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Nitprin und IDUSA waren allein. Die kleine Breen hatte nach einer Möglichkeit gesucht, wie man Nugura helfen könnte, das Spiel für sich zu entscheiden, ohne die Regeln zu verletzen. Wenn IDUSA den interdimensionalen Transporter einsetzen und den Kegel einfach fort beamen würde, das wäre sicher nicht gut. Sie würden eine andere Möglichkeit finden müssen. Vielleicht würde es gehen, wenn sie genau betrachten würde, wer Nuguras Gegner war. Vielleicht gab es ja auch bei ihm eine Schwachstelle, die man ausnutzen könnte. Vielleicht sogar in einer Weise, die auch mit den Regeln des Spiels im Einklang war. „IDUSA.“, sagte Nitprin. „Stelle die Regeln von Quisar den Stärken und Schwächen eines monetären Wirtschaftssystems in zwei Fenstern gegenüber!“ „Du willst doch wohl keine kriminellen Handlungen begehen, junge Dame!“, erwiderte IDUSA und ihr Avatar hob mahnend den Zeigefinger der rechten Hand. „Keineswegs.“, lächelte Nitprin. „Ich werde mich an alle kulturellen Regeln halten wie ein erwachsener Sternenflottenoffizier. Falls dir irgendwas an dem nicht gefällt, was ich tue, kannst du den Bildschirm ja immer noch löschen. OK?“ „OK.“, erwiderte der Avatar und tat, was die 13-Jährige ihr aufgetragen hatte.

Es war nach zwölf und das Spiel war in vollem Gange. 281 Alpha war in die Konferenzschaltung zwischen dem großen Nagus, Nugura und den Vagasiden eingebunden worden. Allerdings hatten sie nur die Rechte eines Sekundanten. Sie konnten Nugura Tipps geben und den Vagasiden gegebenenfalls einen Regelverstoß des Ferengi melden, wenn diese ihn nicht selbst sehen würden. Auf der Seite des großen Nagus taten dies zwei seiner Lakaien, die auch das Recht auf Meldung bezüglich eines Regelverstoßes der Präsidentin hatten. Die Vagasiden konnten alle Mails mitlesen und alle Gespräche mithören, wussten also über alles Bescheid. Das mussten sie ja schließlich auch in ihrer Funktion als Spielleiter. Dianora hatte beiden gegenüber noch einmal die wichtigsten Regeln zusammengefasst und dann hatte Lenn den Kegel auf den Tisch gestellt mit den Worten: „Quisar! Das Spiel ist eröffnet!“ Um den Beginn war vorher gelost worden und der große Nagus hatte früher auf das ausgesendete Signal reagiert, was ihm erlaubte, zu beginnen.

Zunächst wurde sich mit Kleinigkeiten aus privaten Sammlungen überboten. Dann geschah lange Zeit nichts. „Wer ist jetzt dran, Zirell?“, fragte Maron, für den alles so schnell gegangen war, dass er den Verlauf des Spiels nicht mehr wirklich hatte verfolgen können. „Nugura.“, flüsterte Zirell. „Aber anscheinend sind ihr die Optionen ausgegangen.“ „Aber sie darf nicht aussteigen.“, sagte Maron. „Wenn sie das tut, dann …“ „Ich weiß, was dann passiert!“, sagte Zirell unwirsch. „Aber das weiß sie auch und wird das nicht zulassen und wenn das Spiel die ganze Nacht dauern sollte.“ „Dein Wort in Mutter Schicksals Ohr.“, sagte Maron.

In dieser Hinsicht war Nitprin bereits einen Schritt weiter. Sie hatte sich genau mit den Regeln des Spiels und mit den Stärken und Schwächen eines monetären Wirtschaftssystems beschäftigt. Dabei hatte sie ihr Augenmerk besonders auf dessen Schwächen gelegt und war auch bald fündig geworden. „Das ist es!“, strahlte sie und stellte sich vor, auf einen bestimmten Absatz auf dem virtuellen Schirm zu zeigen. „IDUSA, gib mir das in groß und stell es in den Vordergrund.“ „Das ist das Kapitel über Inflation.“, stellte IDUSA fest. „So weit dürfen wir nicht gehen!“ „Das will ich doch auch nicht wirklich.“, sagte Nitprin. „Ich will doch nur bezwecken, dass der Nagus kalte Füße bekommt und aussteigt.“ „Du willst ihn also dazu bringen, Angst zu bekommen, ein Angebot abzugeben, das ihn in die Situation bringen könnte …“ „Genau.“, sagte Nitprin. „Ich weiß auch schon wie, aber dazu musst du mich in die Kommandozentrale beamen, damit es schneller geht. Bitte, vertrau mir, Rechnerchen.“ „Vertrauen kann ich leider nicht empfinden.“, sagte IDUSA. „Aber die Daten, die ich über dich habe, zeigen mir, dass du keine kriminelle Vergangenheit hast. Also helfe ich dir. Halt dich bitte bereit!“ Damit erfasste sie Nitprin und beamte sie in die Kommandozentrale.

