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Es musste bereits später Vormittag gewesen sein, als ich in meinem Bett im Appartement in Shinells Therapiezentrum erwachte. Durch das weit geöffnete Fenster meines Schlafzimmers war nämlich Lärm zu hören und in den Bäumen im nahen Park zwitscherten die Vögel. Außerdem bemerkte ich aber noch etwas anderes. Etwas, das mich sehr irritierte, mir aber zum gleichen Zeitpunkt eine Art von sehr intensivem Wohlgefühl gab. Neben mir auf dem Kissen an meinen beiden Wangen verspürte ich etwas Weiches! Ich tastete herum und erfühlte die beiden Kissen mit den Gesichtern meiner Haustiere. Lomādo musste sie dort platziert haben. Wann ich meine beiden Kleinen wirklich wieder sehen würde, wusste ich nicht, dachte mir jedoch, dass dies erst dann passieren würde, wenn ich meinen Tod vollständig akzeptiert hätte, um Schmerz und Verwirrung auf beiden Seiten zu vermeiden.

Ich wandte den Kopf in Richtung der Computerkonsole und befahl: „Computer, Zeit!“ „Es ist 10:00 Uhr.“, kam es nüchtern zurück.

Ich erschrak. Als Sternenflottenoffizierin war ich eigentlich das frühe Aufstehen gewohnt. So lange hatte ich noch nie geschlafen, wenn ich im Dienst war. Ich musste das auf 06:00 Uhr eingestellte Wecksignal völlig überhört haben. „Shit! Mist, verdammter!“, zischte ich und kugelte aus dem Bett, denn ich hatte irgendwie an diesem Tag meine gesamte Koordination noch nicht unter Kontrolle. Was ich auch nicht ahnte, war der Umstand, dass diese peinliche Aktion von jemandem beobachtet worden war, der gerade zur Tür herein gekommen sein musste. „Oh, welch warme Worte am frühen Morgen.“, sagte die Person und half mir auf. Erst jetzt erkannte ich Lomādo, dem ich so einen ironischen Ausspruch, nach allem, was ich über die Aldaner wusste, nicht zugetraut hätte. „Na ja.“, sagte er, während er mich von meiner Decke befreite, die noch immer um mich herumgewickelt war. „Andere treiben Sport und Sie fluchen erst mal eine Runde am frühen Morgen. Interessant.“ „Sollten Sie auch mal versuchen.“, lächelte ich. „Hebt die Stimmung.“ „Oh nein, danke.“, lehnte er höflich ab. „Schon gut.“, sagte ich. „Das wäre wohl selbst für Sie zu unaldanisch.“

Er nahm meine Hand und wir gingen ins Wohnzimmer, wo es nach allen erlesenen Speisen duftete, die der Replikator zaubern konnte. „Was ist denn hier passiert?“, fragte ich. „Ich habe versucht, Frühstück zu machen.“, sagte Lomādo. „Aber Sie haben wohl ein technisches Problem mit Ihrem Replikator. Er hat, egal welchen Befehl ich eingegeben habe, das komplette Buffet ausgespuckt. Sie wissen aber auch, dass Sie auf all diese Dinge nicht angewiesen wären. Sie könnten sich auch einfach alles wünschen, so wie Sie es …“ „Das hatten wir doch schon, Lomādo!“, unterbrach ich ihn höflich, aber energisch. „Das war ein Test.“, gab er zu. „Ich wollte sicher gehen, dass Sie immer noch zurück in Ihr Leben wollen.“ „Ja, das will ich!“, sagte ich. „Dann ist ja alles gut.“, sagte er und führte mich zum Tisch: „Setzen Sie sich.“ Ich schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich glaube, das mit dem Frühstück sollte ich übernehmen. Alles, was Sie aus dem Replikator geholt haben, scheint nämlich eher Mittagessen zu sein und so schwere Kost am frühen Morgen vertrage ich nicht.“ „Also gut.“, sagte er. „Aber lassen Sie mich wenigstens das Tablett zum Tisch tragen.“ Ich nickte und wandte mich dem Replikator zu.

Tatsächlich hatte ich irgendwann, trotz aller technischen Widrigkeiten, ein passables Frühstück repliziert, mit dem wir beide einverstanden waren, auch wenn ich dabei 90 % des übrigen Essens der Materierückgewinnung überantwortet hatte. Ich würde das Problem irgendwann der Haustechnik melden müssen. Dieses Frühstück brachte Lomādo zum Tisch und half mir auch beim Eingießen des Kaffees aus der ziemlich vollen Kanne. Aber als ich so vor meinem Brötchen saß, dachte ich doch über einiges nach und meine Gedanken erschreckten mich doch zutiefst! Konnte er ein echter Aldaner sein? Werden die nicht alle nach dem Tod mit Narāja vereint? Wer war er? Warum wich sein Verhalten derart von dem ab, was ich über Aldaner gelernt hatte? War seine Erklärung mir gegenüber, ein äußerst ungewöhnlicher Aldaner zu sein, wirklich ausreichend, um all dies zu erklären? OK, dafür, meine Berührung zu erdulden, während er mich geführt hatte, gab es auch einen logischen Grund, aber …

„Sie halten Ihr Brötchen schief.“, erklärte er. „Der ganze leckere Inhalt fließt auf Ihr Brett!“ „Was?“, fragte ich geistesabwesend. „Irgendetwas beschäftigt Sie doch, Betsy.“, sagte er. „Sie haben Recht.“, fing ich ein Geständnis an, aber der Rest wollte einfach nicht über meine Lippen. Stattdessen sagte ich nur: „Danke, dass Sie mir geholfen haben, die festgefahrenen Strukturen bei mir aufzubrechen, Lomādo und danke für das Aufpassen heute Nacht. Ich weiß, das ist sonst eigentlich sicher nicht die aldanische Art, aber ich denke auch, wenn wir das hier alle heil überstehen wollen, müssen wir alle über unseren Schatten springen.“ „Gern geschehen.“, sagte er. „Sie müssen unheimliche Angst haben, Regeln zu verletzen. Stimmt’s?“, sagte er ruhig und kratzte mit seinem Messer den Inhalt meines Brötchens vom Brett, um ihn wieder auf dessen Rest zu verteilen.

