- Schriftgröße +

 

Kissara war in ihrem Quartier mit einer Tätigkeit beschäftigt, die man eigentlich nur Hauskatzen auf der Erde zuschrieb. Aber für eine Thundarianerin war das Schärfen ihrer Krallen an einer Kratzmatte ein völlig normaler Vorgang. Da ihre Krallen, wie die von Katzen auch, bis zu einer bestimmten Stelle durchblutet und innerviert waren, würde sie sich mit einer menschlichen Nagelschere erheblich verletzen können. Aber diese Kratzmatte war ein besonderes Exemplar. In sie war ein Nährboden für Zellen eingebaut, auf dem im Labor der Krankenstation DNS-Proben von dem Fremden, dessen Zellmaterial sie an ihren Krallen hatte, gezüchtet werden sollten, um ihn gegebenenfalls identifizieren zu können. Kissara tat das sehr gründlich und mit Genuss! Nicht nur, da ihr die Pflege ihrer Krallen immer sehr wichtig war, sondern auch, weil sie ihrem ersten Offizier gern bei seinen Ermittlungen behilflich war. Wenn sie etwas tun konnte, um dem ausgebildeten Kriminalisten seine Tätigkeit zu erleichtern, warum sollte sie es dann nicht? Sie schnurrte dabei sogar so laut und mit seltsamen gurrenden Lauten dazwischen, dass alle Umstehenden, wenn es denn welche geben sollte, definitiv etwas davon mitbekommen würden, wie es ihr damit ging, ob sie denn nun wollten oder nicht. Für dieses Verhalten genierte sie sich kein bisschen! Warum auch? Sie war ja allein in ihrem Quartier und dort durfte auch ein Commander mal ihren Gefühlen freien Lauf lassen.

Sie replizierte eine Plastikfolie und hieß den Replikator dann, die Kratzmatte darin einzuschweißen, nachdem sie mit ihrem Verpacken fertig war. Noch einmal ließ sie ihren Blick darüber schweifen. „OK, Kissy. Das war klasse!“, sagte sie zu sich. „Wenn Mikel damit nichts anfangen kann, dann weiß ich es auch nicht. Wir wollen nur hoffen, dass die Kulturen schön wachsen.“

Die Sprechanlage piepte. Im Display las Kissara das Rufzeichen der Türsprechanlage ab. Sie konnte sich auch schon denken, wer draußen stand. „Kommen Sie rein, Mikel.“, sagte sie freundlich. „Ich bin gerade fertig geworden.“ „Sofort, Kissara.“, erwiderte die Stimme des blinden Agenten von draußen. Dann betrat er das Quartier seiner Vorgesetzten. Gleich an der Tür übergab ihm Kissara die eingepackte Kratzmatte. Mikel, der sie trotz der Folie als solche erkennen konnte, blieb einen Moment erstaunt stehen. Er kannte Kratzmatten durch mich, denn ich hatte in meiner Kindheit eine Katze und ihm schon viel darüber erzählt. „Haben Sie das wirklich so gemacht?“, fragte er. „Sicher, Agent.“, antwortete sie. „Wie denn sonst? Mit einer Nagelschere würde ich mich schwer verletzen können. Das wissen Sie doch.“ „Ich dachte nur.“, meinte der erste Offizier verschämt. „Sie wissen ja.“, sagte Kissara ruhig. „Andere Welten, andere Sitten.“ Geplättet steckte Mikel die Matte ein.

Dirshan und Telzan hatten Lycira mit ihrem Schiff nachgesetzt, die versucht hatte, ihnen in ein Gebiet mit starker EM-Strahlung zu entkommen, aber das gelang ihr leider nicht, denn ein anderes Veshel, dessen Besatzung ihren Plan durchschaut hatte, setzte zum Überholen an, um sich dann genau vor ihr mit feuernden Phasern quer zu setzen. Dies drängte sie in die Schussweite von Telzans Schiff zurück. Dirshan, der schon ein recht passabler Pilot war, versuchte alles, um an ihr zu bleiben. „So ist es recht, mein Junge!“, motivierte Telzan ihn. „Immer schön dran bleiben! Gleich haben wir sie!“ „Glaubst du wirklich, Anführer?“, fragte Dirshan ungläubig. „Ich finde, der Abstand bleibt immer gleich.“ „Das scheint dir nur so, weil dein Auge bereits an das Bild gewöhnt ist.“, erklärte der erfahrene Vendar-Krieger. „Aber das zeigt uns auch, dass es sich lange nicht verändert hat. Das wiederum bedeutet, dass wir nicht zurückgefallen sind.“ „Ich verstehe.“, sagte Dirshan. „Aber näher kommen wir ihr auch nicht.“ „Dann werden wir einen kleinen Sprung vollführen müssen.“, sagte Telzan. „Einen Sprung?“, fragte Dirshan neugierig. „Was meinst du damit, Anführer? Ich meine, wir können hier nicht auf Warp gehen. Es ist alles doch viel zu eng und dann würden wir sie sogar noch überholen.“ „Das stimmt schon.“, sagte Telzan und deutete auf den Schirm. „Aber wenn wir uns auf die Atmosphäre des Planeten dort zu bewegen und uns dann in ihre Richtung davon abprallen lassen, dürften wir erreichen, was wir erreichen wollen. So und nun ist dein räumliches Denken gefragt. Ich korrigiere dich natürlich, falls es nötig werden sollte.“ „Also gut, Anführer.“, sagte Dirshan, der jetzt seinen gesamten Mut zusammengenommen hatte. Ein solches Manöver hatte er noch nie geflogen.

