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D/4 hatte das Büro der beiden in diesem Fall zuständigen Agenten betreten und stand nun Agent Peters gegenüber, der an seinem Schreibtisch saß. „Meine Kennung lautet: Systemeinheit D/4 viertes Mitglied der D-Gruppe. Sie können mich D/4 nennen.“, stellte sie sich in altbekannter Weise vor. „Angenehm, D/4.“, antwortete Peters höflich. „Ich bin Agent Karl Peters. Sie können mich Agent Peters nennen.“ Dabei lächelte er freundlich. „In Ordnung, Agent Peters.“, sagte die Sonde.

Der deutschstämmige Terraner rückte ihr einen Stuhl zurecht: „Setzen Sie sich doch.“ „Vielen Dank.“, sagte die Sonde höflich und kam seiner Aufforderung nach. Im Gegensatz zu den Borg waren die Xylianer bereit, auch mal unsere „Schwächen“ zu akzeptieren und sich ebenfalls entsprechen zu verhalten, um uns das Gefühl zu vermitteln, dazugehören zu wollen. Das kam aber auch dadurch, dass jeder A/1 bisher dafür gesorgt hatte, dass keine Sonde vergaß, dass einer ihrer Urahnen ein biologisches Wesen, ja sogar ein Mensch, gewesen war. Anscheinend hatte es V’ger so sehr gefreut, damals endlich in der Lage zu sein, Emotionen zu verstehen und zu empfinden, dass er dies in jede Programmierung seiner Nachfahren hatte einfließen lassen, so zu sagen als kleines Dankeschön an Commander Decker.

Peters schloss ein Pad an seinen Rechner an und öffnete ein Menü. Darin waren eine Menge Formulare zu sehen, die nummeriert und nach verschiedenen Spezies geordnet waren. Das kam daher, weil aufgrund verschiedener Fortpflanzungstechniken eventuell Unterschiede in manchen Fragen, die das Geburtsdatum oder den Geburtsort betrafen, bei der Formulierung gemacht werden mussten, damit sich niemand auf den Schlips getreten fühlen konnte. Er blätterte das gesamte Menü durch, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Dann sagte er: „Wie machen wir das? Es ist leider kein Formular für Ihre Spezies dabei.“ „Bitte erlauben Sie mir, Ihnen zu assistieren.“, sagte die Sonde, der durchaus ein gangbarer Kompromiss aufgefallen war. Ihr war durchaus klar, womit Peters sich schwer tat.

Peters rückte wortlos zur Seite und überließ ihr den Platz am Tisch. Den nutzte sie auch gleich, um den Cursor des Rechners auf das Formular zu stellen, das ihrer Meinung nach adäquat war. Tatsächlich gab es nämlich ein neutral formuliertes Formular, das im Allgemeinen bei Hologrammen oder Androiden in deren Vernehmung Verwendung fand. Da D/4 die erste künstliche Lebensform zu sein schien, die Peters vernahm, sah sie großzügig über die kleine Schwäche seinerseits hinweg.

Sie bestätigte den Punkt und das Formular wurde in das Pad geladen. „Danke, D/4.“, sagte Peters erleichtert. „Gern geschehen.“, antwortete die Sonde. „Ich denke, wir können aber von Glück sagen, dass Ihre Partnerin gerade nicht anwesend ist. Sie wäre sicher nicht so großzügig mit Ihnen umgegangen.“ „Das kann ich mir vorstellen.“, sagte Peters. „Sedrin hat manches Mal den Ruf, mehr Haare auf den Zähnen zu haben, als ein Klingone am ganzen Körper.“ „Dieses Faktum ist mir bekannt.“, sagte D/4 und zog sich das Pad mit dem Formular heran. Es war sicherlich ungewöhnlich, dass eine Zeugin die Angaben zu ihren Personalien selbstständig ausfüllte, aber Peters war ihr insgeheim sehr dankbar. Er mochte es gar nicht, beim Stellen eventueller Fragen in Fettnäpfchen zu treten. Erst neulich war es ihm wieder passiert, als er das falsche Formular bei der Vernehmung einer Insektoiden verwendet hatte, die ihn harsch daran erinnerte, dass ihre Spezies ja keine so genannten Körperbrüter seien und dass sie darauf bestehe, ein Formular zu bekommen, in dem vom Schlupf und nicht von der Geburt die Rede sei. Das war ihm wohl sehr peinlich gewesen und er hatte deshalb beschlossen, allen seinen Zeugen ruhig zu erlauben, bei der Auswahl der Formulare dabei zu sein und die entsprechenden Angaben selbst einzutragen. Dieses Problem war aber, wie ihr euch sicher schon denken könnt, typisch deutsch. Ein amerikanischer Agent hätte das sicher etwas lockerer gesehen. Aber die Rechtsprechung der Föderation verlangte nun einmal, dass auf die Eigenheiten von Lebensformen Rücksicht genommen wurde. Das war sogar gesetzlich verbrieft und die Insektoide hatte sogar mit Klage gedroht, wenn Peters diesen Umstand nicht auf der Stelle bereinigen würde.