Maron und Zirell waren sehr überrascht, in das Gesicht des Teenagers zu sehen. „Was machst du denn hier, Jinya?!“, fragte der erste Offizier erstaunt. „Ich dachte, du wärst in deinem Zimmer und würdest dich mit der Schule beschäftigen.“ „Mach ich ja gleich wieder.“, sagte Nitprin aufgeregt. „Nur habe ich vorher eine Idee, wie man das Spiel zu unseren Gunsten herumreißen könnte. Bitte, Maron, lass mich Nugura den Tipp übermitteln.“

Maron rückte zur Seite. Irgendetwas sagte ihm, dass es richtig war, ihr das Feld zu überlassen. „Was machst du da?!“, empörte sich Zirell. „Du kannst doch so eine wichtige Sache keinem Kind überlassen!“ „Kann ich doch, wie du siehst.“, sagte der erste Offizier und half Nitprin noch, das SITCH-Mail-Programm richtig zu bedienen. Dann schrieb sie: „Präsidentin, bitte bieten Sie den gesamten Staatshaushalt der Föderation! Nennen Sie keine Summen. Benutzen Sie bitte genau meine Worte! Gezeichnet: Nitprin.“

In den bangen und spannenden Sekunden, die darauf hin vergingen, schaute Zirell Maron immer sorgenvoller an. „Ob sie den Tipp annimmt, bleibt ja immer noch Nugura selbst überlassen.“, sagte Maron. Dann hörten alle Nugura sagen: „Ich würde den gesamten Staatshaushalt der Föderation bieten!“ Der Nagus wurde blass. Um kein gleich klingendes Angebot abzugeben, durfte er nicht das gleiche sagen, durfte sich aber auch nicht unterhalb ihres Gebotes bewegen. Er hätte schon mehr als den gesamten Staatshaushalt bieten müssen, aber das getraute sich seine Ferengiseele nicht, denn dann hätte er sich verschulden oder mehr Latinum replizieren müssen, als in der Wirtschaft zur Zeit im Umlauf war. Das hätte unweigerlich zu einer starken Inflation geführt und die zu seiner Absetzung, beides Punkte, die ein Ferengi fürchtete wie der Teufel das Weihwasser. Er verließ den Spieltisch, indem er signalisierte, die Verbindung beenden zu wollen und erklärte dann stammelnd und zitternd: „Ich steige aus!“

„Quisar!“, sagte Lenn. „Das Spiel ist beendet und die Siegerin ist Nugura! Präsidentin, der Kegel wird Ihnen per Frachtsonde zukommen.“ „Sehr liebenswürdig.“, sagte Nugura diplomatisch. „Aber jetzt, da er mir gehört, würde ich ihn gern zu meinen Verbündeten, den Tindaranern, schicken, damit er dort genauer erforscht werden kann. Dort hat man die richtige Ausrüstung dafür.“ „Also gut.“, sagte Lenn. „Dann schicken wir ihn gleich dorthin.“ Die Verbindung wurde beendet.

„Das war großartig, Jinya!“, sagte Maron. „Warum haben wir das nicht gesehen?“, fragte Zirell. „Ich denke, wir waren viel zu sehr damit beschäftigt, mit Nugura zu fiebern.“, sagte Maron zur Ehrenrettung der Erwachsenen. Dann wendete er sich noch einmal an sein Pflegekind: „Jinya, dein Pflegevati ist …“ „Dein Pflegevati und sein Commander sind stolz auf dich!“, unterbrach ihn Zirell. „So viel Zeit muss sein!“ „Oh, sicher.“, sagte Maron beschwichtigend. „Ich denke, jetzt fühlst du dich nicht mehr schuldig, Nitprin, was?“, sagte Zirell. Die kleine Breen schüttelte erleichtert den Kopf. „Ich gehe auch sofort wieder zur Schule.“, versprach sie. „Das kann warten bis morgen, Jinya.“, sagte Maron. „Ich rede mit Ishan. Er wird dich sicher für heute krank schreiben, wenn er erfährt, was für eine Heldentat du gerade begangen hast. Wir sollten das erst mal feiern.“ „OK.“, sagte Nitprin.

Radcliffe war auf der Granger in die Behandlung von Scientist Loridana überstellt worden. Die Ärztin hatte die Rezeptur für das Medikament, das ihm von Telzan mitgegeben worden war, in den Replikator auf der Krankenstation eingegeben, damit es ihm weiterhin zur Verfügung stand, bis eine andere Lösung gefunden sein würde. Obwohl sie Radcliffe von Kopf bis Fuß untersucht hatte, konnte sie keine neurologische Ursache für seine Erkrankung feststellen, was seine Behandlung noch erschweren sollte. Sie konnte nichts weiter tun, als ihn ruhig zu stellen, wenn so ein Anfall nahte und er sich erneut für Captain Sisko hielt. Diese Aussichten fand Nathaniel sehr deprimierend. Aber er war auch traurig über die Tatsache, gerade auf das Schiff getroffen zu sein, auf dem die Person stationiert war, die er in Sytanias Namen umgebracht hatte. „Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, Scientist Loridana.“, sagte er. „Sie sollten nicht so viel darüber nachdenken.“, sagte die Medizinerin. „Jeder weitere Stress erhöht das Risiko eines Anfalls.“ „Ich weiß.“, sagte der Professor und zog sich ernüchtert die Decke über den Kopf.

