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Wütend und gleichzeitig sehr niedergeschlagen saß Sytania auf ihrem Thron. Sie hatte durchaus bemerkt, dass ihr jede Möglichkeit genommen worden war, je wieder Einfluss auf Nathaniel ausüben zu können. „Dieser verdammte Tindaraner!“, schrie sie und warf ein paar Gläser, die ihr eine Dienerin eilig gebracht hatte, gegen die Wand ihres Palastes. „Mit Verlaub, Milady!“, wandte sich Telzan an seine Herrin. „Das ist mein Spruch.“ „Das kann ja auch deiner bleiben!“, empörte sich Sytania. „Nur habe ich selbst gerade festgestellt, dass er es immer wieder meisterhaft versteht, mich zu besiegen, wenn ich nicht damit rechne und auf eine Art, mit der ich nicht rechne. Ich hätte ihm das wirklich nicht zugetraut! Nein, das hätte ich ihm wirklich nicht zugetraut!“ „Aber so schlimm ist das doch auch gar nicht.“, lenkte Telzan ab. „Immerhin habt Ihr ja noch Augustus, der mir gerade sehr gute Nachrichten zukommen lassen hat. Heute morgen haben seine Truppen und er einige in der Nähe des Gebietes der Föderation liegende Planeten eingenommen. Ihr seht, sie kommen der Föderation immer näher.“ „Das mag ja sein.“, sagte Sytania. „Aber Radcliffes Heilung wird mit Sicherheit noch nicht alles sein, was diese verdammten Tindaraner und ihre Verbündeten aus dem Hut zaubern werden. Ich hörte von Gerüchten über einen geheimnisvollen genesianischen Clan und über die Tatsache, dass sich die Genesianer angeblich mit ihnen, den Klingonen und sogar mit meinem Vater verbündet haben sollen. Leider konnte ich diese Gerüchte nicht durch meine seherischen Fähigkeiten bestätigen. Wenn ich es versuche, ist es, als baue sich eine Wand aus Nebel vor mir auf. Ich habe meinen Vater in Verdacht, dafür verantwortlich zu sein.“

Telzan wendete sich ab, denn er wollte verhindern, dass Sytania sah, wie nah er davor war, laut loszulachen. Aber die Tatsache, dass er grinste, entging ihr nicht. „Du wagst es, deiner Herrin ins Gesicht zu grinsen, obwohl sie dir gerade Dinge berichtet, die nicht gut für uns sind?!“, schrie ihm Sytania hocherregt zu. „Bitte vergebt mir, Hoheit.“, sagte Telzan und kämpfte erneut mit einem Lachanfall. „Aber diese Gerüchte sind wahrscheinlich nichts weiter, als nur Gerüchte. Ihr solltet bei Weitem nicht alles glauben, was sich bäuerliche Waschweiber so an Dorfbrunnen erzählen, um gegenseitig ihre Angst zu vertreiben. Die Genesianerinnen und Euer Vater, oder die Genesianerinnen und die Klingonen! Wer das glaubt, der glaubt auch alles. Die Genesianerinnen würden niemals mit den Klingonen oder mit Eurem Vater zusammenarbeiten! Das kann ich Euch versichern!“ „Was macht dich da so sicher, Telzan?“, fragte die Prinzessin. „Die Tatsache macht mich so sicher.“, sagte Telzan. „Dass die Genesianerinnen von Frauen angeführt werden und Männer als niedere Wesen betrachten. Die Klingonen aber werden von einem Mann geführt und im Hohen Rat sitzen, soweit es mir bekannt ist, bis heute auch nur Männer. Euer Vater ist auch einer. Das bedeutet, Shashana wird sich lieber selbst beide Beine und beide Arme abhacken, bevor sie mit einem oder mehreren Männern zusammenarbeitet, geschweige denn, sie auf gleicher Ebene mit sich Entscheidungen treffen lässt! Nein, Milady. Euer Hoheit können sicher sein. Diese Art von Zusammenarbeit wird es nicht geben. Wie gesagt. Es wird nur ein Konstrukt bäuerlicher Fantasien sein, um die Angst loszuwerden.“ „Aber selbst, wenn es diese Zusammenarbeit nicht gibt.“, sagte Sytania. „Was ist mit diesem Clan? Angeblich soll er von einer Celsianerin geführt werden.“ „Von einer Celsianerin!“, lachte Telzan. „Vergebt mir, Prinzessin, aber wie sollte das denn möglich sein? Die Celsianer sind Bürger der Föderation. Die und die Genesianer sind verfeindet! Wie also sollte eine Celsianerin in den Genuss kommen, einen genesianischen Clan anzuführen? Nein, Milady. Auch diesen Clan wird es nicht geben.“