Da war sie wieder, seine liebenswürdige hilfsbereite Art, die ich mir ansonsten nicht bei seinesgleichen vorstellen konnte. Warum gab er sich so intensiv mit mir ab? In den Augen der Aldaner mussten wir doch sehr primitiv wirken und sie hatten sicher zig Direktiven, die einen solchen nahen Umgang verbieten würden. Auch wenn wir politische Verbündete waren, so konnte ich doch für ihn nicht mehr als ein Forschungsobjekt sein. Hier passte eindeutig etwas nicht zusammen! Wer weiß, wem ich mich da anvertraut hatte.

Mir blieb nur noch die Flucht nach vorn! Ich warf mein Brötchen auf das Brett, stand auf und versuchte, so gut es ging, mich so zu drehen, dass ich ihm theoretisch hätte ins Gesicht sehen können, wenn ich denn sehen gekonnt hätte. Dann holte ich tief Luft und fragte langsam und deutlich in akzentfreiem Englisch: „Was sind Sie?!“

Er stand ebenfalls auf, aber dabei war er viel ruhiger als ich. Dann kam er auf meine Seite des Tisches hinüber. Hier nahm er mich erneut bei der Hand. „Ihre Formulierung war goldrichtig.“, sagte er. „Wissen Sie, ich bin in Wahrheit nicht wirklich hier. Ich bin längst mit Narāja vereint, wie Sie sicher schon vermutet haben. Was Sie von mir sehen, ist ein Echo meiner Seele. Wissen Sie von der Begegnung zwischen Picard und Guinan im Nexus?“ „Ja.“, sagte ich. „Aber wie kann das bei uns beiden genau so sein? Ich wusste doch nichts von Ihrem Tod?“ „Da irren Sie.“, sagte Lomādo. „Sie, oder genauer Ihr Unterbewusstsein, wusste es schon. Das haben Sie König Logar und Korelem zu verdanken, der Logars Gefäß war, um diese Informationen auf Sie zu übertragen. König Logar durfte mein Seelenecho nur mit Rücksprache mit Narāja nutzen und sobald meine Aufgabe hier erfüllt ist, wird mein Seelenecho komplett verklungen sein. Im Augenblick Ihres Todes war Korelem bei Ihnen und für Außenstehende sollte es aussehen, als würde er Sie zu retten versuchen. Aber in Wahrheit ist die Information, als er Sie berührte, von ihm zu Ihnen gewandert. Dafür, dass das passiert, obwohl Korelem Nicht-Telepath ist, hat seine Majestät, König Logar, höchst persönlich im Vorhinein gesorgt.“ „Ach so.“, atmete ich auf. Jetzt hatte ich einiges begriffen. Endlich wusste ich, woran ich bei ihm war und dass er mir wirklich helfen wollte. Wahrscheinlich sollte mir sein Seelenecho helfen, meine Ziele zu erreichen. Der omnipotente König des dunklen Imperiums hatte wohl nicht umsonst gerade diesen Weg der Einmischung gewählt und das ging auch nur, weil Narāja ihr Einverständnis dazu gegeben hatte. Vielleicht wusste er, dass seine Tochter, da sie alle Sterblichen gern unterschätzte, niemals darauf kommen würde.

„Sind wir jetzt wieder Freunde?!“, fragte Lomādo lächelnd. „Sicher.“, sagte ich erleichtert und setzte mich wieder auf meinen Stuhl. „Ich hatte nur befürchtet, dass …“ „Dass ich ein Spion von Sytania wäre?“, fragte er. Ich nickte verschämt. „Nein, da können Sie ganz beruhigt sein. Das bin ich nicht.“, sagte er. „Aber ich muss Ihnen etwas über Sytania verraten. Hat Shinell Ihnen schon beigebracht, wie man die Welt der Lebenden beobachtet?“ „Nein.“, sagte ich. „Dann will ich ihr mal nicht vorgreifen.“, sagte er. „Aber ich habe es getan und gesehen, was Sytania vorhat. Es wird etwas Schreckliches passieren, wenn Sie nicht in Ihr Leben zurückkehren und die richtigen Informationen an die richtigen Leute kommen.“ „Was will Sytania?“, fragte ich. „Ich glaube, die Vendar nennen es die Ausführung des Ritus von Shamun Rê.“, antwortete er. „Sie will heiraten?!“, fragte ich ungläubig. „Aber wen denn? Ich meine, unsere Theoretiker sagen, sie kann sich nicht verlieben, also warum sollte sie …“ „Es ist eine Zweckehe.“, sagte Lomādo. „Und sie will zwei Palgeister ehelichen, um mit ihnen ein Geistwesen zu erschaffen, das großes Unheil über die Dimensionen bringen wird, wenn es nicht gestoppt wird und die einzige Möglichkeit, dies zu tun, wäre …“ „Wäre Meilenstein gewesen.“, beendete ich seinen Satz. Gleichzeitig wurde mir heiß und kalt. Jetzt wusste ich, warum sie die Übergabe verhindert hatte. „Oh mein Gott! Ich muss zurück, Lomādo!“, schrie ich.

Ich stand wieder auf und versuchte, zur Tür meines Appartements zu gelangen. Lomādo aber war sofort neben mir und hielt mich am Arm zurück. „Stopp!“, sagte er ruhig freundlich, aber bestimmt. „Sie wissen, dass es so nicht geht. Sie benötigen ja auch noch die Informationen und wir müssen einen Weg finden, Sie zurück in Ihren Körper zu bringen. Die Information bekommen Sie, wenn wir gleich den Rest der Widerstandszelle treffen. Erinnern Sie sich noch an die Frau, die ich Ihnen vorstellen wollte?“ Ich nickte nur atemlos zitternd und schweigend. Kurz darauf aber durchströmte mich auch ein Gefühl der Beruhigung. In jenem Moment hatte ich beschlossen, den Rest des Geschehens ganz in seine Hände zu legen. Lomādo würde es schon machen!