Die Tür der Krankenstation öffnete sich leise und jemand betrat den Raum. Dann forderte eine Radcliffe sehr gut bekannte Stimme: „Bericht, Loridana!“ „Meine Untersuchungen haben keine organischen Schädigungen gezeigt.“, sagte die Zeonide. „Ich fürchte, dass ich ihm nicht wirklich helfen kann.“ „Bedeutet das, sein Problem ist rein geistiger Natur?“, fragte Kissara. „Genau das, Ma’am.“, sagte Loridana. „Dann bleiben uns nur zwei Optionen!“, entschied die Kommandantin. „Wir können ihn entweder nach Aldania Prime, oder nach Tindara bringen. Ich denke, dort wird man ihm am besten helfen können, wenn überhaupt.“ „Wenn Sie Wert auf meine fachliche Meinung legen, um Ihre Entscheidung zu treffen.“, sagte die Medizinerin. „Würde ich in diesem Fall Tindara vorziehen. Die Tindaraner haben meines Wissens eine Geistestechnik, die Reise in die Seele heißt. Damit sollen sie schon sehr viel erreicht haben. Ich denke, in seinem Fall wird uns das vielleicht helfen. Wenn wir Professor Radciffe nach Tindara bringen, können wir seine Rekonvaleszenz viel leichter mitverfolgen, als wenn wir ihn zwecks Behandlung in die Aldanische Allianz bringen würden. Die aldanische Medizin ist extrem effizient, aber dafür sind die Aldaner im Gegensatz zu den Tindaranern auch sehr verschwiegen, wenn es darum geht, etwas über seinen Heilungsprozess zu erfahren und wir müssen ja wegen der laufenden Ermittlungen möglichst permanent auf dem Laufendem sein um den Fall erfolgreich abschließen zu können. Und deshalb ist es viel besser, wenn wir Professor Radcliffe nach Tindara bringen und nicht in die Aldanische Alllianz.“ „Sie meinen.“, sagte Kissara, um sich zu vergewissern. „Weil er sich für Sisko hält und Sie denken, dass dies ein Teil seiner Seele ist, der …“ „Genau.“, sagte der Scientist. „Meine Theorie ist, aber bitte sagen Sie es keinem weiter, Commander, dass er nur Heilung finden kann, wenn sich sein jetziges Ich mit dem von Sisko, also seinem vergangenen Ich, versöhnt.“ Sie sah ihre Vorgesetzte verschämt an. „Ich verstehe nicht, warum Ihnen das eine solche Scham bereitet, Loridana.“, sagte Kissara. „In meinen Augen ist das doch eine ganz passable Theorie.“ „Wenn Sie meinen.“, sagte die Ärztin erleichtert, die wohl mit einer ganz anderen Reaktion ihrer Vorgesetzten gerechnet hatte. „Das bedeutet, ich werde Ribanna Kurs in Richtung tindaranische Dimension setzen lassen, sobald Agent Mikel wieder an Bord ist. Er wollte ja gemeinsam mit Agent Sedrin wegen der Sache auf Allrounder Betsy Scotts Beerdigung ermitteln.“, sagte Kissara. „Sie haben mir sehr bei meiner Entscheidung geholfen, Scientist! Stellen Sie Ihr Licht nicht immer so unter den Scheffel! So und nun möchte ich den Patienten sehen!“ „Sofort, Commander.“, sagte Loridana und winkte ihrem Assistenten, der Kissara in Radcliffes Krankenzimmer führte.

Radcliffe erschrak, als er im Türrahmen gerade der Person ansichtig wurde, mit der er so einen großen Schmerz verband. Dabei bezog sich seine Empfindung nicht nur auf den körperlichen Schmerz, den sie ihm mit ihren Krallen zugefügt hatte, sondern auch auf die Tatsache, dass er ihr jemanden weggenommen hatte, die sehr große Achtung bei ihr genoss. Er fühlte sich sogar so schuldig, dass er ihr nicht den Kopf zuwenden konnte. Je näher sie seinem Bett kam, desto weiter wandte er den Kopf von ihr ab. „Sind Sie gekommen, um mich zu tadeln, Commander?“, fragte Radcliffe. „Keineswegs.“, sagte Kissara ruhig und setzte sich auf das Fußende des Biobettes, auf dem er lag. „Ich bin gekommen, um Sie über das weitere Vorgehen in Ihrer Sache zu informieren. Mein erster Offizier hat hier noch was zu erledigen. Sobald er wieder da ist, werden wir Sie nach Tindara bringen. Da wird man sich um Sie kümmern und …“

Radcliffe fuhr herum. „Hat Ihr erster Offizier Sie bereits über seine Ermittlungsergebnisse informiert, Commander?!“, fragte er verzweifelt. „Wissen Sie schon, was ich für ein Teufel in Menschengestalt bin?! Wissen Sie, wen ich getötet habe?! Wen ich in Sytanias Namen getötet habe?! Wissen Sie das?! Wissen Sie, dass ich derjenige bin, der Allrounder Betsy Scott auf dem Gewissen hat?! Ist Ihnen bekannt, dass ich unzählige Leben auf dem Gewissen habe?!“

Kissara hörte ihm zwar zu, aber das Gift und die Galle, die er ihr entgegenspuckte, schienen an ihr abzuprallen. Statt sich angewidert fortzudrehen, wie es sich Radcliffe erhofft hatte, sah sie ihm geradewegs in die Augen. „Wissen Sie, dass ich gewissermaßen der Schöpfer der Antisternenflotte und des Antiuniversums bin?!“, fragte Radcliffe weiter. Sie blieb aber beharrlich sitzen, was ihn immer mehr in Wut versetzte, da er nicht verstand, wie sie trotz der Tatsachen noch immer so ruhig bleiben konnte.

