- Schriftgröße +

 

D/4 hatte ihren eigenen Jeep geholt und war mit dem schwarzen schnittigen Modell zum Haus der Radcliffes zurückgekehrt. Ihr Plan war es, Nayale zur Einsatzzentrale von Rescue One zu bringen. Dort würden sie auf Tchey und Malcolm treffen. Dann würde sie ihn und seine Mutter zum Raumflughafen von Washington fahren, wo die Beiden den nächsten Liner zum Mars besteigen würden. Welche Fluggesellschaft es wäre, wäre in diesem Fall nicht relevant gewesen. Sie hatte ihnen zwar schon mehrere Verbindungen herausgesucht, aber welche sie denn nun nehmen würden, hing auch ganz entscheidend davon ab, wann sie von hier wegkommen würden. Sie beschloss, zu Nayale und ihrem Mann ins Haus zu gehen, um sich nützlich zu machen. Solange Radcliffe keinen neuen Anfall bekam, sollte er auch vernünftigen Argumenten gegenüber zugänglich sein. Sie würde ihm noch einmal erklären, warum seine Frau und sein Sohn ihn jetzt verlassen würden.

Radcliffe sah traurig auf die Koffer, die Nayale vor ihm auf dem Bett ausgebreitet hatte und in die sie einige Sachen gepackt hatte. „Das ist jetzt also das Ende unserer Familie.“, sagte er. „Ja.“, sagte Nayale eben so traurig. „Es tut mir ja auch leid, Nathaniel. Aber ich habe keine Wahl. In deinen Anfällen wirst du für uns zur Gefahr. Das kann ich nicht zulassen. Außerdem muss ich auch an unseren Jungen denken. Ich liebe dich aber trotzdem. Wenn du wieder gesund bist, werde ich auch zu dir zurückkehren. Aber jetzt ist es für mich und auch, oder besonders für Malcolm, hier nicht mehr sicher.“ „Wenn ich wieder gesund werde.“, sagte Radcliffe. „Du weißt, dass niemand eine Erklärung dafür hat und du weißt auch, dass ich schon bei diversen Psychologen war. Aber alle haben …“ „Die menschlichen Psychologen und die der gesamten Föderation mögen dich aufgegeben haben.“, sagte Nayale. „Aber wenn ich D/4 richtig verstanden habe, sind die Xylianer davon noch weit entfernt. Ich muss dir etwas gestehen. Du fragst dich vielleicht, woher sie so schnell Bescheid wusste und so früh vor Ort sein konnte. Sie hat mir ihre persönliche Interlinkfrequenz genannt. Darüber hat sie mir auch Daten über Solok und die Rivalität zwischen Sisko und ihm gegeben. Ich weiß alles. Die Xylianer können sich zwar auch noch nicht erklären, was du hast, aber ich soll ihr, solange ich kann, noch so viele Daten zukommen lassen, wie ich kann. Vielleicht wird ja irgendwann ein Schuh draus.“

Wie auf Stichwort betrat D/4 das Haus. Sie deutete auf die Koffer und sagte in Nayales Richtung gewandt: „Ich werde Ihnen assistieren.“ „Ja, ja!“, meinte Professor Radcliffe frustriert. „Helfen Sie meiner Frau ruhig, mich zu verlassen.“ „Das hat sie gar nicht gesagt.“, nahm Nayale für die Sonde Partei. „Sie hat nur gesagt, dass sie mir beim Packen der Koffer behilflich sein wird. Aber ich glaube, du hast mir nicht wirklich zugehört. Ich will mich nicht von dir trennen. Ich bleibe nur so lange mit Malcolm bei meiner Mutter auf dem Mars, bis du gesund bist!“ „Also für immer.“, sagte Radcliffe und begann zu weinen. „Diese verdammte Krankheit ruiniert alles! Wegen ihr musste ich schon meinen Beruf an den Nagel hängen und jetzt macht sie noch meine Familie kaputt!“ „Man wird eine Möglichkeit finden, dich zu heilen.“, tröstete Nayale und strich ihm über das Haar. „Davon bin ich nicht überzeugt.“, sagte Radcliffe resignierend.

D/4 hatte die umliegenden Sachen auf die beiden Koffer verteilt und sah Nayale fragend an. „Danke.“, sagte die junge Zeonide und schloss die Gepäckstücke. Dann zogen sie und die Sonde jeweils eines vom Bett. „Wir werden jetzt gehen.“, sagte Nayale und warf ihrem Mann einen letzten traurigen Blick zu. „Wenn wir angekommen sind, werde ich veranlassen, dass Cupernica sich weiter um dich kümmert. Als unsere Hausärztin ist sie ja auch über deine Krankengeschichte informiert.“ „OK.“, nickte der verzweifelte Radcliffe und sah zu, wie die Sonde und seine Frau das Haus verließen.

Wenig später waren sie beim Jeep angekommen und D/4 verstaute die Koffer im Gepäckraum. Dann führte sie Nayale zur Beifahrerseite. „Den Weg hätte ich auch allein gefunden.“, sagte sie. „Es war so sicherer für Sie.“, antwortete die Sonde, während sie auf der Fahrerseite einstieg. „Glauben Sie wirklich, mein Mann würde …“ „Das Verhalten Ihres Mannes ist unberechenbar, Nayale Radcliffe.“, sagte die Sonde. „Oh.“, bemerkte Nayale. „Sie können mich ruhig einfach nur Nayale nennen.“ „Das habe ich registriert.“, antwortete die Sonde und startete den Jeep.