Die Sonde schob dem Agenten das Formular wieder hin. Fasziniert sah er sich einige Zeilen genau an. „Ist Ihnen das Formular nicht bekannt?“, fragte die Sonde im Bestreben, ihm eventuell noch einmal behilflich zu sein. „Doch, doch.“, sagte Peters. „Ich habe es sicher schon einmal gesehen, aber Sie sind meine erste künstliche Lebensform, die ich vernehme.“ „Dann werde ich besonders rücksichtsvoll sein und gewisse eventuell auftretende Fehler ignorieren.“, sagte D/4. „Alles andere wäre einer effizienten Vernehmung nur abträglich.“ „Danke für Ihre Rücksichtnahme.“, sagte Peters erleichtert. „Wissen Sie, ich bin heilfroh, dass Sie keine Borg sind. Wenn ich da an Seven of Nine denke, von der ich auf der Akademie gehört hatte …“ D/4, der durchaus auch bekannt war, wovon er redete, sagte nur: „Derartiges müssen Sie von uns Xylianern nicht befürchten. Schließlich war einer unserer Urahnen menschlich und er hat uns ein großes Geschenk gemacht. Warum sollten wir also die Hand beißen, die uns gefüttert hat und ohne die es uns gar nicht erst geben würde?“ „Wenn Sie das so sehen?“, sagte Peters. „Positiv.“, entgegnete D/4. „Sehen Sie doch mal hier. Die Worte: Ort und Datum der Entstehung sind doch ein guter Kompromiss, nicht wahr?“ Peters nickte. „Aber nun sollten wir mit meiner Vernehmung beginnen.“, sagte die Sonde. „ Mir ist bekannt, dass Ihre Daten über die Geschehnisse auf dem Mars lückenhaft sind. Ich beabsichtige, sie zu vervollständigen.“ „Also gut.“, sagte Peters und stellte das Pad auf Aufnahme, um es dann so zwischen den Beiden zu platzieren, dass es sowohl ihre, als auch seine Stimme aufnehmen konnte. „Im Grunde gebe ich die Aussage von Allrounder Betsy Scott weiter, die gerade einen medizinisch verordneten Urlaub auf Celsius verbringt.“, sagte die Xylianerin. „Laut ihr hat sich die Sache folgendermaßen entwickelt. Wir haben einen neuen Nachbarn, Professor Nathaniel Radcliffe. Er leidet unter einer geistigen Krankheit, die dafür sorgt, dass er sich von Zeit zu Zeit für Captain Sisko hält. Das ist aber nicht das Einzige. Wenn er diese anfallsartigen Zustände erlebt, wird er auch gefährlich für sich und andere. Allrounder Scott sagt, er sei zu ihr gekommen und hätte sie gebeten, ihn auf einen Planetoiden zu begleiten, den ihm die Propheten von Bajor gezeigt hätten.“ „Sagen Sie bitte nicht, das hat sie getan!“, unterbrach Peters sie blass. „Doch.“, erwiderte die Sonde gleichmütig. „Weil er sie mit der eventuellen Gefährdung seines Kindes durch ihn selbst unter Druck gesetzt hat, wenn er krank bliebe und sie ihm nicht helfen würde. Dort würde er angeblich durch die Propheten Heilung erfahren können. Laut ihrer eigenen Aussage haben sie und der Professor ihr Schiff genommen und sind damit zu dem Planetoiden geflogen. Aber Radcliffe wurde immer unberechenbarer in seinem Verhalten. Er tötete sogar den Leiter einer weiteren Expedition, obwohl dieser ihm nichts getan hatte. Das Schlimme ist, dass er gleichzeitig der Vater einer minderjährigen Tochter war, die ihn begleitet hatte. Die Beiden sind Breen. Der Planetoid hat ein Wüstenklima. Dank Allrounder Scotts Umsicht hat das Mädchen überlebt. Aber jetzt ist sie allein und unter den genannten medizinischen Umständen sicher in Gefahr.“ „In Lebensgefahr!“, korrigierte Peters. „Wenn sie nicht vielleicht sogar längst tot ist. Breen vertragen keine Hitze. Verfügen Sie über die Koordinaten des Planetoiden?“ „Negativ.“, antwortete die Sonde. „Allrounder Scott war nicht in der Lage, sie mir zu nennen. Als ich sie traf, hatte sie einen Schock. Ihr Gesundheitszustand war bedenklich.“ „Was ist auf dem Planetoiden genau geschehen, das eine ausgebildete Sternenflottenoffizierin so umhauen kann?“, erkundigte sich Peters. „Haben Sie nähere Angaben?“ „Sie sagt, sie und der Professor wären auf einen merkwürdigen Kegel aus Kristall getroffen, der ihm Kräfte verliehen hätte, wie Sytania sie hat. Mit Hilfe ihres Erfassers sei es ihr auch möglich gewesen, dies nachzuweisen, aber Radcliffe hatte in der Absicht, das Schiff der Breen zu erbeuten, mit seinen neuen Kräften ein Feld generiert, das alle Technologie zerstört hat. Daran ist auch der Breen gestorben, der sich nicht an die Anweisung des Allrounders gehalten hat, alle Geräte von sich zu werfen. Das Mädchen aber hat dies getan. Deshalb lebt sie noch.“ „Um Gottes Willen!“, rief Peters aus. „Wir müssen sie finden! Eine Minderjährige auf einem fremden Planetoiden, der noch dazu sehr unwirtlich für sie ist! Aber eines will mir nicht in den Kopf. Warum wollte Radcliffe das Schiff der Breen? Wäre es für ihn nicht nahe liegender gewesen, das Schiff von Allrounder Scott zu kapern?“ „Das Schiff des Allrounders kann selbstständig denken und handeln.“, klärte die Sonde ihn über Lycira auf. „Das Schiff der Breen ist befehlsabhängig und kann das nicht.“ „Sie meinen, Scotts Schiff hätte sich gegen ihn zur Wehr setzen können, trotz er über diese Kräfte verfügt?“ „Das ist korrekt.“, sagte die Sonde. „Lycira hätte die Atmosphäre im Cockpit nur mit Rosannium versetzen müssen, was sie sicher auch getan hätte.“ „Kann ich mir vorstellen.“, sagte Peters, für den nach ihrer Aussage jetzt endlich einiges zusammenzupassen schien. Aber auch einige neue Fragen waren aufgetaucht, die vielleicht nur das Breenmädchen oder ich hätten beantworten können.