Joran und die neue IDUSA-Einheit waren wieder in die tindaranische Dimension eingeflogen. „Wie glauben Sie, dass Commander Zirell auf das Ergebnis unserer Mission reagieren wird, Joran?“, wollte das Schiff wissen. „Ich denke, das werden wir bald herausbekommen, wenn du ihr jetzt gleich Bescheid über unsere Rückkehr gibst, IDUSA.“, antwortete der Vendar. „Aber warum fragst du das? Hast du Bedenken oder ist es eine Form Konversation zu üben?“ „Ich kenne den Commander noch nicht so gut wie Sie, Joran.“, wies das Schiff auf die Tatsache hin, noch nicht lange im Dienst zu sein. „Ist sie eher besonnen und hat sie einen kühlen Kopf, oder ist sie eher spontan und von hitzigem Temperament?“ „Das kommt immer ganz auf die Situation an, IDUSA.“, sagte Joran. „Sie ist mal so und mal so. Ich weiß, das ist etwas, das gar nicht in dein mathematisches Denken passt, aber ich sage dir was: Dadurch, dass sie eben ist, wie sie ist, ist sie eine gute Strategin und eine wendige Anführerin, der es sehr leicht fällt, sich einer Situation anzupassen und dadurch bessere Entscheidungen zu treffen. Das macht es für dich vielleicht schwieriger, aber du hast ja immer noch einen von uns, der dir in so einer Situation sehr gut helfen kann.“ „Ich danke Ihnen, Joran.“, sagte der Avatar des Schiffes erleichtert und machte ein entspanntes Gesicht.

Joran steckte einen Datenkristall in ein Laufwerk an der Konsole, was IDUSA nicht verborgen blieb. „Ich nehme an, Sie wollen, dass ich die gesammelten Daten auf den Kristall ziehe.“, sagte das Schiff. „In der Tat, IDUSA.“, erwiderte Joran. „Soll ich auch die Gespräche, die während der Mission zwischen Orton, Ihnen und mir geführt worden sind, hinzufügen?“ „Unbedingt!“, sagte der Vendar energisch. „Zirell soll sich ja schließlich ein vollständiges Bild machen können.“ „Ich frage ja nur.“, erklärte IDUSA. „Weil Mr. Mura vielleicht nicht so gut aussehen könnte in den Augen unseres Commanders, wenn herauskommt, dass …“ „Ich werde schon ein gutes Wort für ihn einlegen, IDUSA.“, sagte Joran. „Überlass dass ruhig mir. Ich bin zwar eigentlich eher dafür bekannt, offen und ehrlich die Wahrheit zu sagen und nicht gerade für Diplomatie, aber ich denke, in diesem Fall werde ich mal eine Ausnahme machen.“ „Also gut.“, sagte IDUSA und begann mit dem Überspielvorgang, nach dessen Ende Joran den Datenkristall wieder entnahm und in seine Tasche steckte.

Maron hatte die Brücke verlassen und Zirell war allein mit dem Stationsrechner, der ihr gleich darauf die Ankunft der neuen IDUSA-Einheit und Jorans mitteilte. „Möchte Joran mit mir sprechen, IDUSA?“, fragte Zirell. „Ja, Commander.“, entgegnete der Rechner. „Aber das nur, wenn Sie dann auch gleich die Daten entgegennehmen können.“ „Also gut.“, sagte Zirell. „Ich werde dann mal runtergehen. Sag Maron bitte, dass er …“ „Er kann das Kommando nicht übernehmen.“, sagte IDUSA korrigierend. „Wie Sie wissen, hat er jetzt eine Verabredung mit Techniker McKnight.“ „Ach ja.“, antwortete Zirell. „Das stimmt ja auch. Darüber haben wir ja gerade erst gesprochen. Danke, dass du mich erinnert hast. Wo habe ich heute nur wieder meinen Kopf?“

IDUSA nahm Zugriff auf die internen Sensoren der Station, um Zirells Körper zu scannen. Dann sagte sie: „Ihr Kopf sitzt noch immer auf Ihrem Hals, Commander.“ „Ach, das ist doch nur so ein Spruch, den ich mir von unseren terranischen Verbündeten angeeignet habe, IDUSA.“, erklärte die Kommandantin. „Ich hatte angenommen, Jenna hätte dich schon mit solchen Floskeln und ihren Bedeutungen programmiert.“ „Techniker McKnight hat mich in der Tat mit vielen Floskeln und ihren Bedeutungen aus diversen Kulturen versorgt, Commander, um mir den Umgang mit diesen zu erleichtern. Aber ich vermute, diese hat sie vergessen. Aber da Sie mir ja jetzt ihre Bedeutung erläutert haben, werde ich die Situation so abspeichern.“ „OK.“, sagte Zirell, nahm ihren Neurokoppler ab, was IDUSA gleich zum Anlass nahm, um ihre Reaktionstabelle zu löschen und verließ ihren Platz. „Wenn etwas ist.“, sagte sie noch in Richtung des Bordmikrofons. „Dann kannst du mich ja über mein Handsprechgerät erreichen. Dann verließ sie die Brücke.

