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Beide konnten nicht ahnen, dass ich nicht friedlich zuhause im Bett lag, sondern mich mit einem mir fremden Mann auf ein Abenteuer eingelassen hatte, dessen Ausgang noch immer ungewiss war. Lycira hatte jedenfalls auf mein Geheiß hin die interdimensionale Schicht wieder verlassen. Wir sind im Cordana-System, Betsy., informierte sie mich. Ich sehe nur einige Planetoiden. Kannst du mir verraten, was wir hier sollen? Ich meine, laut meiner Datenbank ist das hier Niemandsland. „Ich weiß es nicht, Lycira.“, gab ich in Gedanken, aber auch gleichzeitig laut, zurück. „Aber ich werde unseren Professor mal fragen.“ „Was werden Sie mich fragen, Allrounder?“, fragte Radcliffe, der zumindest den Teil der Unterhaltung zwischen Lycira und mir mitbekommen hatte, den ich beigesteuert hatte. „Sie sagt, hier seien nur einige unbedeutende Planetoiden.“, übersetzte ich Lyciras Gedanken für Radcliffe. „Außerdem ist das hier Niemandsland, was ich auch bestätigen kann. Sie fragt sich, was wir hier wollen.“ „Immer skeptisch, Ihr kleines niedliches Schiff, was?“, lächelte Radcliffe.

Ich legte meine Hände in die Mulden an der Steuerkonsole und befahl in Gedanken: Lycira, Antrieb aus, Ankerstrahl setzen! Sie führte meine Befehle bereitwillig aus. „Warum haben wir gestoppt?“, fragte Radcliffe. „Weil ich Ihnen etwas erklären muss.“, erwiderte ich. „Sie wissen, dass Lycira Ihnen misstraut. Ich weiß nicht warum, aber sie hat mir gesagt, dass sie eine schlimme Vorahnung hätte.“, begann ich, meinen Sorgen Luft zu machen. Die Konsequenzen dieses Geständnisses waren mir egal. Es war mir egal, ob Radcliffe mich zusammenfalten würde, oder gar etwas Schlimmeres. Ich war in einer vorteilhaften Position gegenüber ihm. Er war auf mich und mein Schiff angewiesen, um zu jenem Ort zu kommen, an dem er sich Heilung erhoffte. Er würde es sich also schwer überlegen, mir etwas anzutun. Er konnte Lycira nicht fliegen und sie würde auch keinen Versuch tolerieren, selbst, wenn er es versuchen wollte. Sie hatte außerdem die Erlaubnis von mir, alles zu tun, um mein Leben zu schützen, was er nicht wusste. Mit ihrem Transporter hätte sie ihn aus dieser Position leicht auf einem der Planetoiden aussetzen können, wenn er mir in ihren Augen zu nahe getreten wäre. „Wir sollten ihr beweisen, dass sie mir vertrauen kann.“, sagte Radcliffe und legte seine Hände genau wie ich in die Mulden an der Konsole für einen eventuellen Copiloten, aber nichts geschah. Ich werde nicht mit ihm kommunizieren, Betsy!, machte Lycira ihre Abneigung gegen ihn mir gegenüber deutlich. Warum nicht?, fragte ich dieses Mal auch nur in Gedanken, was mir nicht wirklich leicht fiel, denn ich war es gewohnt, Befehle oder Fragen an Computer von Raumschiffen sonst laut auszusprechen, aber jetzt musste ich wohl ein wenig Heimlichtuerei betreiben. Ich spüre, dass er mit etwas Bösem in Kontakt war., übermittelte Lycira. Warte, ich zeige es dir. Ihre Übermittlung weckte in mir ein Ekelgefühl! Außerdem überkam mich eine ziemlich heftige Gänsehaut. Da ich keine Telepathin war, wusste ich nicht genau, was mir Lycira da eigentlich zeigen wollte. Dass ich aber besser auf sie gehört hätte und auf der Stelle umgekehrt wäre, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. „Ist Ihnen kalt?“, fragte Radcliffe, der auch meine Gänsehaut und mein Verhalten gesehen hatte. „Ja, Professor.“, sagte ich und versuchte, dabei so zuversichtlich wie möglich zu klingen. „Aber ich habe Lycira bereits befohlen, die Umgebungstemperatur zu erhöhen, vorausgesetzt, Sie haben kein Problem damit. Sehen Sie, es wird schon wärmer.“ Warum lügst du?, wendete sich mein Schiff an mich. Weil das besser ist., gab ich zurück. Ich kann ihn nicht mit der Wahrheit konfrontieren. Wir müssen etwas Rücksicht nehmen! Er ist schließlich ein kranker Mann! Vielleicht war es ja auch nur seine Krankheit, die du gespürt hast! Aber wenn all das eintritt, was er sich erhofft, dann ist er die ja auch bald los! Du wirst deine Entscheidung noch einmal bitter bereuen, Betsy., meinte sie. Wir werden sehen!, gab ich zurück und versuchte Radcliffe fragend anzusehen. Da ich aber nie gesehen hatte, wie ein fragender Blick bei anderen aussah, wusste ich nicht, ob mir dies gelungen war. „Von mir aus können wir unseren Flug fortsetzen, Allrounder.“, sagte Radcliffe. „Also schön.“, antwortete ich. „Sie müssten mir nur noch die Richtung angeben. Schließlich haben Sie gesagt, dass nur Sie unseren Kurs spüren können.“ „Fliegen Sie einfach geradeaus bis zum nächsten Planetoiden.“, sagte Radcliffe und meinem sensiblen Gehör war nicht entgangen, dass er wohl innerlich ziemlich bebte. Woran das lag, konnte ich mir nicht erklären. Zumindest noch nicht. Ich schob es allerdings auf seine Euphorie, die ihn bei dem Gedanken daran erfasst haben musste, bald geheilt zu sein. „Laut Lyciras Sensoren ist der Planetoid nicht weit.“, versuchte ich, den immer aufgeregter werdenden Professor zu beruhigen. „Mit einem halben Impuls werden wir in zwei Minuten dort sein.“ „OK.“, nickte Radcliffe und ich befahl in Lyciras Richtung: „Geradeaus weiter, Lycira! Ein halber Impuls! Und übernimm das Steuer! Ich muss jemanden beruhigen.“

Radcliffe hatte neben mir stark zu zittern begonnen und ich bekam Angst, er würde mir hier noch zusammenbrechen. Deshalb drehte ich mich zu ihm, was dazu führte, dass ich meine Hände aus den Mulden nehmen musste. Ich legte ihm meine rechte Hand auf den Rücken und strich auf und ab. Dabei flüsterte ich: „Sachte, sachte, Professor. Ganz langsam und ruhig atmen. Ich kann verstehen, dass Sie aufgeregt sind. Aber wir sind ja gleich da.“ Dann befahl ich Lycira, den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre im Cockpit zu erhöhen. „Es ist der Gegenstand.“, sagte Radcliffe und ich konnte eine große Not aus seiner Stimme hören. „Er ruft mich!“

