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Kissara saß nachdenklich auf ihrem Platz auf der Brücke. Ribanna, die das mitbekommen hatte, wendete sich an sie: „Worüber denken Sie nach, Commander, wenn ich fragen darf?“ „Oh, das dürfen Sie, Allrounder.“, schmeichelte Kissaras Stimme. „Ich frage mich, warum Techniker Scott gegenüber mir so kurz angebunden war. Ich bin sicher, er und Shimar haben etwas vor! Aber das werde ich besser weiterhin mit Agent Mikel besprechen. Er ist ausgebildeter Geheimagent und weiß mit Sicherheit viel besser als ich, wenn Gefahr im Verzug ist. Rufen Sie ihn!“ „Aye, Commander.“, erwiderte Ribanna und gab das Rufzeichen von Mikels Handsprechgerät in das Sprechgerät der Granger ein. Die Meldung, die sie aber daraufhin bekam, machte deutlich, dass es entweder aus war, oder sich außerhalb der Reichweite befinden musste. Da Ribanna Mikel aber gut genug kannte, um zu wissen, dass der erste Offizier nicht ohne triftigen Grund sein Sprechgerät ausschalten würde, sagte sie: „Commander, das Sprechgerät des Agent scheint sich außerhalb unserer Reichweite zu befinden. Oder wir sind außerhalb der Seinen. Sie wissen, dass Handsprechgeräte nur eine begrenzte Reichweite haben.“ „Das ist mir bekannt, Ribanna.“, sagte Kissara. „Dann müssen wir ihn eben mit den Sensoren so lange suchen, bis wir ihn finden. Schauen Sie nach, ob er noch auf der Erde ist.“

Ribanna nickte und suchte über das Menü Mikels Biozeichen heraus, das sie als Suchmuster mit dem Scannprogramm der Sensoren verknüpfte. „Im Nahbereich, also auf der Erde, scheint er auch nicht zu sein, Commander.“, meldete sie dann. „Aber die Langstreckensensoren registrieren sein Biozeichen an Bord eines kleinen Schiffes, das mit hohem Warp in Richtung Systemraum fliegt.“ „Auf den Hauptschirm, Ribanna!“, befahl Kissara.

Die Angesprochene nickte und führte ihren Befehl aus. Jetzt sahen alle Sharies Bild. „So ein Schiff habe ich schon einmal gesehen.“, äußerte Kang, der sich in dieser ganzen Zeit noch gar nicht am Gespräch beteiligt hatte. „Ich denke, wir alle haben so ein Schiff schon einmal gesehen, Warrior.“, sagte Kissara. „Es handelt sich um ein selbstständig denkendes Raumschiff aus der fremden Dimension, die von einer ganzen Rasse solcher Schiffe bewohnt wird.“

„Das bestätigt auch der Computer.“, sagte Ribanna, nachdem sie die Spezifikationen des Schiffchens in die Datenbank eingegeben hatte. „Er kann es sogar identifizieren. Es ist Sharie!“ „Allrounder Tchey Nerans Schiff?“, fragte Kissara erstaunt, die sich auf die momentane Entwicklung noch keinen wirklichen Reim machen konnte. Aber auch sie wusste, genau wie alle anderen, wer Sharie war. Sie war in der Sternenflotte sehr berühmt geworden, weil sie bei diversen Gelegenheiten mit und ohne Tchey sehr hilfreich gewesen war.

„Bei allem Respekt, Commander.“, bemerkte Kang. „Ich frage mich, warum Sie so erstaunt sind. Sie waren es doch selbst, die Mikel freie Hand für seine Mission gegeben hat, ohne genauer nachzufragen.“ „Das stimmt wohl, Mr. Kang.“, gab Kissara zu, der jetzt langsam etwas mulmig wurde. „Aber so frei? … Na ja. Rufen Sie Sharie, Ribanna!“ „Sofort, Commander.“, erwiderte die junge Indianerin und gab Sharies Rufzeichen in das Sprechgerät des Schiffes ein.

Wenig später hörten alle Sharies elektronische Stimme: „Was gibt es, Commander Kissara?“ „Hallo, Sharie.“, schmeichelte Kissara diplomatisch. „Lange nichts mehr von dir gehört. Wir haben gesehen, dass sich mein erster Offizier bei dir befindet. Würdest du ihn mir bitte geben?“ „Sicher.“, sagte Sharie und stellte die Verbindung her. „Ich versichere Ihnen, Kissara.“, sagte Mikel. „Es ist alles in bester Ordnung. Ich sagte Ihnen ja bereits, dass ich Betsy zurückholen werde und dazu benötige ich die Hilfe von Tchey und ihrem Schiff. Außerdem ist D/4 bei uns. Sie wird mich medizinisch überwachen, wenn ich meinen Körper verlasse. Außerdem wird das System uns vor eventuellen Angriffen durch Sytanias Vendar schützen. Sie sehen also, ich habe dieses Mal wirklich alles bedacht.“ „Das stelle ich nicht in Zweifel, Agent.“, beruhigte ihn Kissara. „Es geht viel eher um das, was eventuell nach Ihrer Mission geschehen könnte. Wir müssen Shimar und Techniker Scott im Auge behalten. Ich glaube, die haben was vor. Treffen Sie mich am besten vor Betsys Haus, wenn Sie zurück sind!“ „In Ordnung, Kissara.“, sagte Mikel und beendete die Verbindung.

Kissara hängte das Mikrofon ebenfalls ein und lehnte sich zufrieden in ihrem Sessel zurück. Sie wusste, dass sie sich auf Mikel in jeder Hinsicht verlassen konnte, auch wenn dies manchmal nicht den Anschein hatte. Aber in dieser Nacht würde sie sehr ruhig und gut schlafen können. Obwohl sie nicht genau wusste, was auf sie zukommen würde, war sie doch zuversichtlich, es gemeinsam mit dem Agenten doch noch herausbekommen zu können und dem unbestimmten Gefühl in ihrem Bauch bald konkreten Inhalt geben zu können.

Tchey war die Einzige, die durch Sharie von dem Gespräch zwischen Mikel und Kissara informiert worden war. D/4 war nämlich im hinteren Teil des Schiffes mit den Vorbereitungen für Mikels Reise ins Reich der Toten beschäftigt. Sie hatte Sharie allerlei Aufträge zur Replikation einiger medizinischer Geräte gegeben und das Schiff hatte diese ohne zu zögern ausgeführt. Jetzt lagen vor der Sonde auf der Bank eine Tropfkonsole, eine Atemmaske und Elektroden, die Mikel auf die Brust geheftet werden sollten, um seinen Herzschlag überwachen zu können. Auch gab es eine Einheit, die alles steuern sollte und die von D/4 so programmiert wurde, dass sie die Beatmung und Unterstützung der Herzfunktion übernahm, sobald Mikel seinen Körper verlassen hatte. Diese Dinge brachte die Sonde jetzt in Position.

„Ich habe noch eine Frage, D/4.“, ließ Sharie die Sonde über die Datenverbindung wissen. „Wenn Mikel seinen Körper verlässt, werde ich bestimmt sein Signal verlieren. Wie kann ich es wieder finden?“ „Ich denke, diese Frage werden wir an den Agent persönlich weitergeben müssen, Sharie.“, sagte die Sonde, die ihre Frage wohl aus Mangel an Daten auch nicht beantworten konnte. „Ich bin hier ohnehin fertig und beabsichtige, jetzt wieder nach vorn zu gehen. Wenn ich die Daten gesammelt habe, werde ich sie dir selbstverständlich zur Verfügung stellen.“ „Danke, D/4!“, sagte Sharie erleichtert, die ihre Aufgabe bei dieser Mission sehr ernst nahm und keine Lust hatte, einen Fehler zu machen.