Die aufmerksamen Augen des Vendar bemerkten, dass die Positionslichter der Station aktiviert worden waren. „Ich nehme an, du hast ihnen bereits Bescheid gegeben.“, sagte Joran. „Das habe ich.“, antwortete IDUSA. „Genau wie Sie es mir befohlen haben. Trotzdem konnte ich mich noch mit Ihnen unterhalten, weil ich, wie alle IDUSA-Einheiten, multi-tasking-fähig bin.“ „Das weiß ich.“, erwiderte Joran. „Aber jetzt lass uns docken.“

An der Schleuse wurden sie bereits von O’Riley erwartet. „Hey, Grizzly.“, sagte die blonde Irin mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen. „Hattest du Glück?!“ „Das kommt ganz darauf an, wie du Glück definierst, Shannon O’Riley.“, sagte der Vendar beim Aussteigen und sah sich hastig um. „Wo ist Anführerin Zirell?“, fragte er. „Ich hatte IDUSA befohlen …“ „Die wird schon noch kommen, Grizzly.“, flapste Shannon. „Wieso bist du so erpicht darauf, sie zu sehen?! Reiche ich dir etwa nich’?“ Sie grinste. „Mir ist überhaupt nicht nach Witzen, Shannon O’Riley.“, sagte Joran mürrisch. „Oh, unserem armen Grizzly is’ wohl ’ne Laus über die Leber gelaufen.“, sagte Shannon und schaute mitleidig.

Zirell betrat den Ort des Geschehens. Sofort fiel der Blick der älteren Tindaranerin auf Joran. „Da bist du ja wieder.“, sagte sie. „Konntest du etwas herausbekommen?“ „Ich kehre mit reicher Beute von meiner Aufklärungsmission zurück, Anführerin!“, sagte Joran stolz und übergab ihr den Datenkristall. „Dann darf ich ja wohl gespannt sein.“, sagte die ältere Tindaranerin. „Das darfst du in der Tat.“, meinte der Vendar. „Ich kann übrigens auch deine Sorge zerstreuen, was die Zusammenarbeit zwischen mir und einem Bürger von Bajor angeht. Ich bin zwar auf einen getroffen, aber wir haben, trotz einiger Widrigkeiten, am Ende doch exzellent zusammengearbeitet. Es geht alles aus den Gesprächsprotokollen hervor, die IDUSA ebenfalls mit überspielt hat. Ich denke, Agent Maron und du, ihr werdet viel Lesestoff und auch einiges zu hören haben.“ „Du kannst einem wirklich den Mund wässrig machen, Joran.“, sagte Zirell. „Aber ich glaube, dieses Vergnügen muss ich mir zunächst allein gönnen.“ „Oh ja, dass muss sie.“, bestätigte Shannon. „Agent Maron hat nämlich gerade eine Verabredung mit deiner Telshanach.“ „Shannon!“, sagte Zirell mit einer ordentlichen Portion Empörung in der Stimme. Die Tindaranerin wusste durchaus, wie eifersüchtig Vendar werden konnten und sie befürchtete, dass Joran ihre Äußerung eventuell in den falschen Hals bekommen könnte. Die Konsequenzen für Maron in so einem Fall wären für ihn sicher kein Zuckerschlecken gewesen. Zu Zirells Überraschung aber sah Joran sie nur ruhig an und meinte, ohne weiter auf Shannons Äußerung einzugehen: „Dann gönn es dir, Anführerin. Ich denke, es wird sehr spannend für dich sein. Aber wir können es uns auch gemeinsam ansehen. Dann sind die Kommunikationswege nicht so lang, falls du für etwas eine Erklärung benötigst.“ „Einverstanden.“, sagte Zirell. „Dann komm. Lass uns in die Kommandozentrale gehen.“ Joran nickte und folgte ihr.

Shannon blieb allein zurück. Sie war etwas beleidigt über den Umstand, dass ihr Witz nicht wirklich gut angekommen war, aber sie hatte ja selbst auch genug zu tun und gar keine Zeit, sich weiterhin über ihren missglückten Sketch Gedanken zu machen. IDUSA benötigte ihre übliche Wartung nach einer Mission und außerdem hatte sie, solange Jenna nicht da war, auch die Verantwortung für die Technik der Station. Diesen Jobs würde sie jetzt nachgehen. Die Arbeit würde sie schon genug ablenken.

Tatsächlich hatten Jenna und Maron sich vor der Simulationskammer getroffen, wie der Spionageoffizier es bereits gegenüber Zirell angekündigt hatte. „Ich hoffe, Sie empfinden das nicht als eine all zu große Belastung, Ihrem dummen Vorgesetzten immer wieder alles veranschaulichen zu müssen, McKnight.“, sagte Maron verschämt. „Ach was.“, lächelte Jenna diplomatisch. „Ich finde, da gibt es weitaus schlimmere Tätigkeiten und dass Sie dumm sind, kann ich auch nicht bestätigen, Sir. Wenn Sie mich bitten, Ihnen etwas zu veranschaulichen, dann handelt es sich meistens um Probleme physikalischer oder technischer Natur, was ja in gewisser Weise das Gleiche ist. Das ist nun einmal mein Beruf und nicht der Ihre. Ich bin überzeugt, wenn es um geheimdienstliche Dinge ginge, wäre es zwischen Ihnen und mir sicher auch umgekehrt und nun kommen Sie.“

Sie ging forschen Schrittes voran in die Kammer und setzte sich dort auf einen der beiden Sitze, was Maron ihr gleichtat. Nachdem beide ihre Köpfe in den Mulden platziert hatten, fragte sie: „Ist Joran schon wieder zurück, Sir?“ „Das weiß ich leider nicht, McKnight.“, sagte Maron. „Aber IDUSA dürfte es wissen.“ „Das denke ich auch.“, sagte die Technikerin und wandte sich an den Rechner der Station: „IDUSA, ist Joran schon wieder zurück?“ „Ja, Jenna.“, erwiderte dieser nüchtern. „Ist er abkömmlich?“, fragte Jenna. „Nein, Jenna.“, sagte IDUSA. „Das ist er leider nicht.“ „Danke für deine Information.“, sagte die Ingenieurin. „Dann machen wir das gleich anders. Lade jetzt Programm Jennas Waldspaziergang und ersetze nicht anwesende Personen durch deren Simulation. Dann verknüpfe Agent Marons und meine Reaktionstabellen.“ „Zu befehl, Jenna.“, sagte IDUSA.