Die Sprechanlage in Kissaras Quartier piepte erneut. „Manchmal habe ich das Gefühl, ich lebe auf einem Bahnhof.“, scherzte Kissara und nahm die Verbindung entgegen. Am Display konnte sie gut sehen, dass der Ruf von Ribanna gekommen war. „Was gibt es, Allrounder?“, fragte sie. „Wir empfangen einen Notruf, Commander.“, erklärte die Indianerin. „Es ist Allrounder Betsys Schiff. Lycira ist allein …“ „Nicht alles am SITCH, Ribanna.“, unterbrach Kissara sie. „Sie können dem Agent und mir einen vollständigen Bericht abliefern, wenn wir auf der Brücke sind. Wir sind unterwegs!“ Damit hängte sie das Mikrofon wieder ein und packte mit ihrer linken Hand die Linke von Mikel, um sie auf ihren rechten Arm zu legen. Der erste Offizier ließ dies arglos mit sich geschehen. Er vertraute ihr und wusste außerdem, dass er gegen ihre raubtierartigen Reflexe sowieso keine Chance gehabt hätte. Dann führte sie ihn im Laufschritt in Richtung eines Turbolifts, den beide bestiegen.

Lycira hatte das Näherkommen der Vendar-Schiffe durchaus registriert und wusste, dass, wenn sie nicht bald Hilfe bekäme, ihr letztes Stündlein geschlagen haben könnte. Sie fand es ungewöhnlich, dass die Vendar offensichtlich nur auf ihren Datenkern zielten, aber wenn sie bedachte, was für Informationen dieser enthielt, konnte man schon einmal auf so eine Idee kommen. Sie überlegte, ob es nicht besser war, sich zu ergeben, aber dann hätte sie sicher an irgendeinem vendarischen Traktorstrahl geendet und man hätte sie zu einer Werft geschleppt, um sie dort zu demontieren oder ihren Datenkern dort einer Strahlung auszusetzen, die alles löschen würde. Beide Alternativen waren ihr sehr unheimlich. Sie ahnte ja nicht, wie nah die Granger war.

Mikel und Kissara hatten die Brücke betreten und sich auf ihre Plätze begeben. „Bericht, Ribanna!“, forderte die thundarianische Kommandantin. „Wir haben einen Notruf von Lycira empfangen.“, wiederholte die Reservistin. „Sie ist allein und wird von mehreren feindlichen Vendar-Schiffen bedroht. Sie sagt, sie würden auf ihren Datenkern zielen.“ „Haben Sie den Notruf lokalisiert, Ribanna?“, fragte Kissara. Ribanna nickte. „Gut.“, sagte Kissara. „Dann setzen Sie Kurs. Wie weit ist sie entfernt?“ „Sie befindet sich ganz in der Nähe.“, antwortete die Angesprochene. „OK.“, sagte Kissara. „Dann ein voller Impuls! Und, Mr. Kang, feuern Sie auf jedes Veshel, das Ihnen vor die Waffen kommt. Ich will Sytanias Vendar ein für alle Mal zeigen, dass mit mir nicht gut Kirschen essen ist!“ „Aye, Ma’am!“, sagte der Klingone schmissig. Seine letzten Erfahrungen mit Sytania waren ihm noch gut in Erinnerung und er hatte schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, ihr das ehrlose Verhalten von damals mit Zinsen und Zinseszinsen heimzuzahlen.

Bald hatten sie den Punkt im Weltraum erreicht, an dem sich jenes Ereignis abspielte. „Also dann.“, sagte Kissara. „Stürzen wir uns ins Getümmel. Was machen die Schilde, Mr. Kang?“ „Die Schilde halten, Commander.“, meldete der Waffenoffizier ruhig. „Na dann.“, sagte Kissara. „Helfen wir Lycira ein wenig. Ribanna, rufen Sie sie und verbinden Sie mit mir!“ „Sofort, Commander.“, nickte die junge Pilotin und Kommunikationsoffizierin und führte den Befehl aus.

Ein Lämpchen an Kissaras Konsole sagte ihr, dass die Verbindung zustande gekommen war. „Lycira, hier ist Commander Kissara.“, sagte sie. „Wir werden dir helfen. Es könnte sein, dass wir ungewöhnliche Dinge von dir verlangen. Bitte tu sie dann einfach. Unter Umständen bleibt für Erklärungen keine Zeit.“ „OK, Commander Kissara.“, sagte mein Schiff.

Mikel hatte seinem Hilfsmittel befohlen, ihm die Treffer, die Kang inzwischen bei den Vendar gelandet hatte, anzusagen. Der erste Offizier ging zu Recht davon aus, dass sie wohl nicht damit rechnen würden, dass ein Sternenflottenschiff im Vorbeiflug einfach so auf sie feuern würde. Er erfuhr so, dass Kang die Armee der Feinde bereits um einiges reduziert und ihre Reihen so schon ziemlich gelichtet hatte, indem er die feindlichen Schiffe manövrierunfähig geschossen und sie somit zum Rückzug im Schlepp anderer Schiffe gezwungen hatte. „Nur weiter so, Mr. Kang. Sie machen heute sicher nicht nur dem klingonischen Reich alle Ehre!“, flüsterte er dem Strategen an der Waffenkonsole zu. „Danke für die motivierenden Worte, Agent.“, sagte Kang. „Aber ohne Ribanna, die uns jedes Mal passend hinbringt, würde ich das sicher auch nicht hinbekommen. Hoffen wir nur, dass ich die Vendar noch eine Weile so überraschen kann.“

Plötzlich schien sich das Kriegsglück zu wenden. Telzan hatte gesehen, was die Granger im Schilde führte und musste seine Leute entsprechend instruiert haben. Jedenfalls drehten einige Schiffe plötzlich ab und wandten sich ihr zu. Dann feuerten sie aus allen Rohren. „Offensichtlich haben wir uns zu früh gefreut.“, stellte Kissara fest, die aus dem Maschinenraum und von der Krankenstation die ersten Berichte über Schäden und Verluste bekommen hatte. „Ich bitte um Erlaubnis, frei zu sprechen, Commander.“, sagte Ribanna. „Reden Sie ruhig, wenn Sie etwas beizutragen haben, Allrounder.“, motivierte Kissara sie. „Ich habe im Laufe meiner praktischen Erfahrung gelernt, dass für Förmlichkeiten im Leben oft kein Platz ist.“ „Ich denke, dass Sytanias Vendar mittlerweile auch gelernt haben, dass Sie zwar manchmal ungewöhnliche Strategien anwenden, aber dass sie sich auch langsam dem Kissara-Faktor angepasst haben.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte Kissara. „Ich bin also offen für Vorschläge, Ladies und Gentlemen!“

