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Nicht nur D/4 und Sedrin, auch Kamurus und Ginalla, hatten ihre Geschichten ausgetauscht. Die junge Celsianerin hatte buchstäblich Bauklötze gestaunt über das, was ihr Schiff ihr berichtet hatte. „Wow!“, machte sie. „Das würde ich keinem Schwanz glauben, wenn es mir jemand anderes als du erzählt hätte. Aber weil wir zwei uns nun mal so gut verstehen, mache ich mal eine Ausnahme. Wo ist dieser Brotheas jetzt?“ „Er ist seiner Wege geflogen, nachdem er mich abgesetzt hat, Ginalla.“, antwortete Kamurus. „Ich habe ihn leider nicht wiedergesehen.“ „Schade.“, sagte Ginalla. „Ich hätte mich gern beim Lebensretter meines Schiffes bedankt, weißt du?“ „Das kann ich mir denken.“, tröstete Kamurus. „Aber vielleicht ergibt sich die Gelegenheit ja noch mal. Die Terraner sagen schließlich, man sieht sich immer zwei mal im Leben oder so. Würde mich ja nich’ schwer wundern, wenn wir deinem neuen Freund noch mal über den Weg stolpern.“ „Ich würde es auch sehr begrüßen.“, stimmte das selbstständig denkende Schiff zu. „Ich habe ihm nämlich von dir erzählt.“ „Hoffentlich nur Gutes.“, grinste Ginalla. „Ich hoffe, die Vergangenheit hast du weggelassen.“ „Ich habe Brotheas nicht jedes Detail verraten.“, beruhigte der Avatar und sah sie weich an. „Ich habe ihm nur im Groben erzählt, wer du bist und dass wir zusammen schon eine Menge durchgemacht haben.“ „Oh ja.“, sagte Ginalla bestätigend. „Das haben wir.“

Kamurus schaltete seinen Antrieb von Interdimensionsflug auf normalen Warpantrieb um. „Sind wir schon da?“, fragte Ginalla erstaunt, die ihm die Steuerkontrolle überlassen hatte. „Ja, das sind wir.“, bestätigte Kamurus. „Zumindest fast. Sharie und ich wohnen gleich da drüben.“ „Beim nächsten Kometen rechts ab, wie!“, lästerte Ginalla.

Kamurus setzte einen SITCH ab, der bald darauf von einer aufgeregten Sharie beantwortet wurde: „Bist du es, Kamurus?!“ „Ja.“, beruhigte er sie. „Ich bin zurück, Sharie.“, erklärte Kamurus dann. „Ich habe Ginalla mitgebracht.“ „Den Erbauern sei Dank.“, gab Sharie zurück und klang dabei immer noch recht aufgeregt. „Geht es Lycira schlechter?“, fragte Kamurus. „Das nicht.“, sagte Sharie. „Aber sie hat mir von Dingen berichtet, die eigentlich nicht sein können. Sie sagt, in einer alternierenden Realität, die jetzt aber nicht mehr existiere, hätten wir statt einer leiblichen Tochter einen adoptierten Sohn und ich hätte Tchey sogar geholfen, einer Q die Augen zu öffnen. Kannst du dir so was vorstellen?!“ „Vielleicht hat sie ein Datenproblem.“, meinte Kamurus. „Ich stelle dich mal am besten an Ginalla durch. Sie wird den Rest mit dir besprechen. Schildere ihr am besten noch einmal alles.“ „OK.“, sagte Sharie und wartete ab.

Das Gesicht des fremden Avatars zu sehen, bereitete Ginalla zunächst etwas Verwirrung. Dann aber sagte sie: „Hi, Sharie! Ich bin Ginalla, der Schrecken aller Fehlerquellen. Wenn irgendwas mit deiner Freundin ist, dann kriege ich das schon raus! Da kannst du einen drauf lassen! Kamurus hat mir alles erzählt und ich weiß, wer Lycira is’. Ich krieg’ sie schon wieder hin!“

Sie gingen längsseits. „Du beamst mich besser gleich rüber.“, sagte Ginalla zu ihrem Schiff. „Dann werde ich mal sehen, was ich für den gestreiften Kürbis da draußen tun kann.“ Sie musste grinsen. „In Ordnung.“, sagte Kamurus. „Aber an deiner Stelle würde ich erst mal ins Auswurffach meines Replikators schauen.“

