura. „Ich weiß das aus aller erster Quelle! Ich erinnere mich, dass Sie mir vor der Vereinigung sagten, ich würde alle Informationen erhalten, die mein böses Ich gesammelt hat! Das ist wahr! Sie war eine Verbündete Sytanias! Das ist nur logisch, weil das Böse immer das Böse sucht! Aber sie ist noch lange nicht so schlimm wie ihre Vizepräsidentin T’Mir von Vulkan! Oh, Gott, Saron! Sie wird jetzt die böse Föderation regieren! Sie repräsentiert den Teil von T’Mir, den sie immer unterdrückt hat! Sie wissen, dass die Emotionen der Vulkanier, wenn sie ans Licht kommen, um ein Vielfaches stärker sind, als bei uns! Also auch ihr Hass! Davon hat sie eine Menge! Hätten Sie nur nicht …!“ „Nein, da werde ich Ihnen nicht zustimmen, Madam President!“, sagte der Sekretär fest. „Wenn ich Sie nicht dazu gebracht hätte, sich mit Ihrem bösen Ich zu vereinen, dann hätten Sie jetzt nicht die Stärke, dieser Situation zu begegnen! Akzeptanz ist der Schlüssel, auch im Hinblick auf die Ermordung der Gesandten von Romulus vor ca. 800 Jahren! Wenn wir es akzeptieren und es nicht mehr leugnen, werden wir uns als normale fehlbare Wesen sehen, die wir nun einmal sind. Sicherlich macht es das Ganze nicht ungeschehen, aber wir können die Romulaner zumindest um Verzeihung bitten. Dadurch akzeptieren wir ja auch, dass es in uns eine Seite gibt, die aus Verzweiflung manchmal böse Dinge tut. Das ist eben so. Wir sind keine Götter und wir müssen aufhören, uns für solche zu halten. Eine moralische Richtschnur zu haben, ist sicher schön und gut, aber wir dürfen uns keine Ziele setzen, die wir nicht erreichen können. Sonst fangen wir an, uns aus lauter Not so zu verhalten, wie wir uns verhalten haben. Dann beginnen wir damit, zu lügen und zu betrügen, sobald wir merken, dass wir unserem Ideal nach außen hin nicht genügen können.“

Saron war bei einem Seitenblick eine Lampe am Replikator aufgefallen, den er wohl im Eifer des Gefechtes völlig vergessen hatte. Offensichtlich hatte er eine Befehlssequenz nicht zu Ende geführt. „Oh, Computer, zwei mal schwarzen terranischen Bohnenkaffee!“, sagte er in Richtung des Mikrofons. Dann kündeten ein Signal und ein Geräusch von der Ausführung der Befehle.

Saron nahm die Tassen entgegen und stellte sie auf dem Schreibtisch ab. „Das kann ich jetzt sicher gut gebrauchen.“, sagte Nugura. „Und noch etwas anderes werde ich in der Sitzung gut gebrauchen können. Bitte schreiben Sie mir doch Ihre leidenschaftliche Rede von eben in ein Pad, Saron. Ich bin sicher, sie wird mir in der Sitzung sehr helfen, meine Argumente zu bekräftigen. Sie haben Recht. Mit unserem bisherigen Verhalten haben wir Sytania ein Schlupfloch geboten und ich beabsichtige, dieses jetzt ein für alle Mal zu schließen! Ich hoffe nur, dass die Abstimmung entsprechend ausgeht!“ „Das hoffe ich auch, Sea Federana.“, erwiderte Saron. „Das hoffe ich auch.“

Die Vernichtung der Antinugura hatte Sytania dieses Mal nicht ganz so unvorbereitet getroffen. Auf Cirnachs Rat hin hatte sie sich Energie von einem Kristall geholt, den die Gefangenen, zu denen jetzt auch Nayale gehörte, extra für sie aus dem Fluss holen mussten. Diese Art von Kristallen war in der Lage, ihre geistige Energie temporär zu verstärken. Auf den Rat der Vendar hin hatte die Prinzessin den Kristall berührt, sobald sie das Gefühl hatte, wieder ohnmächtig zu werden. Da die Energie in dem Kristall das verhindert hatte, konnte Sytania genau beobachten, was geschah. „Dieser verdammte Schreibtischtäter!“, tobte sie. „Dieser verdammte Akten bebrütende Bürohengst! Dieser niederträchtige Sohn eines räudigen Fuchses und einer doppelzüngigen Viper!“