Sytania lehnte sich erleichtert zurück. „Und ich hatte mir schon Sorgen gemacht.“, sagte sie. „Aber du hast mich überzeugt. Die Genesianer würden niemals so weit über ihren Schatten springen und die Sache mit der Celsianerin kann ja auch nicht sein. Du hast schon Recht. Dann sind ja die Verluste, die ich erlitten habe, doch nicht so groß, wie ich am Anfang geglaubt habe. Aus meinem Griff werden sich die Romulaner also nicht so schnell befreien können. Meine neuen Herrschaftsgebiete werde ich also behalten. Was ist da schon ein einziger Mann, den man mir weggenommen hat und den ich jetzt nicht mehr als meine Marionette benutzen kann. Du hast Recht. Es ist alles wahrlich nicht so schlimm, wie ich zu Anfang geglaubt habe. Dann wird es wohl auch jenes geheimnisvolle Schiff nicht geben, was sich angeblich bei den Genesianerinnen befinden soll.“ „Wenn es diesen Clan nicht gibt, dann wird es auch das Schiff nicht geben, Hoheit!“, versicherte Telzan. „Aber erzählt mir doch über dieses Schiff, das Euch solche Angst macht.“ „Du wagst es, zu behaupten, dass mir etwas Angst macht?!“, empörte sich Sytania. „Ja, Hoheit.“, sagte der Vendar. „Das behaupte ich, weil Ihr Euch die ganze Zeit so verhaltet.“ „Ich bin wohl noch etwas durch den Wind.“, sagte Sytania. „Vielleicht hat mich die Tatsache, dass dieser Shimar Radcliffe geheilt hat, doch mehr mitgenommen, als ich zunächst gedacht hatte.“ „Das wird es dann wohl sein, Milady.“, beschwichtigte Telzan, der sehr genau wusste, was die Konsequenzen sein konnten, wenn er weiterhin behauptet hätte, sie hätte Angst gehabt. „Aber wenn du unbedingt willst, werde ich dir von dem Schiff erzählen.“, sagte Sytania. „Es ist angeblich ein großes Schiff, das ein fremdes Transpondersignal trägt. Das Signal ist das des Clans, der von jener geheimnisvollen Celsianerin geführt wird. Es sollen sich aber auch Männer auf diesem Schiff befinden und es soll eine Waffe an Bord haben, die meinem armen kleinen Augustus das Lebenslicht ausblasen können soll, ohne den zu töten, dessen Körper er jetzt besitzt! Stell dir das vor, Telzan! Stell dir das vor! Welche liebende Mutter würde nicht in Angst verfallen, wenn ihr kleiner Sohn demnächst vielleicht getötet wird?!“ „Es wird dieses Schiff nicht geben, Hoheit!“, sagte Telzan langsam und deutlich im Bestreben, ihre Furcht zu zerstreuen. „Das, was Ihr gerade gesagt habt, enthält so viele Fehler, dass es gar nicht stimmen kann. So etwas wird es bei den Genesianern niemals geben! Bitte, vertraut mir!“

Sie überlegte eine Weile und dann wurde ihr Gesicht, das sich zuvor ängstlich verzogen hatte, wieder gleichmäßig und neutral. „Oh, Telzan.“, sagte Sytania. „Mein guter Telzan. Du schaffst es immer wieder, mich auf den Boden der Realität zurückzuholen. Wenn du dir so sicher bist, dann will ich es auch sein. Schließlich kennst du das Universum gut genug. Ich will mich also nicht länger sorgen. Schicke nach meiner Zofe. Sie soll mein Bett bereiten. Ich habe, seit ich mir solche Sorgen um Augustus mache, schon zwei Nächte lang nicht mehr geschlafen. Ich werde mich zur Ruhe legen.“ „Tut das nur, Hoheit.“, sagte Telzan und verließ ihren Thronsaal. Wie falsch er mit seinen Theorien lag, ahnte der Vendar nicht.

Wir hatten abgedockt und ich flog die Granger im hinteren Drittel der Formation in Richtung Romulus. Allen voran flog natürlich Ginalla mit Kamurus, aber Kissara und sie hatten alles genau so abgesprochen. Der Plan war, die Vendar, die Augustus begleiteten, von den Genesianerinnen in einen Kampf verwickeln zu lassen. Dann würden wir uns aus dem toten Winkel heraus der Garnison von Sytanias Truppen nähern und Meilenstein gegen das Geistwesen benutzen und somit Malcolm befreien.

„Ich hoffe nur, dass ich überhaupt in der Lage sein werde zu schießen.“, äußerte Kang. „Warum sollten Sie das nicht sein?“, fragte Mikel irritiert. „Das können Sie als Blinder, der noch dazu nie einen Visor getragen hat, vielleicht nicht verstehen, Sir.“, erklärte der Stratege. „Aber ich befürchte, dass ich zum Gefangenen meiner Augen werden könnte und vielleicht nicht auf ein unbewaffnetes Kind schießen werde.“ „Unbewaffnet, Mr. Kang?!“, empörte sich Mikel. „Dieses ach so harmlose Kind ist schlimmer als alles, was wir bisher kennen gelernt haben! Halten Sie sich das gefälligst vor Augen, Warrior! Das ist ein Befehl!“ „Aye, Sir!“, sagte der Klingone und bemühte sich, dabei sehr selbstbewusst zu klingen. Aber meinen aufmerksamen Ohren war nicht entgangen, dass er damit wohl arge Schwierigkeiten haben musste. Ich hoffte nur, dass auch Mikel und Kissara das mitbekamen.