An meinem Hosenboden merkte ich, dass wir in die Umlaufbahn eingeschwenkt sein mussten. Gleichzeitig piepte Lyciras Sprechgerät. „Was heißt das Signal?“, fragte der Professor. „Wir werden gerufen.“, antwortete ich und nahm das Mikrofon in die rechte Hand. „Von wem?!“, fragte Radcliffe und klang dabei schon wieder sehr aufgeregt. „Das weiß ich nicht.“, sagte ich. „Aber Lycira wird es mir schon gleich sagen. Sie müssen sich bestimmt keine Sorgen machen. Ich rede schon mit denen. Als Sternenflottenoffizierin bin ich auch in gewisser Weise in Diplomatie ausgebildet. Es wird bestimmt nichts passieren.“ „Aber wenn noch jemand hier ist.“, meinte Radcliffe. „Dann bedeutet das Konkurrenz und die dulde ich nicht! Der Gegenstand hat mich hergerufen! Mich! Mich ganz allein!“ „Beruhigen Sie sich bitte, Professor.“, versuchte ich, die schäumenden Wogen zu glätten. „Ich werde ihnen die Situation erklären. Vielleicht sind sie ja auch nur auf dem Vorbeiflug und wollen einfach nur „Hallo“ sagen.“ „Das hoffe ich für sie.“, meinte Radcliffe. „Sonst …!“

Ich steckte das Mikrofon, für meine Verhältnisse schlampig, in die Halterung zurück und griff Radcliffes Schultern, um ihn an mich zu ziehen. „Ist ja gut.“, sagte ich. „Sch. Lassen Sie mich erst mal mit ihnen reden. Ich bin überzeugt, dann klärt sich alles. Möchten Sie mithören?“ Radcliffe nickte, was ich durch unsere Positionierung gut spüren konnte. „OK.“, sagte ich. „Dann setzen Sie sich bitte erst mal wieder ganz ruhig hin. Ich schaue erst mal, wer da draußen ist und dann kläre ich alles. OK?“ „Ja.“, meinte Radcliffe außer Atem. Die für ihn doch sehr aufregende Situation schien ihn doch auch sehr anzustrengen. „Bitte, Allrounder, halten Sie mich nicht für einen dummen überdrehten Zivilisten.“, bat er. „Aber …“ „Niemand hat gesagt, dass Sie dumm und überdreht sind.“, beruhigte ich ihn. Dann wandte ich mich an Lycira, nachdem ich meine Hände wieder in die Mulden gelegt hatte: Zeig mir erst mal das Rufzeichen, Lycira! Vor meinem geistigen Auge erschien ein Rufzeichen mit der planetaren Kennung: .brn. Sofort wusste ich, dass dies ein Schiff der Breen sein musste. Als Kommunikationsoffizierin musste ich die meisten Planetenkennungen auswendig wissen. Aber die Gruppierung der übrigen Zeichen verriet mir auch, dass es ein ziviles Schiff sein musste. „Stell mich durch, Lycira!“, befahl ich. Du kannst sprechen., erwiderte sie. Bald darauf erschien das Bild eines weiblichen Breenteenagers. Ihre Umrisse waren schwer zu erkennen, was ich auch auf ihren Kälteanzug zurückführte. „Hi.“, begrüßte ich sie. „Ich bin Allrounder Betsy Scott und wie heißt du?“ „Ich bin Nitprin.“, gab sie zurück und ich schätzte sie aufgrund ihrer Stimme auf ca. 13 Jahre ein. Allerdings war dies schwierig, denn wie die Stimmen aller Breen hatte sie einen leicht metallischen Nebenklang. „Fein, Nitprin.“, sagte ich. „Aber du bist sicher nicht allein. Gibt es einen Erwachsenen, der die Verantwortung für dich hat?“ „Ja.“, sagte sie. „Das ist mein Vater, Professor Motpran. Aber der schläft gerade. Er ist Archäologe, Allrounder Scott, müssen Sie wissen.“

Radcliffe war plötzlich wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen und hatte mein rechtes Handgelenk ergriffen. „Lassen Sie uns gehen!“, zischte er mir zu. „Solange mein Konkurrent schläft, haben wir jede Chance!“ „Niemand hat gesagt, dass er unser Konkurrent ist.“, meinte ich diplomatisch. „Nein.“, sagte er. „Aber das rieche ich!“ „Wir werden herunterbeamen.“, versuchte ich, ihn zu beruhigen. „Dann werden wir auch klären, was da los ist. Vielleicht sind die Breen ja an einer ganz anderen Sache dran.“ Ich würde lieber landen, Betsy., wendete sich Lycira an mich. „Also gut.“, sagte ich. „Was will sie?“, fragte Radcliffe. „Landen.“, erwiderte ich kurz und knapp. „Sie meint, es sei sicherer.“ „Dann aber schnell!“, insistierte Radcliffe. „Hoffentlich dauert ein solches Manöver mit dieser Art von Schiffen nicht zu lange.“ „Was glauben Sie, wie schnell Lycira und ich beim Landemanöver sein können.“, lächelte ich. „Beweisen Sie es.“, sagte Radcliffe. „Na dann!“, sagte ich und gab meinem Schiff die entsprechenden Gedankenbefehle. Die Breen landen auch, Betsy., gab mir Lycira zu verstehen. Aber das sollten wir unserem Professor lieber noch verschweigen. Er wird es früh genug sehen., gab ich zurück.

Auf 281 Alpha ging Jenna laut singend den Gang zu ihrem und Jorans Quartier entlang. Die Terranerin konnte es kaum erwarten, ihrem Freund die freudige Botschaft zu überbringen, dass er bald ein eigenes Schiff fliegen würde. Sie ahnte wohl schon, wie sehr ihn das freuen würde.