Die Simulation begann und Jenna und Maron fanden sich auf einem Waldstück wieder. Die Luft roch harzig und um sie herum standen in lockerer Abfolge sowohl Nadel-, als auch Laubbäume. Der Boden war bedeckt mit Moos, Aststücken, Nadeln und Laub. Auch war Vogelgezwitscher zu hören. Hin und wieder wurde das einheitliche Braun verrottender Äste am Boden durch eine Blume als bunter Farbtupfer aufgelockert, die dort wuchs. Die Bäume selbst standen in bestem sattem Grün. Es war angenehm warm. Maron schätzte die Temperatur der Luft auf ungefähr 25 ° ein. „Was bitte hat das hier mit den Daten der Xylianer und mit dem Eintrag von Commander Sisko zu tun, in dem er dieses Geständnis abgelegt hat, McKnight?“, fragte der erste Offizier seine Untergebene irritiert und sah sie etwas streng an. „Auf den ersten Blick vielleicht gar nichts, Sir.“, sagte Jenna ruhig. „Aber diese Kulisse ist ein Teil des Schaubildes, das ich benutzen werde, um Ihnen zu veranschaulichen, was Sie mich baten, Ihnen zu veranschaulichen.“

Sie winkte ihm und ging entschlossen voran. „Na gut.“, sagte Maron leise und folgte. Der Demetaner wusste genau, dass sie, wenn sie so etwas tat, dafür bisher immer ihre Gründe gehabt hatte. Dass sie quasi Szenen aus dem Alltag benutzte, um technische Dinge zu erklären, war eine ihrer Eigenarten, die der erste Offizier sehr an ihr schätzte. Sie war keine Fachidiotin, für die es außerhalb der Welt von technischen Fachbegriffen nichts gab, sondern sie konnte auch um die Ecke denken, etwas, mit dem er für seinen Teil manchmal gewaltige Schwierigkeiten hatte, wie er selbst zugab.

Sie kamen an eine Lichtung, auf der Maron zwei hölzerne Würfel stehen sah, die ihnen den Weg versperrten. Auf einem der Würfel lag eine Axt, auf dem anderen ein Phaser. Beide Würfel standen aber genau auf der Grenze zwischen Lichtung und bewaldetem Gebiet. „Eines steht fest.“, sagte Maron, nachdem er die Ausmaße der Würfel ins Verhältnis zur Breite des Weges gesetzt hatte. „Hier kommen wir wohl nicht weiter. Die Dinger sind eindeutig im Weg und sehen sehr massiv aus. Wegschieben können wir sie wohl nicht. Ich nehme an, dass soll symbolisieren, dass das Verbrechen auch schwer auf Siskos Gewissen lastete.“ „Genau.“, nickte Jenna lächelnd. „Und was hat Sisko mit dem Geständnis über dieses Verbrechen getan, oder zumindest versucht zu tun, Sir?“, fragte sie. „Er hat es zerstört.“, sagte Maron. „Er hat es gelöscht. Ich nehme an, die Würfel selbst symbolisieren die Datei und ich soll jetzt auch das Gleiche mit ihnen tun.“ Wieder nickte Jenna. „Es gibt aber eine Regel, Agent.“, sagte sie. „Sie dürfen jeweils nur das Werkzeug benutzen, das auf dem jeweiligen Würfel liegt. Tauschen, oder gar eines für beide benutzen, dürfen Sie nicht!“ „Na schön, McKnight.“, sagte Maron und schnappte sich die Axt, um den Würfel, auf dem sie gelegen hatte, zu zerhacken. „Aber Sie gehen besser ein Stück zur Seite, Jenna. Sie wissen ja, dass ich einwenig ungeschickt bin.“

Die brünette Terranerin nickte und begab sich lächelnd hinter den nächsten Baum, von wo aus sie beobachtete, wie Maron die Axt in beide Hände nahm, weit ausholte und dann den Würfel in einige handliche Klötze verwandelte, die er auf der anderen Seite des Weges hinter einer Baumgruppe verteilte. Dann nahm er den Phaser in die Hand und versuchte, damit auf den zweiten Würfel, von dem er ihn genommen hatte, zu zielen, denn der Demetaner hatte gesehen, dass der Weg immer noch nicht breit genug war. Der zweite Würfel musste auch noch dran glauben.

Maron versuchte also, den Würfel ins Fadenkreuz zu nehmen, aber dabei fiel ihm auf, dass der Phaser auf eine viel zu breite Streuung eingestellt war. All seine Versuche, diese Einstellungen zu ändern, wurden vom Gerät nicht akzeptiert. Zwar bemerkte Maron, dass er durchaus hätte treffen können, wenn er exakter zielen könnte, aber das gaben seine Augen leider nicht her.

Er legte die Waffe wieder auf den Würfel zurück und rief dann in die Richtung, in die er Jenna gehen sehen hatte: „Techniker!“ Gleich darauf war sie zurück. Erwartungsvoll sah sie ihn an. „Der Phaser hat einen Defekt.“, sagte Maron. „Er ist auf eine viel zu breite Streuung eingestellt und ich würde einen Waldbrand verursachen, wenn ich mit diesen Einstellungen arbeiten würde. Ich denke zwar auch, dass man aus einem anderen Winkel heraus den Würfel eventuell einzeln treffen könnte, aber dazu bräuchte ich rund 40 % schärfere Augen wie ein Vendar.“