Wenige Minuten nach diesem Gespräch meldete mir der Computer, dass wir in Sensorenreichweite von Romulus waren. „Auf den Schirm, Allrounder!“, befahl Kissara und ich ließ den Rechner ihren Befehl ausführen. „Der Planet hat sich aber sehr verändert.“, stellte Kissara fest. „Alles, was ich hier sehe, ähnelt sehr stark dem dunklen Imperium.“ Sie ließ ihren scharfen Katzenblick noch einmal über den Schirm schweifen. „Lassen Sie Ihr Hilfsmittel den Abschnitt D-20 vergrößern.“, sagte sie zu mir, was ich auch gleich so weitergab. Worüber sie genau gestolpert war, wusste ich nicht. Aber ich und auch alle anderen sollten es bald erfahren. „Das sieht ja aus wie ein Tempel.“, sagte Kissara und Kang nickte bestätigend. „Und die überlebensgroße Statue vor dem Tempel ähnelt sehr Sytania. Sie lässt sich doch nicht etwa von den Romulanern als Göttin anbeten!“ „Wenn.“, mischte sich Mikel ein. „Dann tun sie das bestimmt nur, weil Augustus sie drangsaliert. Die Informationen von der Sonde, die sich ja nicht nur auf den Aufenthaltsort von Ginalla bezogen, waren ja eindeutig. Aber so etwas traue ich Sytania durchaus zu.“ „Bis sie über ihr riesiges Ego stolpert.“, sagte ich. „Da sprechen Sie ein wahres Wort gelassen aus, Allrounder.“, sagte Kissara. „Aber ich nehme Ihre Äußerung dann mal gleich als Signal loszuschlagen. Signalisieren Sie Ginalla, sie soll mit den Genesianerinnen die Vendar hervorlocken. Mal sehen, was Augustus dazu meint!“ Ich nickte und führte ihren Befehl aus.

Kamurus hatte meinen Ruf empfangen und Ginalla sofort Meldung gemacht. „Dann wollen wir die Vendar mal aufscheuchen!“, sagte die Celsianerin. „Starte einen Sammelruf an alle Mitglieder unseres Clans. Die Granger brauchst du nicht auszunehmen. Ich will, dass Kissara mitbekommt, was wir tun.“ „OK, Ginalla.“, sagte das Schiff. Dann sah seine Pilotin bald alle Gesichter der Genesianerinnen vor ihrem geistigen Auge. „Meine Kriegerinnen.“, wendete sich Ginalla an ebendiese. „Heute ist der Tag, an dem wir uns alle ein für alle Mal von Sytania befreien und ihr einen anständigen Arschtritt verpassen werden. Verteilt euch und versucht, mit euren Schiffen so viele Sensorenechos wie möglich zu produzieren. Ich will, dass die Vendar auf jeden Fall merken, dass wir da sind.“ Von allen Seiten wurde der Empfang bestätigt und sie wies Kamurus an, die Verbindung wieder zu beenden. Dann verteilten sich die genesianischen Schiffe.

Augustus befand sich in der Kommandozentrale. Hier war er aber nicht allein. Jarnach, eine Vendar höheren Alters, die sehr kriegserfahren war, war bei ihm. Sie hatte schon reichlich graues und ziemlich lichtes Fell und für eine Frau ihres Volkes mit 2,30 m eine überdurchschnittliche Körpergröße. Wäre sie ein Mann, wäre das sicher normal gewesen. „Gebieter, da draußen befinden sich eine Menge genesianischer Schiffe.“, meldete Jarnach. „Was tun sie?“, fragte Augustus. „Im Moment umschwirren sie uns wie Schmeißfliegen.“, sagte die Vendar. „Ich schätze, sie wollen uns rauslocken.“ „Wie ist ihre Bewaffnung, Jarnach?“, fragte Augustus. „Seht selbst.“, sagte die Vendar und stellte von ihrer Arbeitskonsole aus die Bilder an die durch, vor der Augustus saß. „Wie lachhaft.“, lästerte er. „Stöcke und Steine brechen mir nicht die Beine. Die glauben doch nicht etwa ernsthaft, dass sie mit Photonentorpedos und Phasern etwas gegen mich ausrichten können.“ „Wenn ich meine Meinung kundtun darf.“, sagte Jarnach und sah Augustus unterwürfig an. „Sage, was du zu sagen hast, Jarnach!“, befahl er. „Ich denke, sie wollen einen Nervenkrieg gegen uns führen. Sie wollen anscheinend erreichen, dass wir uns zeigen. Aber diesen Gefallen sollten wir ihnen nicht tun. Ihr mögt unverwundbar sein, Gebieter. Aber das gilt beileibe nicht für uns.“ „Dann sag aber deinen Leuten, sie sollen trotzdem die Füße still halten!“, befahl Augustus. „Wollen doch mal sehen, wer den längeren Atem hat.“ „Ja, Herr.“, sagte Jarnach und verfasste eine entsprechende SITCH-Mail auf Vendarisch, die sie an alle Rufzeichen ihrer Truppe schickte.