Die Xylianerin durchschritt die Tür zwischen Achterkabine und Cockpit. Hier wurde sie auch schon von Tchey erwartet, die das Steuer übernommen hatte und sie jetzt Hilfe suchend ansah. Die Sonde hatte bemerkt, dass sie gestoppt hatten und dass Sharie die Schilde gehoben haben musste. „Was gibt es, Tchey?“, fragte sie in Richtung der Reptiloiden. „Sharie hat zwei Schiffe entdeckt, die sich in unsere Richtung bewegen.“, erklärte Tchey. „Sie haben uns gerufen und mich aufgefordert, das Schiff zu stoppen. Sie wollten uns in den Traktorstrahl nehmen, aber Sharie traut dem Braten nicht. Ich hatte gehofft, Sie könnten das vielleicht aufklären.“ „Sagen Sie Sharie, sie soll mir die Schiffe zeigen.“, sagte D/4 ruhig.

Tchey nickte und gab Sharie die entsprechenden Gedankenbefehle. Jetzt sah auch die Sonde über ihre Datenverbindung, um was für eine Art von Schiffen es sich handelte. „Das sind zwei xylianische Schlepper.“, beruhigte sie. „Ich bin sicher, sie wollen uns nur in unser Versteck transportieren. Aber wir können das gern verifizieren, wenn Sharie dann beruhigter ist. Sagen Sie ihr, sie soll uns so mit dem Führungsschiff verbinden, das sie gerufen hat, dass alle mithören können.“ „OK.“, sagte Tchey. „Aber Sie haben doch selbst eine Datenverbindung mit ihr. Warum sagen Sie es ihr nicht?“ „Weil ich befürchte, dass sie im Augenblick für meine Befehle wenig empfänglich sein wird, wenn sie allem, was von mir und meiner Spezies kommt, im Moment nicht traut.“ „Also gut.“, sagte Tchey und ließ Sharie die Verbindung vorbereiten. Dann hörten alle eine Stimme aus ihrem Bordlautsprecher: „Meine Kennung lautet: Systemeinheit B/19 19. Mitglied der B-Gruppe. Ich bin von A/1 autorisiert, Sie in Ihr Versteck zu bringen. Bitte deaktivieren Sie Ihren Antrieb und lassen Sie sich von uns in den Traktorstrahl nehmen. Der zweite Schlepper wird Ihr Schiff hinten stabilisieren, da es ein kurvenreicher Flug werden wird.“

Die Sonde machte ein erstauntes Gesicht. „Was haben Sie?!“, fragte Tchey verwundert. „Die Untergruppe B ist die persönliche Leibwache von A/1.“, erklärte die Xylianerin. „Wir sollten uns geehrt fühlen.“ „Na siehst du, Sharie.“, wendete sich Tchey an ihr Schiff. „Es ist alles in Butter. Wenn A/1 uns schon seine persönliche Leibwache schickt, dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Du kannst ihnen ruhig vertrauen. Es sind schließlich die Xylianer und nicht die Borg! Ich vertraue ihnen ja auch und wenn deine Pilotin jemandem vertraut, dann kannst du es auch!“ „Wenn du meinst, Tchey?“, antwortete Sharie zögerlich. „Ja, ich meine!“, sagte Tchey fest. „Also gut.“, sagte Sharie und senkte die Schilde.

Die beiden xylianischen Schlepper nahmen sie in den Traktorstrahl und zogen Sharie in Richtung Systemraum weiter. „Ich kann mir vorstellen, dass es für Ihr Schiff nicht gerade einfach ist, so fremdbestimmt zu sein, Tchey.“, sagte D/4, die den Versuch unternommen hatte, sich in Sharies Lage zu versetzen. „Ui, was für diplomatische Töne!“, staunte Tchey. „So etwas hätte ich von Ihnen nicht erwartet.“

Der kurvenreiche Flug, der von der fremden Sonde am SITCH angekündigt worden war, begann auch ziemlich bald. Glücklicherweise hatte Tchey von den Sonden die Erlaubnis bekommen, Sharie mit deren Manövrierdüsen zu stabilisieren. „Bitte pass gut auf mich auf, Tchey.“, bat Sharie inständig und ihr Avatar machte ein ängstliches Gesicht. „Mir scheint, diese beiden Schlepperpiloten sind nicht sehr geübt. Wenn du nicht wärst, würden mich diese beiden Schiffe sicher auseinanderreißen.“ „So schlimm, Sharie?“, fragte Mikel mitleidig. „Ich reiße mich ja noch zusammen.“, sagte das Schiff. „Was ich in Wahrheit befürchte, ist noch viel schlimmer!“ „Ich habe dich, Sharie!“, versicherte Tchey. „Aber du hast Recht, was die Beiden angeht. Das sind ja wahrscheinlich noch blutige Anfänger. Zumindest scheint es mir so. Ich könnte das bestimmt besser!“ „Angeberin.“, zischte Mikel.

Vor Sharies Bug tauchte eine Öffnung in einem ringförmigen Modul auf, dem sie sich genähert hatten. „Ich glaube, jetzt wird es kitzelig.“, sagte Tchey. „Gib mir die Sonde, Sharie!“ Der Schiffsavatar vor Tcheys geistigem Auge nickte und dann verband Sharie sie mit dem Kommandanten des xylianischen Führungsschiffes. „Nichts für ungut, B/19.“, sagte Tchey. „Aber ich würde gern mein Schiff selbst hinter Ihnen her fliegen. Irgendwie habe ich das Gefühl, damit besser dran zu sein. Ich kenne ihre Reaktionen und weis genau, wie sie sich wann verhält. Ich denke, in den engen Verhältnissen, auf die wir gleich treffen werden, ist dass allemal besser. Schließlich wollen wir ja nicht, dass hier noch jemand zu Schaden kommt, nicht wahr?“ „Ihr Vorschlag wurde angenommen.“, sagte die Sonde und beide Schiffe lösten den Traktorstrahl. Dann übermittelte das Führungsschiff den allgemein gültigen Code für bitte folgen per Positionslicht. „Dann folgen wir mal, Sharie.“, sagte Tchey. „Na komm!“ Sie gab ihr den Gedankenbefehl, auf einen halben Impuls zu gehen.

Mikel atmete erleichtert auf. „Du kannst ja richtig diplomatisch sein, Tchey, wenn du willst.“, sagte er. „Einen Moment lang hatte ich doch tatsächlich befürchtet, du sagst ihnen die Wahrheit über das, was du von ihren fliegerischen Talenten hältst.“ „Heute scheine ich eben einen guten Tag zu haben, Mikel.“, sagte Tchey. „Aber dann gibt es eben Tage, da kann ich versuchen, was ich will, aber es geht immer wieder schief mit der Diplomatie.“ „Ich erinnere mich.“, sagte D/4, die sich wohl gerade an die Situation im Jugendamt von Little Federation erinnert hatte. „Noch so ’n Spruch und Sie können aussteigen und den Rest laufen!“, scherzte Tchey. „Ohne mich.“, sagte die Sonde, die Tcheys Äußerung offensichtlich nicht als das verstanden hatte, was sie sein sollte. „Werden Sie hier nicht sehr weit kommen. Ich bin die Einzige, die Mikel vernünftig medizinisch überwachen kann und die über gewisse Autorisationen im System verfügt. Meine Präsenz ist unabdingbar!“ „Ladies!“, versuchte Mikel die Situation zu entschärfen, die seiner Meinung nach bereits sehr hoch gekocht war. „Es gibt doch wirklich keinen Grund zu streiten. Tchey hat lediglich einen Scherz gemacht, D/4 und Sie sollten sich vielleicht mit der Wahrheit etwas zurückhalten! Ich hatte angenommen, das hätten Sie während Ihres langen Zusammenlebens mit Bioeinheiten längst gelernt!“ „Bitte entschuldigen Sie, Agent.“, sagte D/4, bei der Mikels Standpauke offensichtlich Wirkung gezeigt hatte. „Auch von mir ein dickes Sorry, Mikel.“, sagte Tchey. „Ich glaube, die Situation ist einfach etwas angespannt.“ „Schwamm drüber.“, sagte Mikel, der durchaus erkannt hatte, dass er auf beide zu einem gewissen Grad angewiesen sein würde.