Vor der Tür blieb sie stehen und betätigte die Sprechanlage. Dabei verdeckte sie aber ihr Gesicht mit einem Ärmel ihrer Uniform. Dazu legte sie ihre rechte Hand entsprechend darüber. „Wer ist draußen?!“, fragte die tiefe Stimme des Vendar vom anderen Ende der Verbindung. „Dreimal darfst du raten.“, lächelte Jenna mit einem gewissen Singsang in der Stimme. „Wenn das nicht meine Telshanach ist.“, grinste Joran ins Mikrofon. „Sehr richtig.“, meinte Jenna und betätigte den Türsensor, worauf der Stationsrechner die Türen auseinander gleiten ließ. Dann betrat sie den Flur, auf dem Joran ihr bereits entgegen schritt. Zärtlich nahm er ihre Hand und führte sie ins Wohnzimmer auf die Couch. „Jetzt verrate mir doch bitte, was dich so fröhlich gestimmt hat, Telshanach.“, lächelte Joran. „Ich habe eine gute Nachricht für dich, Telshan.“, grinste Jenna zurück. „Du wirst bald dein eigenes Schiff haben, zumindest, was Patrouillen angeht. Natürlich gehört die neue Einheit in erster Linie den tindaranischen Streitkräften, aber …“ „Ein eigenes Schiff?“, fragte der Vendar ungläubig. „Was habe ich darunter zu verstehen? Geht Shimar etwa schon in den Ruhestand und überlässt mir IDUSA? Ich meine, dafür ist er noch etwas jung, findest du nicht?“ „Ich glaube, du hast mir nicht zugehört.“, meinte Jenna. „Ich habe nichts davon gesagt, dass du eine abgelegte IDUSA-Einheit erben wirst, sondern eher davon, dass du eine eigene ganz Neue bekommen wirst.“

Joran überlegte. „Ich komme nicht drauf, Telshanach.“, resignierte er nach einer Weile angestrengtem Nachdenkens. „Ich habe zwar eine Theorie, aber die ist sicher viel zu schön, um wahr zu sein.“ „Erzähl sie mir doch.“, bat Jenna. „Dann werden wir ja sehen, ob sie zum Wahrsein zu schön ist.“ „Also gut.“, sagte Joran und lehnte sich auf seinem Platz zurück. „Ich bin schon lange der Meinung, die Zusammenkunft sollte ihr Kontingent an Patrouillenschiffen aufstocken. Gerade jetzt, wo die Bedrohung durch Sytania so stark geworden ist. Aber es scheint mir ja niemand zuhören zu wollen.“ „Ich glaube, da irrst du dich gewaltig.“, sagte die hoch intelligente Halbschottin mit einem Grinsen auf den Lippen. „Man hat dir wohl endlich zugehört. Jedenfalls soll morgen das neue Schiff ankommen. Dann kommst du zu mir in den Maschinenraum und wir zwei regeln alles Weitere.“

Joran saß zunächst starr wie eine Salzsäule da, bevor er sich plötzlich wieder aus ebendieser Erstarrung löste, um sie fest in die Arme zu schließen. „Meine Telshanach.“, flüsterte er in ihr rechtes Ohr. Dabei spielte seine Zunge sanft mit ihrem Ohrläppchen. „Das ist die beste Nachricht, die ich je bekommen habe. Aber was ist mit den anderen Stationen, die keinen zweiten Flieger haben?“ „Ich schätze mal, dass dafür einige Reservisten einrücken müssen.“, sagte Jenna. „Eine andere Lösung gibt es nicht. Aber dass du an sie denkst, finde ich echt süß von dir. Du bist halt immer um deine Kameraden besorgt.“ „Kameradschaft wird unter den Vendar sehr groß geschrieben.“, sagte Joran. „Mag sein, dass es davon kommt.“ „Ich weiß.“, lächelte Jenna und küsste ihn.

Sytania und Telzan hatten unsere Ankunft auf dem Planetoiden beobachtet. „Bald ist es so weit, Telzan!“, kreischte die Prinzessin schadenfroh. „Bald wird unser lieber guter Professor finden, wonach er sucht und dann wird er endlich zu meinem Werkzeug, ohne es selbst zu wissen. Er wird glauben, die Propheten hätten …“ „Aber was ist mit der Sternenflottenoffizierin, Gebieterin.“, sorgte sich der Oberste der Vendar-Krieger. „Sie weiß, dass die Propheten nie so offensichtlich handeln würden. Sie weiß, dass sie immer eher in Rätseln gesprochen und einen Teil lieber im Dunkeln gelassen haben. Sie könnte ihm sagen, dass Ihr daran schuld seid. Den Verdacht wird sie sicher hegen und dann …“ „Zweifeln wir etwa an unserem eigenen Plan, he?!“, schrie sie ihn an. „Nein, Gebieterin.“, sagte Telzan leise und machte eine unterwürfige Geste. „Du kannst mir glauben!“, setzte ihm Sytania weiter zu. „Das werde ich schon in die Hand nehmen. Wenn ich mit unserem Professor fertig bin, dann wird er alles für mich tun. Da kann sie ihm noch so sehr ins Gewissen reden. Dafür wird er taub sein. Außerdem wird er sie durch ihre eigene Technologie zu Tode kommen lassen. Genau so wird es den Breen gehen. Wie du weißt, hasse ich Zeugen!“ „Dann ist ja alles gut.“, sagte Telzan und seufzte erleichtert. „Aber lasst mich bitte zusehen.“ „Aber natürlich.“, sagte die Prinzessin für ihre Verhältnisse recht mild und führte seine rechte Hand auf den Fuß des Kontaktkelches, während sie danach seine linke Hand fast zärtlich in die Ihre nahm.

Ich hatte Lycira gelandet und gemeinsam mit Radcliffe ihr Cockpit verlassen. Vorher hatte ich mir von ihr noch die Spezifikationen des Planetoiden und seiner Atmosphäre geben lassen. „Wir sollten uns was Leichteres zum Anziehen besorgen, Professor.“, schlug ich vor. „Lycira sagt, es sei hier sehr heiß und sie hat nicht übertrieben. Außerdem ist 90 % des Planetoiden Wüste.“ „Um so besser für uns.“, sagte Radcliffe. „Diese Umgebung dürfte nicht gesund sein für die Breen.“ „Die haben ihre Kälteanzüge.“, widersprach ich. „Die werden es hier genau so gut aushalten wie wir. Es wird also einen gerechten Wettbewerb geben, wenn Sie das unbedingt so sehen wollen.“ „Warum meinen Sie, dass nur ich es so sehen will?!“, fragte Radcliffe und ich bekam den Eindruck, ihn mit meiner Äußerung vielleicht sogar empört zu haben. Ich ahnte, dass ich wohl etwas zurückrudern musste, aber auf der anderen Seite auch nicht weiter dafür sorgen durfte, dass er sich weiterhin in seinen Wahnsinn verrannte. In dieser Umgebung hätte das für ihn sonst eventuell tödlich enden können. Also sagte ich nur: „Ich bin auf gar keiner Seite. Ich sehe das Ganze eher neutral. Vielleicht ist es ein Teil Ihrer Krankheit, dass Sie glauben, dass hier irgendein Gegenstand ist, der Sie ruft, vielleicht ist es aber auch die Wahrheit. Ich weiß es nicht. Aber man hat schon die seltsamsten Dinge gesehen. Lassen Sie uns jetzt am besten einen Platz suchen, an dem wir unsere Zelte aufschlagen können.“

Radcliffe drehte sich um und um, als suche er nach etwas. „Wo sind die Breen?“, fragte er. „Sie müssen ganz in unserer Nähe sein.“, vermutete ich mit der Absicht, ihn ein wenig zu trösten. Ich hatte schon wieder gemerkt, wie aufgeregt er geworden war. Die Anwesenheit einer weiteren Expedition musste ihn rasend vor Neid machen. Ich hoffte sehr, dass es mir auch weiterhin gelingen würde, sein Temperament herunterzukühlen.