Quälende Minuten waren vergangen, in denen wir uns gegenseitig belauert hatten. Die Vendar schienen nicht auf uns zu reagieren und die Genesianerinnen dachten gar nicht daran, ihre Taktik, die Station zu umschwirren, aufzugeben. „Ich denke, das kann noch Stunden oder gar Tage so gehen, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Na und?!“, fragte Ginalla. „Hast du ein Problem damit?“ „Nein, Ginalla.“, sagte das Schiff. „Ich nicht, aber ich befürchte, dass bei einigen deiner Kriegerinnen die Nervosität Einzug gehalten hat. Ich habe sie gescannt und ihre medizinischen Werte geben mir Anlass zur Sorge.“ „Gib mir die, von denen du redest.“, sagte Ginalla. „Ich werde sie schon motivieren.“ „Dann müsste ich dich mit fast allen verbinden.“, sagte das Schiff. „Außer Salmonea scheinen alle unbedingt so schnell wie möglich Kleinholz aus der Station machen zu wollen. Wenn die Götter nicht bald ein Wunder geschehen lassen, wird unser Plan in die Hose gehen, fürchte ich. Solange die Vendar nicht abgelenkt sind, ist Augustus auch nicht ungeschützt und die Granger kann nicht …“

Ginalla hatte plötzlich zu grinsen begonnen. „Was findest du an unserer Situation so lustig?“, fragte Kamurus. „Gar nichts.“, sagte die Celsianerin. „Aber deine Äußerung über die Götter hat mich auf eine Idee gebracht. Nimm wieder Kurs auf das Zentrum von Romulus. Wenn wir das Götzenbild von Sytania ein wenig verunstalten, dann gibt es sicher für die Vendar kein Halten mehr!“ „Das glaube ich auch.“, sagte Kamurus und führte aus, was sie ihm gerade gesagt hatte. „Aber sollte uns nicht mindestens eins der anderen Schiffe begleiten?“ „Oh, nein.“, sagte Ginalla. „Solche Aktionen mache ich lieber nur mit dir allein. Also los jetzt!“

Bei uns war Ginallas Aktion auch angekommen. „Ginallas Schiff hat sich aus der Formation gelöst und fliegt wieder in Richtung Tempel.“, meldete ich. „Was hat sie vor?“, fragte Kissara. „Rufen Sie sie, Betsy und verbinden Sie mit mir!“ „Sofort, Commander.“, erwiderte ich und gab Kamurus’ Rufzeichen ins Sprechgerät ein. „Was gibt es denn, Commander Kissara?“, fragte Ginalla. „Was haben Sie vor, Ginalla?“, fragte Kissara. „Ach du meine Güte!“, rief Ginalla aus. „Duzen Sie mich doch bitte, Commander. So alt, wie ich aussehe, bin ich ja wohl noch nich’. Außerdem sind wir doch jetzt in gewisser Weise eine Familie. Aber weil heute Sonntag is’, gibt es jetzt einen kleinen Tipp von mir. Ich werde ein bisschen an Sytanias Ego kratzen.“ Sie beendete die Verbindung.

„Betsy.“, wendete sich Kissara an mich. „Sie kennen sie etwas länger. Was könnte sie meinen?“ „Ich weiß es nicht, Commander.“, war meine Antwort, die ich gezwungen war, ihr zu geben, weil mir auch nicht ganz klar war, was sie meinen konnte. Wir alle würden wohl abwarten müssen.

Kamurus befand sich jetzt genau über der Statue von Sytania. Zwar war er in einigen Kilometern Höhe außerhalb der Atmosphäre, aber ansonsten stimmte die Position. „Kannst du deinen Phaser so einstellen, dass er Sytania die Krone vom Kopf holt, Kumpel?“, fragte die Celsianerin grinsend. „Ich könnte sogar einen einzelnen Edelstein treffen, Ginalla.“, sagte Kamurus. „Das is’ nich’ nötig.“, sagte Ginalla. „Außerdem halte ich das für Angeberei.“ „Du scheinst zu vergessen.“, sagte Kamurus. „Dass ich meinen Phaser neulich sogar als chirurgisches Instrument benutzt habe. Aber wenn du willst, dann kümmere ich mich erst mal um die Krone. Stillhalten wird Sytanias Ebenbild ja wohl.“ Ginalla musste grinsen. Dann sah sie, wie Kamurus tatsächlich der Statue die Krone vom Kopf schoss, ohne sie oder den Kopf der Figur auch nur im Geringsten zu beschädigen. Mit lautem Krach segelte das Symbol von Sytanias Herrschaft auf die Straße. Erst hier zerbrach es durch den Aufprall. „Große Klasse, Wilhelm Tell!“, lobte Ginalla. „Ich hoffe, das haben auch ein paar Romulaner gesehen! Damit lässt sich ihnen vielleicht beweisen, dass ihre Göttin nich’ ganz so göttlich is’, wie sie es ihnen weiß machen will.“ „Und ich hoffe, dass vor allem die Vendar es gesehen haben.“, sagte Kamurus.

Kissara hatte jenes Spektakel auch gesehen und genau beschrieben, damit auch Mikel und ich wussten, was da unten gerade geschehen war. „Ich glaube, unsere Freundin baut gerade Sytanias Statue etwas um.“, lästerte der erste Offizier. „Schaden kann es nicht.“, lästerte ich zurück. „Ich war schon immer der Meinung, Sytania wirke mit ihrer Krone viel zu protzig.“ „Achtung!“, sagte Kang. „Gleich fallen noch Zepter und Reichsapfel!“ „Oh, Mann.“, sagte Mikel. „Sytanias Größenwahn kennt wohl gar keine Grenzen. Wenn mich mein historisches Wissen nicht völlig im Stich lässt, hat sie sich als göttliche Kaiserin darstellen lassen. So was gab es zuletzt im alten Rom.“ Ich, die ich historisch einigermaßen bewandert war, zischte ihm auf Deutsch zu: „Wo du Recht hast, hast du Recht.“