„Na schön.“, sagte Kissara schließlich. „Sie wollen, dass ich Sie verurteile? Dann werde ich mein Urteil jetzt verkünden! Meiner Meinung nach sind Sie es durchaus wert, dass man ihnen hilft. Sytania hat Ihre Erkrankung schamlos ausgenutzt. Deshalb haben Sie die Dinge getan, die Sie getan haben. Deshalb werde ich auch nicht eher von diesem Platz weichen, bis Sie erkennen, dass nicht Sie die treibende Kraft waren und dass es durchaus Potential gibt, Ihnen zu helfen. Ich bin Thundarianerin. Wir sind so beharrlich wie terranische Katzen beim Mäusefang. Sie werden schon sehr starke Geschütze auffahren müssen, um mich umzustimmen!“ „Ich fürchte, diese Maus werden Sie trotzdem nicht fangen, Commander!“, sagte Radcliffe. „Ich habe Ihre Hilfe nämlich nicht verdient, da ich der Teufel in Menschengestalt bin! Die Einzige, die mich wahrscheinlich heilen könnte, wenn sie denn wollte, ist Sytania! Aber ich habe in ihren Augen schändlich versagt und deswegen hat auch sie mich im Stich gelassen.“ „Sie sind also der Teufel.“, sagte Kissara. „Interessant. Aber selbst der Teufel ist laut der christlichen Mythologie auf der Erde nichts weiter, als ein gefallener Engel! Gut und böse stecken in jedem Wesen, Mr. Radcliffe. Da bilden Sie oder ich sicher keine Ausnahme! Und um Sie zu heilen, benötigen wir Sytania sicher nicht! Wir werden einen eigenen Weg finden, Sie zu heilen! Einen besseren! Einen, bei dem Sie nicht wieder in Abhängigkeit geraten werden!“

Nathaniel begann zu zittern und dann zu weinen. Dann legte er sich wieder zurück in die Kissen. Vorher hatte er mehr oder minder gesessen. Kissara zog ein Taschentuch aus ihrer Uniformtasche und wischte ihm persönlich damit die Tränen ab. „Warum sind Sie immer noch so gut zu mir?“, fragte Radcliffe, der ihr Verhalten immer noch nicht verstand. „Ich kann nicht aus meiner Haut.“, sagte Kissara. „Ich bin Sternenflottenoffizierin. Wir sehen das Gute in jeder Lebensform. Vielleicht mit Ausnahme von Sytania.“ Sie lächelte. „Ich wusste gar nicht, dass überhaupt noch etwas Gutes in mir steckt.“, sagte Nathaniel. „Das muss es aber.“, sagte Kissara. „Sonst wären Sie sicher nicht in dem Zustand, in dem Sie jetzt sind. Also, noch einmal. Wenn Agent Mikel zurück ist, bringen wir Sie nach Tindara. Dort wird man Ihre Abhängigkeit von Sytania ein für alle Mal zerstören und Sie wieder zu einem freien Mann machen. Dessen bin ich mir sicher!“ „Und meine Erkrankung?“, fragte Radcliffe verzweifelt. „Die geht ja mit allem einher.“, sagte Kissara. „Ich bin überzeugt, die wird dann auch wie von Zauberhand verschwunden sein!“

Radcliffe sah, dass sich ihre Nackenhaare aufgestellt hatten, was bei Katzenartigen ein Zeichen für die Bereitschaft zum Kampf war. Jene Beule in ihrem Uniformkragen erleichterte ihn jetzt doch sehr, denn er hatte sich mit der überraschenden Tatsache schließlich doch abgefunden, dass er um ihre Hilfe nicht herumkommen würde. „Sie scheinen ja wirklich bereit zu sein, für mich zu kämpfen, Commander.“, sagte Radcliffe. „Jemand muss das ja schließlich tun.“, begründete Kissara. „Wenn Sie selbst sich bereits aufgegeben haben.“ „Danke.“, entgegnete Radcliffe erschöpft. „Aber wie weit würden Sie für mich gehen?“ „Ich würde mich sogar dem Urbösen stellen, wenn es sein müsste!“, sagte Kissara kampfeslustig.

Sie wandte sich zur Tür. „Müssen Sie wirklich schon gehen?!“, sagte Radcliffe. „Ja, das muss ich leider.“, erwiderte Kissara. „Ich habe noch ein paar Verpflichtungen. Aber ich werde Sie jederzeit wieder besuchen, wenn ich kann. So schlimm, wie Sie behaupten, sind Sie nämlich lange nicht. Sie waren ein Opfer, Nathaniel. Ein Opfer Ihrer Krankheit und ein Opfer Sytanias. Aber das wird sich alles ändern! Vertrauen Sie mir!“ Bei ihrem letzten Satz hatte sie geschnurrt. Sie schnurrte auch noch, als sie die Krankenstation verließ.