„Allrounder Scott!“ Eine helle leicht metallische Stimme hatte meinen Namen gerufen. Ich drehte mich in die Richtung, aus der sie gekommen war und erwiderte: „Ich bin hier, Nitprin!“ Im nächsten Augenblick schritt eine kleine Gestalt in einem Kälteanzug auf mich zu und drückte mich fest an sich. „Endlich sehen wir uns!“, strahlte sie. „Ja.“, lächelte ich zurück und schlang ebenfalls meine Arme um sie. „Sie werden doch wohl nicht mit unserer Konkurrenz fraternisieren!“, empörte sich Radcliffe. „Hab’ ich was falsch gemacht?“, fragte Nitprin verschämt. „Aber nein.“, tröstete ich. „Aber du musst mich mal eben loslassen, damit ich jemandem die Meinung sagen kann. OK? Außerdem arbeite ich unter meinem Vornamen für die Sternenflotte, obwohl ich keine Außerirdische bin. Aber das erkläre ich dir noch.“ „Darauf freue ich mich schon, Allrounder Betsy.“, antwortete die junge Breen korrekt, was mich in großes Erstaunen versetzte. Sie musste sehr intelligent sein.

Sie hatte mich losgelassen und ich drehte mich Radcliffe zu. „Ich habe nicht fraternisiert, klar!“, sagte ich streng. „Angesichts dieser unwirtlichen Umgebung halte ich es nur für besser, wenn wir miteinander, statt gegeneinander, arbeiten würden! Aber für heute sollten wir ohnehin erst mal unser Nachtlager aufschlagen. Wüsten haben es an sich, dass es dort nachts sehr kalt und tags sehr heiß ist. Ich würde sagen, wir schlafen auf den Schiffen. Da können wir zumindest die Temperatur regeln. Energie sparen müssen wir Gott sei Dank ja nicht, da die Schiffe ihren Vorrat gut mit Solarstrom auffüllen können. Aber trotzdem sollten wir mit unseren eigenen Vorräten sehr gut haushalten. Wir sollten nur in den Abend- und Morgenstunden arbeiten. Dann ist es für uns alle am Angenehmsten. Sie sollten auf mich hören, Professor! Ohne mich kommen Sie hier nicht mehr weg! Wenn Sie nicht vernünftig sind, werden Lycira und ich Sie auf der Stelle verlassen. Denken Sie darüber nach!“ „Militärlogik.“, murmelte der Professor. „Ich hätte eigentlich gedacht, dass Sie ein bisschen mehr Sinn für Wettbewerb und Herausforderungen haben, Betsy.“ „Aber trotzdem schalte ich meine Vernunft nicht gänzlich aus.“, erwiderte ich und begann, Lyciras Rufzeichen in mein Sprechgerät einzugeben. Danach folgte eine Befehlssequenz. Das Gerät hielt ich dabei so, dass Radcliffe das Display gut sehen konnte. „Das tun Sie nicht wirklich.“, sagte er. „Sie verlassen mich nicht tatsächlich, oder?“ „Hängt davon ab, wie Sie sich entscheiden.“, sagte ich. „Entweder, Sie bringen sich um, oder, wir spielen nach meinen Regeln!“

Er begann damit, aus einer Tasche, die er mit sich geführt hatte, altertümliche Grabwerkzeuge wie Sparten und Schaufeln zu holen. Das alles kannte ich zwar aus meinem eigenen Jahrhundert, aber es kam mir doch für heutige Verhältnisse sehr befremdlich vor. Normalerweise wurden auch zu einem solchen Zweck im 30. Jahrhundert Transporter verwendet, nachdem man die Stelle, an der das Artefakt lag, vorher durch Scannen lokalisiert hatte. Mit Ausgrabung im eigentlichen Sinne hatte Archäologie heute nicht mehr viel zu tun. „Und die letzte Taste heißt: Enter.“, sagte ich. „Nein!“, rief Radcliffe außer sich, dem wohl ein gewisser Körperteil langsam auf Grundeis ging. „Bitte, bleiben Sie. Ich sehe es ja ein. Nur würde ich gern einen warmen Schlafsack für die Nacht haben. Ihr Schiff kann den doch sicher replizieren, oder? Verstehen Sie doch. Ich muss hier draußen übernachten. Ich darf nicht zu weit weg vom Gegenstand sein. Sonst verliere ich vielleicht sogar noch den Kontakt. Der Gegenstand wird mir in dieser Nacht genau zeigen, wo er ist. Das spüre ich genau. Ihr Schiff hat gesagt, dass die Rotationsgeschwindigkeit dieses Planetoiden um sich selbst dreimal so schnell ist wie die des Planeten, an dem sich die Zeitrechnung auf Khitomer orientiert. Wir haben also noch genug Zeit. Ich werde sicher nichts übertreiben. Das versichere ich Ihnen. Lycira kann ja gern nachschauen, ob ich unvernünftig bin.“ „Na gut.“, sagte ich nachdenklich. „Mit diesem Kompromiss kann ich leben.“ Damit löschte ich die vorangegangenen Befehle und ersetzte sie durch neue, in denen Lycira aufgefordert wurde, die nötigen Dinge für Radcliffe zu replizieren. Neben einem für Wüstenklima geeigneten Schlafsack bekam er noch einen Sack mit Proviant und eine Flasche Wasser. „Das reicht für diese Nacht.“, sagte Radcliffe. „Vielen Dank.“ „Gern geschehen.“, erwiderte ich und drehte mich zum Gehen. Dabei warf ich noch ein: „Falls es Ihnen doch zu kalt werden sollte, werden Lycira und ich Sie nicht abweisen.“ „Es wird schon gehen.“, meinte er und ich hörte das Geräusch eines sich schließenden Reißverschlusses, das ich mit Erleichterung zur Kenntnis nahm.