„Also.“, fasste der Agent ihre Aussage zusammen. „Der Allrounder ist im Moment gesundheitlich nicht in der Lage, uns zu helfen. Unsere einzige weitere Spur ist die minderjährige Breen. Vielleicht können wir von der tindaranischen Regierung Hilfe bei der Suche nach ihr erwarten. Soweit ich weiß, verfügen die über eine interdimensionale Sensorenplattform. Damit finden wir sie vielleicht noch früh genug. Aber warum hält sich dieser Radcliffe für Sisko? Denkt er, dass er so etwas wie dessen Reinkarnation ist?“ „Diese Theorie wird gegenwärtig vom System examiniert.“, berichtete die Sonde. „Dass Ihre Leute sich für solche Spinnereien hergeben.“, sagte der Agent abfällig. „Bis wir die eine oder andere Theorie wirklich wissenschaftlich ausschließen können.“, sagte die Sonde. „Haben alle den gleichen Stellenwert. Die Theorie einer Reinkarnation ist die Einzige, die wir bisher haben und auch Sie sollten sie meiner Meinung nach nicht verwerfen, nur, weil sie persönlich nicht an so etwas glauben. Ein guter Kriminalist muss meines Wissens alle Spuren verfolgen, bis sich eine als die Richtige herausstellt.“ „Sie haben ja Recht.“, sagte Peters geknickt. „Trotzdem klingt es doch sehr merkwürdig, nicht wahr?“ „Merkwürdigkeit ist nicht relevant.“, sagte die Sonde. „Es kann sich immer noch als die Wahrheit herausstellen. Oder haben Sie einen schlüssigen Gegenbeweis?“ „Nein.“, musste Peters zugeben.

