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Lomādo und ich hatten unser Frühstück beendet. „Wo werden wir den Rest der Widerstandszelle treffen, Lomādo?“, fragte ich. „Das werden Sie gleich sehen.“, sagte er und tat dabei sehr geheimnisvoll. Dann wechselte er den Platz und kam sehr dicht zu mir. „Was wird das, wenn’s fertig ist?“, fragte ich etwas flapsig. Ich hatte inzwischen sehr großes Vertrauen zu ihm gewonnen. „Nehmen Sie meine Hand!“, forderte er mich auf. Ich nickte und tat es. „Ich werde jetzt bis drei zählen.“, erklärte er. „Dann wünschen wir uns beide nichts mehr, als nach Omarior zu kommen.“ „OK.“, nickte ich. „Haben Sie nicht noch eine Frage?“, fragte er, dem wohl etwas seltsam vorkam, dass ich nicht gefragt hatte, etwas, das ich sonst bei all diesen Sachen sehr oft getan hatte. „Was sollte ich denn Ihrer Meinung nach fragen?“, fragte ich. „Wollen Sie denn gar nicht wissen, was Omarior ist?“, fragte er zurück. „Oh, ich kann mir schon denken, was Omarior ist.“, sagte ich. „Der Begriff scheint sich aus den Begriffen Omarionnebel und Bajor zusammenzusetzen. Im Omarionnebel befindet sich die Heimatwelt der Formwandler und Neris kommt von Bajor. Ich schließe also, dass Omarior eine kleine romantische Welt ist, die sich Neris und Odo, nachdem sie sich nach ihrem Tod hier wiedersahen, nach ihren gemeinsamen Vorstellungen geschaffen haben. Ich bin ausgebildete Kommunikationsoffizierin. Mein feines Gehör und mein sprachliches Talent verraten mir so einiges.“ „Na dann wollen wir doch gleich mal sehen, ob Sie Ihr sprachliches Talent auf die richtige Fährte gelenkt hat.“, sagte er und seine Finger umschlossen meine Hand, deren Finger vorher die Seine umschlossen hatten. Dann zählte er: „Eins, zwei, drei!“ Dann dachten wir beide: Nach Omarior!

Eine Sekunde später fanden wir uns im Freien wieder. Wir schienen auf einer anderen Welt zu sein. Jedenfalls roch die Luft komplett anders. Sie roch nach allerlei exotischen Pflanzen, deren Duft ich zuletzt auf Bajor bei einem Oberflächenurlaub wahrgenommen hatte. In der Ferne nahmen meine Ohren das Tosen eines Wasserfalls wahr. Unter meinen Füßen spürte ich Blätter. Wir mussten uns also auf einem Waldweg befinden. Aber ich spürte auch Lomādos Hand noch immer in meiner, was mich sehr beruhigte und mich lächeln ließ. In Shinells Unterricht hatte das mit dem Wünschen nie geklappt, aber bei ihm ging es auf Anhieb. Vielleicht deshalb, weil ich bei meinem neuen aldanischen Freund nicht das Gefühl hatte, meinen Weg ins Gefängnis zu ebnen, wenn ich mich darauf einließ. „Wünschen lernen ohne Angst.“, lächelte ich in Anlehnung an eine Aufschrift auf einem Schild über einer Schwimmschule in meinem Heimatjahrhundert, in der ich als Kind das Schwimmen erlernt hatte. Auch dort hatte man zunächst eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen und mich dann langsam herangeführt. „Sie sollten ein Konkurrenzunternehmen zu Shinells aufmachen.“ „Danke für den Vorschlag.“, sagte Lomādo. „Ich werde drüber nachdenken.“ Ich grinste.