Die kleine Gestalt, die sich mit mir in Richtung Lycira begab, bemerkte ich erst dann, als sie mich anstupste. „Darf ich bei dir schlafen?“, fragte sie. „Von mir aus gern.“, lächelte ich. „Aber wir müssen deinen Vater fragen, was er davon hält. Schließlich kennst du mich ja gar nicht.“ „Aber Sie machen mich neugierig.“, sagte Nitprin. „Sie sind so geheimnisvoll, Allrounder. Sie haben mir versprochen, mir alles zu erklären.“ „OK.“, sagte ich. „Aber wir müssen dich zumindest bei deinem Vater abmelden.“

Lycira öffnete die Luke, um uns einsteigen zu lassen. Der Professor hat sich aber sehr verändert, Betsy., stellte sie scherzend fest. „Das ist nicht Professor Radcliffe!“, lachte ich. „Das ist Nitprin. Sie wird heute hier übernachten. Radcliffe bleibt da draußen. Es wäre gut, wenn du ihn überwachen und mir eine Verbindung zum Schiff der Breen herstellen würdest.“ Wie du möchtest., erwiderte Lycira und führte meine Befehle aus. „Ich will meinen Vater selbst fragen!“, quietschte Nitprin. „Aber sicher.“, sagte ich und gab ihr das Mikrofon. Sag ihr, dass sie sprechen kann., verdeutlichte mir Lycira, dass die Verbindung zustande gekommen war. „Du kannst sprechen.“, sagte ich. „Hallo, Vater.“, sagte Nitprin. „Ich wollte dich nur fragen, ob ich heute bei Allrounder Betsy übernachten kann. Sie hat so ein cooles Schiff! Außerdem ist sie auch total geheimnisvoll. Sie will mir alles über sich erklären!“ „Na, da bin ich aber traurig, dass du das Schiff einer Fremden cooler findest, als das deines alten Herren.“, kam es zurück. „Aber von mir aus. Nur, warum nennst du sie Allrounder Betsy. Soweit ich weiß, werden die terranischen Offiziere bei der Sternenflotte mit ihren Nachnamen angesprochen.“ „Das ist ein Teil ihres Geheimnisses.“, sagte Nitprin. „Das will sie mir aber alles erklären.“ „Also gut.“, meinte Motpran. „Aber denk vor lauter Geschichten auch daran, dass du deinen Schlaf brauchst. Wir haben morgen noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns.“ „Geht klar.“, erwiderte das Mädchen lächelnd und deutete mir an, die Verbindung nach ihrem nächsten Satz beenden zu lassen. Dann sagte sie noch: „Gute Nacht, Vater.“ „Die wünsche ich dir und dem Allrounder, wie immer sie jetzt auch heißen mag, auch.“, lächelte der Professor zurück. Dann beendete Lycira die Sprechverbindung.

„Erzählen Sie mir jetzt die Geschichte?“, fragte Nitprin. Ich nickte und entgegnete: „Sicher.“ Dann lehnte ich mich zurück und begann: „Ich bin eine Pendlerin zwischen den Jahrhunderten. Ursprünglich komme ich aus dem 21. Aber Dill, der König von Zeitland und Beschützer der Zeit, hat mir sein OK gegeben, dass ich hier sein darf.“ „Wieso?“, fragte sie. „Ist es nicht eigentlich schädlich für die Zeitlinie, wenn Sie …“ „Nach unserem Verständnis ja.“, sagte ich. „Aber Dill scheint es OK zu finden. Vielleicht muss es so sein. Ich weiß, das klingt wie die abgedroschenste Ausrede für Verstöße gegen den Schutz der Zeitlinie, aber …“ „Und Betsy ist auf der Erde ein so häufiger Vorname, dass niemand auf Anhieb denken kann, Sie sind diejenige, welche, falls …“, vermutete Nitprin. „Richtig.“, lächelte ich. „Na dann, wenn Sie sogar ein königliches OK haben, will ich nichts gesagt haben.“, sagte sie.

Ich stand vom Sitz auf und reckte mich. „Weißt du, was ich denke?“, sagte ich. „Ich glaube, wir sollten jetzt nach hinten gehen, um etwas zu schlafen.“ „Nur noch eine Frage.“, bettelte Nitprin. „Na gut.“, sagte ich. „Aber dann gehen wir schlafen.“ „OK.“, meinte sie und fragte: „Woher haben Sie das coole Schiff?“ „Lycira ist mir quasi passiert.“, sagte ich. Nitprin musste lachen. „Ups!“, lachte sie. „Wie habe ich denn das zu verstehen? Oh, das war ja schon die zweite Frage.“ „Nicht schlimm.“, sagte ich tröstend. „Aber ich habe eine Idee. Lycira kann es dir selbst erzählen und sogar zeigen!“ „Oh, ja!“, meinte Nitprin begeistert. „Cool! Aber wie denn? Ich meine, ich habe immer schon wissen wollen, wie Sie mit ihr reden.“ „Erst mal.“, bot ich an. „Kannst du ruhig du zu mir sagen und dann … Setz dich hin und leg deine Hände in die Mulden vor dir.“ Dabei deutete ich auf den Platz neben mir, nachdem ich mich selbst gesetzt hatte. Bereitwillig tat das Mädchen, was ich ihr aufgetragen hatte. Hi, Nitprin., hörte sie bald darauf Lyciras telepathische Stimme. „Hi, Lycira!“, quietschte die Kleine. „Wow, hast du eine liebe Stimme!“ Danke, Nitprin., gab Lycira zurück. Du aber auch. Wenn du jetzt wissen möchtest, wie Betsy und ich uns kennen gelernt haben, dann pass mal auf. Damit begann sie, Nitprin die ganze Geschichte in bewegten Bildern zu zeigen.

Auf der Brücke der Granger, die von Ribanna in Richtung Khitomer geflogen wurde, besprachen Mikel, Kissara, Ribanna und Kang das weitere Vorgehen. „Werden wir alle herunterbeamen, Kissara?“, fragte Mikel. „Soweit ich weiß, Agent, ist das genau so vorgesehen.“, antwortete die thundarianische Kommandantin. „Wenn alle Besatzungen der eingeladenen Schiffe geschlossen herunterbeamen.“, äußerte Ribanna. „Dann muss Nugura wohl bald anbauen, nicht?“ „Ich bezweifle, dass alle das tun werden, Allrounder.“, beruhigte Kang sie. „Ich schätze viel eher, dass Nugura uns geschlossen dabei haben will, weil wir schon viel Ehre für sie eingeholt haben.“ „Hoffentlich bleibt das auch so.“, stöhnte Mikel und ließ laut hörbar die Luft aus seinen Lungen entweichen. Kissara, die sich auf so eine Äußerung ihres ersten Offiziers tatsächlich einen Reim machen konnte, flüsterte ihm nur zu: „In meinem Raum, Agent.“ Dann wandte sie sich an die dunkelhäutige und dunkelhaarige Frau an der Flugkonsole: „Ribanna, Sie haben die Brücke!“ Dann zog sie Mikel mit sich fort.