Ein solcher Vorschlag nahm in Elektras positronischem Gehirn bereits Formen an. Die Androidin wusste, dass die Rechner von Vendar-Schiffen auf eine bestimmte Art von EM-Strahlung sehr empfindlich reagierten. Zwar waren ihre Datenkerne in den Hüllen der Schiffe selbst gut abgeschirmt, aber wenn die Strahlung über die Sensoren aufgenommen würde, dann könnten sie sich nicht wehren und würden reihenweise Fehlfunktionen erleiden, die bis zum vollständigen Ausfall der Schiffssysteme führen könnten. Der Deflektor wäre ihren Berechnungen nach definitiv in der Lage, diese Strahlung zu produzieren. Sofort teilte sie dies ihrem Vorgesetzten mit. „Gute Idee, Elektra!“, lobte Jannings, aber er kam ihr dabei recht gleichgültig, fast antriebslos, vor. Elektra konnte sich keinen Reim darauf machen. Auch irritierte sie der Umstand, dass ihr Vorgesetzter ihr jetzt alle Verantwortung für das Vorhaben übertrug. „Erörtern Sie das mit der Brücke, Assistant.“, sagte Jannings. „Ich werde mich in mein Quartier begeben und mich hinlegen. Sie haben den Maschinenraum!“ Damit verließ er seinen Arbeitsraum.

Die technische Assistentin blieb leicht verwirrt zurück, ein Zustand, der für eine Androidin wohl noch unangenehmer sein durfte, als für einen von uns. Sie hatte ihren Vorgesetzten noch nie so erlebt! Wenn dieses Verhalten andauerte, würde sie es melden müssen. Aus ihrer Datenbank ging hervor, dass sich ein solches Verhalten bei Leuten manifestiert hatte, die der Abspaltung ihrer negativen Seite zum Opfer gefallen waren. Das war auch genau das, was sie auf Khitomer beobachtet hatte. Sie würde Jannings also weiter beobachten und bei passender Gelegenheit, wenn sich ihr Verdacht erhärtet hatte, mit Agent Mikel darüber sprechen. Jetzt aber hatte etwas weitaus Wichtigeres Vorrang.

Durch Dirshans Flugmanöver war es Telzan tatsächlich gelungen, einen gefährlichen Treffer in Lyciras Antrieb anzubringen, der sie gezwungen hatte, den Impulsantrieb zu deaktivieren und auf Manövriertriebwerke umzuschalten. Jetzt schleppte sie sich mehr oder minder langsam voran. „Sollten wir sie nicht langsam in Ruhe lassen, Anführer?“, fragte der Novize. „Hast du etwa Mitleid?!“, fragte Telzan empört zurück. „Nein.“, antwortete Dirshan nicht ganz wahrheitsgemäß. Insgeheim hatte er schon immer Mitleid mit den Opfern von Sytania gehabt, es aber niemals zugegeben. Seine Eltern dienten ihr schon sehr lange und sein Vater hatte ihm immer wieder eingetrichtert, was er für eine Schande über seine Familie bringen würde, wenn er die Handlungsweise ihrer gemeinsamen Herrin nur andeutungsweise schlecht heißen würde. Außerdem hatte er zu viel Respekt vor seinem Ausbilder, um die Wahrheit offen zu legen. „Wenn du kein Mitleid hast.“, sagte Telzan. „Dann musst du mir schon einen ziemlich guten Grund liefern, sie in Frieden zu lassen.“

Dirshan dachte lange nach, aber ihm wollte auf Teufel komm heraus nichts einfallen. Schließlich sah er Telzan nur resignierend an. „Also.“, sagte dieser. „Da du keinen Grund vorgebracht hast, der mich überzeugt hätte, setzen wir den Angriff fort!“

Elektra hatte ihr Haftmodul aus der Tasche ihrer Uniform geholt und sich mit seiner Hilfe direkt mit dem Schiffsrechner verbunden, dem sie das Rufzeichen der Brückensprechanlage und das Unterrufzeichen von Kissaras Arbeitskonsole eingegeben hatte. „Hier Kissara.“, meldete sich die thundarianische Kommandantin. „Hier ist Technical Assistant Elektra, Ma’am.“, erwiderte die Androidin vorschriftgemäß. „Ich denke, dass ich einen Weg finde, die Angriffe auf Lycira zu stoppen, ohne dass wir unsere Waffen einsetzen müssen. Mit dem Einsatz von Phasern und Photonentorpedos rechnen unsere Feinde und werden sich entsprechend verhalten. Sie werden so lange mit uns Katz’ und Maus spielen, bis Kang sein gesamtes Arsenal verschossen hat und damit ist für Lycira gar nichts gewonnen. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass die Rechner von Vendar-Schiffen sehr empfindlich auf die Strahlung von Klasse-F-Pulsaren reagieren, wie sie in der Region um das demetanische Sonnensystem zu finden sind.“