Kaum hatte Maron dies gesagt, hörten beide bekannte schnelle schwere Schritte auf sich zukommen. Dann sagte eine tiefe leise Stimme: „Hier bin ich schon, Maron El Demeta.“ Erstaunt sah Maron in Jorans Gesicht. „Wo kommst du denn jetzt auf einmal her?“, fragte er verwundert. „Ach.“, antwortete der Vendar. „Ich gehöre nun einmal zum Programm und bin Jorans Simulation. Aber ich denke, dass ich euch trotzdem helfen kann. Gib mir bitte die Waffe, Maron El Demeta.“ Wortlos und geplättet tat der erste Offizier, worum er gerade gebeten worden war. „Bist du sicher, dass du das hinkriegst, ohne hier alles abzufackeln?“, fragte Maron gleichzeitig besorgt, aber auch mit einer ziemlich aufgesetzt wirkenden Lockerheit. „Darin bin ich ein Experte.“, sagte der Vendar, der den Experten noch besonders betonte, zielte in aller Seelenruhe und feuerte. Tatsächlich wurde nur der Würfel vollständig eingeäschert. „So.“, sagte er und warf einen coolen Blick über das Häufchen Asche, das übrig geblieben war. „Ich denke, jetzt kommt ihr doch sicher allein weiter.“ „Sicher.“, nickte Jenna. Dann sahen sie und Maron zu, wie Joran genau so schnell wieder hinter den Bäumen verschwand, wie er von dort aus aufgetaucht war. Den Phaser hatte er vorher Jenna übergeben, die ihn einsteckte.

Maron sah sich um. „Jetzt wäre der Weg frei, Techniker.“, sagte er. „Das schon.“, sagte Jenna. „Aber mein Ziel war eigentlich nicht wirklich, jetzt mit Ihnen weiterzugehen, Agent. Ich möchte eigentlich viel lieber von Ihnen wissen, welchen der Würfel Sie theoretisch wieder zusammensetzen könnten.“ „Ich denke, mit dem zerhackten Exemplar würde ich das durchaus hinbekommen, wenn ich die Teile wieder richtig aneinander bekomme.“, sagte Maron.

Sie reichte ihm eine Tube Leim, den sie aus ihrer Tasche geholt hatte: „Versuchen Sie es.“ Dann folgten noch einige Schraubzwingen, mit denen die geklebten Stellen zusammengepresst werden sollten, um später auch wirklich gut halten zu können. „Sagen Sie ruhig, falls Sie Hilfe benötigen, Agent.“, bot Jenna an. „OK, McKnight.“, willigte Maron ein und machte sich ans Werk, nachdem er alle Teile des Würfels wieder eingesammelt hatte.

Zu McKnights Erstaunen war es ihm tatsächlich wenig später gelungen, den Würfel wieder zusammenzukleben. „Fast wie neu, Sir.“, lobte sie. „Wenn man ihn noch anstreichen würde, könnte man auch die Klebestellen nicht mehr sehen.“ „Ich bin auch ganz erstaunt über mich selbst, Techniker.“, gab Maron zu. „Wo ich doch sonst eigentlich immer zwei linke Hände zu glauben hatte. Aber das hier ist die Simulationskammer. Hier werden die Karten oft zu unserem Vorteil gemischt.“ „Sie wissen, dass das ganz allein beim Schreiber des jeweiligen Programms liegt, Sir.“, klärte sie ihn auf. „ Und ich hatte ja keineswegs vor, Sie zu kompromittieren.“ „Sage ich doch.“, grinste Maron. „Aber ich glaube, ich habe auch verstanden, was Sie mir hiermit sagen wollten. Sie wollten sagen, wenn ein Laie den einfachen Löschbefehl gibt, dann ist die Löschung viel grober, als wenn ein Experte am Werk wäre. Ja, ich habe genau auf Jorans Worte geachtet, McKnight. Er hätte ja den Experten sicher nicht so betont, wenn es nicht wichtig gewesen wäre und wenn Sisko damals O’Brien beauftragt hätte, die Löschung vorzunehmen, dann hätten die Xylianer heute sicher kein Glück gehabt! Joran ist in diesem Fall das Äquivalent zu O’Brien, weil er der bessere Schütze ist und O’Brien der bessere Techniker. Sisko ist das Äquivalent zu mir, weil ich aufgrund der Lage nur mit vergleichsweise primitiven Mitteln arbeiten konnte.“

Das Programm wurde beendet. Verblüfft sah Maron Jenna an. „Das war alles, was ich erkennen sollte, Techniker?“, fragte er. „Ja, das war alles, Sir.“, antwortete sie. „Was wäre passiert, wenn ich das nicht erkannt hätte.“, wollte er wissen. „Dann wäre das Programm noch einmal von vorn gestartet.“, sagte Jenna. „Aber ich bin davon ausgegangen, dass dies nicht nötig sein wird, Sir. Sie machen sich, mit Verlaub, oft nämlich viel dümmer, als Sie in Wahrheit sind.“ „Im Gegensatz zu Ihnen bin ich sicher ein Tor, McKnight.“, sagte Maron. „Aber Sie haben auch ein sehr großes Talent, jemandem Dinge begreiflich zu machen.“ „Danke, Agent.“, sagte Jenna. „Dabei tue ich doch nichts weiter, als meine Methoden der jeweiligen Situation anzupassen. Von Ihnen zum Beispiel weiß ich, dass Sie es immer schön plastisch brauchen.“ „Stimmt.“, lachte Maron.