In ihrem Bereitschaftsraum angekommen befahl sie dem Computer sofort, die Tür zu verriegeln und die internen Sensoren abzuschalten. Sie wusste, wenn Mikel sich so äußerte, dann musste es einen so wichtigen Grund haben, dass es wohl besser war, wenn niemand so schnell etwas davon mitbekommen würde. Alles sollte wohl besser zwischen ihr und Mikel bleiben.

„Also raus mit der Sprache!“, insistierte sie, nachdem sie für den Agenten und sich Getränke repliziert hatte und beide sich auf die üblichen weichen Sessel gesetzt hatten. „Was wissen Sie? Ich kenne Sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass Sie sich, wenn Sie sich schon so äußern, sicher etwas dabei denken.“ „Das ist richtig, Kissara.“, sagte Mikel und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas Kölsch. „Wenn ich nicht wüsste, dass es Synthehol ist.“, meinte Kissara, die dieser Anblick nur noch mehr in ihrem Glauben bestärkte, dass etwas nicht stimmte. „Dann könnte man ja meinen, Sie müssten sich Mut antrinken. Aber Sie wissen doch, dass Sie das bei mir nicht nötig haben.“ Bei ihren letzten Sätzen hatte sie leise geschnurrt, da sie wusste, dass der blinde Mann einen schmeichelnden und tröstenden Blick ja nicht wahrnehmen konnte. „Das weiß ich, Kissara.“, sagte Mikel. „Dennoch fällt es mir nicht leicht, Ihnen zu sagen, was ich Ihnen zu sagen habe.“ „Na, worum kann es schon gehen.“, versuchte Kissara, ihm behilflich zu sein, die offensichtlich so schwierigen Sätze endlich loswerden zu können. „Dieser Meilenstein.“, begann Mikel doch schließlich. „Gerüchten nach soll er Rosannium auf jede beliebige Frequenz konfigurieren können. Denken Sie ernsthaft, dass Sytania da einfach so zusehen wird? Ich meine, das würde uns in die Lage versetzen, sie direkt angreifen zu können, ohne auf eventuelle telepathische Alliierte Rücksicht nehmen zu müssen, falls sie uns vorher dumm gekommen wäre. Sie wissen schon, was ich meine.“ „Natürlich.“, sagte Kissara. „Aber anscheinend weiß sie nichts davon und jetzt ist ihr ja auch jede Möglichkeit genommen, irgendwelche Telepathen als Schutzschilde zu missbrauchen. Dieses Modell haben die Strategen nämlich auch schon überdacht. Deshalb ist man ja so froh, endlich diese Waffe zu bekommen. Aber ich werde Ihre Warnung keinesfalls in den Wind schlagen, Mikel. Ich werde auf der Hut sein. Schließlich wissen Sie mehr über die Mächtigen, im Speziellen über Sytania, als wir alle zusammen.“ „Vielen Dank, Madam.“, sagte Mikel und stand auf, um sein leeres Glas der Materierückgewinnung zuzuführen. „Ist nun alles geklärt?“, fragte Kissara tröstend, ja fast mütterlich. Der Agent nickte. „Dann lassen Sie uns gehen.“, meinte sie und hakte Mikel unter.

Sie kehrten auf die Brücke zurück und begaben sich wieder auf ihre Plätze. Fast im gleichen Moment meldete Ribanna: „Commander, wir haben Khitomer erreicht. Ich sehe einige Schiffe. Auch ein Romulanisches ist darunter.“ „Das ist ganz logisch, Allrounder.“, sagte Mikel. „Schließlich sind es die Romulaner, von denen wir die Waffe bekommen werden. Sie müssen sich also keine Sorgen machen.“

Langsam löste sich die junge Pilotin und Kommunikationsoffizierin aus ihrer verkrampften Haltung, die sie vor Sorge angenommen hatte. „Es tut mir leid, Sir.“, sagte sie. „Aber ich bin so erzogen, dass man den Romulanern immer noch mit einer gewissen Skepsis im Bauch begegnen sollte.“ „Dann war Ihre Erziehung aber nicht mehr zeitgemäß.“, meinte Kang. „Wir haben seit ca. 800 Jahren eine wenn auch etwas lockere politische Freundschaft mit den Romulanern. Also …“ „In gewisser Weise haben Ribannas Eltern sicher Recht.“, vermittelte Kissara. „Dass man offiziell miteinander eine politische Beziehung führt, muss nicht automatisch bedeuten, dass auf einmal alles Friede, Freude und Eierkuchen ist. Aber geben Sie uns die Schiffe doch mal auf den Schirm, Ribanna. Ich bin sicher, dann sind wir alle etwas schlauer.“ Erleichtert nickte die junge Indianerin und führte aus, was Kissara ihr gerade aufgetragen hatte. „Das romulanische Schiff vergrößern!“, befahl Kissara, deren scharfe Katzenaugen längst erkannt hatten, um welche Art von Schiff es sich handelte. Sie wollte aber auch allen anderen die Chance geben, das Gleiche zu erkennen. „Mikel, sagen Sie Ihrem Hilfsmittel, es soll Ihnen das romulanische Schiff beschreiben!“, wendete sie sich ihrem ersten Offizier zu. „Computer.“, begann dieser. „Das romulanische Schiff klassifizieren!“ „Wissenschaftliches Spezialfrachtschiff.“, kam eine nüchterne Antwort von der warmen weiblichen Stimme des Rechners zurück. „Also kein Warbird?“, verifizierte Mikel. „Negativ.“, gab der Rechner zurück. „Das kann ich nur bestätigen, Agent.“, sagte Kang, der das Schiff mit eigenen Augen gesehen hatte. Auch Ribanna nickte. „Sie haben eine ganz spezielle Art, jemandem seine Angst zu nehmen, Kissara.“, sagte Mikel. „Das muss ein guter Commander doch können, nicht wahr?“, schnurrte sie. Dann stand sie auf: „Lassen Sie uns gehen, Ladies und Gentlemen. Wir sollten Nugura nicht warten lassen.“ Alle nickten, meldeten sich aus den Systemen ab und folgten ihr zum Transporterraum.