Mikel, der direkt neben Kissara saß, nahm das Mikrofon an sich und antwortete: „An sich eine gute Idee, Elektra. Aber Sie übersehen dabei, dass wir uns Lichtjahre weit vom demetanischen Sonnensystem entfernt befinden und wir nicht so einfach die Möglichkeit haben, das Kampfgebiet dorthin zu verlegen. Lycira kann laut unseren Anzeigen nur mit Manövriertriebwerken fliegen und die Vendar verhindern im Moment jede Annährung auf Traktorstrahlreichweite. Außerdem werden sie uns garantiert nicht den Gefallen tun, uns in ein Gebiet zu folgen, wo es für sie so gefährlich ist. Wie wollen Sie also einen Klasse-F-Pulsar dazu kriegen, uns zu Willen zu sein?“ „Das liegt gewiss nicht in meiner Absicht, Sir.“, antwortete die technische Assistentin lächelnd. Sie war von Agent Mikel eigentlich eine höhere Intelligenzleistung gewohnt und hoffte, dass er nicht demselben Phänomen wie ihr eigener Vorgesetzter zum Opfer gefallen war. Wenn sie sich genau erinnerte, dann hatte sie nicht gesehen, was mit Mikel passiert war. Jannings’ so genannte Reinwaschung hatte sie aber genau beobachten können. Bevor sie nun auch noch den ersten Offizier dessen beschuldigte, was offensichtlich mit dem Chefingenieur geschehen war, wollte sie lieber noch genauere Beweise sammeln, was auch in der Natur der Androidin lag. „Was zur Hölle liegt dann in Ihrer Absicht, Technical Assistant?!“, stieß Mikel unwirsch hervor. Dabei war er eher über sein eigenes Verhalten, als über das Ihre verärgert. Er hatte seine eigenen Gedankengänge auch noch nie so zähflüssig erlebt. Irgendetwas schien auch mit ihm nicht zu stimmen. Das wurde ihm wohl gerade schmerzlich bewusst, aber er wurde schon wieder durch Elektras Erklärung abgelenkt. „Wenn wir nicht zu einem Klasse-F-Pulsar kommen können.“, führte sie ungeachtet seiner strengen Antwort aus. „Und wir auch nicht in der Lage sind, einen hier her zu bringen, dann muss ich uns wohl einen bauen.“

Ein Signal an Kangs Konsole meldete diesem, dass es einen Zugriff auf den Rechner gegeben hatte, der den Deflektor kontrollierte. „Commander.“, wendete sich der Klingone an seine thundarianische Vorgesetzte. „Offensichtlich programmiert sie gerade den Deflektor vom Maschinenraum aus um. Sie will ihn wohl dazu bringen, das Strahlungsmuster eines Klasse-F-Pulsars zu emittieren.“ „Denken Sie wirklich, dass uns das helfen wird?“, fragte Kissara, der angesichts der Situation langsam die Optionen ausgegangen waren. „Dazu kann ich nichts sagen, Kissara.“, sagte Mikel, der sich offensichtlich direkt angesprochen fühlte. „Ich bin kein Ingenieur. Aber Elektra ist technische Assistentin. Außerdem ist sie Androidin und als eine Solche mit Technologie vertrauter, als es jeder von uns je sein wird. Wie ich das sehe, stehen wir vor der Wahl, uns allein gegen mindestens … Kang, wie viele Vendar sind da draußen?“ „Ich zähle immer noch mindestens 30 Schiffe, Sir.“, beantwortete der klingonische Stratege die Frage des terranischen ersten Offiziers. „Also.“, fuhr Mikel fort, der wohl beabsichtigte, seine Schlappe von vorhin wieder wett zu machen und jetzt mit einer flammenden Rede zu brillieren, um Kissara, die sein Verhalten auch schwer verwundert hatte, wieder gnädig zu stimmen. „Wir haben entweder die Wahl, gegen 30 Vendar-Schiffe einen aussichtslosen Kampf zu kämpfen, oder Elektra zu vertrauen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich wähle das Vertrauen!“

Kissara war irritiert. Eine so flammende Rede war sie von Mikel nicht gewohnt. Sie fragte sich, was der Grund sein konnte, aus dem sich ihr erster Offizier jetzt so merkwürdig verhielt. Wollte er etwa etwas kompensieren? War es, weil er sich vorher so dumm angestellt hatte und das jetzt offensichtlich bereute? Aber selbst wenn, dann konnte das ja jedem wohl schließlich einmal passieren und war in ihren Augen noch lange kein Grund, sein Verhalten von jetzt auf gleich um 180 Grad zu ändern, nur um ihr vielleicht gefällig zu sein. Dass so etwas unter Umständen nötig sein konnte, hatte Kissara wohl schon einmal auf den Schiffen von Weltraumpiraten beobachtet, aber auf einem Sternenflottenschiff, insbesondere auf einem, das unter ihrem Kommando stand, war auch mal Zeit für kleine Pannen. Schließlich waren alle, vielleicht mit Ausnahme von Elektra, keine Maschinen, sondern biologische Lebensformen, denen so etwas eben ab und zu passieren konnte. Aber selbst Elektra galt ja rechtlich als Lebensform und hatte somit auch das Recht, auch mal einen Fehler zu machen, wenn es denn mal passieren würde.