Radcliffe konnte nicht anders, als seine Augen zu schließen. Er war wohl von der ganzen Selbstanklage, die er vorgebracht hatte, sehr erschöpft. Auf der Stelle war er eingeschlafen, denn sie musste ihm eine große Sicherheit vermittelt haben.

Ginalla und Kamurus hatten das terranische Sonnensystem verlassen und waren jetzt im freien Weltraum. „Es ist kurz vor Mitternacht auf der Erde.“, sagte der Avatar. „Wir sollten so langsam mal loslegen, findest du nicht?“ „Na gut.“, sagte Ginalla. „Dann nimm mal Kontakt auf.“ „Das habe ich schon.“, sagte Kamurus und zeigte ihr das Eingabefeld. „Also gut.“, grinste die junge Celsianerin. „Dann schreib mal: Ein kleines Vögelchen hat mir geflötet, dass Sytania hat Allrounder Betsy getötet.“ „War das alles?“, fragte das Schiff. „Natürlich war das alles.“, sagte Ginalla. „Mehr passt ja wohl fürs Erste nich’. Mal sehen, ob jemand anbeißt. Falls nich’, legen wir noch mal nach.“ „Wie du willst.“, sagte Kamurus und übertrug die Daten.

In jene Ermittlungsarbeiten, von denen Kissara gegenüber Radcliffe gesprochen hatte, waren Mikel und Sedrin in dieser Nacht bereits sehr vertieft. Die Agenten hatten sich am Tor des Friedhofs von Little Federation getroffen und waren dann gemeinsam zu meinem Grab gegangen, um sich dort hinter einem nahen Gebüsch zu verstecken. „Jeder von uns sollte jetzt das tun, was er oder sie am besten kann.“, flüsterte Sedrin ihrem vorübergehenden Partner zu. „Das bedeutet, du hältst die Ohren offen und ich die Augen.“ „OK.“, stimmte Mikel zu und begann zu lauschen.

Eine Weile lang hatten sie nun schon regungslos in ihrem Versteck gesessen, ohne dass sich etwas getan hatte. Mikel rieb sich immer wieder die Beine, denn diese drohten bei der gebückten Haltung, die er eingenommen hatte, einzuschlafen.

Plötzlich hielt er inne und machte ein angespanntes Gesicht. „Was hörst du?!“, fragte Sedrin, die sich ein solches Verhalten des blinden Mannes durchaus erklären konnte. „Ich höre Schritte.“, flüsterte Mikel. „Es sind immer gleiche Abstände dazwischen, als kämen die Schritte von einer künstlichen Lebensform.“ „Ein Androide?“, wollte Sedrin wissen. „Nein.“, sagte Mikel. „Es scheinen weibliche Schritte zu sein. Aber ich schließe auch aus, dass sich Cupernica hier des Nachts herumtreiben sollte.“ „Also, da kommt eine künstliche Frau, die aber keine Androidin ist.“, fasste Sedrin Mikels Beobachtungen zusammen. „So könnte man es ausdrücken.“, sagte Mikel. „Aber mir fällt da tatsächlich eine Bürgerin von Little Federation ein, auf die das alles als Einzige zutrifft.“ „Du sprichst von D/4!“, sagte Sedrin. „Ganz recht.“, erwiderte Mikel. „Ich wüsste zwar nicht, was sie hier wollen würde, denn künstliche Lebensformen können ja keine Trauer empfinden, aber …“ „Sie versucht sich an unsere Gepflogenheiten anzupassen.“, unterbrach ihn Sedrin leise. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sie hierher kommt. Bleib hier. Ich werde sie ansprechen.“

Sie verließ das Versteck und ging in die Richtung, aus der Mikel die Schritte gehört hatte. Er hatte zuvor heimlich in diese gezeigt. Tatsächlich wurde sie bald der Xylianerin ansichtig, die neben meinem Grab stand und den Stein beobachtete. „D/4?“, sprach die Agentin sie an und tat dabei, als sei sie überrascht, sie zu sehen. „Korrekt.“, sagte die Sonde und drehte sich in Sedrins Richtung. „Was tun Sie hier?“, sagte die Demetanerin. „Regenerieren Sie sich nicht eigentlich um diese Zeit?“ „Ich habe ein Protokoll ausgeführt, das es mir erlaubt, meine Regeneration um einige Stunden zu verschieben.“, sagte die Sonde. „Tchey und ich haben unsere freie Woche und mit meiner freien Zeit kann ich ja bekanntlich anstellen, was mir beliebt. Wenn ich also beschließe, um kurz vor Mitternacht auf den Friedhof zu gehen, um dort dem toten Allrounder meine Ehre zu erweisen, ist dies meine Angelegenheit!“ „Natürlich.“, beschwichtigte Sedrin. „Dies ist ein freier Planet.“

Die Agentin sah, dass die Sonde einen Blumenstrauß hinter ihrem Rücken hervorholte. Diesen legte sie langsam und bedächtig auf dem Grab ab. Dabei streifte Sedrins Blick den Grabstein, auf dem sich im selben Moment meine Geburts- und Sterbedaten in einen netten Zweizeiler verwandelten, der da lautete: „Ein kleines Vögelchen hat mir geflötet, dass Sytania hat Allrounder Betsy getötet!“