Jarnach und ihre Leute hatten jene Aktion auch beobachtet. „Bitte, lasst mich mit meinen Leuten ausfliegen und ihrem Treiben ein für alle Mal ein Ende bereiten!“, bat sie nervös. „Warum auf einmal der Meinungsumschwung, Jarnach?“, fragte Augustus. „Was zu viel ist, das ist einfach zu viel, Herr!“, sagte die Vendar. „Schließlich hat sie gerade Eure göttliche Mutter beleidigt!“ „Genau das will sie erreichen.“, sagte Augustus. „Siehst du das nicht? Ach nein. Das kannst du ja nicht. Du hast ja, im Gegensatz zu mir, keine aktiven telepathischen Fähigkeiten. Aber für mich sind ihre Gedanken ein offenes Buch. Sag deinen Leuten gefälligst, sie sollen sich nicht provozieren lassen!“ „Ich werde es ausrichten, Gebieter.“, sagte Jarnach, die aber selbst einen schweren inneren Kampf ausfocht. Am liebsten wäre sie persönlich gestartet, um Ginalla abzuschießen, aber ihr Gebieter hatte ihr befohlen, still zu halten.

Ginalla und Kamurus waren immer noch in ihrer Position über der Statue. „Was weißt du über die medizinischen Werte von Vendar?“, fragte die Celsianerin. „Ob sie nervös sind, kann ich wohl erkennen.“, sagte Kamurus. „Und das sind sie, soweit ich das beurteilen kann. Sie sind kurz davor, sich zu zeigen, aber eine Kleinigkeit an Provokation fehlt wohl noch.“ „Und die werden wir ihnen jetzt geben.“, sagte Ginalla. „Sytania is’ doch auch sehr eitel und mag es nich’, wenn ihrer Schönheit Abbruch getan wird. Dass dies ein schlimmes Verbrechen wäre, wissen auch die Vendar.“ „Soll ich ihr einen unpassenden Scheitel ziehen?“, fragte Kamurus. „Ne.“, flapste Ginalla. „Das machen wir anders. Los, verpass ihr ’ne anständige Hasenscharte und dann deformierst du noch ihre dicke Nase. Ich war schon immer der Meinung, die könnte mal ’ne Korrektur vertragen.“ „Wie du willst.“, sagte das Schiff und stellte das Zielgerät ein. Dann übergab er ihr die Waffenkontrolle. „Wenn du willst, dann kannst du selbst feuern.“, sagte Kamurus. „Wie lieb von dir.“, sagte Ginalla und gab den Gedankenbefehl zum Abfeuern des Phasers. Danach lehnte sie sich mit genießerischem Blick zurück und leckte sich die Lippen. „Oh, Kamurus.“, sagte sie langsam und fast lasziv. „Das war ein besseres Gefühl, als …“

Weiter kam sie nicht, denn ihr Schiff hatte sich plötzlich blitzschnell drehen müssen, um einer Welle von Vendar auszuweichen, die gerade von der Station gestartet war. Aber im gleichen Moment waren auch die Genesianerinnen zur Stelle, die sich den Vendar stellten und sie, wie von Anfang an beabsichtigt, in schwere Kämpfe verwickelten. Auch Jarnach war unter den Vendar. Die Befehle von Augustus hatte sie völlig ignoriert, weil sie so wütend war.

„Ginalla hat es geschafft, Commander.“, meldete Kang. „Die Vendar sind abgelenkt und Augustus ist in der Kommandozentrale allein.“ „Na dann los!“, sagte Kissara. „Betsy, bringen Sie uns rein! Kang, Schilde hoch!“ „Aye, Madam.“, sagte ich und setzte das Schiff langsam in Bewegung, während Kang die Schilde hob.

Augustus war auf der mit vendarischen Systemen ausgestatteten Raumstation allein. Er hatte zwar gesehen, was auf ihn zu kam, konnte es aber bisher nicht wirklich einordnen. Das seltsame fremde Schiff, das sich näherte, konnte der Mishar auch nicht identifizieren. Er wusste nur, dass es wohl zum Clan der Ginalla gehörte wie alle anderen Schiffe auch. „Mishar, verbinde mich mit dem Commander dieses Schiffes!“, befahl er dem Computer. Dieser führte seinen Befehl aus und bald sah er Kissaras Gesicht auf dem Schirm. „Wenn du glaubst, mich verwunden oder gar besiegen oder töten zu können, Thundarianerin.“, sagte Augustus. „Dann werde ich dich leider enttäuschen müssen. Ich bin unsterblich und unverwundbar!“ „Das werden wir ja noch sehen, ob du das wirklich bist!“, grollte Kissara. „Gib das unschuldige Kind, dessen Körper du besetzt hältst, frei. Dann lasse ich vielleicht noch einmal mit mir reden.“ „Ich glaube kaum, dass du in der Position bist, hier Forderungen zu stellen, Sterbliche!“, drohte Augustus. „Na schön!“, sagte Kissara. „Du hast es nicht anders gewollt, du Scheusal!“

Sie gab Kang einen Wink, der sofort Meilenstein auf die neuralen Frequenzen des Geistwesens konfigurierte. „Ziel erfasst!“, meldete der Klingone. „Na dann, Feuer, Mr. Kang!“, befahl Kissara.