Die Thundarianerin hatte gemerkt, dass sie mit ihren Gedanken abgewichen war und das gerade jetzt, wo eine so wichtige Entscheidung von ihr verlangt wurde. Die Frage nach dem Grund für die flammende Rede ihres ersten Offiziers, die sie eher an die Rede eines Politikers erinnerte, konnte sie wohl auch noch später mit ihm klären, wenn diese kitzelige Situation vorbei war und sie Lycira nach Möglichkeit in einem Stück gerettet hatten. „Also gut.“, entschied sie. „Lassen wir Elektra machen. Mr. Kang, sobald Sie von ihr das Signal bekommen, aktivieren sie unseren kleinen Pulsar!“ „Aye, Commander!“, erwiderte der Klingone an der Waffenkonsole zackig und wandte sein rechtes Ohr sofort in Richtung Lautsprecher, um gleich auf auch nur das kleinste Signal achten zu können. „Wir sollten außerdem noch ihre Aufmerksamkeit auf uns lenken, damit ihre Sensoren die Strahlung überhaupt aufnehmen. Ribanna, lassen Sie das Schiff einige merkwürdige Manöver ausführen. Denken Sie sich was aus.“ „Ja, Commander.“, nickte Ribanna. Dann ließ sie das Schiff absinken, wonach sie es sofort wieder hoch zog und andere ähnliche Merkwürdigkeiten, die sich die Vendar nicht erklären konnten, die sie aber gerade deshalb um so genauer beobachten wollten. „Aber wir sollten auch noch etwas tun, was die Vendar aufs Tiefste demoralisieren wird.“, sagte Kissara. „Ohne Kopf kann die Schlange nicht kriechen. Ribanna, bringen Sie uns in die Nähe des Führungsschiffes.“ Die Flugoffizierin nickte und führte den Befehl aus, während Kang noch einige Vendar-Schiffe unter Feuer nahm, um die Absicht der Granger zu verschleiern. Dann hörte man das Piepen der Waffenkonsole und Kang meldete: „Es ist Zeit!“ „Na dann!“, erwiderte Kissara und Kang, der sie durchaus verstanden hatte, aktivierte Elektras Profil, das sie in den Deflektor geladen hatte.

Nervös tippte Dirshan auf den Tasten seiner Konsole herum. „Was machst du da?!“, fragte Telzan streng, dem dies nicht verborgen geblieben war. „Fehlermeldungen, Anführer!“, erwiderte der Novize verzweifelt. „Es läuft kein System mehr störungsfrei!“ In diesem Augenblick fiel der Antrieb aus. „Siehst du?“, fragte Dirshan. „Kelbesh!“, fluchte Telzan, der sich das gerade Gesehene eben so wenig erklären konnte wie sein Schüler. „Sende einen Sammelruf an die anderen und frag nach, ob es ihnen genau so geht!“, spielte Telzan Entschlossenheit vor. Die Situation hatte ihn nämlich auch sehr verwirrt. „Wenn ich das Sprechgerät dazu überredet bekomme.“, sagte Dirshan mutlos und versuchte, das immer wieder auf seine Fehlfunktion aufmerksam machende Kommunikationssystem entsprechend zu programmieren.

„Die Vendar-Schiffe sind kampfunfähig, Commander.“, meldete Kang. „Sehr gut!“, lobte Kissara. Dann wandte sie sich Ribanna zu: „Allrounder, signalisieren Sie Lycira, nach Andockbucht vier zu fliegen. Jannings soll sich um sie kümmern und dann, Mikel, werden Sie wohl mal wieder ein Raumschiff vernehmen müssen. Die Vendar haben ja nicht umsonst hauptsächlich auf ihren Datenkern gezielt. Ich bin sicher, sie weiß irgendwas, von dem Sytania auf keinen Fall will, dass es in unsere Hände gerät.“ Mikel und Ribanna nickten und taten, was sie ihnen aufgetragen hatte.

„Lycira ist an Bord.“, meldete Ribanna einige Minuten später. „Na schön.“, entgegnete Kissara. „Dann rufen Sie jetzt das Führungsschiff der Vendar und verbinden auf meinen Platz!“ Ribanna lächelte und führte ihren Befehl aus.

Aufgrund der technischen Störungen dauerte es etwas, bis die Verbindung zustande kam, aber dann sah Kissara auf ihrem Schirm das völlig verzweifelte Gesicht von Telzan. „Kissara El Thundara!“, sagte der Vendar mürrisch. „Ich hätte mir denken können, dass du dahinter steckst!“ „Und ich habe mir gedacht, dass niemand anderes als Telzan so feige sein kann, mit einer Übermacht auf ein wehrloses Schiff Jagd zu machen!“, entgegnete Kissara mit einem Grollen in der Stimme. „Aber das ist etwas, das ich nicht zulassen werde!“ „Aber warum hast du nicht zuerst mit mir geredet?!“, versuchte Telzan schmeichlerisch, ihre Wut abzumildern und ihr ein schlechtes Gewissen gegenüber den Grundsätzen der Sternenflotte zu machen. „Ich meine, sonst müsst ihr doch auch immer zuerst den diplomatischen Weg gehen.“ „Dein Vorhaben war offensichtlich!“, sagte Kissara in dem gleichen wütenden Ton, aber in korrekter vendarischer Anredeweise. „War das jetzt genug Diplomatie? Ich lasse mich nicht für dumm verkaufen! Von Sytanias Schergen schon gar nicht! Wir werden uns jetzt wieder auf den Weg machen. Sobald wir fort sind, werden eure Schiffe auf gar magische Weise wieder funktionieren. Lasst euch aber ja nicht einfallen, uns zu folgen. Wir sind jederzeit in der Lage, diesen kleinen Trick zu wiederholen! Ribanna, Kurs Richtung 817, Warp sechs, aktivieren!“ Die Granger verschwand in einem Blitz.

Verwirrt waren die Vendar zurückgeblieben. „Denkst du, dass stimmt, was sie gesagt hat, Anführer?“, wendete sich Dirshan ängstlich an seinen Ausbilder. „Lass es uns ausprobieren.“, sagte dieser. „Aber du solltest die Systeme unseres Schiffes vorsichtshalber neu starten.“

Dirshan tat, was Telzan ihm aufgetragen hatte. „Es scheint, als hätte sie uns in diesem Punkt nicht belogen.“, sagte er dann, als er sah, dass die Systeme jetzt kein Piepen und keine Fehlermeldungen mehr ausstießen. „Warum sollte sie auch?“, sagte Telzan. „Es wäre gegen ihren Kodex. So. Und nun sag den anderen, sie sollen das Gleiche mit ihren Schiffen tun. Dann fliegen wir heim! Ich weiß zwar noch nicht, wie ich Sytania unsere Niederlage beibringen soll, aber ich hoffe, bis wir wieder im Dunklen Imperium sind, wird mir etwas eingefallen sein.“ „Gut, Anführer.“, nickte der Novize und tat, was Telzan ihm gerade gesagt hatte.