Er schob der Sonde das Pad hin. „Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?“, fragte er. Sie schüttelte den Kopf. „Dann werde ich Ihre Aussage zu den Akten nehmen. Danach werde ich mit Sedrin sprechen, was ihre Ermittlungen bei Cupernica ergeben haben und dann werden wir mit der Regierung der Tindaraner Kontakt aufnehmen wegen der Breen. Sie ist wahrscheinlich die Einzige, die uns noch etwas sagen kann.“ „In Ordnung.“, sagte die Sonde. „Dann werde ich jetzt gehen.“ „Tun Sie das.“, sagte Peters.

In Gegenrichtung zu D/4 hatte Sedrin ihr und Peters’ gemeinsames Büro betreten. Das etwas verkniffen wirkende Gesicht ihres Partners war ihr sofort aufgefallen. „Was ist dein Problem, Karl?“, fragte sie gewohnt demetanisch verständnisvoll. „Mein Problem sind die Dinge, die mir D/4 gerade gesagt hat.“, antwortete der deutschstämmige Terraner leicht genervt. „Ach ja.“, sagte Sedrin. „Ich sah sie aus der Tür gehen. Aber was kann sie dir schon Schlimmes verraten haben. Sie kann doch nicht mehr über die Sache auf dem Mars wissen, als wir, die den Trümmerhaufen genauer in Augenschein genommen haben. Sie war ja auch dabei. Es sei denn, sie hat Daten vom System, die wir noch nicht haben. Also, was ist los?“ „Ich fürchte, ich muss deine Hoffnungen in einem Punkt zerstreuen.“, sagte Peters. „Vom System sind die Daten nicht, die sie hat.“ „Haarspalter!“, zischte Sedrin ihm zu. „Aber spuck es bitte endlich aus. Von wem sind die Daten?“ „Genau genommen sind sie von Allrounder Betsy Scott.“, sagte Peters und hielt einen Moment inne, um ihre Reaktion abzuwarten. „Wie kommt sie an Daten von Allrounder Betsy Scott und was um Himmels Willen hat sie ihr gesagt?! Ich weiß, dass sie Betsy wegen eines Schocks behandelt hat und dass sie mir gesagt hat, dass der Allrounder nicht vernehmungsfähig sei.“ „Deine Information scheint veraltet zu sein.“, sagte Peters. „D/4 gegenüber scheint sie nämlich ausgesagt zu haben.“

Sedrin ließ sich auf ihren Stuhl sinken. „Und was hat sie ausgesagt?“, fragte sie. „Laut D/4.“, begann Peters. „Hat der Allrounder einen großen Teil dazu beigetragen, dass die Situation jetzt ist wie sie ist. Sie soll unserem Wäscher vom Mars sogar ermöglicht haben, zu tun, was er getan hat.“ „Hör gefälligst auf, hier die unqualifizierten Überschriften aus der Regenbogenpresse zu zitieren!“, tadelte die Demetanerin ihren terranischen Kollegen. „Von dir als einem ausgebildeten Agenten hätte ich so etwas nicht erwartet.“ „Entschuldige.“, sagte Karl. „Ich bin doch auch nur ein Mensch.“ „Schon gut.“, sagte Sedrin mild. „Ich wollte ja nur vermeiden, dass du jemanden aufgrund einer vorgefassten Meinung falsch beurteilst. Das Problem habt ihr Terraner nämlich ab und an. Ich muss es wissen. Ich bin schließlich mit einem verheiratet.“ „Tut mir leid, Sedrin.“, entschuldigte er sich. „Aber danke, dass du mich erinnerst, dass ich von Berufswegen neutral zu bleiben habe. Meine private Meinung muss dann eben mal zurückstehen.“

Sie stand auf und replizierte beiden einen Kaffee am Replikator des Büros. Dabei achtete sie darauf, dass sich in Peters’ Tasse auf jeden Fall ein Stück Zucker und der von ihm so geliebte Schuss Karamell befand. Betont langsam und vorsichtig stellte sie die Tasse vor ihm hin. Dann setzte sie sich mit ihrer eigenen Tasse, in der sich normaler Kaffee mit Milch und Zucker befand, neben ihn. Ihr Blick, der sehr freundlich und fast bittend war, irritierte ihn leicht.