Ginalla drehte sich in die Richtung und erblickte im Fach eine nagelneue Werkzeugtasche! „Danke, Kumpel!“, sagte sie strahlend. „Wenn ich dich nich’ hätte und die dicken Kartoffeln! Mir is’ da nämlich was echt Peinliches passiert. Ich hab’ meine Werkzeugtasche vergessen.“ „Ginalla!!!“, sagte der Schiffsavatar, bekreuzigte sich drei mal und machte ein verschämtes Gesicht, während er dann die Hände vor selbigem zusammenschlug. „Und so was passiert einer Celsianerin, die sonst ohne ihre Werkzeugtasche nirgendwo hingeht. Es könnte doch überall was zu reparieren geben! Technik ist doch euer größtes Hobby!“ Er schämte sich übertrieben stark fremd, was Ginalla kurzzeitig zum Lachen brachte. „Was glaubst du, warum mir das so peinlich is’?“, fragte Ginalla und schulterte die Tasche. „Aber jetzt mach! Oder soll es Lycira noch weiterhin schlecht gehen?! Ach, was mich noch interessieren würde: Du hast mir erzählt, du hättest ein Antriebsmodul für sie repliziert, aber dein Replikator hat ja schon bei dieser Tasche hier ein volles Fach. Wie hast du das hingekriegt? Ich meine, das hier is’ kein Industriereplikator.“ „Ich habe die Teile einzeln repliziert und sie dann in den Transporterpuffer gebeamt.“, erklärte Kamurus. „Dann habe ich die Profile der Reihe nach so in eine Datei gespeichert, dass beim Materialisieren ein ganzes Gerät dabei herauskommen musste. Dann habe ich es im Weltraum materialisiert.“ „Clever hilft sich.“, lobte Ginalla. „Aber jetzt bring mich bitte zu unserer Havaristin.“ „Wie du willst.“, sagte das Schiff und erfasste sie mit dem Transporter, um sie wenig später an Bord von Lycira abzusetzen.

Ginalla war erstaunt, sich im Cockpit dieses für sie sehr merkwürdig anmutenden Schiffes wieder zu finden. Sie hatte sich zwar schon anhand von Lyciras Äußerem vorstellen können, dass hier einiges nicht so sein könnte, wie sie es gewohnt war, aber mit dem, was sie hier vorfand, hatte wohl noch nicht mal die kesse Celsianerin gerechnet. Einen Anschluss für einen Neurokoppler suchte sie vergeblich und auch sonst erinnerte sie nichts an Raumschiffe, wie sie diese gewohnt war. Allerdings fielen ihr sofort die handtellergroßen Vertiefungen auf, die sich auf der Konsole für den Piloten und für den Copiloten befanden. Sie legte ihre Hände nichts ahnend hinein und wollte sie am liebsten gar nicht mehr entfernen, denn jetzt bemerkte sie, wie weich die Vertiefungen waren. Is’ ja irre!, dachte sie. Wo kriegt man so ’ne Konsole her? Oh, die habe ich schon, seit ich denken kann., hörte sie Lyciras telepathische Stimme.

Ginalla erschrak und wollte zurückweichen, aber dann riss sie sich doch zusammen. Kamurus hatte sie schließlich schon vorgewarnt. Du kommunizierst ja tatsächlich telepathisch!, bemerkte die Celsianerin in Gedanken. Erst habe ich gedacht, Kamurus will mir Astronautengarn vorspinnen. Wie du siehst, wollte er das nicht., antwortete Lycira. Das glaubt mir kein Schwein, wenn ich das zu Hause erzähle., dachte Ginalla. Du bist also Betsys Schiff? Wo hat sie dich denn aufgegabelt? Ich glaube, ich bin ihr sozusagen passiert., antwortete Lycira. Aber das ist eine lange Geschichte.

Der Avatar vor Ginallas geistigem Auge machte ein Schmerz verzerrtes Gesicht. Schon gut., tröstete Ginalla. Ich bin ja schließlich hier, um dich zu reparieren. Alles andere können wir dann ja immer noch bereden. Du kannst der neugierigen Ginalla später ja immer noch Rede und Antwort stehen. Aber jetzt zeig mir erst mal, wie ich zu deinem Wartungsschacht komme.

Lycira öffnete die Tür zur Achterkabine und ließ Ginalla hindurchgehen. Dann entsicherte sie einen Wartungsschacht. „Ah, hier is’ es also.“, flüsterte die Celsianerin und beugte sich hinunter, um in den Schacht zu sehen. Als Erstes fiel ihr Blick auf das Antriebsmodul, das etwas quer in dem Schacht steckte. „Schief is’ englisch und englisch is’ modern!“, lästerte sie. Dann nahm sie ihr Sprechgerät und gab das Rufzeichen ihres Schiffes ein.