Shimar hatte tief und fest geschlafen. Allerdings hatte er dabei den Neurokoppler nicht abgenommen, was seinem Schiff ermöglicht hatte, seinen Schlaf und seine gesamten Körperfunktionen zu überwachen. „Sie scheinen die Sache doch sehr gut weggesteckt zu haben, Shimar.“, stellte IDUSA fest. „Wie man’s nimmt, IDUSA.“, erwiderte der junge Tindaraner. „Ich kann mir immer noch keinen Reim auf das machen, was ich da gespürt habe.“ „Wir werden mit Sicherheit früher oder später eine Lösung für dieses kleine Puzzle finden.“, tröstete der Avatar. „Aber wie es aussieht, fehlen uns bis jetzt dazu entscheidende Daten. Aus Erfahrung weiß ich jedoch, dass wir diese früher oder später aquirieren werden.“ „Du magst Recht haben, IDUSA.“, sagte Shimar, legte den Neurokoppler ab und stand vom Sitz auf, um sich fest und lange zu strecken.

„So gut wie heute habe ich lange nicht mehr geschlafen, IDUSA.“, sagte er, nachdem er sich wieder gesetzt und den Koppler aufgesetzt hatte. „Das ist kein Wunder.“, begann das Schiff ein Geständnis. „Schließlich habe ich Sie mit Alphawellen bestrahlt. Ihre medizinischen Werte wiesen darauf hin, dass Sie in einer Art Schockerlebnis waren. Ich dachte mir, dass Schlaf für Sie die beste Medizin sei. Ishan würde das sicher auch bestätigen.“ „Da wäre er sicher nicht der Einzige.“, sagte Shimar und holte tief und genießerisch Luft. „Ich denke sogar, dass ich bis Terra übernehmen kann.“ „Also gut.“, sagte das Schiff und zeigte ihm die Steuerkonsole.

Nicht nur Shimar, auch ich, hatte wunderbar geschlafen! Jedenfalls fühlte ich mich sehr erfrischt, als ich immer noch in dem Bett in D/4’s Gästezimmer erwachte. „Guten Morgen.“, sagte eine nüchterne Stimme neben mir. Sofort hatte mein geschultes Gehör registriert, von wo die Ansprache gekommen war und wer mich begrüßt hatte. Außerdem hatte ich entdeckt, dass ich eine Tropfkonsole trug. „Guten Morgen, D/4.“, sagte ich. „Wie lange habe ich geschlafen?“ „Sie schliefen drei Tage und 12 Stunden.“, antwortete die Sonde. „Was?!“, fragte ich erstaunt. „Aber warum …?“ „Ich habe Ihnen das Medikament, welches ich angekündigt habe, besorgt und injiziert.“, sagte sie. „Alles klar.“, antwortete ich und setzte mich auf. „Bin ich denn jetzt wieder gesund?“ „Um dies zu beurteilen.“, setzte sie an. „Werde ich Ihren Zustand noch eine Weile beobachten müssen. Aber dann werde ich bald mehr sagen können. Agent Sedrin Taleris-Huxley wird übrigens Ihre Aussage aufnehmen, sobald ich sie verständigt habe. Sie war vor zwei Tagen schon mal zu diesem Zweck hier, aber dann musste ich ihr sagen, dass Ihr Zustand keine Aussage zulässt.“ „Wie auch.“, sagte ich. „Da habe ich tief und fest gepennt.“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde, der meine oft etwas saloppe Ausdrucksweise sehr gut bekannt war.

Sie zog meinen rechten Arm zu sich heran, um mich von der Tropfkonsole zu befreien. „Die brauche ich jetzt wohl nicht mehr.“, setzte ich voraus. „Ihre Annnahme ist korrekt.“, meinte sie. „Wenn Sie wollen, können Sie unter meiner Aufsicht sogar aufstehen. Ich halte Ihre körperliche Verfassung für entsprechend geeignet.“ „Danke.“, sagte ich und stellte mich vor das Bett.

Sie griff meine linke Hand und legte sie auf ihren rechten Arm. Dann sagte sie: „Folgen Sie mir. Wir sollten zunächst einige Runden hier im Zimmer auf und ab gehen, damit Ihr Kreislauf sich wieder langsam an die Situation gewöhnt. Aber jetzt können Sie mir doch auch sicher beantworten, wie ich einer Protoeinheit erklären soll, wie wir Xylianer uns fortpflanzen. Deshalb habe ich Ihnen nämlich schon eine SITCH-Mail geschickt. Darin sind auch die Kontaktdaten der Protoeinheit enthalten.“ „Was?“, grinste ich. „Aber gut, D/4. Ich denke, das wird mich auch von meinem Schock ablenken. Vielleicht genese ich dann sogar noch schneller. Also, lassen Sie uns jetzt diese Kontaktdaten benutzen! Ablenkung ist in meinem Fall sicher gleichzeitig effektiv und effizient, he? Aber trotzdem würde mich interessieren, warum Sie so etwas Intimes mit einem Kind diskutieren.“ „Ich werde Ihnen alles auf dem Weg zum Sprechgerät erklären.“, entgegnete die Sonde und verließ mit mir das Zimmer in Richtung der guten Stube, wo das Sprechgerät zu finden war.