Radcliffe wälzte sich in seinem Schlafsack hin und her. Etwas hatte ihn nicht schlafen lassen. Etwas, das ihn sehr beunruhigen musste. Er begann auch langsam zu spüren, dass ich Recht gehabt hatte, was das Wüstenklima anging. Es war nämlich tatsächlich sehr kalt geworden. Aber das war es nicht, was ihn gestört hatte. Er fragte sich nur, wann diese merkwürdige Rastlosigkeit, die er immer stärker spürte, seinen Körper endlich verlassen würde.

Er beschloss aufzustehen. Ein kurzer Spatziergang würde ihm wohl sehr gut tun. Aber kaum hatte er sich aufgerappelt, überkam ihn ein Schwindelgefühl, das dem, welches er in seinem Haus verspürt hatte, sehr stark ähnelte.

Erneut fand er sich in dem Gewölbe wieder, in dem er schon vorher auf die seltsamen Gestalten getroffen war und da waren sie auch allesamt. „Was wollt ihr von mir?“, fragte Radcliffe. „Warum holt ihr mich so kurz vor meinem Ziel wieder zu euch? Habe ich mich nicht an eure Regeln gehalten, oder müsst ihr mir noch etwas sagen?“ „Der Radcliffe ist ungeduldig.“, stellte die Gestalt von Malcolm fest. „Er denkt in die falsche Richtung.“, meinte die D/4. „Dabei hat er Zeit genug.“, sagte die Nayale. „Er will immer alles sehr schnell.“, meinte der Tilus. „Der Radcliffe wird sein Ziel bald finden.“, sagte die D/4. „Wenn er dem Mond folgt.“, fügte der Malcolm bei.

 

Radcliffe sprang auf und versuchte, sich an irgendeiner Lichtquelle zu orientieren. Er wusste, es gab hier insgesamt drei Monde, also war ihm nicht klar, welchem er folgen sollte, aber er dachte sich auch, dass dem Mond folgen genau so gut heißen konnte, dass er in der Nacht arbeiten sollte. Im gleichen Augenblick fiel sein Blick auf eine Stelle, an der sich die drei Strahlen der Monde zu treffen schienen. Er hockte sich hin und begann, wie ein Besessener mit den bloßen Händen im Boden zu graben.

Nitprin hatte sich die ganze Geschichte über Lycira und mich angesehen. „Oh, Lycira. Da wäre ich liebend gern dabei gewesen!“, lachte sie. „Vor allem, wie du und Betsy diesen Kriegsschiffkommandanten vorgeführt habt. Oh, Backe! Der war sicher geknickt, gefaltet und so klein mit Hut!“ Davon kannst du ausgehen., gab Lycira zurück.

Ihr Avatar machte plötzlich ein erschrockenes Gesicht. „Was ist?“, fragte Nitprin. Bitte geh nach hinten und weck Betsy., sagte Lycira. Ich muss euch beiden etwas zeigen. „Was ist denn los?“, wiederholte das Mädchen ihre Frage. Später!, entgegnete das Schiff schon ziemlich alarmiert. Ich glaube, unser Professor macht Dummheiten. „OK!“, schnippte Nitprin, stand auf und drehte sich zu der Tür, die Achterkabine und Cockpit voneinander trennte.

Tatsächlich hatte ich mich zum Schlafen auf eine der hinteren Bänke gelegt und war etwas erstaunt, als mich plötzlich etwas an den Schultern rüttelte. Schlaftrunken warf ich den Kopf herum und fragte: „Bist du es, Nitprin?“ „Ja.“, gab ihre leicht metallische Stimme zurück. „Lycira hat mich gebeten, dich zu wecken. Sie hat etwas gesehen. Sie sagt, unter Umständen macht unser Professor …“

Ich war hellwach und sprang auf. Dann griff ich ihre Hand: „Komm mit!“ Und ab ging es in Richtung Cockpit, wo ich Lycira sofort aufforderte, uns zu zeigen, was draußen vorging. „Er gräbt mit den bloßen Händen!“, rief Nitprin. „Ist er denn verrückt geworden?! Na ja. Dass er einen Schaden hat, ist ja nicht neu.“ „So redet man nicht über einen kranken Mann, junge Dame!“, tadelte ich sie. „Es tut mir leid.“, sagte sie leise. „Es war nur der Schreck.“ Sie schmiegte sich an mich. „Ist schon gut.“, tröstete ich. „Ich habe mich ja auch erschrocken. Ich meine, jetzt sind es immerhin fast Minus 20 Grad da draußen. Der Boden wird auch gefroren sein und man kann sich dann schon ganz schöne Erfrierungen holen, wenn man nicht aufpasst. Lycira, zeig uns sein Gesicht!“

Der Avatar nickte und vor unseren geistigen Augen erschien bald das Gesicht des Professors mit den bereits bekannten eng gestellten Pupillen. „Er hat wieder so einen Anfall.“, stellte ich fest. Dann wendete ich mich an Nitprin: „Du bleibst hier!“ „Ist er gefährlich, wenn er das hat?“, fragte sie. Ich nickte. „Dann lass mich bitte mitgehen.“, schlug sie vor. „Ich meine, dann bist du nicht allein und zu zweit kommen wir schon mit ihm klar.“ „Na gut.“, sagte ich. „Aber du bleibst nah bei Lycira und hältst dich bereit, einzusteigen, wenn ich es dir sage, OK?“ „Ich bin kein Baby mehr.“, sagte Nitprin. „Außerdem wirst du jemanden brauchen, der etwas sieht. Ich weiß, dass du das nicht kannst und das könnte unser Professor sonst eventuell vielleicht ausnutzen.“ „Da hast du auch wieder Recht.“, musste ich zugeben. Ich informiere Nitprins Vater, Betsy., schlug Lycira vor. Ich nickte ihr zu und dann verließen Nitprin und ich ihr Cockpit.