„Was gibt es denn, Ginalla.“, meldete sich Kamurus freundlich. „Ich habe das Problem!“, antwortete die kesse Celsianerin triumphierend. „Du musst das Modul um 45 Grad im Uhrzeigersinn drehen. Dann passt es schon. Wenn wir das gemacht haben, beam mir bitte einige Anschlussmodule her. Irgendwie muss es ja Saft kriegen. Ach, und erklär Lycira bitte, sie soll etwas Strom hindurchleiten, wenn ich es sage, damit ich es durchmessen kann.“ „In Ordnung, Ginalla.“, sagte Kamurus und erfasste das Modul mit dem Transporter, um es zu drehen. Dazu beamte er es zunächst heraus, drehte sein gesamtes Profil um den von Ginalla angegebenen Winkel und materialisierte es danach wieder an Ort und Stelle. „Maßarbeit, Kumpel.“, lobte Ginalla. „Und jetzt die Module! Sag mal, warum ist euch die Schieflage nicht aufgefallen?“ „Das ist sie ja.“, sagte Kamurus. „Aber um sie zu korrigieren, hatten weder Sharie noch ich wohl den richtigen Blickwinkel. Aber jetzt bekommst du erst mal deine Module.“

Vor Ginalla auf dem Boden lag bald darauf ein Paket mit den passenden Anschlussmodulen. „Heißen Dank.“, grinste sie und riss es auf. Dann verband sie den neuen Antrieb mit Lyciras Energieversorgung und der notwendigen Steuereinheit. Dann holte sie ein Messgerät aus ihrer Werkzeugtasche und schloss es an. „OK, Kamurus.“, gab sie dann über die noch immer bestehende Sprechverbindung durch. „Sag ihr mal, sie soll etwas Saft geben. Frag sie, ob sie weiß, was Prüfspannung ist! Ich kann im Moment ja selbst nich’ mit ihr reden!“ „Schon gut, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Falls sie es nicht weiß, erkläre ich ihr das mit der Prüfspannung.“

Ginalla nahm das Messgerät in die Hand und betrachtete sein Display. Bald darauf sah sie einen ersten Ausschlag. „Na bitte!“, grinste sie und entfernte ihr Werkzeug. Dann schloss sie den Wartungsschacht wieder, während sie noch sagte: „Sitzt, passt, wackelt und hat Luft! Jetzt dürfte es Lycira wieder bessergehen, Kamurus, nich’ wahr?“ „Es geht ihr in der Tat viel besser, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Ich hole dich wieder an Bord. Wir müssen alle etwas besprechen.“ „Na schön.“, sagte Ginalla und schulterte ihre Tasche: „Aktivieren!“

Wieder an Bord von Kamurus setzte Ginalla gleich wieder ihren Neurokoppler auf. Vor sich sah sie jetzt die Avatare von Kamurus, Sharie und Lycira. Aber bei ihnen war auch ein kleines Mädchen. „Wer bist du denn, Süßmaus?“, fragte Ginalla und grinste die Kleine an. „Ich bin Kamura.“, sagte sie. „Ich bin der Avatar von Kamurus’ und Sharies Tochter.“ „Faszinierend.“, sagte Ginalla bedient und musste erst mal tief durchatmen. „Ich will gar nich’ wissen, wie ihr das gemacht habt. Aber was habe ich mit eurer Familie zu tun?“ „Es geht im weitesten Sinne um die Kleine.“, sagte Kamurus. „Lycira hat Kamura und Sharie die Geschichte von der alternierenden Realität erzählt, die sie aus den Erinnerungen ihrer Pilotin hat. Sharie war davon so fasziniert, dass sie mich und dich unbedingt begleiten will. Sie meint, dass ihre Pilotin Tchey uns sogar helfen kann. Aber wer passt dann auf Kamura auf?“ „Das kann ich doch übernehmen.“, bot Lycira an. „Schließlich schulde ich euch jetzt was.“ „Oh ja, Tante Lycira!“, quietschte Kamura. „Na gut.“, erklärten sich Kamurus und Sharie wie aus einem Munde einverstanden. „Dann wäre das ja geklärt.“, sagte Ginalla. „Dann lass uns mal machen, das wir los kommen, Kamurus.“ „Wie du willst.“, sagte Kamurus und verabschiedete sich noch per Signal mit dem Positionslicht von seiner Tochter. Dann aktivierte er seinen Impulsantrieb. Auch Sharie tat es ihm gleich und folgte.