Er nahm die übliche Führhaltung ein und ich legte meine linke Hand wieder in seine rechte Armbeuge. So gingen wir den Waldweg entlang. Inzwischen war ich mir sicher, dass wir uns in einem tiefen dunklen Wald befanden. „Wohin gehen wir?“, fragte ich. „Zu Neris und Odo.“, erwiderte er, als sei es das Natürlichste der Welt. Dann blieben wir vor einem großen Tor stehen. Er ließ mich los und führte meine linke Hand an die Verstrebungen. „Machen Sie sich selbst ein Bild!“, forderte er mich auf. Ich folgte seiner Anweisung, indem ich am Tor entlang ging. Es war kalt, denn es war aus Metall. Seine Verschnörkelungen und auch die Art, in der die Pfeiler gebaut waren, zwischen denen es angebracht war, erinnerten mich an Landhäuser. Langsam begann ich, mir über einiges klar zu werden. Vielleicht war dieses Haus jenem nachempfunden, das Neris auch in ihrem Leben vor dem Tod beinahe einmal mit Chief O’Brien besucht hätte, wenn nicht …

Lomādo hatte sich zu mir, die ich mich jetzt auf der anderen Seite der Toreinfahrt befand, gesellt. „Sind Sie jetzt schlauer?“, fragte er grinsend. Ich nickte langsam und zögerlich. „Was irritiert Sie?“, fragte er. „Mich wundert.“, sagte ich. „Dass Neris’ Hund nicht anschlägt.“, sagte ich. „Glauben Sie mir.“, sagte Lomādo. „Dieser Hund hat garantiert keinen Grund, wegen uns anzuschlagen. Für ihn sind wir nämlich lange nicht so fremd, wie Sie vielleicht glauben.“ Das war wohl wieder so ein geheimer Hinweis, damit ich was zum Rätseln hatte. Was wollten die mir bloß alle sagen? Nur bei einer Sache war ich mir zwischenzeitlich verdammt sicher! Ich war sicher, dass sie die Krise, in der Shinells Personal plötzlich gebunden war, herbeigeführt hatten, damit Lomādo ungestört mit mir Kontakt aufnehmen konnte. Da steckte bestimmt die Widerstandszelle dahinter. Dieser Gedanke ließ mich verschmitzt lächeln.

Vom Inneren des großen Hofes her hörte ich plötzlich weibliche Schritte, die sich dem Tor näherten. Dann drückte die Frau wohl auf einen Knopf und es öffnete sich. „Da seid ihr ja.“, sagte ihre etwas schrill wirkende Stimme einladend. Diese Stimme war mir sehr gut bekannt, denn als Kadettin hatte ich sie gehört, wenn wir Aufzeichnungen von Deep Space Nine im Unterricht durchgenommen hatten. Da ich sowieso ein gutes Gedächtnis für Stimmen hatte, war das wohl auch kein Wunder. Sie war mir ja schon bei unserer Begegnung im Park aufgefallen. „Neris?“, fragte ich ungläubig staunend. „Wer sonst?“, lächelte sie und nahm mich Lomādo ab, um mich selbst auf das Grundstück und ins Haus zu führen. Auch hier erinnerte alles an ein Landhaus.

Sie setzte mich auf der großen breiten Couch ab. „Wo ist Ihr Hund, Neris?“, fragte ich. „Der kommt gleich.“, grinste sie. „Außerdem erwarten wir noch Kimara.“ „Wer ist Kimara?“, fragte ich. „Erinnern Sie sich noch, dass ich Ihnen jemanden vorstellen wollte?“, fragte Lomādo, der sich inzwischen rechts neben mich gesetzt hatte. Ich nickte. Jene gewisse Kimara musste also die Frau sein, die mir Lomādo vorstellen wollte.

Ich vernahm das Signal einer Sprechanlage und dann männliche Schritte, die offenbar aus einem anderen Zimmer heraus das Haus verließen. Wenig später kehrten sie zurück, aber sie wurden von weiblichen Schritten begleitet. Beide nahmen jetzt Kurs auf das Wohnzimmer. „Neris, Lomādo?“, fragte ich verwirrt. „Wir sind noch hier.“, sagte Neris und Lomādo fügte bei: „Ja, wir sind beide hier!“ Dabei betonte er das Wir besonders, was für mich schon wieder ein Rätsel darstellte.