In ihrem Tobsuchtsanfall warf sie einiges gegen Wände und ließ ihre rohen telekinetischen Kräfte sogar sinnlos walten, was dazu führte, dass einige ihrer schönsten Möbel im Thronsaal zu Bruch gingen. Ihre Zofen, meist alles imperianische Bauernmädchen, bekamen solche Angst vor ihrer eigenen Herrin, dass sie sich nicht anders zu helfen wussten, als wiederum Cirnach, die sich bestimmt besser mit so etwas auskannte, zu holen.

Die Vendar betrat nun den Ort des Geschehens und sah Sytania beschwichtigend an. Zu den Zofen meinte sie nur tröstend: „Geht! Ich werde dieses Problem schon in den Griff bekommen.“ Erleichtert nickten die Mädchen und gingen auf Zehenspitzen aus dem Raum. „Was ist Euch, Herrin?“, fragte Cirnach an Sytania gewandt. „Was mir ist?!“, fragte Sytania empört zurück. „Du willst wirklich wissen, was mir ist?! Nun, das will ich dir gern erklären! Setz dich an den Tisch, an dem ich immer meine Audienzen abhalte und warte dort auf mich! Ich werde gleich zu dir stoßen!“

Cirnach nickte und führte die Anweisungen Sytanias aus. Sie beobachtete, wie die imperianische Prinzessin ihrer Macht und ihrer Wut noch einige Male freien Lauf ließ. Dann kam Sytania endlich zu ihr und holte den Kontaktkelch aus ihrem Kleid hervor. „Lege deine linke Hand auf den Fuß des Kelches und gib mir deine Rechte!“, wies sie Cirnach an. „Ja, Gebieterin.“, nickte die Vendar ruhig, die sich nicht vorstellen konnte, was die Mächtige so sehr in Rage gebracht haben konnte. Bis jetzt waren doch ihre Pläne sehr gut verlaufen. Es gab doch eigentlich keinen Grund für diese Art von Anfällen. Aber wenn Cirnach herausfinden wollte, wo ihre Gebieterin der Schuh drückte, musste sie wohl zunächst mitmachen.

Vor den geistigen Augen der Frauen erschien das Büro von Nugura im positiven Universum. „Was ist hier passiert?“, fragte Cirnach mit tröstendem Blick. „Das wirst du gleich sehen!“, erwiderte Sytania mürrisch und wies den Kelch per Gedankenbefehl an, den Film sozusagen weiter laufen zu lassen. Jetzt sahen Cirnach und sie das Gespräch zwischen Nugura und Saron und auch alles, was danach passiert war. „Ist das etwa kein Grund, einen Wutanfall zu bekommen, Cirnach?!“, fragte Sytania. „Mit Verlaub, Herrin.“, antwortete die weise Vendar. „Das ist es nicht.“ Sie war dabei betont ruhig geblieben. „Wieso ist es das nicht!“, schäumte ihr Sytania entgegen. „Sag mir bitte nicht, dass du billigst, was hier gerade passiert ist! Ich hoffe, du wirst nicht zu so einer schändlichen Verräterin, wie dein Mann. Hat es dir etwa nicht zur Warnung gereicht, dass ich ihn zum einfachen Soldaten degradiert habe?! Was denkst du, soll ich mit dir in so einem Fall machen, Cirnach, he?!“ „Wenn Ihr mich schon darum bittet, mein eigenes Urteil zu sprechen, Milady.“, setzte Cirnach selbstbewusst und mutig an. „Dann solltet Ihr mir die Füße küssen für das, was ich Euch gleich zu erklären gedenke.“ Immer noch war ihre Stimme sehr ruhig. „Was nimmst du dir heraus?!“, fragte Sytania. „Aber gut. Eine weitere Rebellion von euch Vendar, wie sie erst vor einigen Jahren stattgefunden hat, kann ich mir in dieser Situation nicht leisten. Schließlich werde ich auch einen oder eine von euch benötigen, um meinen Plan ausführen zu können. Wenn ich dir jetzt ein Haar krümmen würde, verlöre ich all euren Respekt. Joran Ed Namach hat ja gezeigt, dass ihr auch anders könnt. Also werde ich dich anhören. Sprich also! Warum sollte ich dir die Füße küssen?“ „Weil ich Euch sage, dass Euch nichts Besseres, als der Tod der Antinugura, passieren konnte.“, sagte Cirnach.