Auch Scotty beschäftigte sich zur gleichen Zeit mit einer technischen Angelegenheit. Er hatte IDUSA ein letztes Mal untersucht, wie Shimar es sich erbeten hatte. „Sie schnurrt wie ’n Raubkätzchen, Kumpel.“, sagte der Terraner, nachdem er seine Untersuchung abgeschlossen hatte. „Ich habe ihr sogar noch Energie von uns gegeben, damit sie nicht gleich wieder die nächste Sonne anpumpen muss.“ „Zu liebenswürdig.“, lächelte der Tindaraner und stieg ins Cockpit. Dann setzte er seinen Neurokoppler auf und gab IDUSA einen Befehl auf Tindaranisch, auf den hin sie die Luke blockierte. „Willst du mit offener Tür fliegen?“, fragte Scotty. „Willst du hier Wurzeln schlagen?“, fragte Shimar zurück. „IDUSA und ich bringen dich zur Erde und dann kannst du dich und mich bei Betsys Beerdigung würdig vertreten. Ich kann leider nicht. Ich muss einrücken! Einer muss der Granger ja helfen bei diesem Selbstmordkommando!“ „Was?!“, rief Scotty empört, der keine Kenntnis über den Inhalt der Mail hatte, die Shimar von Zirell bekommen hatte. „Welches Selbstmordkommando?“, wollte er wissen. „Was hat Kissara vor?“

Shimar sah ihn genervt an. Es gefiel dem jungen Tindaraner gar nicht, dass sein Freund solche Dinge offenbar buchstäblich zwischen Tür und Angel besprechen wollte. „Steig ein, verdammt!“, zischte er und deutete auf den Sitz neben dem Seinen. „Also gut.“, sagte Scotty und folgte seiner Aufforderung.

Shimar befahl seinem Schiff, die Luke zu schließen und dann starteten sie. „Nimm dir bitte den zweiten Neurokoppler!“, sagte Shimar mit einer Bestimmtheit, die Scotty sonst nicht von ihm gewohnt war. „Wenn du mir das erlaubst.“, schloss der Ingenieur. „Dann hast du wohl doch vor, mich in eure Kommunikation mit einzubinden.“ „Das stimmt schon in gewisser Hinsicht.“, bestätigte der tindaranische Pilot leicht nervös, denn mit der Komplikation eines zu neugierigen Freundes hatte wohl niemand gerechnet. Er wohl am allerwenigsten, denn er hatte wohl gedacht, dass Scotty ja wohl sehr gut wissen musste, dass manche Dinge besser geheim gehalten wurden. Er hatte ja schließlich auch eine militärische Ausbildung und musste das doch eigentlich wissen. Aufgrund der Freundschaft zwischen ihm und Shimar konnte dieser aber auch in den Gewissenskonflikt geraten, doch unter Umständen etwas zu verraten.

IDUSA, die bis dahin beide Tabellen geladen hatte, löschte Scottys plötzlich. Jetzt konnte nur Shimar sie noch sehen und hören. „Sind sie in Ordnung, Shimar?“, fragte sie. Ja, ich bin OK, IDUSA., gab Shimar nur in Gedanken zurück, was völlig entgegen seiner bisherigen Gewohnheit war. Sonst hatte er, wenn er sich mit dem Schiffsavatar unterhalten hatte, seine Äußerungen auch verbal getätigt. Aber jetzt war es wohl wichtig, dass Scotty nicht mitbekam, worüber sie sprachen und das konnte nur gewährleistet werden, wenn er sich und das Schiff nicht verriet. Für IDUSA war es ja kein Problem, seinen Gedanken über den Neurokoppler zu folgen. „Da muss ich Ihnen leider widersprechen, Shimar.“, stellte das Schiff fest. „Ihren medizinischen Werten nach sind Sie hoch aufgeregt. Ist es etwa wegen unseres Einsatzbefehls und der Anwesenheit von Techniker Scott? Falls ja, kann ich Sie, denke ich, beruhigen. Bevor er auf einer zivilen Werft gearbeitet hat, war Techniker Scott auch ein Angehöriger einer Streitmacht wie Sie. Sie beide haben im Prinzip die gleiche Grundausbildung und für Sie beide gelten die gleichen Regeln. Es erscheint mir daher unlogisch, dass Sie ihn von jeglicher Zusammenarbeit mit uns ausschließen wollen.“ Ich will nicht, ich muss!, dachte Shimar. „Bitte erklären Sie mir das.“, bat IDUSA.

Shimar fiel auf, dass er das Pad, das er von Jasmin bekommen hatte, immer noch in seiner Tasche trug. Er nahm es heraus und schloss es an IDUSAs Datenport an. Da hast du deine Erklärung., dachte er. Lies dir die Datei durch, die sich in diesem Pad befindet!