Das Programm des Simulators hatte Tchey und Malcolm das Verlassen der Atmosphäre angezeigt. „So, jetzt ist es so weit.“, sagte die versierte Pilotin. „Gib mal ’n bisschen mehr Stoff.“ „Was is’ mit unserem Kurs, Tchey.“, fragte Malcolm. „Der ist richtig.“, sagte die Reptiloide. „Wir können gar keinen falschen Kurs fliegen, weil ich diese Route als einzig möglichen Weg programmiert habe.“ „Schade.“, sagte Malcolm. „Na ja.“, meinte Tchey. „Wir wollen dich ja nicht gleich überfordern.“ „Also gut.“, sagte Malcolm und schob den Geschwindigkeitsregler nach vorn. Das Shuttle beschleunigte. „Is’ das so richtig, Tchey?“, fragte er. „Aber genau!“, lobte sie. „Lass den Regler jetzt genau so stehen. Sonst geht sie gleich auf Warp und das ist in einem Sonnensystem nicht gerade zu empfehlen.“ „Wieso nich’.“, wollte das aufgeweckte Kind wissen.

Tchey legte die Stirn in die Hände und überlegte. Sie fragte sich, wie sie diesem kleinen Jungen das mit der Warpgeschwindigkeit erklären sollte. „Wenn du schnell rennst.“, setzte sie schließlich an. „Dann musst du doch auch bremsen, wenn du um eine Kurve laufen willst, oder?“ „Ja.“, sagte Malcolm. „Sonst laufe ich irgendwo gegen oder falle auf die Nase. Aber ein Shuttle kann doch nich’ auf die Nase fallen.“ „Nein!“, lachte Tchey. „Das kann es nicht. Aber irgendwo gegen fliegen, das kann es. In einem Sonnensystem sind die Sterne total dicht zusammen. Da kann man dann nicht so schnell die Richtung ändern.“ „Aber du kannst das doch auch, wenn …“, widersprach Malcolm. „Ich habe das ja auch gelernt.“, erklärte Tchey. „Ich bin eine geübte Pilotin und schaffe das auch bei Warp eins. Aber darüber hinaus würde ich auch …“ „Schon klar.“, antwortete der Junge.

Sie waren in der Umlaufbahn des Mars angekommen und die Planetenkontrolle verlangte über SITCH nach ihnen. „Regelst du das wieder?“, fragte Malcolm. „Nein, dieses Mal nicht.“, sagte Tchey grinsend. „Du kannst ihnen ja wohl auch erklären, dass wir nur hin und zurück fliegen.“ „Na gut.“, meinte Malcolm und nahm sich mit klopfendem Herzen das Mikrofon. „Rescue One, hier ist Allrounder Jane Wilson von der planetaren Marskontrolle.“, wurde der Ruf wiederholt. „Bitte nennen Sie ihre Absichten.“ „Hi, ich bin der Malcolm.“, sagte dieser. „Die Tante Tchey und ich fliegen nur einmal hin und her.“ „Na dann ist ja gut.“, lächelte die junge Terranerin. „Du bist nämlich noch reichlich jung für einen Piloten. Aber ihr könnt so auf dem gleichen Kurs wieder nach Hause fliegen. Es sind keine anderen Schiffe oder Hindernisse zu erwarten.“ „Danke.“, sagte Malcolm höflich und beendete die Verbindung. „Das war gar nicht so schlecht.“, sagte Tchey und klatschte in die Hände. „Dann dreh uns mal um.“

Malcolm legte den Joystick für den Kurs ganz nach links, aber Tchey korrigierte ihn sofort von der Nebenkonsole. Dann sagte sie: „Schau dir mal genau unsere Position an und dann guck mal, was unser Heck macht.“ „Das stößt ja an den Planeten.“, sagte Malcolm erschrocken. „Genau.“, sagte Tchey. „Und wie krieg’ ich uns jetzt rum?“, fragte Malcolm. „Lass sie einen Kreis um den Planeten machen.“, riet Tchey. „Genau. Und jetzt langsam wieder auf den alten Kurs.“ „Wiedersehen, Mars.“, sagte Malcolm. Tchey musste grinsen. „Das war gemein.“, sagte Malcolm. „Du wolltest doch eine Herausforderung.“, entgegnete Tchey. „Aber jetzt haben wir dich genug gefordert, denke ich. Die Landung übernehme ich. Dann gehen wir in den Aufenthaltsraum und da genehmigen wir uns erst mal ’ne Pizza. OK?“ „Ich mag keine Pizza.“, sagte Malcolm. „Aber Spaghetti, die mag ich! Am liebsten mit Käse!“ „OK.“, sagte Tchey. „Dann eben einmal Spaghetti mit Käse und einmal Pizza mit Fisch und Muscheln.“

Tchey hatte das Shuttle bald gelandet und sie und Malcolm waren dem Simulator entstiegen. Dann hatten sie sich in den Aufenthaltsraum begeben und Tchey hatte das Essen repliziert. „Kommen Tante D und meine Mummy auch?“, fragte das Kind. „Ich denke, die dürften schon unterwegs sein.“, antwortete Tchey, nachdem sie kurz auf die Uhr gesehen hatte. Dann stellte sie Malcolm den Teller mit Spaghetti vor die Nase: „Hau rein!“, bevor sie sich selbst über ihre Pizza hermachte.