Sie flogen in eine Art Hangar ein und Tchey parkte Sharie zwischen zwei xylianischen Modulen, deren Systeme aktiv waren. Offensichtlich sollte ihre Strahlung Sharies Signatur verschleiern. Dann wurden sie noch einmal vom Führungsschiff gerufen: „Sie haben Ihre Position in Hangar 735 des Zentralrings erreicht. Bitte beginnen Sie nun mit Ihrer Mission. Wir werden für Ihren Schutz sorgen.“ „Sehr liebenswürdig.“, sagte Tchey und beendete die Verbindung, um gleich darauf Sharies Antrieb zu deaktivieren.

„Gehen wir also nach hinten, Mikel.“, forderte D/4 den Agenten auf. „Dort habe ich schon alles vorbereitet.“ „In Ordnung.“, sagte Mikel. „Aber nimm bitte den Neurokoppler mit, Mikel.“, sagte Sharie. „Sonst kann ich ja nicht aufzeichnen, was du erlebst und es den anderen auch nicht zeigen. Übrigens: Was muss ich machen, wenn ich dein Signal verliere?“ „Dann suchst du in 5-Hertz-Schritten von der Nulllinie des Neurobandes aufwärts.“, sagte Mikel. „Dann wirst du meine Silberschnur irgendwann finden. Darauf musst du dann meine Reaktionstabelle ummodulieren.“ „OK.“, sagte Sharie. Dann folgte Mikel D/4 in die Achterkabine.

Tchey und Sharie waren jetzt allein. „Warum hast du den Xylianern so misstraut, Sharie?“, wollte die Reptiloide wissen. „Weil ich es gar nicht mag, fremdbestimmt zu sein.“, erwiderte das Schiff. „Interessant.“, sagte Tchey. „Dabei wart ihr doch sehr fremdbestimmt, bevor wir euch gefunden und euch das Autopilotprogramm der Scientiffica überspielt haben, damit ihr euch selbst fliegen und euch vor der Eroberung durch …“ „Das ist wahr, Tchey.“, unterbrach Sharie. „Aber vielleicht ist gerade das der Grund, aus dem ich diese Selbstständigkeit nicht mehr missen möchte.“ „Kann sein.“, sagte Tchey platt. „Aber jetzt, da ich wählen kann.“, meinte Sharie. „Werde ich sehr große Unterschiede darin machen, wer mich fliegen darf und wer nicht. Du darfst auf jeden Fall und, wenn ich dir nicht getraut hätte, dann hätten wir einen anderen Weg finden müssen.“ „Dann hätte ich die Xylianer davon überzeugen müssen, dass wir allein hinter ihnen her fliegen dürfen.“, sagte Tchey. „Aber das hätte ich schon hingekriegt.“ „Oh, ja.“, sagte Sharie. „Deshalb vertraue ich dir ja auch so. Gerade weil du vieles hinkriegst, das noch nicht einmal Andra geschafft hätte. Ich weiß, man soll nicht schlecht über Tote reden, aber du bist nun einmal besser als Andra! Nicht nur in fliegerischer Hinsicht, auch sonst! Du bist besser als jeder andere Pilot, den ich bisher kennen gelernt habe und du weißt, dass ich schon durch viele Hände gegangen bin.“ „Oh, ja.“, sagte Tchey. „Ich kenne deine Odyssee. Aber wo wir gerade von Irrwegen reden. Warum warst du eigentlich schon da, als ich dich gerufen habe?“ „Das liegt an Lycira.“, sagte Sharie. „Lycira?!“, fragte Tchey. „Das ist doch Betsys Schiff. Was hast du mit ihr zu schaffen?“ „Sie ist in unserer Dimension und passt auf Kamurus’ und meine gemeinsame Tochter Kamura auf. Sie ist zu uns gekommen, weil sie eine Aussage machen musste und in Gefahr war. Sytanias Vendar hatten ihren Antrieb stark beschädigt und Kamurus hat Ginalla geholt, damit sie repariert wurde. Derweil hatte ich auf sie aufgepasst und dann hat sie mir berichtet, dass es uns beiden in einer alternierenden Realität, die aber jetzt leider nicht mehr existiert, sogar gelungen sein soll, einer Q die Augen zu öffnen und sie auf den rechten Weg zurückzuführen! Überleg mal, Tchey. Ich bekehre eine Q und das auch noch mit dir! Eine Sterbliche und ein zerbrechliches Raumschiff bekehren eine mächtige Q! Kannst du dir das vorstellen?! Ich konnte es auf jeden Fall nicht, aber ich dachte mir, wenn das möglich war, dann können wir zwei alles schaffen! Also auch das hier!“

Tchey gab einen Laut von sich, als hätte sie zu viel gegessen. „Warte mal, Sharie.“, sagte sie schließlich. „Das sind viel zu viele Informationen auf einmal. Ich war ja schon bedient von der Tatsache, dass du und Ginallas Schiff ein Kind habt. Aber die anderen Informationen schlagen dem Fass echt den Boden aus. Warum erinnere ich mich bloß nich’, wenn wir beide …“ „Ich sagte ja gerade.“, sagte Sharie. „Diese Realität existiert nicht mehr. Betsy war die Einzige, die sich noch erinnert hat und ihr ist wohl Lycira gegenüber ein Gedanke daran entfleucht.“ „UPS.“, machte Tchey. „Aber wer weiß, wozu es gut ist. Was machen übrigens D/4 und Mikel da hinten?“ „D/4 hat die Versorgung, an der Mikel hängt, gerade an meine Systeme angeschlossen.“, sagte Sharie. „Das bedeutet, es geht bald los.“ „Sehe ich genau so.“, sagte Tchey. „Ich werde dir und D/4 alles im Zuschauermodus zeigen.“, erklärte das Schiff. „Ist gut.“, sagte Tchey und lehnte sich zurück, nachdem sie noch einmal den Sitz ihres Neurokopplers überprüft hatte. Sie war sehr neugierig auf das, was sie zu sehen bekommen würde. Wann bekam man schon mal einen Einblick in das Reich der Toten?

„Achtung, Tchey.“, sagte Sharie nach einigen Sekunden. „Ich stelle die Verbindung schon einmal her.“ „Damit ich das jetzt gleich richtig verstehe, Sharie.“, sagte Tchey. „Ich bin gleich in Mikels Kopf?“ „So ungefähr.“, sagte Sharie. „Nur kann er dich nicht hören, wenn du ihn ansprechen solltest. Der Zuschauermodus, du verstehst?“ „Oh, ja.“, sagte Tchey. „Und es ist wohl auch besser so. Meine Gedanken würden ihn wohl nur stören und er muss sich sicher stark konzentrieren.“ „Genau.“, sagte Sharie.

Auch D/4 war mit der Überprüfung diverser Verbindungen beschäftigt. Sie hatte ihre Datenverbindung überprüft, nachdem sie von Sharie darüber informiert worden war, dass auch sie zusehen konnte. Jetzt war sie damit beschäftigt, den Sitz der Tropfkonsole an Mikels Arm zu überprüfen. Dann steckte sie eine Patrone mit Nährflüssigkeit auf und aktivierte die Konsole, die diese tropfenweise kontinuierlich in Mikels Arm beamte. Auch den Sitz der Elektroden und den von Mikels Neurokoppler kontrollierte sie noch einmal. „Es ist alles bereit, Agent.“, sagte sie. „Sie dürfen beginnen.“ „Vielen Dank für Ihre Erlaubnis.“, scherzte der erste Offizier der Granger und lehnte sich zurück. Dann begann er, sich selbst zu visualisieren, wie er aus seinem Körper austrat und von ihm weg schwebte.