Erschrocken warf die Agentin den Kopf herum. An ihren medizinischen Werten konnte D/4 sehr wohl ablesen, dass sie in Stress geraten war. „Was ist?“, fragte die Sonde. „Habe ich die rituellen Handlungen des Trauerns nicht korrekt ausgeführt?“ „Doch.“, sagte Sedrin. „Ihre Ausführungen waren korrekt. Aber es geht mir um etwas anderes. Schauen Sie mal.“ Sie deutete atemlos auf den Grabstein. „Diese Inschrift ist ungewöhnlich.“, stellte die Sonde fest. „Das ist sie in der Tat.“, bestätigte die demetanische Spionageoffizierin. „Und das, was ich vermute, wäre sicher nicht möglich, wenn es sich hier nicht um einen elektronischen Grabstein handeln würde. Ich glaube, da will uns jemand was sagen. Gehen Sie und holen Sie Mikel. Er sitzt dort drüben im Versteck. Ich beobachte weiter!“ D/4 nickte und drehte sich in die Richtung, in die Sedrin soeben gezeigt hatte. Dabei sah sie, dass sich Mikel bereits dem Ort des Geschehens zu nähern schien. Der Sonde war nämlich als Erstes der leichte aus Karbonfasern bestehende Taststock aufgefallen, den Mikel benutzte. „Primitiv, aber effizient.“, stellte sie fest. „Aber jetzt benötigen Sie diesen Gegenstand nicht mehr, Agent. Ich werde Ihnen assistieren.“ „Na gut.“, sagte Mikel und hakte sich bei ihr unter. Dann gingen beide zu Sedrin zurück. „Was ist denn passiert, Sedrin.“, fragte Mikel. „Du wirst es nicht glauben.“, sagte die Agentin. „Aber jemand muss sich in das Netzwerk der Friedhofsverwaltung gehackt haben und verbreitet nun kleine Botschaften über die Grabsteine. D/4, bitte sehen Sie nach, ob noch andere Steine betroffen sind!“ Die Xylianerin nickte und folgte der Anweisung der demetanischen Agentin. „Was für Botschaften.“, fragte Mikel. „Hör zu!“, sagte Sedrin und wandte ihre Augen wieder dem Stein zu, aber die Botschaft war verschwunden und durch eine andere ersetzt worden: Ihr wolltet’s nich’ glauben, drum flieg’ ich sogleich zu Prätora Shashana mit ihrer Leich’.“ „Das ist jetzt schon die zweite Botschaft.“, sagte Sedrin. „Wie lautete denn die Erste?“, fragte Mikel. „Kriegst du sie noch zusammen?“ „Ein kleines Vögelchen hat mir geflötet, dass Sytania hat Allrounder Betsy getötet.“, sagte Sedrin. „Wenn es jetzt schon wieder eine Botschaft gibt.“, vermutete Mikel. „Dann wird die Person noch immer Online sein. Warum und wie sonst hätte sie in so kurzer Zeit eine Zweite verfassen können?“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Sedrin.

D/4 war zu den Agenten zurückgekehrt. „Es scheinen keine weiteren Grabsteine betroffen zu sein.“, sagte sie. „Also geht es der Hackerin tatsächlich nur um Betsy.“, sagte Sedrin. Mikel und die Sonde sahen sie verwirrt an. „Hast du etwa einen Verdacht?“, fragte Mikel schließlich. „Ja, den habe ich!“, sagte Sedrin fest. „Das passt alles zusammen. Ich denke, es handelt sich bei der Hackerin um Ginalla, die uns sagen will, dass sie nicht untätig herumsitzen wird und uns die Tatsache, dass wir ihr nicht geglaubt haben, sehr übel nimmt. Jasmin, meine Zeugin auf Celsius, hat sowas gesagt. Außerdem passt ihr Vorgehen. Ginalla hat schon einmal durch einen Hackerangriff auf das tindaranische Militär auf sich aufmerksam gemacht. Ich denke, wir sollten sie daran erkennen und ich denke auch, wir sollten Kontakt zu ihr aufnehmen.“ „Aber wie soll das gehen?“, fragte Mikel. „Wir werden wohl jemanden von der Friedhofsverwaltung aus dem Bett klingeln müssen.“, sagte Sedrin. „Am Besten einen von den Netzwerktechnikern.“

Kaum hatte sie ausgesprochen, näherte sich bereits ein schwarzer Jeep dem Rand des Friedhofs. Er wurde auf dem Parkplatz für Mitarbeiter abgestellt und dann entstieg ihm ein hoch gewachsener Terraner mit leicht grauem Haar. Er hatte einen Koffer bei sich und näherte sich jetzt auch dem Ort des Geschehens. Als er dem Grüppchen ansichtig wurde, das sich um den Grabstein versammelt hatte, machte er ein erleichtertes Gesicht. „Ach, der Geheimdienst ist ja schon da.“, sagte er. „Dann muss ich ihn ja nicht mehr rufen. Ich bin übrigens James Carney. Ich bin Netzwerktechniker der Friedhofsverwaltung. Unser Großrechner hat mich informiert, dass die Sicherheit dieses Grabsteins kompromittiert worden ist.“ „Angenehm, Mr. Carney.“, sagte Sedrin. „Ich bin Agent Sedrin, das ist Agent Mikel und das D/4.“