D/4 und Nayale hatten den Parkplatz erreicht. Die Sonde stellte den Jeep vorschriftgemäß ab und wandte sich dann an Nayale. „Meine Daten über den letzten Anfall Ihres Mannes sind lückenhaft.“, stellte sie fest. „Was hat dazu geführt und warum waren Ihre Methoden, ihn aus dem Anfall zu holen, dieses Mal nicht effektiv?“ „Das weiß der Himmel.“, antwortete Nayale. „Aber zum Auslöser kann ich Ihnen vielleicht etwas sagen. Ich denke, dass es sogar in gewisser Hinsicht meine Schuld gewesen ist.“ „Definieren Sie.“, sagte die Sonde ruhig. „Es war so.“, setzte Nayale an. „Mein Mann hat Malcolm mit der Kugel, die Sie ihm geschenkt hatten, im Garten trainieren sehen. Das hat ihm wohl nicht gefallen und ich habe ihm die Daten gezeigt, die Sie mir über Solok gegeben hatten. Ich habe ihm erklärt, dass vulkanische Kinder auch körperlich stärker, als terranische Kinder sind und dass dies vielleicht der Grund sein könnte, warum Soloks Kinder auch mit Kugeln für Erwachsene spielen dürfen, was für menschliche Kinder eventuell sogar schädlich sein könnte. Sie haben mir ja alle relevanten Daten zukommen lassen.“ „Warum sind Sie so vorgegangen?“, fragte D/4 verwundert. „Ich habe versucht, in seine Welt, in die er gegangen ist, vorzudringen. Ich hatte nämlich den Eindruck, dass er schon wieder einen Anfall bekäme und, wie wir beide wissen, hat dieser Eindruck ja auch nicht getäuscht.“ „Ihre Annahme, Sie seien an dem Anfall schuld, ist inkorrekt.“, sagte D/4. „Ihr Mann war den Daten zufolge, die Sie mir jetzt gegeben haben, schon auf dem Weg in den Anfall, bevor Sie überhaupt begonnen haben, mit ihm zu kommunizieren.“ Nayale ließ erleichtert die Luft aus ihren Lungen entweichen. „Wenn Sie das sagen, dann wird es schon stimmen.“, sagte sie. „Schließlich sind Sie Medizinerin.“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde und machte Anstalten, das Fahrzeug zu verlassen. Nayale folgte ihr.

„Was ist eigentlich mit der Kugel geschehen?“, wollte die Sonde wissen, als sie und die junge Zeonide das Gebäude betraten. „Die Kugel existiert nicht mehr.“, sagte Nayale traurig. „Mein Mann hat sie Malcolm weggenommen und sie dann in die Materierückgewinnung geworfen, weil er sie als ein Zeugnis von Schwäche ansah. Aber das haben wir wohl alles dem Anfall zuzuschreiben, nicht wahr?“ „Ihre Vermutung ist korrekt.“, sagte D/4.

Malcolm widmete sich seinen Nudeln und Tchey sich ihrer Pizza. Dabei sah der Junge fasziniert zu, wie die freundliche Außerirdische, die er gerade erst kennen gelernt hatte, mit ihrer Pizza verfuhr. Die Tatsache, wie Tchey sich dem Thema gegenüber verhielt, fand er höchst amüsant. Sie hatte nämlich die Pizza in Kreuzform einmal nur andeutungsweise durchgeschnitten, um zuerst ihre Hälften und dann diesen Halbkreis noch einmal umzuklappen. Dabei war eine Art 4-stöckiges Tortenstück entstanden, von dem sie jetzt kleine Scheibchen abschnitt, um sich diese in aller Gemütsruhe in den Mund zu schieben. So mancher italienische Koch würde dies vielleicht als Vergewaltigung eines Nationalgerichtes bezeichnen. Tchey hingegen nannte es nur: „Methode 35.“ Das kam daher, weil sie in der näheren Vergangenheit einen wohl nicht ganz ernst gemeinten Ratgeber mit dem Titel: „50 Wege, mit Pizza fertig zu werden“, geschrieben hatte. Tchey musste verschmitzt grinsen, denn sie dachte daran, wie wohl Tom Paris, mit dem sie des Öfteren schmeichelhaft verglichen wurde, ihr Buch und die Ausführung ihrer Methoden finden würde. Sie wusste, dass er auch gern Pizza gegessen hatte.

Aber nicht nur Malcolm hatte sie beobachtet, sondern auch sie ihn. Dabei war ihr aufgefallen, wie schnell er darin war, seine Nudeln auf die Gabel zu drehen. „Du hast gerade in Warpgeschwindigkeit einen Teller Spaghetti verschlungen!“, staunte sie. „Die waren ja auch super!“, schmatzte Malcolm und leckte sich die Lippen. „Ich werde das an die Firma weitergeben, die unseren Replikator programmiert und gebaut hat.“, lächelte Tchey. „Mich würde nur noch mal was ganz anderes interessieren. Die meisten Kinder, die ich kenne, mögen Pizza, aber du nicht. Sag mir doch mal, was du daran so fürchterlich findest.“ „Ich mag nur den Rand.“, sagte Malcolm. „Die Mitte mag ich nich’. Die is’ immer so matschig.“ „Ufff!“, machte Tchey. „Habe ich was falsch gemacht?“, fragte Malcolm angesichts ihres plötzlich sehr gequälten Gesichtsausdrucks. „Nein.“, sagte Tchey. „Aber jetzt muss ich den Titel meines Buches ändern und mein Verleger ist stur wie ein Esel, weißt du? Jetzt haben wir nämlich 51 Wege, mit Pizza fertig zu werden.“ „Ui!“, machte Malcolm tröstend. „Aber hast du das wirklich noch nicht geschrieben? Guck doch noch mal nach.“ „Na ja.“, sagte Tchey schließlich. „Nachschauen kann ja nicht schaden. Danke, Malcolm.“