D/4 ließ seine neuralen Werte nicht aus den Augen. Schließlich fragte sie: „Was kann ich tun, um zu assistieren?“ „Assistenz ist unnötig, D/4.“, sagte Mikel schon sehr weit weg. „Dann lassen Sie mich Ihnen bitte sagen, dass Sie das ganz bestimmt hinbekommen werden!“

Mikel holte tief Luft und sich selbst wieder aus der entspannten Haltung, die er angenommen hatte, heraus. „Warum tun Sie das, D/4?“, fragte er und setzte sich auf. „Ihren Körper zu verlassen.“, begann die Sonde. „Stelle ich mir als schwierig vor, weil er Widerstand leisten wird, da er Ihren Geist zum Überleben benötigt. Ich hörte, dass es Bioeinheiten oft bei schwierigen Dingen hilft, wenn sie durch positive Bestärkung motiviert werden.“ „Motivation ist ebenfalls unnötig, D/4.“, sagte Mikel. „Aber trotzdem danke für Ihre gute Absicht.“ „Gern geschehen.“, sagte die Sonde und drehte sich wieder dem Monitor der Überwachungseinheit zu. Da sie eine Datenverbindung mit Sharie hatte und ihr internes Sprechgerät daher belegt war, musste sie darauf zurückgreifen. Auch Mikel ließ sich wieder in die Kissen fallen und unternahm einen neuen Versuch, seinen Körper zu verlassen, der dieses Mal sogar erfolgreich war.

Dies hatte auch Tchey mitbekommen, die jetzt leider keine Bilder mehr über den Neurokoppler empfing. Aber dieser Zustand dauerte nicht lange an, denn Sharie hatte beherzigt, was ihr Mikel aufgetragen hatte. Wenige Sekunden später waren sie wieder live mit Mikel verbunden. „Klasse, Sharie!“, sagte Tchey und klatschte in die Hände. „Bild und Ton sind wieder da! Schauen wir mal, wohin Mikel uns führt!“

Im Reich der Toten spazierte Lorana nichts ahnend durch den Park, als sie einer schwarzhaarigen Frau ansichtig wurde. Die Frau trug eine Krone und ein wallendes Kleid. Sie sah wie eine Prinzessin aus. Die alte Zeonide, die sich keinen Reim auf sie machen konnte, ging ihr fröhlich entgegen. Sie ahnte ja nicht, mit wem sie es hier zu tun hatte. „Seid gegrüßt, Königliche Hoheit.“, sagte sie unbedarft, die sich nicht erklären konnte, warum diese in ihren Augen tote Prinzessin gerade auf sie zugekommen war. „Auch ich grüße dich.“, sagte Sytania listig. „Ich muss dringend mit einer guten Freundin von mir sprechen. Ihr Name ist Betsy. Kannst du mich zu ihr führen?“ „Wenn es weiter nichts ist?“, fragte Lorana, die immer noch nicht wusste, worauf sie sich da gerade eingelassen hatte. „Ich denke, sie wird mit den anderen im Aufenthaltsraum des Therapiezentrums sein. Bitte folgt mir.“

Sie nahm ihre Blumen auf und ging voran. Ging ja leichter, als ich zu träumen vermochte., dachte Sytania.

Lomādo und ich saßen tatsächlich im Aufenthaltsraum an einem Tisch und unterhielten uns. Ich hatte beschlossen, ihn jetzt endlich die Dinge zu fragen, die mir immer noch auf der Seele brannten. „Warum geben sich die Aldaner eigentlich immer noch mit uns ab, wo Sie uns doch um mehrere Schritte in der Evolution voraus sind?“, fragte ich. „Diese Frage werden Sie sich gleich selbst beantworten können.“, sagte er. „Sie sind eine hoch intelligente junge Frau! Ich denke nicht, dass Sie dabei wirklich meiner Hilfe bedürfen. Überlegen Sie mal selbst.“

Ich setzte mich ruhig hin und begann nachzudenken. Wenn er glaubte, dass ich selbst darauf kommen würde, konnte das durchaus sein. Schließlich war er schon einmal in meinem Geist gewesen und ich hielt es deshalb durchaus für möglich, dass er in der Lage war, zu erkennen, was ich konnte und was nicht. Aber in diesem Fall kam ich einfach nicht darauf, oder besser, traute mich nicht, auszusprechen, was ich gerade dachte. „Welchen Fehler macht denn Sytania?!“, versuchte er, mich auf die richtige Spur zu bringen. „Sie unterschätzt uns immer wieder.“, sagte ich. „Und warum unterschätzt sie uns?“, fragte Lomādo. „Weil sie hochmütig ist. Sie hält sich für so mächtig, dass sie nachlässig wird. Sie denkt, man kann ihr nichts anhaben, weil … Oh, mein Gott! Sie wollen nicht vergessen, wo sie herkommen, damit sie nicht wie Sytania den Bezug zur Realität verlieren.“, antwortete ich. „Na sehen Sie!“, lobte er und strich mir über den Kopf.

Lorana und Sytania betraten den Raum. Sofort zog mich Lomādo in eine andere Ecke und stellte sich schützend vor mich, aber Lorana sagte nur unwissend: „Wartet doch! Betsy, hier ist jemand, der dich sprechen möchte!“ „Hallo, Betsy!“, hörte ich eine schrille gemeine Stimme, deren Besitzerin sich jetzt an Lorana vorbei in meine Richtung drängte. „Halt, Sytania!“, rief Lomādo. „Wenn Ihr etwas von ihr wollt, dann müsst Ihr erst mal an mir vorbei!“ „Das ist Sytania?!“, fragte Lorana erschrocken, der erst jetzt klar wurde, was sie angerichtet hatte. „Oh, es tut mir leid!“, sagte sie und schlug verschämt die Hände vor das Gesicht. „Es tut mir so unendlich leid, Betsy!“ „Schon gut, Lorana.“, tröstete ich. „Sie sind Zivilistin und wussten es nicht besser. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Außerdem hätten Sie ihr nichts entgegenzusetzen gehabt. Sie hätte Ihnen etwas tun können, wenn Sie sich geweigert hätten. Es war schon richtig, was Sie getan haben.“