Mikel und ich lauschten angespannt, denn wir hofften, das bekannte Geräusch des abgefeuerten Phasers bald zu hören, aber nichts dergleichen geschah. Kangs Hand musste sich noch nicht einmal in der Nähe des Knopfes befunden haben, denn Kissara sagte nur: „Ich sagte Feuer, Warrior! Die Hände in den Schoß legen können Sie noch früh genug!“ „Mit Verlaub und bei allem Respekt, Commander.“, sagte Kang niedergeschlagen. „Ich kann nicht. Ich sehe dieses kleine so unschuldig blickende und zerbrechlich wirkende Kind, auf das zu schießen mir doch reichlich ehrlos erscheint.“ „Verdammt noch mal, Kang!“, sagte Kissara. „Sehen Sie doch mal über die körperliche Hülle hinaus. Dieses Kind wird Ihnen verdammt dankbar sein, wenn Sie es von dem befreit haben, der im Moment die Kontrolle über es hat.“

Ich schätze, da wirst du bei deinem Strategen auf Granit beißen., hörte Kissara plötzlich Sytanias Stimme in ihrem Geist. Aber auch wir anderen hörten sie. Sein Ehrgefühl steht ihm im Weg. Aber das sollte auch für dich und deinesgleichen gelten. Ich dachte immer, die Sternenflotte achtet Leben! Tja, jetzt seid ihr wohl in den Hintern gekniffen. Dein Klingone scheint Techniker McKnights Erfindung nicht wirklich zu trauen. „Mit einem habt Ihr vielleicht Recht, Hoheit!“, sagte Kissara laut. „Die Sternenflotte achtet Leben, aber nicht dann, wenn es eine Eurer abscheulichen Schöpfungen ist und wenn diese einen gefangen hält, der unter unserem Schutz steht. Der kleine Malcolm ist schließlich ein Bürger der Föderation, der von der Sternenflotte beschützt werden sollte. Verdammt, Kang, schießen Sie endlich! Wir können uns doch von Sytania hier nicht so vorführen lassen!“

Ich hatte uns noch etwas näher an die Station herangebracht, was laut Computer durchaus möglich war. Dann zischte ich Mikel auf Deutsch zu: „Tu was! Ich glaube, wir zwei sind die Einzigen, die das sehen, was andere nicht sehen.“ „Ich habe verstanden.“, sagte Mikel ebenfalls auf Deutsch, um dann auf Englisch fortzufahren: „Ich werde Ihnen jetzt helfen, Mr. Kang. Computer, die Waffenkontrolle auf meine Station transferieren, die Zielerfassung korrigieren und Feuer! Dann die Waffenkontrolle zurückgeben!“ „Befehl wird ausgeführt.“, sagte der Computer und dann hörten wir endlich das erlösende Geräusch.

Am SITCH hörte man nur noch einen letzten Schrei, den Augustus Malcolms Stimme noch entlockt hatte, bevor sein Muster sich auflöste. Dann fragte ein verängstigtes Kinderstimmchen: „Wo bin ich? Bitte, helft mir!“ „Genau das werden wir jetzt tun.“, sagte Kissara und betätigte die Sprechanlage: „Mr. Jannings, beamen Sie den armen kleinen Jungen an Bord!“ „Aye, Commander.“, gab der Ingenieur zurück. „Ich sollte zum Transporterraum gehen, und ihn empfangen.“, sagte ich. „Mit mir ist er vertraut.“ „Oh, ja.“, sagte Kissara. „Das sollten Sie tun und zwar gleich nachdem Sie den Genesianerinnen und Ginalla Bescheid gegeben haben. Schicken Sie den Clan der Ginalla am besten zur 281 Alpha zurück. Dann wird Mikel Ihren Posten übernehmen.“ „In Ordnung.“, sagte ich.

„Von den Vendar haben wir nichts mehr zu befürchten.“, meldete Kang, der sich inzwischen wieder gefasst hatte. „Die Meisten haben per Positionslicht signalisiert, dass sie sich ergeben, oder sie haben sich umgebracht. Ohne ihren großen Gebieter sind sie wohl sehr hilflos. Ich sehe sogar ein paar Fluchtkapseln. Ich denke, einige werden auch ihr Heil in der Flucht gesucht haben. Sie haben wohl Gerüchte über den Umgang mit Gefangenen bei den Genesianern gehört, die sehr schlimm für sie sind.“ „Wenn der Kopf erst mal abgeschnitten ist, kann die Schlange nicht mehr leben.“, sagte Mikel lapidar. „Oh, ja.“, sagte Kissara. „Und derjenige, der die Schere in der Hand hielt, mit der das getan wurde, waren Sie, Agent. Sehr gut reagiert!“ „Ja.“, sagte Mikel. „Weil der Allrounder und ich nicht gezwungen sind, dem ersten optischen Eindruck zu folgen. Was anderes wäre es wohl, wenn wir einen Visor trügen, aber das dürfen wir ja auch nicht, weil wir Pendler zwischen den Jahrhunderten sind und die Implantate sicher unangenehme Fragen aufwerfen würden. Mit Kopfschmuck wären die sicher nicht beantwortet.“ „Oh, was habe ich doch mit Ihnen beiden für ein unverschämtes Glück.“, schnurrte Kissara zufrieden.