Sie wollte gerade vom Stuhl aufstehen, als sich plötzlich die Tür des Raumes öffnete und Nayale und D/4 diesen betraten. „Mummy! Mummy!“, schrie der kleine Junge und warf sich Nayale in die Arme. Dann bemerkte er auch die Sonde und sagte erheblich förmlicher: „Hi, Tante D.“ „Jetzt wird alles wieder gut, Malcolm.“, sagte Nayale, während sie ihn an sich drückte. „Du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben. Wir fliegen zu Oma auf den Mars und machen da Ferien. Dad muss gesund werden und das kann er besser ohne uns. Dann musst du auch keine Angst mehr vor ihm haben. Tante D wird uns Bescheid sagen, wenn mit Dad wieder alles in Ordnung ist. Sie bringt uns auch gleich nach Washington.“ „Auf dem Mars waren Tante Tchey und ich heute schon, Mummy.“, sagte Malcolm unbedarft. „Stell dir vor, ich habe sogar das Schiff geflogen!“

D/4 wandte sich Tchey zu. Dabei machte ihr Blick keinen Hehl daraus, dass es jetzt wohl ein Donnerwetter geben würde. Die sonst eigentlich immer neutral schauende Sonde kniff die Augen zusammen und spannte jeden Muskel ihres Gesichtes an, was Tchey schon nichts Gutes ahnen ließ. Dann begann sie streng: „Ihre Methoden sind ungewöhnlich, das bin ich von Ihnen gewohnt! Aber dass Sie Rescue One in einer solchen Weise missbrauchen und damit unautorisierte Flüge zur Belustigung kleiner Kinder unternehmen, ist inakzeptabel! Sie wissen, dass ich gezwungen bin, dies an unsere Vorgesetzten weiterzugeben. Der Verlust Ihrer Arbeitsstelle wird unausweichlich sein!“ „Aber doch nich’ in echt!“, versuchte Malcolm, dem Tchey jetzt sehr leid tat, auf kindliche Art die Situation zu retten. D/4 sah alle fragend an. „Haben Sie hier vielleicht einen Simulator?“, fragte Nayale schließlich. „Positiv.“, erwiderte die Sonde und fügte im gleichen Atemzug bei: „Ich verstehe. Tchey, ich entschuldige mich.“ „Angenommen.“, sagte die Reptiloide flapsig. „Hätten Sie mir ernsthaft zugetraut, dass ich einen Arbeitsplatz riskiere, dessen Ausfüllung mir einen solchen Spaß bereitet?“ „Ihr Verhalten ist oft unberechenbar.“, sagte D/4. „Solange ich nicht so schlimm werde wie Mr. Radcliffe.“, scherzte Tchey. „Negativ.“, sagte D/4 beruhigend. „Ich würde Sie eher auf die gleiche Stufe wie Tom Paris stellen.“ „Oh.“, meinte Tchey. „Das sehe ich als Kompliment.“

Die Sonde hatte sich jetzt Malcolm zugewandt. „Deinen medizinischen Werten zufolge.“, sagte sie. „Hast du keine Angst mehr.“ „Positiv!“, strahlte der Junge sie an. „Das habe ich nur Tante Tchey zu verdanken. Sie hat mir erst Rescue One gezeigt, dann sind wir mit dem unechten Shuttle zum Mars geflogen und dann haben wir hier zusammen gegessen.“ „Sie wollten ja, dass ich ihn ablenke.“, sagte Tchey. „Ihre Ablenkung war anscheinend effektiv.“, lobte die Sonde.

Tchey musste plötzlich grinsen. Am Verhalten der Sonde gegenüber ihr war ihr etwas klar geworden, das sie jetzt nur noch untermauern wollte. „Sie schienen fast erschrocken, als Malcolm fast einen Kündigungsgrund geliefert hat.“, fasste sie das Geschehene zusammen. „Aber warum? Ich meine, Sie würden dann doch sicher eine andere Pilotin zugeteilt bekommen, die sich vielleicht viel eher an die Vorschriften hält.“ „Das wäre sicher korrekt.“, sagte die Sonde. „Dennoch bevorzuge ich Sie. Ihre Methoden mögen zwar manchmal unorthodox und am Rande der Legalität erscheinen, trotzdem sind sie im Ergebnis meistens sehr effizient. Es ist unwahrscheinlich, dass es eine zweite Person mit Ihrem Mut und Ihrer Fähigkeit zu improvisieren unter den zur Verfügung stehenden Kandidaten gibt.“ „Das muss ich mir erst mal auf der Zunge zergehen lassen.“, meinte Tchey ziemlich bedient, aber gleichzeitig positiv überrascht. „Tun Sie das!“, ordnete die Sonde an. „Dazu werden Sie ja jetzt eine Menge Zeit haben. Ich werde Nayale und die Protoeinheit nach Washington verbringen. Wenn ich zurück bin, können Sie mir ja mitteilen, welchen Eindruck meine Begründung auf Sie gemacht hat.“ Damit winkte sie Malcolm und Nayale, ihr zu folgen. „Danke, Tante Tchey, für die Spaghetti.“, verabschiedete sich Malcolm höflich und ging dann mit seiner Mutter und der Sonde aus dem Haus. Auch Nayale hatte Tchey heimlich die Hand gegeben.