Die beiden Personen, die jetzt das Wohnzimmer betraten, kannte ich nicht wirklich. Es handelte sich um eine schwarzhaarige hoch gewachsene ältere Romulanerin, wie Lomādos Augen erkannten und einen Mann mittleren Alters, der eine glatt anliegende hellbraune bis blonde Haarpracht hatte, schlank war und ca. 180 cm maß. Er trug einen roten Anzug und dazu braune Schuhe. Die Kleidung der Frau war fast feierlich schwarz. Beide setzten sich jetzt auf zwei Sessel, die rechts und links neben der Couch standen. Dann gab mir die Frau langsam und vorsichtig ihre Hand. „Gestatten.“, sagte ihre etwas tiefe auf ein höheres Alter hindeutende Stimme. „Professor Kimara Toreth.“ „Allrounder Betsy Scott.“, erwiderte ich. „Ihr Name ist mir bekannt, Professor Toreth. Ich kenne ihn aus den Medien. Sie sind die Wissenschaftlerin, die Meilenstein entwickelt hat. Was tun Sie hier?“ „Ich denke, dass das alles, wie wir mit der Situation umgegangen sind, nicht richtig war.“, antwortete Toreth. „Und ich bezweifele, dass mein Lebensende richtig war. Das machte mich zu einer Patientin für Shinell. Alle, die an der Richtigkeit ihres Lebensendes zweifeln, kommen zunächst zu ihr. So habe ich auch Lomādo kennen gelernt und … Ach, es ist viel wichtiger, dass Sie alle Informationen über Meilenstein bekommen, um sie den Lebenden geben zu können, Betsy. Es war nicht richtig! Nein, es war nicht richtig. So eine denkwürdige Inspiration wie die Sache mit dem Strohhalm. das war doch Schicksal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Meilenstein nicht gebaut werden sollte. Egal was geschehen ist. Nach 800 Jahren sollte man doch über alles hinweg sein, oder?“ „Mord verjährt nicht, Kimara!“, sagte jetzt der Mann mahnend, dessen Stimme ich als die von Sicherheitschef Odo identifizierte. „Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass sie, selbst wenn sie zurück kommt, keine Informationen aus dem Totenreich mitnehmen kann. Zumindest kein Wissen.“ „Nein.“, sagte Neris. „Aber sie kann eine Verhaltensweise mitnehmen, die die richtigen Personen auf die richtigen Spuren lenken könnte. Es ist bekannt, dass Leute nach so genannten Nahtoderfahrungen ihr Leben komplett umgekrempelt haben.“ „Einverstanden.“, sagte ich. „Und welche Verhaltensweise sollen wir Ihnen eingeben?“, fragte Kimara. „Sie sprachen von einer Strohhalmsache.“, sagte ich, die ich mir denken konnte, worauf sie damit hinaus gewollt hatte. Vor dem großen Zerwürfnis hatte man ja in den Medien lang und breit erklärt, wie es zum Durchbruch bezüglich Meilenstein gekommen war. „Wie wäre es, wenn Sie mir eingeben, dass ich alles, was ich trinke, zukünftig nur noch mit dem Strohhalm trinken kann. Insbesondere dann, wenn Techniker Montgomery Scott, Techniker Jenna McKnight, Techniker George Jannings, oder Techniker Cenda Nia in der Nähe sind.“ „Sie trauen diesen Ingenieuren zu, den Wink zu verstehen?“, fragte Lomādo. Ich nickte aufgeregt. „Also dann!“, sagte Neris. „Machen wir es so!“ „Aber wer soll das tun?“, fragte Odo. „Am besten geeignet wäre Kimara.“, sagte Neris. „Schließlich ist Meilenstein eine romulanische Erfindung gewesen und sie weiß am meisten darüber.“ „Meine telepathischen Fähigkeiten sind rudimentär.“, sagte die Professorin. „Wie bei allen Romulanern.“ „Ich kann Ihnen helfen, die Verbindung zu Betsys Geist herzustellen.“, sagte Lomādo. „Wir tun es am besten gleich. Ich will nämlich pünktlich zum Abendessen zurück sein, bevor Shinell und ihre Leute Verdacht schöpfen. Betsy, bitte nehmen Sie meine rechte Hand mit Ihrer linken. Kimara, Sie nehmen meine linke Hand mit Ihrer rechten und geben Betsy die linke in ihre rechte. Sehr schön. Jetzt ist der Kreis geschlossen. Möchte eine von Ihnen, dass ich vorher Bescheid gebe?“ „Bis drei zählen wäre gut.“, sagte ich, die ich jetzt doch leichte Beklommenheit verspürte. „Das hat ja bisher gut geklappt.“ „Also gut.“, sagte Lomādo. „Kimara, sobald ich Sie mit Betsy verbunden habe, fangen Sie an, ihr in Gedanken zu sagen, was Sie ihr sagen wollen. Erinnern Sie sich noch an die Namen, die sie erwähnt hat? Die Exaktheit ist das A und O bei einem hypnotischen Befehl!“ „Techniker Cenda Nia, Techniker Montgomery Scott, Techniker Jenna McKnight, Techniker George Jannings.“, wiederholte die Romulanerin in lockerer willkürlicher Reihenfolge. „Im Auswendiglernen von Daten sind wir Romulaner nämlich recht gut.“ „OK.“, sagte Lomādo und begann damit, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. „Wenn Sie zu starke Angst verspüren sollten, Betsy.“, erinnerte er mich. „Ziehen Sie einfach Ihre Hände aus den Unseren.“ „Wird schon gehen.“, sagte ich lächelnd und versuchte Zuversicht zu versprühen. „Also dann.“, sagte Lomādo, holte tief Luft und zählte dann langsam ruhig und leise: „Eins, zwei, drei.“