Sytania hatte den Tod ihrer Schöpfung durchaus mitbekommen und tobte vor Wut. „Mikel!“, schrie sie. „Mikel und Betsy! Die Beiden machen mir immer wieder all meine Pläne kaputt. Aber das ist nicht das einzige Problem, das ich jetzt habe. Telzan, warum glaubst du, hat sich Augustus überhaupt töten lassen?“ „Weil sie Rosannium und Meilenstein hatten.“, sagte der Vendar betont ruhig, denn er wollte und musste erreichen, dass sie sich wieder beruhigte. „Nein!“, schrie Sytania außer sich. „Der Grund sind meine beiden Nieten von Ehemännern, die schlechte Energie geliefert haben!“, meinte Sytania, die, wie es ihre Art war, mal wieder die Schuld bei anderen suchte. „Wer weiß? Vielleicht waren sie bei der Zeugung nicht ganz bei der Sache oder so. Aber dafür werde ich sie jetzt bestrafen, indem ich sie in ihr armseliges Dasein in den bajoranischen Feuerhöhlen zurückführe!“ Es gab zwei schwarze Blitze. „Ihr vergesst.“, begann Telzan, dass auch Ihr einen Teil …“ Er vermied es dann doch weiter zu sprechen. „Gut, dass du dich noch bremsen konntest.“, sagte Sytania. „Sonst wärst du der Nächste gewesen, der eine Strafe erhalten hätte!“

Plötzlich gab es einen weißen Blitz. Dann stand Logar vor ihnen. „Aber du hast die größte Strafe von allen erhalten, Tochter!“, sagte er fest. „All deine Pläne sind zunichte. Auch deine Gefangenen sind frei. Zur Stunde befinden sich die Zeonide und meine Schöpfung Elaria bereits auf der Station der Tindaraner.“ „Erwähne die Tindaraner nicht noch einmal!“, schrie Sytania zutiefst enttäuscht ihrem Vater entgegen. „Ich weiß, dass ich verloren habe. Das musst du mir nicht noch unter die Nase reiben, Vater. Aber du bist daran ja nicht ganz unschuldig, nicht wahr?“ „Ich habe aber nur eingegriffen, soweit ich das musste, Tochter.“, sagte Logar. „Die Sterblichen haben dich mal wieder fast allein besiegt. Mein Eingriff ist fast nicht erwähnenswert. Aber etwas tun musste ich. Du hättest das Gleichgewicht der Kräfte um ein Haar so stark verschoben, dass die Konsequenzen …“ „Verschone mich mit dem Gedanken an Konsequenzen!“, sagte Sytania. „Ich weiß.“, sagte Logar. „Darüber denkst du ja sowieso nicht gern nach.“ Er verschwand in einem weißen Blitz und ließ Sytania mit ihrer Schmach allein.

Elaria und Nayale hatten sich tatsächlich auf der tindaranischen Station wieder gefunden. „Hast du uns hierher gebracht?“, fragte die Zeonide. „Nein.“, entgegnete die Genesianerin. „Das war mein Schöpfer. Er hat mir nur gesagt, dass er es tun würde, damit ich es dir sagen konnte.“ „Ach das meintest du, als du sagtest, ich soll näher kommen und dass wir einen Ausflug machen würden.“, begriff Nayale.

Sie bogen um eine Ecke und wurden eines Schattens ansichtig, der Nayale einen ziemlichen Schrecken einjagte. „Ein Vendar!“, rief sie angsterfüllt aus. „Um Himmels Willen!“ „Du musst dich nicht vor mir fürchten, Nayale Radcliffe.“, sagte Joran tröstend, der sich mit Maron das Aufspüren der vermeintlichen Eindringlinge geteilt hatte, nachdem IDUSA den Alarm ausgelöst hatte. „Wie du an meiner Uniform sehen kannst, arbeite ich für Zirell El Tindara.“

Nayales Gesicht, das zunächst sehr stark verängstigte Züge angenommen hatte, entspannte sich gut sichtbar. „Ich dachte schon.“, sagte sie. „Dann musst du Joran sein. Weißt du, deine Volksgenossen, die für Sytania arbeiten, haben mir eine ziemliche Angst vor euch eingejagt.“ „Das tut mir leid.“, sagte Joran und strich ihr über den Kopf. „Würdet ihr zwei mir jetzt bitte zur Kommandozentrale folgen?“, fragte er höflich. Nayale und Elaria nickten und folgten ihm.

Zirell und Shimar, die dort ihren Dienst versahen, waren etwas erstaunt, als Joran mit den beiden Frauen die Kommandozentrale betrat. „Wer sind die Beiden, Joran?“, fragte die tindaranische Kommandantin. „Ich bin Elaria.“, stellte sich zuerst die forsche Genesianerin vor. „Das ist Nayale. Sie ist die Ehefrau von Professor Radcliffe. Ich denke, der wird froh sein, sie zu sehen.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Zirell. „Er wird sich wahrscheinlich im Gästequartier befinden, nachdem du, Shimar, und er ja längst von Ishan entlassen worden seid. Joran, führe Nayale bitte dort hin. Elaria, ich möchte dich bitten, eine Weile bei mir zu bleiben. Ich denke, wir sollten noch etwas besprechen, was deine Rolle in dem Ganzen hier angeht. Ach, die Granger und Ginalla sollten auch informiert werden. IDUSA, verbinde mich mit Ginalla und Kissara!“ Alle inklusive des Avatars der Station nickten Zirells befehle ab und führten sie aus.