Eine Leuchte am Pad und eine am Datenport zeigten IDUSAs Zugriff auf die Datei an. Wenig später beendete das Schiff die Verbindung aber schon wieder. „Das sind Befehle von der Zusammenkunft.“, fasste sie den Inhalt zusammen. „Die tindaranischen Streitkräfte sollen die USS Granger bei ihrem Vorhaben unterstützen, die böse Sternenflotte zu beschäftigen, damit sie nicht auf die Idee kommen, unschuldige Planeten anzugreifen. Die Zusammenkunft befürchtet wohl sonst einen kriegerischen Akt in Sytanias Namen von ihnen.“ Das stimmt., dachte Shimar. Wir sollen sie lähmen und ihnen so viel Schaden zufügen, dass ein solcher Angriff für sie unmöglich wird, bis wir eine Möglichkeit gefunden haben, sie wieder mit ihren positiven Ich’s zu vereinen. Wenn wir sie vernichten würden, würden wir Gefahr laufen, dass auch unsere Verbündeten im gleichen Moment vernichtet werden. Die Zusammenkunft und ihre Wissenschaftler haben die Theorie, dass noch immer eine Verbindung zu ihren positiven Gegenstücken besteht. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte IDUSA. „Ein Phaserschuss mit Rosannium auf diese Verbindung könnte unter Umständen tatsächlich beide töten. Aber aus der Mail geht auch hervor, dass Sie zum Staffelführer ernannt worden sind, Shimar und dass wir den Konvoy am Rand des terranischen Sonnensystems treffen werden. Ich frage mich allerdings, warum die Zusammenkunft trotz Ihres geringen Alters gerade Ihnen eine solche Aufgabe aufbürdet.“ Ich denke, es ist wegen meiner Beziehung zu Betsy., vermutete Shimar. Ich kenne mich mit den Gepflogenheiten auf der Granger etwas aus und genieße aufgrund dessen auch ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihrem Commander. Ich denke, die Zusammenkunft denkt, dass Kissara mir eher vertraut, als irgendeinem anderen älteren Offizier. „Verzeihen Sie mir.“, sagte IDUSA. „Aber das verstehe ich nicht. Das sind doch eigentlich keine rationalen Überlegungen.“ Mir ist klar, dass du das nicht verstehst., tröstete Shimar. Du bist eine Maschine und kannst daher Emotionales nicht wirklich erfassen. Das ist ja auch nicht schlimm. Du bist ja durch die Lex Technologica auch abgesichert. Was diktiert sie dir denn in so einem Fall, he? „In Situationen, die ich selbst nicht erfassen kann, die aber für meinen biologischen Piloten erfassbar sind, ist seinem Urteil zu folgen. §18 Unterabschnitt 14 d der Lex Technologica.“, zitierte IDUSA einen Paragraphen aus dem genannten Regelwerk. Richtig!, nickte Shimar. Und was bedeutet das? „Es bedeutet.“, schlussfolgerte das Schiff. „Dass ich Ihnen in dieser Hinsicht einfach vertraue. Bitte verzeihen Sie, dass ich Ihr Urteil hinterfragt habe.“ Da gibt es nichts zu verzeihen., dachte Shimar und visualisierte sein Gesicht mit tröstendem Blick. Ich finde es viel besser, wenn wir über alles reden, als wenn du nur zu allem Ja und Amen sagst. Es hat ja schon Situationen gegeben, in denen uns unsere Diskussionen dann zu ganz anderen Lösungen gebracht haben, die sich am Ende als richtig herausgestellt hatten. Mal hast du Recht, mal habe ich vielleicht Recht und ich persönlich finde es viel besser, das vor einer Handlung zu klären. Dann passieren am Ende auch weniger Fehler. „Da haben Sie Recht.“, sagte IDUSA, die seine Einlassung durchaus anhand von Daten aus der eigenen Datenbank bestätigen konnte. „Ich werde Ihnen also bezüglich Commander Kissara und der Entscheidung der Zusammenkunft vollends vertrauen.“ Danke, IDUSA.“, dachte Shimar lächelnd.

„Jemand zu Hause?“ Shimar hatte nicht bemerkt, dass Scotty ihn angesprochen hatte. „Was?“, sagte er daher nur und drehte sich erst jetzt zu dem neben ihm sitzenden Terraner um. „Warum hat sie mich abgeschnitten?“, fragte Scotty. „Hattet ihr tindaranische Militärgeheimnisse zu bereden? Ich darf dich erinnern, mein Freund, dass es zwischen uns so was eigentlich nicht geben sollte. Schließlich sind wir Verbündete und wir zwei persönlich sind sogar Freunde. Also, spuck’s aus!“ „IDUSA hat da was nicht verstanden.“, redete sich Shimar raus. „Ich musste es ihr erklären.“ „Das kannst du deiner Großmutter erzählen!“, schnodderte Scotty. „Damit lasse ich mich nicht abspeisen! Wieso behandelst du mich eigentlich wie einen dummen Zivilisten, der von nichts eine Ahnung hat? Ich bin sicher, das wirst du noch mal bitter bereuen, wenn du mich nicht mitmischen lässt! Ich wette mit dir, dass ich von großem Nutzen sein kann!“ „Na schön.“, überlegte Shimar. „Vielleicht kannst du uns ja wirklich helfen. Schließlich bist du Ingenieur und erkennst die technischen Schwachpunkte der negativen Sternenflotte sicher viel besser, als einer von uns das je könnte.“ „Das will ich doch wohl meinen.“, grinste Scotty. „Ich frage mich bloß, wie ich Commander Zirell das erklären soll.“, dachte Shimar halblaut nach. „Lass mich mit ihr reden.“, schlug Scotty vor. „Ich bin sicher, die wird sachlichen Argumenten gegenüber nicht abgeneigt sein.“ „Also gut.“, sagte Shimar und befahl IDUSA: „Lade Scottys Reaktionstabelle wieder und verbinde ihn mit Commander Zirell!“ „Wie Sie wünschen.“, sagte das Schiff nüchtern und baute die Verbindung auf.