Ich hatte mein Schiff auf dem üblichen Platz auf der Wiese hinter meinem Haus gelandet und war nun kurz davor, das Cockpit zu verlassen, um meinen Koffer aus Lyciras Laderaum zu holen. Was ist mit deinem neuen Nachbarn, Betsy?, fragte mich Lycira noch. „Was soll mit dem sein, Lycira?“, erkundigte ich mich irritiert. „Du glaubst doch nicht etwa, dass ich Angst vor ihm hätte.“ Das denke ich nicht., tröstete sie. Aber ich denke, du solltest trotzdem vorsichtig sein. Soweit ich das interpretieren kann, was Tchey dir schon geschrieben hat, ist er unberechenbar und kann in Situationen, wenn seine Krankheit zuschlägt, auch sehr gefährlich werden. „Ich bin ein großes Mädchen und eine ausgebildete Sternenflottenoffizierin, Lycira.“, tröstete dieses Mal ich. „Ich kann schon auf mich aufpassen.“ Hoffentlich hast du Recht., ermahnte sie mich. Du weißt, dass ich in der Lage bin, Vorahnungen zu entwickeln und jetzt habe ich gerade eine. Ich denke, du wirst noch an meine Worte denken. Ich winkte ab und verließ sie, ohne zu ahnen, wie Recht sie noch haben sollte.

Radcliffe hatte dem Jeep, der mit seiner Frau und der Sonde die Auffahrt verlassen hatte, lange nachgeschaut. So war ihm auch meine Ankunft nicht entgangen. Aber bevor er sich noch über deren Konsequenzen klar werden konnte, wurde ihm schwarz vor Augen und er bekam das Gefühl, dass sich alles um ihn herum zu drehen begann. Im nächsten Moment glaubte er, sich in einer Art Gewölbe wieder zu finden. Hier nahm er einige merkwürdige Gestalten wahr, die aus dem Halbdunkel traten. Die Gestalten hatten allesamt Ähnlichkeit mit Personen, die er kannte. Er sah seine Frau, seinen Sohn, D/4 und sogar den celsianischen Umzugsunternehmer.

Die Gestalt, die wie D/4 aussah, näherte sich ihm und begann damit, ihn zu scannen. Dann sagte sie: „Es ist der Radcliffe.“ Dabei hatte sie sich zu den anderen Gestalten umgedreht. „Der Radcliffe ist traurig.“, fügte die Gestalt hinzu, die seinem Sohn zum Verwechseln ähnlich sah. „Der Radcliffe ist verzweifelt.“, stellte die Nayale verkörpernde Gestalt fest. „Warum das?“, fragte der Tilus Ähnliche. „Ich verstehe das nicht.“, sagte Radcliffe. „Wer sind Sie und wo bin ich hier?“ „Der Radcliffe versteht nicht.“, stellte die D/4 fest. Die anderen nickten ihr bestätigend zu. „Er kann es nicht verstehen, weil er sich nicht erinnert.“, bemerkte die Nayale verständnisvoll. „Wieso kann er sich nicht erinnern?“, fragte der Tilus. „Seine Denkweise ist wieder linear.“, ersann der Malcolm eine Theorie. „Der Radcliffe ist auch rastlos.“, bemerkte die D/4. „Er will eine Schuld tilgen.“ „Genau das will ich.“, sagte Radcliffe. „Vielleicht könnt ihr mir dabei helfen. Ich will diese Anfälle nicht mehr. Kennt ihr, wer immer ihr seid, vielleicht eine Möglichkeit?“ „Der Radcliffe muss die Wahrheit finden.“, analysierte die D/4. „Aber dazu wird er Hilfe benötigen.“, fügte der Malcolm bei. „Die kann er bekommen.“, meinte die Nayale. „Er hat den Weg schon gesehen.“, sagte der Tilus. „Was meint ihr damit?“, fragte Radcliffe. „Der Radcliffe versteht immer noch nicht.“, stellten alle gemeinsam fest. „Dann helft mir!“, bat Radcliffe verzweifelt. „Ich will endlich eine Heilung von dieser Krankheit! Sie ruiniert mir alles!“ „Der Radcliffe wird bald wissen, was zu tun ist.“, sagte die Nayale. Dann hatte Nathaniel das Gefühl, erneut einem Drehschwindel zum Opfer zu fallen.

Er fand sich auf dem Boden seines Wohnzimmers liegend wieder. Er war noch sehr benommen, aber das Bild eines kristallenen Kegels, das sich noch in seinem Geist befand, ließ ihn nicht los. Je mehr er über dieses Bild nachdachte, desto sicherer wurde er, dass er diesen Kristall finden musste. Er schien auch genau zu fühlen, wo er sich befand. Es wahr ihm, als würde der Kristall nach ihm rufen. Er wusste, dass er sich wohl auf einem anderen Planeten befinden musste. Er würde ein Schiff benötigen. Aber dieses Problem hatte sich ja gerade gelöst. Schließlich war gerade eines genau vor seiner Nase gelandet und die dazugehörige Pilotin würde er schon überreden können. Spätestens, wenn sie hören würde, dass es um die Gesundheit seines Kindes ginge, würde sie nicht nein sagen können. Er beschloss, gleich in das Haus in der Nachbarschaft zu gehen, in das er meine Silhouette verschwinden sehen hatte.