Carney sah auf das Display des Grabsteins. „Das ist ja wirklich ungewöhnlich.“, meinte er dann. „Das finden wir ja auch.“, sagte Sedrin. „Aber ich habe eine ungewöhnliche Bitte, Mr. Carney. Wir würden gern mit der Hackerin in Kontakt treten, solange sie noch Online ist. Wäre das von irgendwo möglich?“

Verwundert schüttelte Carney den Kopf. Er konnte gar nicht einordnen, was die Agentin gerade an ihn herangetragen hatte. „Sie wollen denjenigen also gar nicht verfolgen?“, fragte er. „Richtig.“, sagte Sedrin. „Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt nicht mehr so viele Fragen stellen würden. Ich sage Ihnen nur so viel. Es ist aus taktischen Gründen sehr wichtig, dass ihr kein Haar gekrümmt wird. Wir werden auch keine Fangsoftware benutzen, Mr. Carney. Allenfalls eine, mit der man herausfinden kann, ob sich das Rufzeichen, von dem die Botschaften kommen, bewegt. Bitte, vertrauen Sie mir einfach, ja?“ „Also gut.“, sagte Carney. „Dann kommen Sie mal mit.“ Er nahm seinen Koffer auf und ging ihnen voran in Richtung des Verwaltungsgebäudes.

Bei dem Gebäude handelte es sich um ein rotes kleines Haus in Backsteinoptik, das sie wenig später betraten. Dann gingen sie in ein kleines Büro, in dem ein Terminal auf einem grauen Schreibtisch stand. Hier setzte sich Carney auf einen weißen Bürostuhl und bot seinen Gästen an, auf der Couch im Hintergrund Platz zu nehmen. Dann sagte er: „Wollen mal sehen.“, drehte sich dem Bildschirm zu und gab seinen Sicherheitscode ein. Wenig später wurde er vom Rechner positiv identifiziert: „Guten Abend, Mr. Carney.“ „Computer.“, begann Carney. „Zeig mir den Netzwerkbericht der vergangenen 24 Stunden von Grabstein Nummer 22351!“ „Jetzt dürfte es gleich spannend werden.“, flüsterte Sedrin Mikel zu.

Carney hatte sich den Bericht bald durchgelesen. „Ich werde das mal für Sie zusammenfassen, Agents.“, wendete er sich mit seiner etwas rauen Stimme an Mikel und Sedrin. „Das wäre sehr nett.“, sagte die Agentin. „Dann muss ich mich nicht mit all den technischen Fachausdrücken herumschlagen.“ „Also.“, sagte Carney und stellte den Cursor auf eine bestimmte Zeile im Bericht. „Es gab tatsächlich einen unautorisierten Zugriff von einem externen Rufzeichen. Aber dieser Hacker scheint ein blutiger Anfänger zu sein, wenn Sie mich fragen. Jedenfalls hat er oder sie wohl noch nie was von Software gehört, um Rufzeichen zu maskieren, oder die Spuren sonst irgendwie zu verwischen.“ „Wir gehen eher davon aus, dass sie das mit Absicht macht, Mr. Carney.“, sagte Mikel. „Wer ist sie?“, fragte Carney verwundert. „Sagen Sie mir bitte nicht, Sie kennen die Person.“ „Zumindest haben wir einen Verdacht.“, sagte Sedrin. „Und den werden wir jetzt verifizieren. Bei der Gelegenheit kann ich ja auch gleich mal meine poetischen Talente auf die Probe stellen. James, Sie werden jetzt dieses Rufzeichen in das Adressfeld einer SITCH-Mail-Nachricht eintragen und dann werde ich Ihnen etwas diktieren.“ Sie stand von ihrem Platz auf und näherte sich Carneys Stuhl. „Ich verstehe nicht ganz, Agent.“, sagte der leicht nervöse Techniker. „Das werden Sie schon noch.“, sagte Sedrin. „Bitte, vertrauen Sie mir einfach.“ „Das fällt mir äußerst schwer, Agent.“, sagte Carney. „Aber ich will es versuchen.“ Zum Beweis führte er aus, worum sie ihn gebeten hatte. „Na geht doch.“, sagte Sedrin. Dann diktierte sie: „Ach bitte, Ginalla, verrate uns gleich, warum du entführtest die unschuld’ge Leich’.“ Zur Sicherheit buchstabierte sie Ginallas Namen. „OK.“, sagte sie dann. „Und jetzt abschicken!“ Auch das tat James. „Mal sehen, was jetzt passiert.“, sagte Sedrin. „James, können Sie es so einrichten, dass wir mitlesen können, was sich am Grabstein tut?“ „Sie meinen, falls Ihre Freundin nicht direkt auf die Mail antwortet?“, fragte Carney. „Sicher kann ich das. Den Grabstein habe ich im anderen Fenster.“ „Dann beobachten Sie gut.“, sagte Sedrin.