Die Kälte machte Radcliffe schwer zu schaffen. Die Luft, die er einatmete, hinterließ ein schneidendes Gefühl in seinen Lungen und da er bereits bis zur Erschöpfung gegraben hatte und trotz Kälte sehr schwitzte, fror ihm die Kleidung bereits am Körper fest. Aber aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Er hatte bereits ein stattliches Loch ausgehoben, als seine rechte Hand plötzlich auf etwas Glattes Kegelförmiges stieß, das er sogleich aus dem Boden zog. Als er es jedoch berührte, wurde er von einem schwarzen Blitz durchzogen, der ihn zu Boden warf. Er rappelte sich jedoch wieder auf und es kam ihm vor, als sei er durch und durch erneuert worden. „Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe!“, rief er aus. „Jetzt weiß ich auch, wer ich bin und warum ich wiedergeboren wurde! Ich soll eine große Sünde sühnen, die ich als Benjamin Sisko begangen habe. Als Nathaniel Radcliffe aber habe ich die Chance erhalten, alle von dieser Sünde rein zu waschen!“

Er drehte sich in unsere Richtung und blitzte uns mit seinen Augen an. „Wie unheimlich!“, sagte Nitprin und begann vor Angst zu weinen. Endlich erschien auch ihr Vater auf der Bildfläche. Lycira musste ihn endlich erreicht haben. „Kümmern Sie sich um Ihre Tochter!“, zischte ich ihm zu und ging in Radcliffes Richtung. „Professor, was ist los?“, fragte ich im Versuch, zu dem meiner Ansicht nach völlig fehlgeleiteten Mann durchzudringen. Mittlerweile hatte ich nämlich meinen Erfasser aus Lyciras Frachtraum geholt und der hatte mir gezeigt, dass keinesfalls die Propheten, sondern eindeutig Sytania hinter dem hier steckte. „Dies, Allrounder!“, begann Radcliffe und hielt den Kegel hoch. „Dies ist der Gegenstand, der mir mein Heil gebracht hat! Jetzt weiß ich alles! Jetzt weiß ich, zu was ich wiedergekehrt bin! Ich soll die gesamte Föderation und auch alle anderen, die es wollen, von einer großen Blutschuld reinwaschen! Die Propheten haben es mir gesagt! Lassen Sie mich gleich mit Ihnen beginnen. Mit Ihnen und den Breen!“ „Nein!“, rief ich aus. „Ich weiß nämlich, dass das hier nicht von den Propheten kommt, sondern von jemandem anders. Von jemandem, die nur Böses im Sinn hat!“ Damit drehte ich meinen Erfasser so, dass er das Display sehen konnte. Gleichzeitig hatte ich den akustischen Alarm eingeschaltet. „Das haben Sie manipuliert!“, sagte er außer sich. „Sie müssen ja nur den entsprechenden Dateinamen zuweisen!“ „Das habe ich nicht!“, versuchte ich, mich zu rechtfertigen. „Sie!“, schäumte Radcliffe. „Sie unbelehrbare Sünderin! Sie wollen nicht rein gewaschen werden, dann werde ich Sie durch Ihre eigene Technologie zu Tode kommen lassen!“

Ich hörte ein Summen. Ein Summen, dessen Tonlage mir bereits bekannt war. Es hatte in meiner Kindheit eine Zeit gegeben, in der ich mir alles Mögliche ans Ohr gehalten hatte. Unter anderem auch einmal einen Transformator für ein elektrisches Spielzeug. Daher wusste ich, wie sich ein Energiefluss anhörte, nur war dieses Summen um ein Vielfaches lauter. Mit seiner Äußerung zusammengenommen konnte dies nur bedeuten, dass der Gegenstand ihn in die Lage versetzt hatte, durch reine Willenskraft ein Feld zu generieren, das alle Geräte in seinem Umkreis überlasten würde. Nicht genug mit der Explosion! Die elektrische Entladung würde uns alle in Stücke reißen!

Ich warf meinen Erfasser, meinen Phaser und mein Sprechgerät so weit von mir, wie ich konnte. Dann schrie ich den Breen zu: „Werft eure Geräte weg! Werft sie so weit weg von euch, wie ihr könnt!“

Nitprin folgte meiner Aufforderung, aber ihr Vater blieb wie vom Donner gerührt einfach nur stocksteif stehen. Ich wusste, für ihn konnte ich nichts mehr tun. Also griff ich die Hand des Mädchens und zerrte sie hinter einen Felsen, wo ich ihr zuzischte: „Hock dich hin und verschränk die Arme vor der Brust. Und vor allem, sieh auf den Sand! Sieh auf den Sand!“

Es gab einen Blitz und Motpran gab einen letzten markerschütternden Schrei von sich. Dann kam Radcliffe zu uns herüber und gab mir mein Sprechgerät in die Hand. „Schicken Sie Ihr Schiff weg!“, forderte er. „Tun Sie es, sonst stirbt noch jemand!“ Mit zitternden Händen gab ich Lyciras Rufzeichen ein. „Schicken Sie es an den äußersten Rand seiner Transporterreichweite!“, diktierte Radcliffe. „Es soll Sie später abholen, wenn ich weg bin! Na wird’s bald?!“ Er demonstrierte mir seine neue Macht erneut, indem er einen schwarzen Blitz auf Nitprin abfeuerte. Schlaff brach sie neben mir zusammen. „Lycira, flieg weg!“, befahl ich mit zitternder Stimme. „Flieg bis an den äußersten Rand deiner Transporterreichweite! Sobald Radcliffe weg ist, holst du mich wieder ab!“ „Brav!“, lobte Radcliffe mit einer gehässigen Betonung. „Und jetzt rühren Sie sich nicht von der Stelle!“

Er ging in Richtung des Breenschiffes. Wenn er eines der Sprechgeräte an sich gebracht hatte, war es ihm ein Leichtes, seine Systeme zu knacken und jetzt, mit seinen neuen Kräften, konnte er ja eh alles tun, worauf er Lust hatte.

Ich hörte den Antrieb des Schiffes. Er war fort. Wie es Nitprin ging, konnte ich nicht mehr herausfinden, denn im gleichen Moment nahm ich ein bekanntes Transportersurren wahr. Dann fand ich mich in Lyciras Cockpit wieder. Betsy., hörte ich ihre schmeichelnde Stimme. Ist ja gut. „Gar nichts ist gut, Lycira!“, schrie ich außer mir. „Du hattest Recht! OH, du hattest so Recht! Da muss noch ein Breenlebenszeichen sein. Du musst …“ Da ist nichts, Betsy., sagte sie. Die Kleine wird tot sein. Aber ich sehe eine Breenantriebssignatur. Soll ich ihr folgen? „Nein, Lycira.“, überlegte ich, soweit ich das überhaupt noch konnte in meinem aufgewühlten Zustand. „Bring mich einfach zur Erde und dann flieg der Granger entgegen! Du musst gegenüber Mikel aussagen! Oh, Gott, worauf habe ich mich da eingelassen. Was habe ich getan?!“ Du wolltest nur helfen., versuchte sie, mich zu beruhigen. „Genau das ist das Problem.“, sagte ich. „Und jetzt tu, was ich dir gesagt habe!“

Ihr Avatar nickte und dann aktivierte sie den interdimensionalen Antrieb, um ihn nahe der Erde wieder zu deaktivieren. Sie wusste, dass schnell gehandelt werden musste. Auch ich würde mich dem Geheimdienst stellen und eine Aussage machen müssen. Vielleicht war das Schlimmste ja noch zu verhindern.

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