Ich verspürte ein Gefühl, das ich nur von den Momenten kannte, in denen Shimar eine telepathische Verbindung zu mir aufbaute. Dann hörte ich Kimaras Stimme in meinem Geist: Sie werden den Lebenden die entscheidende Information über Meilenstein geben. Sie werden alles, was Sie ab heute trinken, nur noch mit dem Strohhalm trinken. Besonders dann, wenn Techniker Montgomery Scott, Techniker Jenna McKnight, Techniker George Jannings, oder Techniker Cenda Nia in der Nähe sind, aber auch sonst. Dieser Zwang wird erst dann aufgehoben, wenn eine von den genannten Personen erkannt hat, dass man einen Eindämmungsstrahl benötigt, um das Rosannium zu bändigen und in die richtigen Bahnen zu lenken, als würde es durch einen Strohhalm geführt.

Das seltsame Gefühl verging und ich fühlte mich, als wäre ich aus einem Traum erwacht. „Ganz tapfer.“, lobte Lomādo. „Ich weiß, dass das ohne Shimars Vorarbeit sicher nicht möglich gewesen wäre.“ „Bevor wir frohlocken.“, sagte Odo, der wohl seine Skepsis allem und jedem gegenüber immer noch nicht abgelegt hatte. Aber das war wohl typisch für seine Art. Trotz des Großen Vergessens hatte er wohl immer noch nicht vergessen, dass er ein Formwandler war und auch seinen Charakter hatte es nicht beeinflusst. Das Große Vergessen bezog sich wohl nur auf Wissen über das Vorleben, aber wohl nicht auf Verhaltensweisen. Jedenfalls ging er jetzt zu einem Replikator und ließ ihn ein Glas Milch ausspucken. Dieses stellte er vor mir ab. Ich nahm es hoch und wollte es ansetzen, aber meine Lippen pressten sich gegen meinen Willen aufeinander und mein Mund wurde zu einem schmalen Strich. Erst dann, als mir Neris einen Strohhalm in die Hand gab, änderte sich dies. „Na fein!“, sagte sie. „Das hat ja schon einmal prima funktioniert. Jetzt müssen wir Sie ja nur noch zurück in Ihren Körper kriegen, Betsy. Aber darüber muss ich mit Odo unter vier Augen reden. Kommst du?!“ Der Formwandler stand auf und folgte ihr, die ihm einen unmissverständlichen Blick zugeworfen hatte, aus dem Zimmer. Lomādo, Kimara und ich blieben allein zurück.