Er stand von seinem Platz auf. „Ich glaube, ich muss zu Zirell.“, sagte er. „IDUSA sagte, Joran sei zurück, aber nicht abkömmlich. Das wird bedeuten, dass er sich mit ihr die Daten ansieht, die er und das neue Schiff gewonnen haben. Ich sollte dazu stoßen und mir auch ein Bild machen.“ „In Ordnung.“, sagte die hochintelligente Halbschottin. „Aber was mich noch interessieren würde: Geht es Ihnen jetzt besser damit? Ich meine, die halbe Station spekuliert darüber, wie Sie wohl damit umgehen. Ich meine, immerhin hat einer Ihrer ehemaligen Kameraden, in gewissem Sinne zumindest, eine Verfehlung gegen den eigenen Moralkodex begangen und …“ „Der Ausdruck Verfehlung ist viel zu harmlos, McKnight!“, sagte Maron mit einem tadelnden Blick in ihre Richtung. „Tut mir leid.“, sagte sie, gestand aber gleich: „Ich habe diesen harmlosen Ausdruck mit Absicht gewählt, Agent. Das war ein Test. Ein Test, der mir gezeigt hat, dass Sie damit reichlich Probleme haben.“ „Sie haben Recht.“, sagte Maron. „Die habe ich und ich hatte gehofft, Sie würden mir sagen, dass die Xylianer die Daten gefälscht haben, obwohl sie dafür ja kein Motiv hätten. Aber die passende Moralpredigt dazu hat mir Zirell schon gehalten. Wir sind eben alle nicht unfehlbar und dürfen dann auch nicht behaupten, es zu sein. Hohe moralische Ideale sind schön und gut, aber man muss auch den Mut haben, dazu zu stehen, wenn man sie einmal nicht eingehalten hat und darf meiner Meinung nach dann die Wahrheit nicht länger vertuschen.“ „Sir.“, sagte Jenna und warf ihm einen tröstenden Blick zu. „Ich bin sicher, wenn Nugura im Rest des Parlaments darüber abstimmen lässt und die Abstimmung gewinnt, dann wird es auch zu einer Aufklärung kommen, sowohl der Öffentlichkeit, als auch den Romulanern gegenüber.“ „Falls Sie gewinnt, Techniker.“, sagte der Agent skeptisch, der das Verhalten der Politiker der Föderation durchaus gut kannte.

Die negative Sternenflotte war in Keilformation, die Granger allen voran, in das Universum der positiven Föderation eingeflogen. „Wie werden wir vorgehen, Sir?“, wollte die böse Ribanna von Mikel wissen. „Wir werden uns zunächst überall über den Pohlen der Planeten verstecken.“, sagte der erste Offizier mit einem gemeinen Grinsen. „Dann wird Kissara uns nicht sehen und sich in falscher Sicherheit wiegen. Erst, wenn sie alle Aufmerksamkeit fallen lassen haben, werden wir uns hervorwagen und sie angreifen, aber nicht so, wie Sie jetzt vielleicht alle denken! Ich will Kissara dazu bringen, selbst den ersten Schlag gegen uns zu führen!“ Er machte eine Pause, um seine Sätze auf die übrigen Mitglieder der Brückenbesatzung wirken zu lassen. „Warum wollen Sie, dass sie den ersten Schlag gegen uns führt, Agent?“, fragte Kang. „Weil sie dann automatisch ihr eigenes Schiff außer Gefecht setzt, Mr. Kang!“, lachte der terranische Agent. „Sie wissen doch, dass T’Mir und Sytania gegenüber uns von einer kleinen aber feinen Nebenwirkung gesprochen haben, die es aufgrund der Verbindung zwischen uns und auch zwischen den Schiffen gibt. Warum sollen wir unsere Waffen verschwenden, wenn sich die gute Granger doch sehr gut selbst demontieren kann. Wir werden dann zwar auch etwas abbekommen, aber die Schäden werden bei Weitem nicht so groß sein, wie bei ihnen und weil wir unsere Waffen gespart haben, können wir dann zum entscheidenden und letzten Schlag gegen sie ausholen und sie endgültig vernichten!“ „Genial, Sir.“, sagte Ribanna und sah ihren Vorgesetzten mit einem bewundernden Blick an. „Aber wie wollen Sie Kissara zum Erstschlag provozieren?!“ „Das wird die Aufgabe von Ihnen und unserem verehrten Mr. Kang sein, Ribanna.“, sagte Mikel und rieb sich die Hände in gewaltiger Vorfreude. „Sie, Allrounder, werden uns in eine gute Position fliegen, von der aus der liebe Kang gut auf die Lebenserhaltung der positiven Granger schießen könnte, wenn er denn würde. Dann, Warrior, zielen Sie auf die Verteilerknoten und bereiten sogar einige Photonentorpedos vor. Mal sehen, wie Kissara reagiert, wenn sie das Gefühl hat, dass ihr bald die Luft weg bleibt!“ Sowohl Ribanna, als auch Kang grinsten dreckig und klatschten ihrem Vorgesetzten Beifall für seinen Plan.

Ginalla, Sharie und Kamurus waren zunächst ohne festen Kurs unterwegs gewesen. „Wohin, Ginalla?“, fragte das Schiff, nachdem sie die Partikelfontänen hinter sich gelassen hatten. „Zur Erde!“, erwiderte die junge Celsianerin ebenso knapp. „Ich nehme an, du hast wieder einen Plan.“, sagte Kamurus. „Da kannst du einen drauf lassen!“, meinte Ginalla. „Eigentlich hat mich dieser Dussel von Agent, der so dämlich war, und mich nicht vernehmen wollte, dazu inspiriert, als er mir meine Vorstrafen vorgehalten hat. Er wollte eine Diebin, also kriegt er eine Diebin!“ „Und was sollen wir auf der Erde stehlen, Ginalla?“, fragte Kamurus. „Ne tote Leiche.“, flapste die Celsianerin. „Du meinst die von Allrounder Betsy Scott?“, fragte das Schiff. „Genau.“, erwiderte Ginalla. „Am besten, wir machen es, während alle der Grabrede zuhören. Dann sind sie so ergriffen, dass sie nicht darauf achten werden, was alles hinter ihrem Rücken passiert.“ „Aber spätestens, wenn der Sarg ins Grab gebeamt wird, werden sie ihn noch einmal scannen.“, sagte Kamurus. „Wenn sie dann sehen, dass er leer ist, dann …“