„Allrounder Betsy hat Recht!“, hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme. „Mikel?“, fragte ich in die Richtung, aus der ich sie gehört hatte. „Genau!“, kam es zurück. Dann kam Mikel um die Ecke. „Ach, Hallo, Sytania!“, sagte Mikel, ohne mich weiter zu beachten. „Was wollt denn Ihr im Reich der Toten, he!“ „Na was wohl?!“, gab die Prinzessin zurück, die durch Mikels Anwesenheit jetzt doch etwas alarmiert war. Sie wusste genau, wie gut sich der Agent mit der Materie, oder besser mit der Nicht-Materie hier auskannte und dass er durchaus in der Lage war, sie zu bekämpfen. Dazu kannte er sich mit metaphysischen Dingen zu gut aus und er war ja jetzt mit ihr auf gleicher Ebene, jetzt, wo beide nur aus geistiger Energie bestanden und es keinen Körper ohne Telepathiezentrum gab, der ihn begrenzt hätte. „Ich werde deine Freundin töten, Mikel! Ja, ich werde sie töten, indem ich mir einfach wünsche, dass sie aufhört zu existieren!“, verkündete Sytania ihre Absicht. „Mit einem Wunschkonzert kann ich auch dienen, Milady.“, sagte Mikel und im selben Moment fand sich Sytania in einem Käfig wieder. „Ich würde an Eurer Stelle nicht das Gitter berühren, Hoheit.“, sagte Mikel. „In die Stäbe ist Rosannium eingearbeitet!“ „Du, du, du Unhold!“, stammelte Sytania. „Lass mich sofort frei!“ „Ich glaube nicht, dass Ihr in der Position seid, Forderungen zu stellen.“, sagte der erste Offizier und spielte triumphierend vor ihr mit einem Schlüssel in seiner Hand, den er danach mir gab. Dann zischte er mir auf Deutsch zu: „Gibt es hier einen Schutzraum?“ Ich bejahte und er fuhr lauter auf Englisch fort: „Dann bringen Sie alle Zivilisten in den Schutzraum, Allrounder! Das ist ein Befehl! Um Sytania werde ich mich kümmern! Es könnte nur hier reichlich ungemütlich werden!“ „Aye, Agent!“, sagte ich schmissig und wandte mich den Leuten um mich herum zu: „Kommt mit! Keine Angst! Es wird alles wieder gut, wenn ihr mir jetzt folgt! Kommt, gehen wir!“ Alle reihten sich vertrauensvoll hinter mir ein. Der Großteil wusste ja mittlerweile, dass ich Sternenflottenoffizierin gewesen war. „Ich passe hinten auf, dass niemand verloren geht.“, bot Lomādo an. „Danke, Lomādo.“, akzeptierte ich. Dann gingen wir alle aus dem Raum.

Sytania und Mikel waren allein. „Na, wie findet Ihr die Tatsache, dass ich gerade der den Schlüssel gegeben habe, die Ihr vernichten wolltet?!“, fragte Mikel. „Damit willst du mich wohl demoralisieren!“, sagte die Prinzessin. „Aber das wird dir nicht gelingen. Irgendwann wirst du zurück müssen in deinen Körper und dann ist auch meine Gefangenschaft hier vorbei!“ „Ihr überseht etwas!“, sagte Mikel. „Das Gleiche gilt auch für Euch! Mal sehen, wer länger durchhält!“

Eine ganze Zeit lang hatte D/4 jetzt schon die Kurven auf dem Monitor beobachtet und festgestellt, dass Mikel großen Stress haben musste. Lange würde es nicht mehr dauern und er würde in seinen Körper zurückkehren müssen, ob er wollte, oder nicht. Ihre Maßnahmen, dies herauszuzögern, würden bald keine Wirkung mehr zeigen. Dies war aber auch eine Tatsache, die Sharie nicht entgangen war. „Wir müssen etwas tun, Tchey!“, sagte das Schiff fest. „Aber was?!“, fragte Tchey, die auch alles gesehen hatte. „Ich kann meinen Körper leider nicht verlassen, wie es Mikel kann, Sharie!“ „Wer sagt denn, dass du etwas tun sollst?!“, lachte Sharie. „Ich hatte dabei eher an mich gedacht. Ich sage nur so viel. Ich habe, wie jedes von uns selbstständig denkenden Schiffen auch, die gleichen manipulativen Fähigkeiten wie Alice und es wird Zeit, dass ich sie mal benutze, sonst rosten sie noch ein! Beobachte gut, Tchey, beobachte und lerne!“

Mikel hielt Sytania immer noch im Käfig in Schach. Er hatte sich nur zwischenzeitlich für mich und sich Sprechgeräte gewünscht. Langsam merkte er allerdings, wie seine Energie schwächer wurde. „Na, Nennsohn von Dill!“, spottete Sytania schadenfroh. „Müssen wir bald aufgeben, he?!“ „Wie es Euch geht, kann ich nicht beurteilen!“, sagte Mikel. „Aber ich beabsichtige, noch eine Weile durchzuhalten! Ich werde bis zum Letzten hierbleiben und Euch gefangen halten! Bis zum Letzten, versteht Ihr?!“ „Na, ich denke, das Letzte wird sehr bald sein, mein Bester!“, lachte die Königstochter.

Beide wurden plötzlich auf ein Stöhnen hinter sich aufmerksam. Dann schleppte sich ein Vendar in Sytanias Sichtweite. In seiner Brust steckte ein Dolch, auf dem Sytania sehr gut Logars Zeichen erkennen konnte. Darunter war das Symbol seiner Besitzerin zu sehen. Es war Iranachs Waffe. Die Wunde darum herum war klaffend und blutete stark. Vor Mikel und dem Käfig fiel er hin. „Telzan!“, sagte Sytania und Mikel konnte gut die Angst in ihrer Stimme wahrnehmen. „Was ist geschehen?!“ „Euer Vater!“, stieß Telzan mit schwindenden Sinnen hervor. „Er hat ausgenutzt, dass Ihr Euren Körper verlassen habt und ist in Euren Palast und Euer Gebiet eingefallen. Über dem Turm weht schon seine Fahne. Wir konnten nichts tun! Wir haben gekämpft, aber wir konnten nichts tun. Iranach persönlich hat mir ihren Dolch ins Herz gestoßen und mich getötet. Weil seine Spitze Rosannium enthält, wird sich meine geistige Energie gleich …“

Er gab einen Schrei von sich und löste sich vor ihren Augen auf. Geschockt sah Sytania zu. Dann schrie sie: „Nein!!! Nein!!!! Meine Pläne, mein Schloss, mein Gebiet, meine Kleinodien, alles in den Händen meines Vaters und mein treuester Vendar dahin gemordet?! Das darf nicht sein! Nein, das darf nicht sein! Bitte, Mikel, lass mich frei!“ „Oh.“, sagte Mikel. „Das sind ja ganz neue Töne. Versprecht Ihr auch, Betsy nichts zu tun, wenn ich Euch frei lasse?! „Alles, was du willst!“, sagte Sytania und begann sogar zu weinen. „Bitte lass mich zurück in meinen Körper! Bitte! Du weißt, was sonst …“ „Oh ja, ich weiß.“, sagte der erste Offizier der Granger. „Aber etwas werdet Ihr Euch noch gedulden müssen.“

Er nahm sein Sprechgerät aus der Tasche und gab mein Rufzeichen ein. Dann fragte er: „Ist alles bei euch in Ordnung?“ „Alles klar.“, gab ich zurück. „Dann kannst du ja mit den Zivilisten zurückkommen. Oder, nein. Besser wird es, glaube ich, sein, wenn du zuerst allein kommst und Lomādo sie dann nach einer Weile herführt. Du musst den Käfig aufschließen. Sytania hat sich ergeben und sie will in ihren Körper zurück. War echt gutes Timing von Logar, wenn du mich fragst.“ „Wovon redest du?“, fragte ich. „Das erkläre ich dir später.“, sagte Mikel und beendete die Verbindung, ohne eine Antwort von mir abzuwarten.

Da ich mein Sprechgerät auf Lautsprecher geschaltet hatte, hatte auch Lomādo alles mithören können. „Sind Sie sicher, dass sich Logar wirklich eingemischt hat?“, fragte er. „Wenn Mikel das sagt.“, sagte ich. „Warum fragen Sie?“ „Weil ich das hätte spüren müssen.“, erwiderte er. „Na ja.“, sagte ich. „Wir werden sehen. Bitte folgen Sie mir mit den Leuten in etwa zehn Minuten.“ Dann ging ich aus dem Schutzraum in Richtung Aufenthaltsraum.