Neris und Odo hatten sich in eines der Schlafzimmer begeben. Hier setzte sich die Bajoranerin jetzt auf das bunt geblümte Bett und sah ihren Freund erwartungsvoll an. „Willst du dich nicht zu mir setzen?“, fragte sie schon fast etwas schnippisch. „Nein, Neris!“, antwortete Odo fest. „Ich will lieber stehen, weil ich dir etwas sagen muss. Was immer du auch von mir verlangst, ich werde es nicht tun. Die Quellenwesen haben eindeutige Regeln für unser Verhalten aufgestellt und die werde ich nicht brechen! Du weißt, dass uns sonst die Strafe der Wiedergeburt droht!“ „Zur Hölle mit den Quellenwesen, Odo!“, sagte die forsche Neris. „So eine hohe Strafe kann das nicht sein zu leben. Schau dir Betsy an. Sie mag das Leben sogar so sehr, dass sie unbedingt dort hin zurück will!“ „Sie will dort hin zurück, weil sie eine Pflicht zu erfüllen hat.“, argumentierte Odo. „Sehr richtig.“, entgegnete die streitbare Bajoranerin. „Und das haben wir vielleicht auch. Ich denke, die Propheten werden nicht zulassen wollen, dass Sytania ihren guten Namen für sich benutzt, aber sie wissen nicht, wie sie es anstellen sollen, dieses Problem zu lösen!“ „Du zweifelst an deinen eigenen Göttern?“, fragte Odo irritiert. „In diesem Fall ja!“, sagte der ehemalige Major des bajoranischen Militärs. „Ich denke, sie kommen aus irgendeinem Grund damit nicht allein klar und benötigen dieses Mal die Hilfe von uns Sterblichen. Sytania wird ihnen da ein ganz schönes Ei ins Nest gelegt haben.“ „Aber wenn sie unsere Hilfe bräuchten.“, sagte Odo. „Warum geben sie es dann nicht einfach zu?“ „Weil sie dann sicher in ihrer Liga das Gesicht verlieren würden.“, sagte Neris. „Aber jetzt zu dem, worum ich dich bitten möchte. Kannst du dich in einen interdimensionalen Energiewirbel verwandeln?“ „Das habe ich noch nie versucht.“, sagte Odo. „Und ich werde es auch nie versuchen. Wenn die Quellenwesen es herausbekommen, dann werden sie uns strafen und wer weiß, als was wir dann wiedergeboren werden.“

Ich war nicht umhin gekommen zu lauschen. Die Wände in diesem alten Haus waren keineswegs schalldicht und so hatte ich alles hören können, was sie gesprochen hatten. Vor allem Neris war ja nicht gerade leise gewesen. „Oh, nein!“, sagte ich traurig. „Das darf ich nicht zulassen!“ „Das hatten wir doch schon, Betsy.“, sagte Lomādo. „Sie verstehen nicht.“, sagte ich. „Ich darf nicht zulassen, dass Odo und Neris meinetwegen bestraft werden.“ „Ups!“, machte Kimara. „Den entsicherten Phaser, mit dem Sie uns hier alle zwingen, diese oder jene Handlung nach Ihrem Willen zu begehen, muss ich wohl ganz übersehen haben. Oder sehen Sie ihn, Lomādo?“ „Zynismus hilft uns hier nicht, Kimara!“, sagte Lomādo scharf und sah streng in ihre Richtung. „Ich weiß, was sie hat und das kann man auch anders klären.“