Nitprin war es tatsächlich gelungen, eine primitive Signalbarke aus den Teilen zu bauen, die sie aus den Geräten retten konnte, die sie über das ganze Gebiet um die Ausgrabungsstätte herum gefunden hatte. Diese Barke hatte nun ein kleines Schiff angelockt, dessen Atmosphärentriebwerke sie jetzt immer näher kommen hörte. „Jetzt kommen sie endlich und retten mich.“, flüsterte sie, die mittlerweile schon sehr schwach war. Sie hatte sich auf dem Wüstenplanetoiden ja nur von den dort spärlich wachsenden Pflanzen, die eher faserige Flechten waren und einigen merkwürdigen Tieren, die sie aus dem Boden gegraben hatte, ernähren können. Der Gedanke, ein Tier zu töten, auch wenn es nur ein Lurch oder eine Kröte war, gefiel ihr gar nicht. Sie fand dieses Vorhaben eher ekelhaft, aber es war für ihr eigenes Überleben notwendig. Das wusste die junge Breen. Außerdem war sie die einzige Zeugin für das, was mit Radcliffe geschehen war. Sie musste es ja irgendwem sagen können und das ging nicht mehr, wenn sie tot war.

Sie sah den großen Schatten des Shuttles langsam immer weiter sinken. Die Form des Schiffes konnte sie nicht einordnen. Ein solches Schiff, das sie irgendwie in seiner Bauweise an ein Rad erinnerte, hatte sie noch nie gesehen. Es war eindeutig nicht Breen. Aber das war ihr im Moment auch egal.

Sie stand aus ihrer kauernden Haltung auf und wollte sich schon in Richtung des Schiffes begeben, das inzwischen gelandet war, als sie der merkwürdigen Besatzung ansichtig wurde.

Am Schiff hatte sich eine Luke geöffnet und zwei Gestalten waren herausgetreten. Die Gestalten erinnerten in ihrem Aussehen etwas an riesige terranische Frösche, aber sie waren viel größer und ihre Körper waren mit Panzern bedeckt, wie Nitprin sie aus Erzählungen von terranischen Schildkröten kannte. Ihre Haut, sofern man sie unter den schildpattfarbenen Panzern sehen konnte, war grün und ihre Augen glupschten aus ihren Gesichtern hervor. Außerdem hatten beide auf dem Kopf eine Art Hautmanschette, die wie ein Trichter oder Füllhorn aussah.

Die Wesen, die Nitprin auf keinen Fall identifizieren konnte, näherten sich ihr langsam. Sie aber hoffte, dass sie nicht gesehen worden war. Diesen Leuten zu begegnen, war ihr unheimlich! Sie suchte sich deshalb schnell ein Versteck und beobachtete sie von dort aus weiter, wie sie sich auf die Ausgrabungsstätte zu bewegten und den Gegenstand genauer betrachteten, der in dem Loch lag. Um so besser., dachte die kleine Breen. Wenn sie das Ding im Visier haben, dann lassen sie mich zumindest in Ruhe. Wo bist du nur, Betsy? Du als Sternenflottenoffizierin könntest mir das hier doch sicher erklären.

Eines der Wesen beugte sich jetzt tiefer in das Loch. Dann sprach es wohl offensichtlich mit seiner etwas quakend klingenden Stimme zu dem anderen Wesen: „Was immer das auch ist, Dianora, wir sollten es mitnehmen. Vielleicht finden wir ja jemanden, der darum mit uns spielt.“ „Du hast Recht, Lenn.“, sagte das andere Wesen, dessen Stimme sich eindeutig in der Höhe von der des Vorredners unterschied. Offensichtlich war es weiblich, während das andere männlich war. „Eine gute Partie Quisar hat mich noch immer sehr erfreut.“ „Aber wir sollten vorher mal nachsehen, ob hier nicht jemand ist, der eventuell Ansprüche erheben könnte. Unsere gesellschaftlichen Regeln basieren zwar auf dem Glücksspiel, aber heute ist mir nicht danach, ein Risiko einzugehen.“, sagte der Mann. „Ich dachte, du wärst ein größerer Draufgänger.“, sagte die Frau und klang dabei etwas enttäuscht. Dann hob sie ihre froschartige rechte Vorderpfote und zeigte damit auf den Hauttrichter auf seinem Kopf. „Ich dachte, bei dem Füllhorn bist du etwas mutiger. Jedenfalls hast du auf mich deshalb viel attraktiver gewirkt, als du dich jetzt zeigst. Wir sollten einfach unserem Glück vertrauen. Das hat uns bisher noch nie im Stich gelassen. Aber wenn du Angst hast, kannst du ja gern noch mal nachsehen, während ich die Transportverstärker aufbaue. Wie kommst du eigentlich auf so was?“ „Jemand muss ja diese Signalbarke gebaut haben, Dianora.“, rief der Mann ihr die Art und Weise in Erinnerung, wie sie auf den Planetoiden aufmerksam geworden waren. „Wenn das so ist.“, sagte die Frau. „Dann ist derjenige eindeutig nicht mehr hier. Die Barke habe ich übrigens gesehen. Sie sieht aus, als hätte ein Schulkind sie gebaut. Die Person ist entweder längst tot oder längst weg. Vertrau mir. Ich habe ein Näschen für so etwas. Wir hatten ein wahnsinniges Glück, dass wir dieses kristallene Ding gefunden haben. Es scheint auch etwas Geheimnisvolles auszustrahlen. Es wird sicher genug Leute in der Galaxie geben, die mit uns um es spielen würden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass so mancher Ferengi zum Beispiel es gern in seinem Wohnzimmer hätte.“ „Na ja.“, gab der Mann zu. „Es sieht ja wirklich ziemlich glänzend und protzig aus mit seinen merkwürdigen Zeichen und überhaupt mit seiner gesamten Form. Wenn wir uns jetzt noch eine passende Geschichte dazu überlegen, dann wird es vielleicht noch attraktiver.“ „So will ich dich hören!“, sagte die Frau begeistert und hüpfte in die Luft. Dies bereute sie aber gleich wieder, denn die Hitze machte ihr doch sehr zu schaffen. „Puh!“, machte sie. „Wir sollten machen, dass wir hier wegkommen. Sonst trocknen wir noch beide aus!“ „Wie du wünschst.“, sagte der Mann und zog ein Sprechgerät aus der Tasche seiner merkwürdig juteartig wirkenden Uniform. Dann gab er einige Befehle ein, worauf die Beiden in zwei durchsichtiger werdenden Säulen verschwanden.