Wie abgesprochen erwartete mich hier Mikel. „So, hier bin ich.“, sagte ich und zog hörbar den Schlüssel aus der Tasche. „Pst.“, machte Mikel. „Horch mal.“

Ich hielt den Atem an und lauschte. Die Urheberin des Schluchzens und Wimmerns, das an meine Ohren drang, vermochte ich im ersten Moment nicht wirklich zu erkennen. Dann aber fragte ich: „Ist das Sytania?“ „Oh ja.“, sagte Mikel. „Da kriegt man ja Mitleid!“, spottete ich. „Das kann ich mir bei dir gut vorstellen, du Sensibelchen.“, lächelte er. „Aber nun schließ auf! Sonst ist sie am Ende noch traumatisiert.“ „Oh, das wollen wir ja gar nicht.“, sagte ich, steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn langsam und genüsslich herum. „Ich danke dir!“, sagte Sytania und ich konnte gut hören, dass ihr dieser Satz nicht leicht über die Lippen gekommen war. Ich glaubte sogar, etwas Ekel in ihrer Stimme wahrgenommen zu haben. Dann verschwand sie in einem schwarzen Blitz. „Holla!“, rief ich aus. Die war ja ganz schön fertig! Was hast du mit ihr gemacht?!“ „Das frag mal besser Logar.“, sagte Mikel. „Der hat mir, wie es scheint, Schützenhilfe geleistet.“ „Cool von ihm.“, sagte ich schnell, die ich an diesen Umstand Dank Lomādos Äußerung nicht wirklich glauben konnte.

Mikel wünschte den Käfig fort. „Und nun zu uns beiden.“, sagte er. „Ich bin eigentlich gekommen, um dich zurückzuholen. Greif meine Silberschnur und …“ „Nein!“, sagte ich entschlossen. „Ich kann verstehen, wenn du dich nicht traust. Aber wir haben uns doch immer vertraut. Ich kenne mich damit aus.“, sagte er. „Komm schon! Es wird schon gut gehen.“

„Tun Sie es nicht!“ Die männliche Stimme, die mir dies zugerufen hatte, hatte ich als Lomādos Stimme identifiziert. Er musste mit den Zivilisten zurückgekehrt sein.

Ich überlegte eine Weile und entschied mich dann, es nicht zu tun. „Warum vertraust du mir nicht mehr, Betsy?“, fragte Mikel. „Ist er dir etwa näher als ich?“ „Das nicht.“, sagte ich auf englisch, näherte mich seinem rechten Ohr und flüsterte ihm dann auf Deutsch hinein: „Deine Silberschnur verbindet dich mit deinem Körper.“ Dabei betonte ich das Deine, das Dich und das Deinem besonders. „Wenn ich dir an ihr entlang folgen würde, würden wir beide dort landen und du würdest für den Rest deines Lebens an einer echt fiesen Persönlichkeitsstörung leiden, mein Lieber! schon mal drüber nachgedacht?!“ „Du hast Recht.“, gab Mikel schlussendlich zu.

Lomādo kam auf uns zu. „Sie wird schon einen Weg zurück finden, Agent!“, versicherte er. „Verlassen Sie sich nur auf uns.“ „Na gut.“, sagte Mikel und dann war er in einem weißen Blitz verschwunden. Er musste in seinen Körper zurückgekehrt sein.

In ihren Körper war auch Sytania zurückgekehrt, oder besser, sie war zurückgekehrt worden. Am Monitor der Überwachungseinheit hatte Telzan Kurven beobachtet, die ihm einfach nicht gefallen wollten. Daraufhin hatte er Cirnach verständigt, die diese Werte auch in Alarmbereitschaft versetzten. „Sie muss zurückkehren!“, stellte die Vendar fest. „Es gibt keinen anderen Weg! Sonst wird sie das hier nicht überleben!“ „Aber wie wollen wir sie dazu bringen, zurückzukehren?!“, fragte Telzan alarmiert. „Keiner von uns kann jetzt Kontakt mit ihr aufnehmen!“ „Lass das meine Sorge sein, Telzan!“, sagte Cirnach fest und griff beherzt nach der Maske, die Sytanias Atmung sicherte, um sie zu entfernen. Augenblicklich war die Prinzessin gezwungen, in ihren Körper zurückzukehren. Aber das kam ihr auch sehr gelegen. Sie hatte ja ohnehin zurückgewollt. Sie war nur sehr erstaunt, in die Gesichter beider Vendar zu schauen. „Telzan!“, rief sie erstaunt aus. „Du lebst! Aber wie kann das sein? Du hast mir doch eben noch gesagt, Iranach hätte dich im Auftrag meines Vaters getötet. Was ist mit der Eroberung meines Schlosses durch ihn? Du hattest gesagt, ihr musstet euch …“

„Sie redet wirr!“, zischte Telzan seiner Frau auf Vendarisch zu. „Wir sollten nachschauen, ob sie Fieber hat.“ „Mit wir meinst du wohl eher ich.“, gab Cirnach in gleicher Sprache zurück. „Du vergisst, dass ich diejenige von uns bin, die heilkundig ist.“ „Du elende Haarspalterin!“, rief Telzan aus, den die gesamte Situation sehr nervös machte. Dann aber ging er doch zur Seite und ließ zu, dass seine Frau Sytania mit dem Erfasser scannte.

Wenige Sekunden danach steckte Cirnach das Gerät wieder in ihre Tasche zurück und sagte: „Fieber hat sie keines, Telzan. Aber wir sollten sie vielleicht mal fragen, was sie gemeint hat.“ „In Ordnung.“, sagte der Vendar und wandte sich Sytania zu: „Wovon, bei allen höllischen Herscharen, habt Ihr gesprochen, Hoheit?! Ich meine, Eure Worte können einem ja richtig Angst machen!“

Sytania sah ihn verwirrt an. „Du müsstest es doch wissen.“, sagte sie. „Du müsstest doch wissen, dass mein Vater mein Schloss und mein Gebiet erobert hat!“, sagte sie. „Sicherlich befreit einer seiner Vendar gerade die Gefangenen in den Kristallminen.“ „Das bezweifele ich, Hoheit.“, grinste Telzan. „Eure Gefangenen sind noch immer genau da, wo meine Leute sie gelassen haben. Wie kommt Ihr nur auf so etwas und wer hat Euch eingeflüstert, dass ich tot sei?!“ „Du selbst hast es mir gesagt.“, sagte Sytania. „Du bist mir ins Reich der Toten gefolgt und hast mir gerade noch sagen können, dass mein Vater hier alles erobert hat, bevor sich deine geistige Energie aufgelöst hat, weil Iranach dir einen Dolch mit Rosannium ins Herz gerammt hat. Sag mir, Telzan, welche Fahne weht auf dem Wachturm am Tor?!“ „Die Fahne mit dem Drudenfuß.“, sagte der Vendar ruhig, der sich ihre seltsamen Anwandlungen noch immer nicht erklären konnte. „Beweise mir das!“, befahl Sytania. „Bring mich zu einem Fenster, von dem aus ich die Zinnen sehen kann.“ „Wie Ihr wünscht, Herrin.“, sagte Telzan und winkte seiner Frau. Dann nahmen beide Sytania in ihre Mitte und stützten sie zu einem nahen Fenster. Zwar hätte auch jeder von ihnen sie mühelos allein stützen können, von zwei Seiten fand es Telzan aber besser für sie, da sie so stabiler war. Sie war noch immer sehr geschwächt, denn solange ihr Körper ohne ihren mächtigen Geist war, der ihn schützte, war er genau so anfällig für Krankheit und Schwäche, wie der Körper eines jeden sterblichen Wesens.