Er zog mich von der Couch und führte mich stark zitterndes Etwas in die Küche. Hier setzten wir uns wieder an einen Tisch. „Jetzt erklären Sie mir doch noch einmal, warum Sie das nicht zulassen können, Betsy.“, sagte er ruhig und fast väterlich. „Weil ich Sternenflottenoffizierin bin und als eine solche nicht zulassen darf, dass sich andere für mich in eine für sie schlechte Situation begeben. Ich darf nicht mein Wohl über das große Ganze stellen.“ „Na also.“, sagte Lomādo. „Da haben wir ja den Knackpunkt. Aber beantworten Sie mir doch mal eine Frage. Können Sie, als Sternenflottenoffizierin, zulassen, dass Sytania das gesamte dimensionale Gefüge versklavt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Dann können Sie doch unsere Hilfe ruhig annehmen.“ „Aber Odo und Neris könnten …“, setzte ich an, aber er unterbrach mich: „Sie werden mir jetzt noch eine Frage beantworten! Welchem Beruf sind Odo und Neris zu ihren Lebzeiten nachgegangen?“ „Sie waren zwar keine Sternenflottenoffiziere, aber beide waren sehr pflichbewusst, als die beiden, Kira als Major des bajoranischen Militärs und Odo als Sicherheitschef auf Deep Space Nine jeweils ihren Dienst versahen.“, sagte ich. „Genau wie Sie.“, sagte Lomādo. „Also kennen sie doch die Risiken und werden bereit sein, sie einzugehen.“, sagte mein neuer aldanischer Freund. „Da muss ich wohl zustimmen.“, sagte ich. „Na bitte.“, sagte er. „Und jetzt hören Sie auf, sich unsere Köpfe zu zerbrechen. Wenn wir entschieden haben, Ihnen zu helfen, dann ist das allein unser Bier und unser Risiko. Sie trifft daran keine Schuld.“ „Sie werden Recht haben, Lomādo.“, sagte ich. „Ist jetzt alles wieder in Ordnung?“, fragte er. „Ich denke schon.“, sagte ich. „Ich denke, wir können zu Kimara zurückgehen. Warum haben Sie sie eigentlich so abgebügelt und warum hat sie nichts dagegen gesagt?“ „Ich bin vorrübergehend Neris’ rechte Hand, was die Führung der Widerstandszelle angeht.“, gestand er. „Ach so.“, sagte ich. „Und ich dachte, Odo wäre …“ „Der ist viel zu treu, was Vorschriften angeht.“, lachte Lomādo.

Wir gingen ins Wohnzimmer zurück. Hier erwartete uns bereits Kimara, die sich sofort bei mir entschuldigte. „Schwamm drüber.“, sagte ich. „Was machen unsere beiden Streithähne?“ „Oh, ich denke, das können Sie für uns doch wohl am besten erlauschen.“, sagte Lomādo und führte mich zurück auf meinen Platz, von wo aus ich meinen Lauschangriff sofort fortsetzte.

Immer noch saß Neris da und Odo stand vor ihr. „Warum willst du es nicht einmal versuchen, verdammt?!“, schimpfte Neris. „Es übersteigt wohl deine Fähigkeiten, was?“ „Versuch bitte nicht, mich bei meiner Formwandlerehre zu packen.“, sagte Odo. „Das Argument zieht nicht.“ „Ach nein?“, fragte Neris. „Aber vielleicht zieht das: Findest du es gerecht, dass Sytania den guten Namen der Propheten so in den Dreck ziehen kann und sie benutzt für ihre eigenen Eroberungspläne?“ „Nein.“, versuchte der Formwandler, sie zu beruhigen. „Aber wenn die Quellenwesen nun mal nicht wollen, dass …“