Telzan saß mit Sytania gemeinsam in deren Thronsaal zusammen. Der Vendar war außer sich vor Begeisterung über das, was er soeben gesehen hatte. Die Prinzessin hatte ihn an ihrem kleinen telepathischen Streich teilhaben lassen. „Ihr wart großartig, Gebieterin!“, freute er sich. „Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr in der Lage seid, die Propheten von Bajor so täuschend echt zu emittieren. Und dann seid Ihr ja auch noch in mehrere Rollen geschlüpft! Nein, das hätte ich Euch wirklich nicht zugetraut!“ „Man muss schon manchmal über sich hinaus wachsen.“, sagte Sytania. „Gerade dann, wenn man einen solchen Plan verfolgt. Aber mein Plan, die Übergabe der Waffe zu vereiteln, ist nur die Vorstufe zu einem viel größeren Vorhaben.“ „Ich ahnte, dass Milady einen weiteren Plan haben.“, sagte Telzan und grinste sie teuflisch an. „Darf ich erfahren, welcher Natur der ist?“ „Alles zu seiner Zeit, mein lieber Telzan.“, sagte Sytania. „Du wirfst mir vor, ungeduldig zu sein, aber bist selbst auch nicht viel besser.“ „Ich möchte ja nur meine Möglichkeiten ausloten, Milady behilflich zu sein.“, beschwichtigte Telzan. „Die Möglichkeit wirst du noch früh genug bekommen.“, sagte Sytania. „Aber wie ich schon sagte. Alles zu seiner Zeit. Ich werde dir schon sagen, wenn es so weit ist. Vertrau mir. Das tust du doch, oder?“ „Natürlich, Hoheit.“, sagte Telzan und lehnte sich entspannt und wartend zurück.

Von Entspannung konnte bei mir nun wahrlich keine Rede sein. Nervös war ich zu meinem Sprechgerät gegangen und hatte das Rufzeichen der Zentrale von Rescue One nebst Unterrufzeichen des Aufenthaltsraumes eingegeben. Dass mir Tchey diese Daten gegeben hatte, durfte natürlich niemand wissen. Ich wusste, dass ich sie zu Hause wohl nicht erreichen würde, obwohl sie mir neulich geschrieben hatte, dass sie ihre freie Woche hatte.

Immer noch beeindruckt von D/4’s Erklärung saß Tchey stocksteif da. Sie hörte zwar das Signal der Sprechanlage, war aber total unfähig aufzustehen und dort hin zu gehen. Die Sonde hatte Dinge gesagt, die sie schwer verwirrt hatten. Dass D/4 so über sie dachte, hatte Tchey nicht im Geringsten für möglich gehalten. Ihre Coolheit, die sie sonst an den Tag gelegt hatte, bekam doch einige Risse. „Na komm schon, Tchey.“, zischte sie sich selbst zu. „Du bist doch sonst nicht so leicht zu beeindrucken.“

Sie schlich zur Sprechanlage hinüber die sie jetzt doch schon erheblich nervte. „Ja.“, flapste sie nur gelangweilt ins Mikrofon. Sie mochte es gar nicht, wenn die coole Tchey in so einem uncoolen Moment erwischt wurde, wie ihr die Knie weich wurden, auch, wenn diejenige, die sie erwischt hatte, eine alte Freundin aus Akademietagen war, wie sie am Rufzeichen unschwer ablesen konnte. „Na das is’ ja ’ne freundliche Begrüßung.“, lächelte ich ironisch zurück. „Sorry, Betsy.“, meinte sie. „Ich bin nur gerade völlig geplättet.“ „Das ist ja mal ganz was Neues.“, stellte ich fest. „Die unerschütterliche Tchey Neran-Jelquist ist total geplättet. Wer hat dir das angetan, he?“ „Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe hat mir das angetan, wenn du es genau wissen willst.“, gab sie zurück. „Ich sage dir. Ich hab’ keine Ahnung, ob Seven das schon mal bei Tom Paris geschafft hat, aber manche künstlichen Lebensformen verstehen es, einen zu überraschen. Ich dachte immer, sie toleriert mich nur, weil ich eine qualifizierte Pilotin bin. Aber sie hat mir auf ihre Weise zu verstehen gegeben, dass sie mich sogar mag. Was sagst du dazu?“ „Na ja.“, meinte ich. „Immerhin ist einer ihrer Urahnen ein Mensch gewesen. Wenn auch nur dessen Geist, aber du weißt schon. Die Xylianer können das. Sie können jemanden mögen. Da V’ger damals die menschlichen Gefühle erfahren wollte, als er sich mit Commander Decker vereinigte, …“ „Ich brauche keine Nachhilfe in Geschichte!“, unterbrach sie mich unwirsch, entschuldigte sich aber gleich wieder: „Sorry. War nicht so gemeint.“ „Schon gut.“, gab ich zurück und nahm im gleichen Augenblick das Piepen meiner Türsprechanlage wahr. „Ich muss Schluss machen.“, sagte ich. „Ich bekomme gerade Besuch.“ „Na dann.“, lächelte sie, die langsam ihre alte Coolheit wieder zu finden schien und beendete die Verbindung.

D/4, Malcolm und Nayale waren mit dem Jeep der Sonde immer noch auf dem Freeway nach Washington unterwegs. Nayale hatte sich zu ihrem Sohn auf die Rückbank gesetzt, um ihn besser beruhigen zu können, denn Malcolm war noch immer sehr aufgeregt. Kein Wunder! Er verstand ja nicht, was mit seinem Vater vorgegangen war. Dazu war er, wie sich die Sonde ausgedrückt hatte, noch nicht ausgereift genug. Bei seinem jetzigen Entwicklungsstand würde er die Dinge, so wie sie waren, wohl noch nicht begreifen. Aber Nayale und D/4 wussten, dass er sich sehr auf den Urlaub bei seiner Großmutter freuen würde.