Sie waren an dem Dachfenster angekommen, von dem aus Sytania Telzans Meinung nach eine sehr gute Sicht auf die Zinnen des kleinen Wachturms hatte, von dem die ganze Zeit die Rede war. „Seht hin, Milady!“, forderte er sie auf und deutete Richtung Scheibe. „Was seht Ihr? Also, ich für meinen Teil sehe immer noch das Wappen mit dem Drudenfuß.“ „Ich auch.“, sagte Sytania voller Erleichterung. „Und ich hatte schon Sorge, es könnte wirklich dazu gekommen sein. Ich hatte schon befürchtet, mein schlimmster Albtraum wäre wahr geworden!“

Sie sank halb ohnmächtig in Telzans Arme und der Vendar und seine Frau brachten sie schnell in ihr Bett zurück. „Ihr solltet Euch noch eine Weile ausruhen, Hoheit.“, schlug Cirnach vor. „Ihr scheint den Ausflug aus Eurem Körper noch immer nicht wirklich verkraftet zu haben.“ „Wie soll man das denn auch?!“, fragte Sytania. „Wenn man solche Nachrichten serviert bekommt. Aber wenn an dem Ganzen nichts dran ist, was ist dann dort drüben passiert?“ „Genau wissen wir das auch nicht, Hoheit.“, sagte Telzan. „Aber Ihr scheint einer List aufgesessen zu sein! Cirnach und ich denken, dass Ihr von irgendjemandem zurück in Euren Körper gescheucht worden seid, der genau weiß, wo man Euch packen kann.“ „Mikel!“, entfuhr es Sytania. „Er wird dafür verantwortlich sein. Oh, ich hätte mir nicht träumen lassen, dass mich dieser verdammte terranische Hund einmal so hintergehen kann! Aber das werde ich ihm heimzahlen und zwar bei nächster Gelegenheit!“

Bevor sie noch dazu kam, ihre Pläne weiter auszuführen, streckte sie ein Schwindelanfall nieder. „Ihr solltet Euch ausruhen!“, bekräftigte Cirnach noch einmal ihre medizinische Anordnung. „Eine weitere Reise aus Eurem Körper heraus würden weder er noch Euer Geist im Moment überleben, so geschwächt, wie Ihr seid.“ „Du hast ja Recht, Cirnach.“, sah Sytania ein, ein Wesenszug, der bei ihr höchst selten war. „Aber dieser Bastard soll sich vor dem Tag hüten, an dem ich wieder auf den Beinen bin!“ Sie schlief auf der Stelle ein.

D/4 hatte bemerkt, dass auch Mikel in seinen Körper zurückgekehrt war. Sofort entfernte sie die Verbindungen zwischen ihm und den medizinischen Geräten. „Sind Sie in Ordnung, Agent?“, fragte sie. „Wie fühlen Sie sich?“ „Noch ein wenig geschwächt, D/4.“, sagte der Terraner und versuchte sich aufzusetzen. Dies unterband die Sonde aber sofort mit gekonntem Griff. „Sie sollten noch eine Weile liegen bleiben.“, sagte sie nüchtern. „Ihr Kreislauf muss sich erst wieder an die neue Situation gewöhnen.“ „Ich fürchte, dazu haben wir keine Zeit.“, sagte Mikel und versuchte erneut aufzustehen. „Wir müssen Tchey und Sharie über die neue Situation im Dunklen Imperium informieren und Ihre Leute müssen auch wissen, dass Logar jetzt beide Hälften der Dimension beherrscht. Ich weiß, dass er weiß, dass es nicht so bleiben darf, weil auch dann das Gleichgewicht der Kräfte verschoben ist. Er wird es wahrscheinlich nur für eine Weile lang so lassen, bis seine Tochter ihre Lektion gelernt hat. Dann wird er ihr ihre Krone zurückgeben. Aber so lange …“ „Ich werde das System nicht über diese Daten informieren!“, unterbrach ihn die Sonde fest. „Warum nicht?“, fragte der erste Offizier der Granger irritiert. „Weil ich glaube, dass sie nicht der Wahrheit entsprechen und ich werde keine falschen Daten in die Datenlager einspeisen!“, antwortete D/4. „Erst einmal sollten wir eine andere Theorie verifizieren, die ich zu diesem Thema aufgestellt habe.“ „Von mir aus.“, sagte Mikel. „Eigentlich ist mir sowieso alles egal. Ich fand es zwar sehr nett von Logar, mir unter die Arme zu greifen, aber meine eigentliche Mission hat ja nicht geklappt. Betsy ist immer noch im Reich der Toten. Ich bin also gescheitert!“ „Ihre Annahme ist fehlerhaft!“, sagte die Sonde mit einem tadelnden Unterton in der Stimme. „Wieso ist sie falsch?!“, fragte Mikel empört. „Wenn Sie eine Datenverbindung mit Sharie hatten, die über den Neurokoppler eine Verbindung zu mir unterhielt, dann müssten Sie doch wissen, dass …“ „Ich habe nicht gesagt, dass Ihre Annahme inkorrekt ist.“, verteidigte sich die Sonde. „Ich sagte, sie sei fehlerhaft. Das ist ein Unterschied!“ „Haarspalterin, xylianische!“, regte sich Mikel auf. „Müssen Sie immer jedes Wort auf die Goldwaage legen?“ „Ja, das muss ich in Ihrem Fall.“, sagte D/4.

Mikel hielt sich plötzlich die Hände vor das Gesicht. Im gleichen Moment sah D/4 im Auswurffach von Sharies Replikator eine Spucktüte, die sie Mikel eilig hinhielt. Dieser entließ den gesamten Inhalt seines Magens in die Tüte. „Ich sollte mich wohl wirklich nicht so aufregen.“, sagte er. „Das ist korrekt, Agent.“, sagte die Sonde, während sie die Tüte samt Inhalt über die Materierückgewinnung entsorgte. Dann setzte sie sich wieder zu Mikel, der sich wieder auf der Bank, auf der er gelegen hatte, lang ausgestreckt hatte und versuchte, sich wieder zu beruhigen. „So ist es viel besser.“, bestärkte ihn die Xylianerin. „Und jetzt werde ich Ihnen auch erklären, was ich vorhin meinte. Natürlich ist Ihre Mission gescheitert, wenn Sie betrachten, warum Sie eigentlich ins Reich der Toten aufgebrochen sind. Aber wenn man eine andere Situation zugrunde legt, waren Sie sogar sehr erfolgreich. Sie haben verhindert, dass Sytania das Reich der Toten erobert. Ich möchte mir nicht ausmalen, was sie dann für Möglichkeiten hätte. Schließlich gibt es dort Zugänge zu allen Dimensionen und das Reich selbst ist ein so genanntes Superuniversum. Überlegen Sie mal, was geschehen wäre, wenn Sie sich der Situation nicht so gut angepasst und Ihre Strategie nicht geändert hätten. Sie haben uns allen damit sicher einen großen Dienst erwiesen. Sie und Sharie!“

Mikel riss verwirrt die Augen auf und gab einen auf Unverständnis hindeutenden Laut von sich. „Wieso Sharie?!“, fragte er. „Logar war doch derjenige, welcher, D/4! Das müssen Sie doch auch gesehen haben!“ „Das ist korrekt, Agent.“, sagte die Sonde. „Dennoch glaube ich nicht ganz an das, was ich gesehen habe. Es gibt nämlich Fakten, die dem widersprechen.“