Zirell war überrascht, nach Annahme der Verbindung in Scottys Gesicht zu sehen. „Was machst du an Bord von Shimars Schiff?“, fragte sie, die Scotty auch entfernt kannte. „Euch behilflich sein.“, sagte Scotty knapp, als wäre es das Natürlichste der Welt. „Ich kenne Sternenflottenschiffe aus dem FF. Das heißt, ich weiß genau, wie sie ticken. Vielleicht kann ich euch ja eine Möglichkeit nennen, bei der ihr keinen einzigen Schuss abgeben müsst.“ Er ließ die Sendetaste auf dem virtuellen Schirm los, um seinen Satz auf sie wirken zu lassen.

Die ältere Telepathin war hin und her gerissen. Sie ahnte, dass in Scottys Gehirn wohl etwas am Reifen war, konnte es aber noch nicht definieren. Das Einzige, das sie sicher wusste, war, dass er sich auch schon in der Vergangenheit als fabelhafter Problemlöser entpuppt hatte. „Wie soll ich das verstehen?“, fragte sie schließlich. „Das wirst du sehen.“, sprach Scotty sie betont korrekt in tindaranischer Anredeweise an. „Wenn du mich machen lässt. Dein Flieger, sein Schiff und ich, wir werden der negativen Sternenflotte ein Ei ins Nest legen, von dem sie noch ihren Enkelkindern erzählen werden!“ „Du machst mich wirklich neugierig.“, gab Zirell zu. „Also gut. Ich weiß ja, dass du gut auf dich aufpassen kannst und die Risiken durchaus selbst für dich abwägen kannst aufgrund deiner Ausbildung. Von mir aus kannst du also mit an der Schlacht teilnehmen.“ „Danke, Zirell.“, sagte Scotty und IDUSA beendete die Verbindung. Dass Zirell sich ködern lassen hatte, das wusste sie, aber aufgrund ihrer Einschätzung war das Risiko für Scotty, wie gesagt, ja auch vertretbar. Aber auch ihre Neugier war sehr groß. Was plante er? Wie wollte er die negative Sternenflotte besiegen, ohne einen einzigen Schuss abzugeben? Sie wusste, dass sie, wenn sie ihre Erlaubnis nicht gegeben hätte, niemals Antworten auf diese Fragen bekommen würde.

Maron hatte die Kommandozentrale betreten. Zirell hatte ihren ersten Offizier zunächst weder telepathisch noch mit den Augen wahrgenommen, denn sie war noch immer mit dem beschäftigt, was ihr Scotty gesagt hatte.