In ihrem Versteck unter einem Felsvorsprung hatte sich Nitprin fest auf den sandigen heißen Boden gepresst. Es war ihr egal, dass er heiß war. Es war ihr auch egal, dass ihr defekter Kälteanzug ihr keinen Schutz mehr bot. Sie wollte nur nicht gesehen werden. Immer höher kroch die Hitze in ihr. Gleich bin ich durch gebacken wie ein Brot., dachte sie. In diesem Moment erklang das für sie wie eine Erlösung wirkende Geräusch des Antriebs des fremden Schiffes. Sie waren fort.

Vorsichtig stand sie auf und schlich zum Ort des Geschehens. Sie hoffte sehr, noch Spuren der Fremden zu finden, die sie den richtigen Leuten zeigen konnte, falls sie doch noch Aussicht hatte, gerettet zu werden. Ihre Angst, die sie immer noch in ihrem Klammergriff hielt, war so schlimm geworden, dass sich Nitprin nichts sehnlicher wünschte, als endlich von jemandem gefunden zu werden. Und wenn es ein genesianisches Kriegsschiff war! Das war ihr auch recht. Hauptsache, sie konnte endlich mit jemandem reden. Die Fremden sahen nicht sehr Vertrauen erweckend aus. Aber ein Gutes hatte die Sache doch. Sie hatten sie von einem weiteren Angstfaktor befreit! Der Gegenstand war weg. Sie mussten ihn mitgenommen haben. Worüber immer sie auch geredet hatten, jetzt hatten sie ihn am Hals. Darüber war Nitprin insgeheim sehr froh. Die größeren Zusammenhänge konnte sie in ihrem jungen Alter ja noch nicht begreifen.

Sie beschloss, nach ihrer Barke zu sehen. In regelmäßigen Abständen musste sie die Energiezellen wechseln, zumindest noch so lange, wie sie noch welche hatte, denn die dazu nötigen Geräte hatte sie schon fast alle ihrer Zellen beraubt. Ohnehin war ihr Vorrat an intakter Technologie aus bekannten Gründen eher spärlich. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass die Barke unangetastet geblieben war. „Für die haben sie sich nicht interessiert.“, flüsterte sie. „Aber sie haben diesen hinterlistigen Kegel. Es ist mir egal, was sie damit wollen. Soll das Ding doch mit ihnen zur Hölle fahren!“

Sie empfand plötzlich eine ungeheure Wut! Den nächst besten Stein, den sie finden und heben konnte, warf sie mit einem lauten Schrei in das Loch. Rein sachlich betrachtet hatte dies zwar nichts an der Situation geändert, aber sie fühlte sich sehr viel besser. Etwas in den Schlund zu werfen, aus dem das Übel entstiegen war, machte zumindest ihre Psyche etwas leichter.

Sie drehte sich um und ging in ihr doch verhältnismäßig kühles Versteck zurück. Hier, das ahnte sie, würde sie bestimmt noch einige Nächte verbringen müssen, bevor wirklich Rettung nahte.

Telzan und seine Leute waren zu Sytania zurückgekehrt und hatten ihr gestanden, was sie für eine Schlappe hatten hinnehmen müssen. „Sag das noch mal, Telzan!“, empörte sich die Prinzessin. „Eure Schiffe wurden von was lahm gelegt?!“ „Da muss plötzlich ein Klasse-F-Pulsar gewesen sein, Milady.“, sagte Telzan. „Jedenfalls haben unsere Systeme das noch gemeldet, bevor sie zusammenbrachen. Ich denke, dass vielleicht Euer Vater …“ „Mein Vater!“, lachte Sytania. „Mein Vater weiß von dieser Sache hier rein gar nichts! Außerdem würde er sich in die Hose machen, wenn er den Lauf der Sterne im Universum so stark verändern würde. Er hat da mehr Skrupel als ich. Ihm sind die Sterblichen ja so kostbar und wichtig! Mich hingegen kümmert es einen feuchten Scheißdreck, wenn ein paar dabei draufgehen. Oder sorgst du dich etwa um den Dreck unter deinen Schuhsohlen?“ „Nein, Gebieterin.“, sagte Telzan, den ihre Worte langsam erkennen ließen, dass er wohl hereingelegt worden war. „Aber wer, wenn nicht Logar, sollte …“, fragte er mit blassem Gesicht. „Na wer wohl?!“, fragte Sytania keifend. „Ist dir schon einmal in den Sinn gekommen, dass Kissara einen technologischen Weg gefunden haben könnte, eine solche Strahlung künstlich herzustellen?“

Telzan schnürte sich die Kehle zusammen. Es konnte ja durchaus sein! Seine Herrin würde ihn ja sicher mit ihren seherischen Fähigkeiten beobachtet haben und wissen, ob dort wirklich ein Pulsar gewesen war. „Ihr habt Recht, Milady.“, gab er verschämt zu. „Wie konnte ich nur so töricht sein?“ „Das frage ich mich auch!“, tadelte Sytania ihn. „Für so dumm hätte ich dich nämlich niemals gehalten. Aber weil das dein erster grober Fehler war, werde ich dir noch einmal verzeihen. Kehre in deine Garnison zurück. Ich erlege dir aber auf, deiner gesamten Truppe, die nicht dabei war, zu berichten, was dir für ein Fauxpas unterlaufen ist. Ich denke, die Scham, die du dafür vor ihnen empfinden wirst, ist dir Strafe genug! Geh jetzt! Ich werde nach dir schicken, wenn ich dich wieder gebrauchen kann!“ Untertänig nickte Telzan und verließ den Thronsaal mit einem langen Gesicht.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.