Der erste Offizier der Granger drehte sich zu ihr um und sah sie an. Dann sagte er: „Ich höre.“ „Die Zeit war zu knapp!“, erklärte die Sonde in wenigen Worten mit viel Überzeugung in der Stimme. „Welche Zeit?“, fragte Mikel. „Die Zeit, die vergangen ist, zwischen dem Zeitpunkt, als Sytania auftauchte und dem angeblichen Eingriff ihres Vaters. Ich gebe zu, Logar ist ein Mächtiger, für den Zeit eigentlich keine Rolle spielt, wohl aber für seine imperianischen Soldaten und seine Vendar, die Sterbliche sind. Sie können unmöglich binnen weniger Sekunden so einfach Sytanias Gebiet und Palast erobert haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie auch dort auf Widerstand gestoßen sein werden. Sytanias Truppen werden dies alles schließlich nicht kampflos einfach so aufgeben, nur weil Logar sie darum bittet.“ „Sicher nicht.“, lachte Mikel, der sich eine solche Situation gerade vorstellte. „Aber das war noch nicht alles.“, sagte D/4. „Auch Telzan wird genau aus diesen Gründen nicht so schnell bei ihr gewesen sein können. Ich bin überzeugt, unter normalen Umständen wird er, da er auch ein trainierter Kämpfer ist, Iranach nie so exponiert seine Brust geboten haben, dass sie den Dolch so gerade hätte einstechen können. Ich denke, dass Sie mir darin zustimmen werden, als ausgebildeter Kriminalist.“ „Faszinierend, auf welche Details Sie achten, D/4.“, sagte Mikel. „Aber Sie haben mit allem Recht, was Sie gesagt haben. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt es mir auch auf. Aber wie soll Sharie …“ „Ganz einfach.“, sagte die Sonde. „Sie haben über Ihre Silberschnur eine Verbindung zwischen Ihrem Gehirn und Ihrem Geist geschaffen, der sich außerhalb Ihres Körpers befand. Sharie benutzte diese Verbindung als Trägerwelle, um uns einen Einblick in Ihr Tun zu ermöglichen. Das bedeutet, all das, was Sie erlebten, wurde über ihre Systeme übertragen. Sie ist in der Lage, Simulationen zu erzeugen. Ihr Avatar ist ja auch nichts anderes. Außerdem haben all diese Schiffe die Fähigkeit, Schwachpunkte ihres Gegenüber zu erkennen und auszunutzen. Bei Paris waren es schöne Frauen, bei denen er schwach wurde und denen er aus der Hand fraß. Bei Sytania ist es ihre Angst, ihre Habe, ihre Macht und die Kontrolle über ihr Vorhaben zu verlieren und die Angst, dass Logar alles rückgängig machen könnte, was sie erreicht hat. Ich bin überzeugt, Sytania weiß ganz genau, dass sie gegen die kosmischen Gesetze verstoßen hat und dass ihr Vater das nicht gut heißen kann und wird. Davor hat sie, bitte verzeihen Sie, einen Heidenschiss!“ „D/4!!!“, sagte Mikel so laut, dass es sogar Tchey mitbekam, die sich noch immer in Sharies Cockpit befand. „Ich glaube, ich muss mal nach hinten, Sharie.“, sagte sie. „Tu, was du nicht lassen kannst.“, grinste sie der Avatar ihres Schiffes an. „Aber nimm deinen Neurokoppler mit und schließ ihn bitte hinten an. „Ich glaube, gleich wird etwas passieren, über das ihr alle sicher meine Meinung hören wollt.“ „Also, heute bist du rätselhafter als die Sphinx, Sharie.“, sagte Tchey, zog ihren Neurokoppler ab und stand vom Pilotensitz auf. Dann drehte sie sich der Zwischentür zwischen Cockpit und Achterkabine zu, die Sharie bereitwillig für sie öffnete.

„Tchey!“, erkannte D/4 ihre inzwischen langjährige Kollegin. „Ja, so heiß’ ich, das weiß ich!“, sagte die Angesprochene cool und setzte sich auf das Ende der Bank, auf der Mikel immer noch lag, um dann ihren Neurokoppler an einen der sich dorrt in der Nähe befindenden Ports anzuschließen. Dies veranlasste auch Sharie sofort, ihre Reaktionstabelle umzuladen.

Sie beugte sich über Mikel. Dann sah sie in sein blasses Gesicht. „Bist du OK?“, fragte Tchey salopp. „Wie man’s nimmt.“, sagte der Agent. „Betsy konnte ich nicht zurückholen, aber ich habe wohl verhindert, dass Sytania das Reich der Toten erobert, zumindest dann, wenn ich D/4 glauben kann. Dein Schiff soll mir dabei geholfen haben, aber ich erinnere mich nicht an Sharie, sondern nur an Logar! Kannst du mir das vielleicht erklären?!“ „Kann ich nicht.“, sagte Tchey. „Aber es würde zu dem passen, was Sharie gegenüber mir angedeutet …“

Eine Weile lang saß sie stocksteif da. Dann breitete sich ein Grinsen über ihr Gesicht, das ihren Mund so breit werden ließ, dass der Rest ihres echsenartigen Gesichtes zusammengeknautscht wurde. Dann sprang Tchey auf und gab einen ziemlich lang gezogenen freudigen extrem lauten Schrei von sich. Dann schlug sie sich auf die Schenkel und rief: „Ach du Schande! Das ist jetzt nicht wahr, oder?! Heute ist wohl wieder einer dieser verdammt geilen Tage, an denen Sachen ohne Apparat passieren! Man stelle sich das vor! Mein Schiff, meine kleine Sharie, die eigentlich viel zu lieb ist für das große böse Universum da draußen, scheucht Sytania mit einer List in ihren Körper zurück! Mann, dass hätte ich dir echt nicht zugetraut! Aber bist das eigentlich noch du?! Wer immer du bist, gib mir meine Sharie zurück!“ „Aber ich bin doch hier, Tchey.“, sagte Sharies Avatar mit einem unschuldigen Blick. „Ich habe wohl nur etwas mehr Selbstvertrauen gewonnen. D/4, du hattest Recht mit deiner Theorie. Alles, was ihr bezüglich Logar gesehen habt, waren Simulationen.“ „Das glaub’ ich jetzt nicht!“, äußerte Tchey völlig außer Atem. „Nein, das glaube ich jetzt nicht!“ „Tja.“, sagte Sharie. „Ich bin eben lange nicht mehr die Unschuld vom Lande, die ich wahr, bevor du mich gefunden hast.“

Mikel grinste und setzte sich auf. D/4 ließ ihn gewähren, denn sie konnte an seinen medizinischen Werten sehr gut sehen, dass es ihm inzwischen viel besser gehen musste. „Ich hoffe, Lasse und du, ihr habt im Schlafzimmer Lärmschutzfenster, Tchey!“, scherzte er. „Agent!“, ermahnte ihn die Sonde.

„Ich denke.“, sagte Tchey, die sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt hatte und nicht weiter auf Mikels Spaß eingegangen war. „Wir sollten die Gastfreundschaft Ihrer Leute nicht länger strapazieren, D/4. Bitte machen Sie ihnen deutlich, dass wir nach Hause wollen.“ „In Ordnung.“, sagte die Sonde und unterbrach ihre Datenverbindung zu Sharie, um mit ihren Leuten Kontakt aufzunehmen. Tchey ging wieder nach vorn und ließ sie mit ihrem Patienten allein. Die Xylianer führten Sharie noch aus dem Hangar und dann verabschiedete man sich am SITCH.

„Weißt du was, Tchey.“, sagte Sharie. „Die Xylianer haben meinen Hauptdatenkristall defragmentiert, was wohl mal bitter nötig war. Puh! Ich denke, du wirst das schon an meinen Reaktionen gemerkt haben. Ich denke, das war eine vertrauensbildende Maßnahme, die auch erfolgreich war. Sie sind gar nicht so übel, wenn man sie erst mal kennt.“ „Wow.“, machte Tchey. „Was für eine Einsicht, Sharie.“ Dann ließ sie das Schiff Kurs Richtung Erde setzen. Dort würde sie sich gemeinsam mit Mikel und D/4 von ihr absetzen lassen, um Sharie dann den Heimflug zu ermöglichen, damit auch Lycira zurückkehren konnte.

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