Unvermittelt musste ich meinen Kopf von der Wand drehen. Ich hatte, während ich sie belauschte, über etwas nachgedacht. Was war, wenn die Quellenwesen, die ja laut unseren Theoretikern mit den Propheten verwandt waren, das Problem nicht allein lösen konnten, weil sie es gar nicht verstanden. Immerhin lag sein Schlüssel in der Vergangenheit und das Konzept der Zeit war etwas, das für sie unverständlich war. Aber das konnten sie nicht zugeben. Zumindest nicht in ihrer Liga mächtiger Wesen. Diese Argumente trug ich nun auch Lomādo und Kimara vor. „Wenn sie Recht hat.“, stammelte die Romulanerin, die ich damit wohl sehr beeindruckt hatte. „Oh, sie wird Recht haben.“, sagte Lomādo. „Ansonsten wäre von denen ja schon längst eine Reaktion erfolgt. Aber ich denke, wir sollten ihre Argumente jetzt mal unseren beiden Streithähnen präsentieren.“

Wieder zog er mich auf die Beine und wir gingen gemeinsam hinüber zu Odo und Neris. Aber auch Kimara begleitete uns dieses Mal. Vor der Tür des Schlafzimmers gab mir Lomādo einen Stoß. „Sie gehen und sagen es ihnen.“, sagte er. „Wir helfen, wenn es notwendig sein sollte.“ dann bildeten er und Kimara hinter meinem Rücken eine Front. Langsam schritt ich auf die Tür zu und klopfte. „Was gibt es?!“, fragte Neris’ aufgeregte Stimme von drinnen. „Ich bin es. Betsy.“, sagte ich. „Ich muss Ihnen etwas sagen.“

Die Tür wurde von drinnen geöffnet und Neris zog mich am Arm hinein. Dann verfrachtete sie mich neben sich auf das Bett und fragte: „Was gibt es?“ „Ich weiß, warum sich die Quellenwesen und die Propheten nicht rühren.“, sagte ich. „Der Schlüssel für unser Problem liegt in der Vergangenheit. Das ist ein Konzept, das sie nicht verstehen. Wie soll man eine Lösung finden, wenn man das Problem noch nicht einmal versteht?“ „Genau das habe ich doch auch gesagt.“, sagte Neris. „Ihr meint also beide tatsächlich.“, sagte Odo. Neris und ich nickten gleichzeitig. „Also gut.“, sagte der Formwandler. „Es ist ja wirklich nicht gerecht, was Sytania da tut und ihr habt schon Recht. Sie darf nicht gewinnen! Gebt mir aber bitte etwas Zeit zum Üben. Ich will ja nicht, dass Betsy etwas passiert.“ „Und ich werde in die Dimension der Lebenden schauen und nach ihrem Körper suchen.“, sagte Lomādo. „Sagen wir, wir treffen uns in drei Tagen wieder hier?“ „OK.“, sagte Neris.

Ich drehte mich um und um. Lomādo, dem mein Verhalten aufgefallen war, fragte: „Was ist? Sie scheinen mir nach etwas zu suchen, Betsy.“ „Ja.“, sagte ich. „Ich suche immer noch nach Ihrem großen weichen Hund, Neris.“ „Wie weich war er denn?“, antwortete Odo statt ihrer. „Etwa so weich?!“

Lomādo zog mich ein Stück zurück und dann hörte ich ein Geräusch, als würde Wasser fließen. Dann stand laut fiepend und mit dem Schwanz wedelnd plötzlich Softi vor mir, der mir sein weiches Fell zum Streicheln anbot. „Ach du meine Güte!“, rief ich aus. „Dann waren Sie der Hund, Odo? Ich kann mir schon denken, warum Sie das gemacht haben. Sie wollten mir den Zugang zu sich erleichtern. Aber wenn Sie der Hund waren, dann mussten Sie sich von Ihrer Freundin aber ganz schön herumkommandieren lassen.“

Er verwandelte sich zurück und sagte dann: „Was tut man nicht alles für die Tarnung?“ „Verstehe.“, sagte ich. „Unsere Begegnung fand ja in einem Park statt und eine Spaziergängerin mit Hund fällt da nicht so auf.“ „Genau.“, sagte Odo. „Aber ich überlege ernsthaft, öfter als Hund aufzutreten. Diese geschärften Sinne! Faszinierend!“ „Du hast jetzt erst mal ein ganz anderes Ziel.“, erinnerte ihn Neris. „Ich weiß.“, sagte der Formwandler.