Ich war, wie ich es mit Kissara abgesprochen hatte, nach Erledigung meines Dienstes zum Transporterraum gegangen, um Malcolm dort abzuholen. Freudestrahlend kam er mir entgegen und quietschte: „Tante Betsy! Alle haben gesagt, du wärst tot!“ Er schlang seine Arme um mich. „Wie du siehst, bin ich das nicht, Malcolm.“, sagte ich. Ich vermied es mit Absicht, näher auf die Geschehnisse einzugehen, denn ich befürchtete, dass dies seinen kindlichen Verstand bei Weitem überfordern würde.

„Der Kleine scheint ziemliche Angst zu haben, Allrounder.“, mischte sich Jannings von der Transporterkonsole aus ein. „Das kann ich mir denken, Techniker.“, sagte ich. „Wenn ich ein 6-jähriges Kind wäre und durchgemacht hätte, was er durchmachen musste, dann hätte ich die sicher auch.“ „Ja, Tante Betsy.“, sagte Malcolm. „Angst hatte ich. Aber jetzt habe ich keine mehr, weil der Onkel George mich von der fremden Station geholt hat. Dann hat er mir gesagt, dass du sicher gleich kommen würdest und da bist du ja. Jetzt, wo du da bist, habe ich sowieso keine Angst mehr.“ „Vorbildlich, Techniker!“, lobte ich in Jannings’ Richtung. „Danke, Madam.“, gab er zurück. „Aber ich glaube, das war reiner Zufall. Sonst bin ich im Trösten von Kindern nicht sehr gut.“ „Oh, das glaube ich nicht, Mr. Jannings.“, sagte ich. „Wir haben schließlich alle irgendwo unsere verborgenen Talente.“

Ich nahm Malcolm bei der Hand und führte ihn, der sich vertrauensvoll an mich schmiegte, in Richtung eines Turbolifts. „Wohin gehen wir, Tante Betsy?“, fragte er. „Wir gehen zur Tante Loridana.“, sagte ich. „Die wird dich untersuchen und mal gucken, ob das Monster, das in dir war, noch was da gelassen hat. Wenn ja, dann macht sie es weg und du bist wieder der gleiche kleine liebe Malcolm, der du sowieso immer schon warst.“ „So was hat der Onkel George auch schon zu mir gesagt.“, sagte Malcolm. „Na dann ist ja alles gut.“, sagte ich.

Wir stiegen in den Lift und ich gab als Fahrziel die Krankenstation an. „Kann ich dich noch was fragen, Tante Betsy?“, fragte Malcolm. „Sicher.“, sagte ich. „Die Tante Tchey und ich.“, begann er und ich war froh, dass er über ein unverfängliches Thema reden würde. Wenn Tchey im Spiel war, dann konnte es ja nur so etwas sein. Mit mir über was auch immer zu reden, würde ihn sicher von dem ablenken, was er erlebt hatte und das war sehr gut für seine kleine Seele. „Wir sind mit dem Shuttle, das so tut, als sei es Rescue One, zum Mars geflogen. Als wir zurück wollten, hat es so ausgesehen, als würden wir gegen den Planeten stoßen, aber ich habe nichts gemerkt.“ „Das machen die Leute so, die Computer von Schiffen bauen.“, sagte ich. „Weil sie nicht wollen, dass es ihren Computern zu heiß wird. Dann gehen die nämlich kaputt und dann sind die Leute ganz traurig.“, erklärte ich kindgerecht. „Wenn du einen Sandkuchen backst, willst du ja auch nicht, dass ihn jemand kaputt macht. Wenn sich das Schiff an der Atmosphäre reibt, wird es dem Computer nämlich ganz heiß. Deshalb lassen sie es aussehen, als würde man gegen den Planeten stoßen, damit man weiter weg fliegt. Reib mal ganz doll deine Hände an deiner Kleidung. Dann wirst du sehen, wie warm das wird.“

„Ui!“, machte Malcolm, nachdem er es ausprobiert hatte. „Du hast Recht, Tante Betsy!“ Ich lächelte und wir gingen weiter. Warum Tchey ihm das nicht von Anfang an auch so erklärt hatte, war mir längst klar. Sie hatte es wohl vermieden, weil sie, nach eigenen Angaben, nicht so gut im Erklären war und das wohl eher als meine Baustelle empfand.

Plötzlich fasste der Junge meine Hand fester. „Was ist los, Malcolm?“, fragte ich. „Kann die Tante Loridana wirklich alles wieder weg machen, was das Monster bei mir gemacht hat?“, fragte er. „Aber sicher doch.“, tröstete ich. „Es war nämlich ganz schlimm, als es in mir war. Es hat ganz böse Sachen mit meinem Körper gemacht und ich konnte nichts machen.“, sagte Malcolm und begann zu weinen. „Hast du mich denn trotzdem noch lieb, Tante Betsy?!“, fragte er verzweifelt. „Aber klar doch.“, sagte ich lächelnd und nahm ihn fest in den Arm. „Ich weiß ja, dass es das Monster war, das diese schlimmen Sachen gemacht hat und nicht du. Ich weiß, dass du ein ganz Lieber bist!“ Ich drückte ihm einen dicken Kuss auf die rechte Wange. „Wirst du bei mir bleiben, wenn die Tante Loridana mich untersucht?“, fragte Malcolm. „Sicher.“, versicherte ich. Dann betraten wir gemeinsam die Krankenstation.

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