„Zirell?“ Sie hatte erst jetzt bemerkt, dass Maron sie angesprochen hatte. Langsam wandte sie den Kopf mit nachdenklichem Blick in seine Richtung. „Was beschäftigt dich?“, fragte der Demetaner, der sich denken konnte, dass sie ein solches Verhalten nicht immer an den Tag legte. Nur dann, wenn wirklich etwas nicht stimmte, hatte er dies bei ihr beobachtet. „Du wirst es nicht glauben, Maron.“, sagte sie schließlich. „Techniker Scott wird uns bei unserem Versuch, die Granger vor Schaden zu bewahren, unterstützen.“ „Scott?“, fragte der erste Offizier und kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Na, Allrounder Betsy Scotts Ehemann!“, half ihm Zirell auf die Sprünge. „Ursprünglich hatte Shimar Befehl, ihn nur mit zur Erde zu nehmen. Das weißt du. Aber ich bin sicher, wenn er das tun würde und ihn dort einfach nur absetzen würde, dann würden wir uns gehörig ins eigene Fleisch schneiden. Scotty hat genau die gleiche Ausbildung wie wir. Ich denke durchaus, dass er …“ „Techniker Scott ist Zivilist, seitdem er aus dem Interdimensionswirbel gekommen ist!“, unterbrach Maron sie. „Seine Ausbildung bei der Sternenflotte ist quasi 1000 Jahre her. Du kannst nicht erwarten, dass er Sternenflottenschiffe von heute und vor allem ihre Schwachpunkte so gut kennt, wie es vielleicht zu seinen Glanzzeiten der Fall war. Der Interdimensionswirbel hat …“ „Der hat ihn gar nichts vergessen lassen!“, sagte Zirell bestimmt. „Außerdem ist Scotty sehr anpassungsfähig, was solche Dinge angeht. Er wird das schon machen. Ich denke, wir können und sollten uns auf ihn verlassen. Er hat mir gesagt, dass er einen Plan hat, bei dem wir unter Umständen keinen einzigen Schuss abgeben müssen. Ich bin neugierig, was das für ein Plan ist.“ „Du hasst dich ködern lassen!“, warf Maron ihr vor. „Du riskierst das Leben unserer Leute, um deine eigene Neugier zu befriedigen?!“, fragte Maron empört. „Wenn du das wirklich tust, dann bist du nicht besser als Sytania!“ „Das habe ich nicht gesagt.“, antwortete Zirell im Vergleich zu ihm sehr ruhig. „Ich werde es sogar der Zusammenkunft melden. Aber ich bin sicher, sie werden Scottys Plan auch zustimmen.“ „Kennst du denn seinen Plan?“, fragte Maron. „Ich habe nur in seinem Geist sehen können, dass er einen hat.“, antwortete Zirell, die dies, als einzige Tindaranerin, ja beurteilen konnte. „Er hat etwas vor und ich vertraue ihm. Ich meine, es ist Scotty!“ „Ich würde McKnight auch mein Leben anvertrauen, wenn es von ihrer technischen Expertise abhinge.“, musste Maron zugeben. „Na also.“, sagte Zirell und grinste ihn an. „Und sie ist ja auch nur eine Astronautin aus dem 21. Jahrhundert, die ein Wirbel zu uns gespült hat. Aber sie ist ein technisches Genie und das ist Scotty auch.“ „Ich weiß.“, sagte Maron und seufzte.

„Was beschäftigt dich?“, fragte dieses Mal Zirell. „Ich müsste mit unserem technischen Genie noch einiges klären.“, antwortete der Spionageoffizier. „Und was wäre das?“, fragte Zirell. „Es geht um die Daten der Xylianer.“, sagte Maron. „Ich meine, mir will einfach nicht in den Kopf, wie sie das angestellt haben. Insbesondere stört mich dieser Eintrag aus Siskos Logbuch, den sie anscheinend ohne Beschädigung rekonstruiert haben. Wieso geht das, wenn Sisko ihn gelöscht hat? Ich denke viel eher, dass die Xylianer ihn zusammengeschnitten haben und die Schnitte retuschiert haben. So klingt er, als wäre er so verfasst worden und wir merken nicht, dass …“ „Du willst den Xylianern doch nicht etwa unterstellen, dass sie uns alle belügen!!!“, fuhr Zirell ihn an. „Ich unterstelle niemandem etwas ohne Beweise.“, verteidigte sich der Demetaner. „Das darf ich schon von Berufswegen nicht. Aber ich wünschte, dass es so wäre.“ „Warum begrüßt du es, wenn ein politischer Verbündeter uns die Unwahrheit vorspiegelt?“, fragte Zirell, die über sein Verhalten sehr verwirrt war. „Warum hoffst du darauf?!“ Sie sah ihn streng an.

Maron wankte auf seinen Stuhl zu und setzte sich. Zirell aber blieb völlig unbeeindruckt auf ihrem Platz sitzen und beobachtete das Schauspiel nur. Sie fixierte ihn mit den Augen, denn sie wusste, dass sie ihn jetzt genau dort hatte, wo sie ihn haben wollte.

„Beantworte meine Frage!“, befahl Zirell. „Und beantworte sie ehrlich! Du weißt, dass ich das jederzeit überprüfen kann!“ „Weil ich lieber einem Außenstehenden eine Lüge unterstelle, als zugeben zu müssen, dass ein Kamerad Mist gebaut hat, Zirell.“, sagte Maron geknickt, fühlte sich aber im gleichen Augenblick auch sehr erleichtert. „Als Mist würde ich den geplanten Mord an den romulanischen Gesandten nun wirklich nicht bezeichnen.“, sagte Zirell. „Du hast Recht.“, sagte Maron und schämte sich fremd. „Das klingt viel zu harmlos! Das ist ein Verbrechen, das ein Sternenflottenoffizier normalerweise weder billigen noch selbst begehen darf. Aber statt die Romulaner aufzuklären, hat Sisko Garaks Tun zwar gegenüber ihm selbst getadelt, die Staatsorgane beider Seiten aber offensichtlich im Unklaren gelassen, so dass beide Seiten davon ausgegangen sind, es wären die Gründer gewesen. Das ist Beihilfe! Oder zumindest Duldung einer Straftat, falsche Verdächtigung! Er war ein Mittäter, oder besser der Drahtzieher, denn er hat es geplant und dann hat er es stillschweigend hingenommen und somit alle belogen! Ein Verhalten, das man von einem Offizier der Sternenflotte doch wohl am wenigsten erwarten würde!“