Lomādo nahm mich bei der Hand. „Wir werden euch jetzt besser nicht länger zur Last fallen.“, sagte er. „Betsy, ich zähle bis drei und dann wünschen wir uns beide in Shinells Therapiezentrum zurück.“ „Darf ich das dieses Mal übernehmen, Lomādo?“, fragte ich. „Wenn Sie sich trauen?“, freute er sich. „Ja, ich traue mich.“, sagte ich. „Also dann.“, sagte er und nahm eine abwartende Haltung ein. Darauf hin begann ich, mich zu konzentrieren und zählte: „Eins, zwei, drei.“ Danach dachte ich nur: In Shinells Therapiezentrum in meine Wohnung!

Augenblicklich fanden wir uns genau dort wieder. „Großartig!“, lobte Lomādo. „Das hätte ich nicht gedacht.“ „Anscheinend bin ich immer für eine Überraschung gut.“, lächelte ich. „Oder haben Sie nachgeholfen?“ „Ich habe gar nichts gemacht.“, sagte er. „Das waren Sie ganz allein. Aber jetzt sollten wir in den großen Aufenthaltsraum zu den anderen gehen. Lassen Sie sich aber nichts anmerken.“ „Wenn Sie das auch nicht tun.“, lächelte ich. Dann nahm ich seine Hand und wir gingen.

Sedrin und D/4 hatten sich erneut auf dem Rückflug getroffen. Dazu, sich über SITCH auszutauschen, waren sie nicht gekommen, aber jetzt saßen sie erneut in dem Abteil des Shuttles zusammen. Außer ihnen war aber kein weiterer Passagier anwesend, ein Umstand, den Sedrin langsam als etwas merkwürdig empfand. „Hier sind wir nun wieder.“, sagte die Agentin, um zwischen sich und der Sonde ein Gespräch in Gang zu bringen. „Allein.“, fügte die Xylianerin bei. „Aber vor dem, was ich weiß, ist das vielleicht kein Wunder.“ „Was wissen Sie denn?“, fragte Sedrin. „Ich weiß, dass König Logar eine Erziehungsmaßnahme für seine Tochter vorbereitet, die ihre Wirkung verliert, wenn nicht alles so läuft, wie es laufen soll. Korelem sagt, dass Sytania zuerst uns alle besiegen muss, um besiegt werden zu können. Er hat mich gebeten, die Daten von meinen Leuten durchsimulieren zu lassen, aber bisher haben wir noch keine Ergebnisse. Es fehlen einfach noch zu viele Daten. Aber ich soll weiter beobachten.“ „Korelem.“, wiederholte Sedrin. „Das ist interessant. Er scheint unsere gemeinsame Schnittstelle zu sein. Sobald er wieder aus der Klinik entlassen ist, werde ich auch ihn vernehmen. Meine Zeuginnen haben nämlich auch etwas mit ihm zu tun gehabt und ich weiß eines ganz sicher. Wenn Logar im Spiel ist, sollten wir ihm vertrauen. Seine Majestät ist nämlich sehr wählerisch, wenn es darum geht, Informationen zu verteilen.“ „Das ist korrekt.“, bestätigte die Sonde. „Wir werden sicher auf der Erde noch mehr Gelegenheit haben, uns auszutauschen.“ Sedrin nickte. „Das glaube ich auch.“, sagte sie. „Zumal wir noch einen Trumpf im Ärmel haben. Ginalla ist nämlich auf dem Weg nach Genesia Prime. Wenn ich Shashana richtig einschätze, wird Sytania lange nicht gewonnen haben, auch wenn sie das glaubt.“ „Würden Sie Ihre Daten über die oberste Prätora mit mir teilen?“, fragte die Xylianerin. „Sicher.“, sagte Sedrin. „Bitte konfigurieren Sie Ihre Systeme für eine verbale Übertragung.“ Dann erzählte sie ihr alles, was sie über Shashana wusste.

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