Ginalla grinste. „Kennst du mich wirklich so schlecht, dass du glaubst, ich hätte da nich’ vorgebaut? Pass auf. Wir machen das ganz hinterlistig. Du wirst mir eine Puppe replizieren, die in Gewicht und Größe dem lieben Allrounder bis aufs Haar gleicht. Außerdem soll sie voller Täuschtechnik sein, die jedem Erfasser vorspielt, dass sie tatsächlich am Verwesen ist. Und für die echte Leiche benötige ich einen Stasecontainer. Kriegst du das hin?“ „Ich habe keinen Industriereplikator.“, sagte Kamurus. „Solche großen Dinge kann ich nicht auf einmal replizieren. Du wirst sowohl die Puppe, als auch den Container zusammenbauen müssen. Kriegst du das hin?“ „Vergiss nich’, wo ich herkomme!“, flapste sie ihm entgegen. „Dann betrachte ich das mal als ein Ja.“, sagte Kamurus. „Aber wenn wir die Leiche haben, was willst du dann mit ihr?“ „Dann fliegen wir mit ihr zu den Genesianern!“, sagte Ginalla entschlossen. „Du weißt doch, dass ich da von Anfang an hinwollte.“ „Das weiß ich.“, erwiderte das Schiff. „Aber ich nehme an, du willst nicht nur das. Ich denke, es gibt auch genug Leute auf der Erde, die Betsys Tod vor genau so viele Fragen stellt wie uns.“ „Genau!“, lobte Ginalla und strich mit ihrem Finger über die leeren Ports für Neurokoppler, was ein Massesignal bei Kamurus verursachte, eine Tatsache, die bei ihm sehr positiv ankam. „Wer hat dir denn so was beigebracht?“, fragte das Schiff erstaunt. „Das hab’ ich von Shimar gelernt und zwar im Handumdreh’n.“, flapste Ginalla ein Zitat aus einem alten terranischen Schlager fast original zurück. „Das bringt einem sonst keiner bei, so …“

Der Schiffsavatar räusperte sich. „Ginalla, was hast du sonst noch vor?!“ „Ach ja.“, sagte die junge Celsianerin. „Schluss mit der Blödelei, zurück zum Thema. Also, Kamurus, ich möchte, dass du versuchst, dich, sobald wir auf dem Weg zu Shashana sind, in das Netzwerk des Friedhofs von Little Federation einzuhacken. Dann schreibst du auf Betsys elektronischen Grabstein kleine Botschaften, die ich dir diktieren werde. Wollen doch mal sehen, ob wir nicht die richtigen Leute auf die richtige Sache aufmerksam machen können! Oder denkst du, dass du so ’ne Sicherheitssoftware nicht überwinden kannst.“ „Du machst mir Spaß, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Ich habe damals in deinem Auftrag die streng gesicherte Datenbank des tindaranischen Militärs geknackt, um an Shimars Dienstakte zu kommen. Da sollte doch so ’n Friedhofsnetzwerk für mich kein Problem darstellen. Aber du willst sicher nicht, dass ich meine Spuren maskiere, oder?“ „Du hast es erfasst!“, lachte Ginalla, die sich wunderte, warum von ihm keine Gegenargumente zu ihrem Plan kamen. „Ich will ja mit den richtigen Leuten in Kontakt treten und die müssen wissen, wer ich bin und meine Kontaktdaten, die brauchen sie auch. Aber wer immer du bist, gib mir meinen Kamurus zurück!“ „Ich bin doch hier.“, sagte das Schiff. „Das glaube ich nich’.“, sagte Ginalla. „Du hast doch sonst immer was zu meckern.“ „Aber nicht dieses Mal.“, sagte Kamurus. „Dein Plan ist zwar heikel, denn immerhin könnten statt der richtigen Leute auch die Strafverfolger auf uns aufmerksam werden und unsere Aktion in den falschen Hals bekommen, aber man muss schon ganz schön an denen rütteln, wenn man sie wach kriegen will. Ich denke, dein Plan hätte durchaus das Potenzial dazu. Ich frage mich nur, wo ich ansetzen soll, um mich einzuhacken. Ich meine, wo gibt es im Netzwerk eines Friedhofs einen Zugang zum SITCH!?“ „Versuch die Kondolenzseite.“, schlug Ginalla vor. „Die kann man doch anSITCHen.“ „OK.“, sagte Kamurus. „Übrigens, Sharie hört uns gerade zu. Sie hat mich gebeten, bei allem, was wir planen, mitmachen zu können und darum, dass ich sie informiere. Sie möchte mit dir sprechen.“ „Dann stell sie durch.“, sagte Ginalla.

Kamurus nickte und im nächsten Moment wich das Gesicht seines Avatars dem von Sharies auf dem virtuellen Schirm vor Ginallas geistigem Auge. „Hi, Sharie.“, lächelte Ginalla ihr zu. „Ich hab’ gehört, du willst was beisteuern?“ „Das will ich tatsächlich, Ginalla.“, sagte Sharie. „Ich werde für euch Spionin spielen. Ich werde die Erde beobachten, solange ich kann. wenn Tchey und ich fort müssen, wird das zwar auch nicht mehr gehen, aber bis dahin kann ich euch ja auf dem Laufenden halten, was dort passiert. Ich werde mich in den Ringen des Saturn verstecken. Dort sieht mich keiner. Dann werde ich meine Sensoren so modifizieren, dass sie trotzdem die Erde sehen können und dann kriegst du von Zeit zu Zeit mal einen kleinen SITCH von mir mit den neuesten Daten. Wenn irgendwas schiefläuft, warne ich euch sofort.“ „Klasse, Sharie!“, lobte Ginalla. „Wenn das deine Pilotin jetzt gehört hätte.“ „Tchey wird davon erfahren.“, sagte Sharie mit einem mutigen Ausdruck im Gesicht. „Sie gehört ja wohl auch zu den richtigen Leuten, oder?“ „Allerdings.“, sagte die junge Celsianerin. „Na dann.“, sagte Sharie und beendete die Verbindung. Dann bog sie ab in Richtung Saturn.

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