Sie rückte ein Stück weit von Sytania weg, um ihre Reaktion aus der Ferne zu beobachten. „Ich kann dir nicht folgen!“, sagte die Prinzessin. „Drück dich gefälligst etwas einfacher aus!“ „Wie Ihr wollt.“, sagte Cirnach ruhig und kam ihrer Gebieterin wieder etwas näher. „Wer regiert Eurer Ansicht nach jetzt das Antiuniversum, seit Nugura El Fedaria nicht mehr am Leben ist?“, fragte sie. „T’Mirs böses Ich!“, rief Sytania immer noch sehr erbost aus. „Aber ich begreife nicht, was uns das bringen soll!“ „Ich glaube, Ihr lasst Eure Wut Euren Verstand vernebeln, Hoheit!“, sagte Cirnach, die langsam auch ungeduldig wurde. „Ihr solltet Euch erst einmal beruhigen! Ich bin sicher, dann wird es auch Euch wie Schuppen von den Augen fallen.“

Noch einmal sah Cirnach in das Gesicht der Königstochter. „Ich befürchte aber, dass wir nicht die Zeit haben, Eure Beruhigung abzuwarten. Deshalb werde ich es Euch erklären.“, sagte sie dann freundlich. „T’Mir El Vulkan im Antiuniversum ist der Teil von der guten T’Mir, den diese schon Zeit ihres Lebens unterdrückt hat. Ihr wisst, Herrin, dass die Vulkanier sehr wohl Gefühle haben und dass diese viel stärker sein können, als bei Normalsterblichen, wenn sie ans Licht kommen. Wenn T’Mir El Vulkan im Antiuniversum den bösen Teil von T’Mir repräsentiert, welches Gefühl, glaubt Ihr, ist dann wohl das Stärkste bei ihr?“ „Der Hass natürlich!“, sagte Sytania freudig und sprang auf. „Der Hass und die Lust auf Krieg! Die normalen Vulkanier sind ja so was von friedlich! Dann muss ja T’Mir das genaue Gegenteil sein! Du meinst also …!“ „Ja, ich meine, Gebieterin.“, sagte Cirnach erleichtert, denn sie war jetzt endlich sicher, dass Sytania verstanden hatte. „Wenn Ihr also Krieg entfesseln wollt, dann habt Ihr in T’Mir El Antivulkan sicher eine weitaus bessere Partnerin, als in Nugura El Antifedaria.“ „Wie Recht du hast, meine gute schlaue Cirnach!“, sagte Sytania. „Oh, wie Recht du hast! Ich denke, ich sollte dich für diese Strategie angemessen belohnen!“ „Aber ich habe das doch gar nicht ersonnen.“, gab sich Cirnach bescheiden. „Ich habe Euch doch nur die Augen geöffnet.“ „Ja, genau das hast du.“, sagte Sytania. „Deshalb sollst auch du mich mit einem Eurer Schiffe nach Antivulkan bringen, wo ich T’Mir persönlich meine Glückwünsche ausrichten will. Dann werde ich mit ihr unsere weiteren Pläne besprechen!“ „Wie Ihr wünscht.“, sagte die Vendar stolz. „Ich werde gleich einen unserer Techniker beauftragen, für Euch und mich das beste Schiff vorzubereiten.“ „Tu das!“, nickte Sytania und winkte ab, was für Cirnach das klare Zeichen war, sich entfernen zu dürfen.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.