Kamurus hatte festgestellt, dass man wohl auf Ginallas und seine kleinen Botschaften reagiert haben musste. „Ginalla, es hat wohl endlich jemand angebissen.“, sagte er. „Na dann zeig mal her.“, sagte die junge Celsianerin und grinste triumphierend. Dann las sie sich Sedrins Vers durch. „Die Antwort können sie haben.“, sagte Ginalla. „Wir antworten aber direkt auf die Mail.“ „Also gut.“, sagte Kamurus und rückte das entsprechende Programm in den Vordergrund. „Also gut.“, sagte Ginalla. „Dann schreib: Mir Hilfe zu suchen, wenn ihr versteht, habe ich dies schändlich’ Ding gedreht.“

„Es tut sich etwas, Agent!“, meldete Carney. „Zeigen Sie mal her.“, sagte Sedrin. Dann las sie sich Ginallas Antwort durch. „Sie hat ja Recht.“, sagte sie dann betroffen. „Wir haben ihr ja am Anfang wirklich nicht geglaubt.“ „Wir sollten fragen, ob sie Hilfe von uns benötigt.“, schlug Mikel vor. „Immerhin ist sie nur Zivilistin und …“ „Also gut.“, sagte Sedrin. „Bereit, James?“ „Sicher.“, sagte Carney. „Aber was zur Hölle ist hier eigentlich los?“ „Darüber dürfen wir mit Ihnen nicht reden.“, sagte Sedrin. „Und wenn wir hier fertig sind, erwarte ich, dass Sie die ganze Episode hier schnellstens als bösen Traum abhaken und vergessen! Sie dürfen zu niemandem darüber reden! Zu niemandem! Haben Sie verstanden?!“ „Wie Sie meinen, Agent.“, sagte Carney. Dann signalisierte er Schreibbereitschaft. „Bin drüber untröstlich und bitte ach, dürften dir folgen die Freunde nach?“, diktierte Sedrin.

Wenig später erfolgte die Antwort: „Zu dieser Offerte sage ich nein, denn dies muss ich wohl leider tun allein.“ „Verständliche Reaktion, wenn du mich fragst.“, sagte Mikel. „Dein Partner hat sie ja wirklich wie Dreck behandelt.“ „Oh ja.“, sagte Sedrin. „Aber das ist schon längst geklärt.“

Carney hatte das Fenster gewechselt. „Laut unserer Software.“, sagte er. „Bewegt sich das Rufzeichen tatsächlich. Sogar mit Warpgeschwindigkeit.“ „Dann stimmt es.“, sagte Sedrin.

„Was mich noch interessieren würde.“, sagte Mikel. „Wenn Betsys Körper entführt worden ist, wer liegt dann in dem Sarg?“ „Ich habe eine Theorie.“, sagte Sedrin. „Komm mit. D/4, Mr. Carney, Sie auch!“

Im Laufschritt ging es zum Grab zurück. Dann sagte Sedrin zu der Sonde: „Ist Ihr interner Transporter in der Lage, die angebliche Leiche aus dem Sarg an die Oberfläche zu beamen?“ Die Xylianerin nickte. „Dann tun Sie es!“, befahl die Agentin. „Sie wollen das Grab sozusagen öffnen?“, fragte Carney und wurde kreidebleich. „Wenn es der Wahrheitsfindung dient.“, sagte Sedrin.

D/4 hatte inzwischen ihre Anweisung ausgeführt und die angebliche Leiche lag jetzt vor ihnen. Sedrin schnappte sich Mikels Hand und zog ihn näher heran. Dann sagte sie: „Beuge dich runter und fasse sie an!“ „Was?“, fragte Mikel irritiert. „Deine Hände sind die Sensibelsten von uns allen.“, erklärte Sedrin. „Wir anderen verlassen uns viel zu sehr auf unsere Augen, oder auf Erfasser. Nicht zu fassen, wie technologiegläubig wir geworden sind!“

Widerwillig und mit spitzen Fingern führte der blinde Mann schließlich doch aus, worum seine Kollegin ihn gerade gebeten hatte. Dann sagte er: „Das ist Kunststoff. Das ist kein natürliches Gewebe. Das ist eine Puppe. Das ist nicht Betsy.“ „Eine Puppe voller Täuschtechnik, was?“, fragte Sedrin und stellte ihren mitgebrachten ballistischen Erfasser um, der ihr das auch bald bestätigte. „Das heißt, Techniker Scott hatte Recht.“ „Das heißt es wohl.“, sagte Mikel. „Lasst uns dann hier für heute Schluss machen. D/4, beamen Sie die Puppe bitte erst mal zurück. Danke übrigens, Mr. Carney, für Ihre Bezeugung des Ganzen.“ „Gern geschehen.“, sagte James. „Aber Sie sagen nichts zu Ihren Kollegen, oder zu sonst jemandem.“, schärfte ihm Sedrin noch einmal ein. „Diese Nacht hat es nie gegeben, klar?!“ „Welche Nacht?“, fragte Carney. „Ich wusste, wir verstehen uns.“, sagte Sedrin. Dann beamte die Sonde die Puppe zurück und alle gingen ihrer Wege. Welchen Plan Mikel im Stillen schon wieder angesichts der neuen Fakten gefasst hatte, ahnten weder Sedrin noch die Sonde.

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