Die Xylianerin lenkte den Jeep vom Freeway. Jetzt fuhren sie den Zubringer zum Raumflughafen entlang. „Wir werden den Raumflughafen in fünf Minuten erreicht haben.“, erklärte die Sonde. „Dann werden sich unsere Wege trennen.“

Sie griff ins Handschuhfach, was ihr trotz der Tatsache, dass sie das Fahrzeug fuhr, nur deswegen möglich war, da sie es über ein mobiles Antennenset, das sie in solchen Fällen immer bei sich trug, steuerte. Diesen Vorgang hatte Malcolm fasziniert beobachtet. Dann gab sie Nayale ein Pad. „Dies sind die Daten für Ihren Flug.“, erklärte sie. „Es ist die effizienteste Verbindung, die ich angesichts der Umstände finden konnte.“ „Danke, D/4.“, lächelte die junge Zeonide.

„Kann ich später, wenn ich groß bin, Technik wie du bedienen, Tante D?“, fragte der Junge von hinten. „Negativ.“, sagte die Sonde mild. „Dir fehlen dazu die notwendigen körperlichen Attribute. Die wirst du auch nie erhalten, weil du kein Xylianer werden kannst. Wir assimilieren niemanden, weißt du?“ „Was meint sie, Mummy?“, wendete sich Malcolm an seine Mutter. „Sie meint, dass es nicht geht.“, übersetzte Nayale. „Und das andere heißt, dass die Xylianer ganz anders mehr werden, als die Borg es tun.“ „Und wie werdet ihr mehr, Tante D?“, fragte Malcolm unbedarft und neugierig. „Wie macht ihr Babies?“ „Das fragt man nicht!“, zischte Nayale ihrem Sohn zu. „Ihre Ansicht ist meiner Meinung nach inkorrekt.“, sagte die Sonde vorsichtig, denn sie konnte sich denken, dass Nayales Reaktion aus dem Umstand rührte, dass ihr das Thema vielleicht selbst nur zu peinlich sein könnte. Bei Bioeinheiten hatte die Sonde ein solches Verhalten des Öfteren beobachten können. „Ich denke, Nayale.“, fuhr sie fort. „Dass man Protoeinheiten so früh wie möglich an adäquates Wissen mit ausreichenden Methoden heranführen sollte. Aber dies übersteigt meine Fähigkeiten. Die Daten sind komplex. Sie sollten bei Zeiten Allrounder Betsy Scott zur Einholung einer konvertierten Form der Daten kontaktieren. Ihr Talent, komplexe Daten auf ein Niveau zu konfigurieren, dass sie für Protoeinheiten verständlich werden, ist in ganz Little Federation unerreicht.“

Malcolm strahlte. Er hatte nichts von dem verstanden, was die Sonde gesagt hatte, aber mein Name war ihm ein Begriff. „Machen wir das, Mummy?!“, fragte er aufgeregt. „Reden wir mit Betsy?!“ „Sicher.“, versicherte Nayale. „Aber wir müssen schon schauen, wann sie da ist. Sie arbeitet ja für die Sternenflotte. Deshalb wird sie auch wissen, wie die Xylianer Babies machen.“ „Weiß man das, wenn man für die Sternenflotte arbeitet?!“, fragte Malcolm. Nayale nickte ihrem Sohn zu. „Dann will ich später auch für die Sternenflotte arbeiten.“, schloss der für sein Alter schon sehr intelligente kleine Junge. „Dazu ist eine sehr gute Schulbildung erforderlich.“, sagte D/4. „Ich werde ganz bestimmt ganz doll in der Schule aufpassen.“, erwiderte Malcolm.

Sie passierten das Tor zum Gelände des Flughafens. Die Sonde stellte ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz ab und alle drei entstiegen ihm. Dann half sie Nayale noch, die Koffer aus dem Gepäckraum zu holen. „Ist meine Assistenz weiterhin notwendig?“, wandte sie sich an Nayale. „Ich denke, den Rest schaffen wir allein.“, sagte die junge Zeonide und schnappte sich den größeren Koffer. Malcolm fasste ein Zugband, das sich an dem Kleineren befand und zog ihn damit hinter sich her. „Noch einmal danke für alles.“, lächelte Nayale der Sonde noch zu, bevor sie und der Junge hinter der Drehtür verschwanden. „Bitte pass auf meinen Dad auf, Tante D!“, rief Malcolm. „Ich werde auf deinen Vater achten.“, versprach die Sonde. Dann ging sie wieder zu ihrem Fahrzeug zurück, um nach Hause zu fahren. Was sich genau dort, oder besser in der unmittelbaren Nachbarschaft gerade abspielte, ahnte sie nicht.

Radcliffe stand blass und zitternd vor meiner Tür, als ich sie öffnete. „Wer sind Sie?“, fragte ich, die ihn ja noch nicht wirklich kannte. Durch die sehr blumigen Schilderungen von Tchey war er mir zwar in gewisser Weise beschrieben worden, dass sie aber einen Hang zur Übertreibung hatte, musste ich aber bei all diesen Dingen stets berücksichtigen. „Ich bin Nathaniel Radcliffe.“, stellte er sich vor. „Genauer Professor Nathaniel Radcliffe. Ich muss etwas mit Ihnen besprechen.“ „Angenehm.“, sagte ich ruhig und sachlich und gab ihm die Hand. „Allrounder Betsy Scott.“ Bei der Berührung unserer Hände war mir nicht entgangen, wie aufgeregt er zitterte. „Kommen Sie.“, sagte ich beruhigend und zog ihn Richtung Wohnzimmer. Hier führte ich ihn zu meiner Couch, wo er sich sofort erleichtert in die Kissen fallen ließ. Dies war für mich ein weiteres Zeichen dafür, dass etwas mit ihm nicht stimmen konnte. „Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte ich fürsorglich. „Soll ich unsere Nachbarin, Scientist Cupernica, holen? Sie ist Ärztin. Ich weiß, dass Sie erst hierher gezogen sind und hier noch niemanden kennen, aber …“ „Woher wissen Sie das?“, fragte Radcliffe. „Ich habe eine ziemlich gesprächige Freundin.“, gab ich zu. „Sie hat mir über Sie berichtet.“