Zirell warf ihm einen Blick zu, der für ihn wie eine Rettungsleine wirkte, mit der sie ihn jetzt wieder aus den psychischen Stromschnellen, in die er geraten war, an Land zog. „Du kommst damit überhaupt nicht klar, stimmt’s?“, fragte sie. Der Demetaner nickte erschöpft. „Dann will ich dir jetzt mal zwei Dinge sagen.“, sagte die Tindaranerin und lehnte sich zurück, um dann einen weisen Blick aufzusetzen. Dann sagte sie: „Zum Ersten tun verzweifelte Wesen verzweifelte Dinge und zum Zweiten glaube ich, dass sich deine Föderation ihre moralischen Ziele viel zu hoch gesteckt hat. Sie besteht aus Lebewesen und Lebewesen machen Fehler und können Dinge wie Verzweiflung empfinden, die sie zu Verzweiflungstaten zwingen können. Aber dann 800 Jahre lang darüber zu schweigen und eine weiße Weste vorzuspielen, wo man keine hat, das finde ich ebenso verwerflich, wenn nicht sogar verwerflicher. Aber wenn die Staatsorgane noch nicht einmal die Wahrheit kannten, konnten sie ja auch den Romulanern gegenüber nichts sagen und um Entschuldigung bitten. Vom Zeitpunkt des Bündnisses bis heute ist ja von völlig falschen Tatsachen ausgegangen worden. Kein Wunder, dass Sytania hier einhaken konnte.“ „Das war ein gefundenes Fressen für sie!“, sagte Maron frustriert. „Aber Lügen haben tatsächlich kurze Beine. Die Wahrheit holt einen eben immer wieder ein und wenn es 800 Jahre dauert.“ Zirell nickte zustimmend.

Wieder seufzte Maron, aber dieses Mal klang sein Seufzen erleichtert. „Ich hatte solche Furcht vor dem Termin mit Jenn’.“, sagte er. „Warum?“, fragte die tindaranische Kommandantin. „Hattest du Angst, sie könnte dir erklären, dass der Eintrag wirklich so lautete und nicht anders und sie könnte dir auch plausibel zeigen, wie die Xylianer es angestellt haben?“ „Genau das.“, sagte Maron. „Aber jetzt geht es mir schon besser damit. Jetzt, wo du mir die Augen geöffnet hast. Egal was sie sagt, ich werde es schon verkraften und dann entsprechend damit umgehen.“ „Hast du schon einen Termin mit ihr vereinbart?“, fragte Zirell. „Das habe ich.“, sagte Maron. „Wir treffen uns nach dem Mittagessen in der Simulationskammer. Zumindest hat sie das selbst angeboten. Sie hat wohl schon mit meiner Frage gerechnet und etwas vorbereitet.“ „Du wirst ihr genügend Anhaltspunkte geliefert haben.“, schlussfolgerte Zirell. „Schließlich weiß sie, dass du mit solchen technischen Rätseln bisher immer gern zu ihr gekommen bist.“ „Das stimmt.“, sagte Maron. „Und ihre Art, technisch komplizierte Dinge zu erklären, ist immer sehr einleuchtend. Ich schätze, davor hatte ich Angst. Ich hatte wohl Angst, es könnte mir am Ende alles logisch erscheinen.“ „Das wird es auch, Maron!“, versicherte Zirell. „Jedenfalls logischer, als deine Theorie, die Xylianer hätten uns belogen. Sie hätten doch dafür überhaupt kein Motiv.“ „Das stimmt.“, sagte Maron. „Aber Sisko hatte ein Motiv. Seine Verzweiflung.“ „Das stimmt.“, sagte Zirell. „Aber ich bin sicher, dieses Gefühl kennen die Romulaner auch. Denk mal drüber nach. Vielleicht lässt sich darüber ja sogar eines Tages eine gemeinsame Basis für eine Versöhnung finden, obwohl Mord nicht verjährt, was ich natürlich auch weiß und eine Bitte um Entschuldigung nichts ungeschehen machen würde.“ „Das sehe ich noch nicht, Zirell.“, sagte Maron. Dann widmeten sich beide schweigend und bestürzt ihrer Arbeit.

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