Radcliffe begann zu schluchzen, eine Reaktion, die ich in diesem Zusammenhang nicht erwartet hätte. Eine Zurechtweisung oder anderes, das wäre wohl eher etwas Passendes gewesen, denn es war ja wirklich nicht gerade höflich, jemandem mit einer vorgefertigten Meinung, die noch dazu nur aus Klatsch und Tratsch bestand, zu begegnen. Sein Verhalten hatte mich derart alarmiert, dass ich nicht anders konnte, als mich sofort neben ihn zu setzen. „Was haben Sie?“, fragte ich und ergriff seine linke Hand, seine kalte linke Hand, die wohl aufgrund seiner Kreislaufsituation nicht wirklich warm sein konnte: „Habe ich etwas Falsches gesagt?“ „Im Gegenteil.“, antwortete Radcliffe und holte einige Male tief Luft. „Wenn Sie schon so viel über mich wissen, dann muss ich die ganze peinliche Geschichte ja nicht noch vor Ihnen ausbreiten.“ „Hängt davon ab, ob mein Wissen richtig ist.“, sagte ich. „Meine Freundin hat mir zum Beispiel geschrieben, dass Sie sich von Zeit zu Zeit für Captain Sisko halten. Ist das richtig?“ Er atmete auf und griff meine Hand fester. „Ganz ruhig.“, sagte ich, die ich bereits erkannt hatte, wie nah wir an der Wahrheit sein mussten. „Es kommt in Schüben!“, platzte es aus ihm heraus. „Aber dann werde ich auch gefährlich für meine Umwelt! Beim letzten Anfall wollte ich meine Frau und meinen Sohn verletzen! Ich erinnere mich nicht selbst! Es wurde mir nur erzählt!“ „Schschsch.“, machte ich. „Waren Sie damit schon einmal bei einem Psychologen?“ „Nicht nur bei einem!“, schrie Radcliffe verzweifelt. „Was glauben Sie, was ich schon für eine Odyssee hinter mir habe! Aber seit heute weiß ich, was ich tun muss, um diese Anfälle endlich zu besiegen! Ich weiß auch schon, wer mir dabei helfen wird, nämlich Sie!“ „Oh.“, sagte ich verschämt. „Ich fürchte, dass hier ein Missverständnis vorliegt. Wissen Sie, ich bin ausgebildete Kommunikationsoffizierin und Raumschiffpilotin. Aber ich habe keine medizinischen oder psychologischen Kenntnisse. Wie soll ich …“ „Aber das ist genau das, was ich brauche, eine Raumschiffpilotin!“, sagte Radcliffe mit Überzeugung. „Eine Raumschiffpilotin und ihr Schiff!“ „Ich könnte meinem Commander die Situation zu erklären versuchen.“, bot ich an. „Allerdings bezweifle ich, dass wir unter den gegebenen Umständen die Granger und die Erlaubnis zu dieser Mission bekommen.“ „Nein.“, sagte Radcliffe. „So meinte ich das auch nicht. Ich sprach von Ihrem Schiff. Von dem Schiff, das draußen auf der Wiese steht.“

Ich fuhr erschrocken zusammen. Er musste unsere Ankunft beobachtet haben. „Sie tragen Zivil.“, setzte er mir weiter zu. „Das heißt, Sie sind im Urlaub und können doch dann wohl machen, was Ihnen gefällt. Bitte, helfen Sie mir, Allrounder Betsy Scott! Bitte! Wenn Sie es schon nicht für mich tun wollen, dann bitte für mein armes Kind und meine arme Frau. Wenn ich die Krankheit endlich los bin, dann können sie auch ohne Gefahr zu mir zurückkehren. Bitte, tun Sie es für sie! Bitte, bitte, bitte!“

Er fiel vor mir auf die Knie. Seine Verzweiflung war für mich überdeutlich geworden. Ich pfiff plötzlich auf alle Gegenargumente und sagte, während ich versuchte, ihn wieder auf die Beine zu ziehen: „Packen Sie ein, was Sie benötigen, Professor Radcliffe. Wir treffen uns dann bei Lycira!“ „Lycira heißt Ihr Schiff?“, erkundigte er sich. „Das ist kein typischer Name für ein Shuttle der Sternenflotte.“ „Sie ist auch kein Sternenflottenschiff.“, erklärte ich. „Aber ich werde Ihnen alles auf dem Flug erklären. Das wird nämlich eine längere Geschichte.“ „Gut.“, sagte Radcliffe und wandte sich zum Gehen. Ich hingegen, die ich meinen Koffer noch nicht ausgepackt hatte, schnappte diesen und ging aus dem Haus in Richtung von Lycira. Ich wusste, dass ich unbedingt vor ihm bei ihr sein musste, denn es würde sicher ein ziemliches Stück Arbeit werden, sie davon zu überzeugen, dass wir Radcliffe helfen mussten. Radcliffe, vor dem sie mich ja indirekt gewarnt hatte.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.