Peters nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Was hast du zu verbergen, Sedrin Taleris-Huxley?“, fragte er. „Wie kommst du darauf, dass ich etwas verberge?“, fragte sie zurück. „Es ist nur, weil du versucht hast, dich bei mir einzuschmeicheln.“, stellte Peters fest und sie erschrak. Er schien einen wunden Punkt bei ihr erwischt zu haben. „Ich schmeichle nicht!“, wehrte sich Sedrin. „Ich wollte nur … Ach, du hast ja Recht.“

Sie setzte ihre Tasse an und tat, als wolle sie sich Mut antrinken. Da der Kaffee aber sehr heiß war, brach sie das Unterfangen gleich wieder ab. „Es ist nur.“, begann sie. „Weil ich das Gefühl habe, mich ebenfalls von einer vorgefassten Meinung leiten lassen zu haben.“ „Du?!“, fragte Karl ungläubig und mit einem leichten Lachen in der Stimme. „Du, die große immer neutrale Agent Sedrin Taleris-Huxley?!“ „Genau die.“, sagte Sedrin verschämt. „Ich bin keine Vulkanierin und schon gar keine künstliche Lebensform. Ich kann Freundschaft empfinden und das tue ich gegenüber Allrounder Betsy Scott. Aber offensichtlich hat genau das zu einem Fehlurteil geführt, wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was ich vermute.“ „Du denkst jetzt vielleicht, sie hätte ihm absichtlich geholfen.“, sagte Peters. „Aber wenn ich D/4 richtig verstanden habe, dann wurde sie auch mit falschen Tatsachen dazu gebracht und genau so benutzt, wie Mr. Radcliffe.“ „Raus damit!“, insistierte Sedrin. „Was hat dir D/4 gesagt?!“ „Sie hat gesagt.“, erwiderte Peters. „Dass Allrounder Scott ihr gesagt hätte, Radcliffe habe sie verzweifelt aufgesucht. Er habe ihr gesagt, dass seine Ehe vor einem Scherbenhaufen stehe und er sogar das Sorgerecht für seinen Sohn verlieren könne, wenn er weiterhin an seiner geistigen Krankheit leide, die ab und zu dafür sorgt, dass er sich für Captain Sisko hält. Dann würde er unberechenbar und auch gefährlich für seine Familie. Aber die Propheten von Bajor hätten ihm einen Ort gezeigt, an dem er Heilung finden könnte. Dorthin sind sie mit Scotts Schiff geflogen. Dort sei er dann auf einen mysteriösen Kristallkegel und eine Expedition der Breen getroffen, die aus einem Archäologen und dessen minderjähriger Tochter bestand. Der Kegel hätte Radcliffe die Kräfte verliehen, die er jetzt hat. Dann habe er den erwachsenen Breen getötet, um an sein Schiff zu kommen, nachdem er sich geweigert hatte, die so genannte Reinwaschung über sich ergehen zu lassen. Inzwischen hatte Scott nämlich erkannt, wohin der Hase läuft und die beiden Zivilisten informiert. Auch sie hat sich geweigert, nachdem sie gesehen hatte, dass Sytania offensichtlich hinter allem steckt. Radcliffe hat ein Feld generiert, mit dem er sämtliche Technologie, also auch Scotts Erfasser, zerstört hat. Sie hat nur deshalb überleben können, weil sie alles von sich geworfen hat. Natürlich hat sie das auch den Zivilisten gesagt, aber nur das Mädchen hat sich daran gehalten. Der Mann ist durch die elektrischen Entladungen zu Tode gekommen. Das Ganze fand auf einem Wüstenplanetoiden statt. Die Kleine wird nicht mehr lange leben, wenn sie das in der Zwischenzeit überhaupt noch tut.“ „Verstehe.“, sagte Sedrin. „Das würde auch das Breenschiff erklären, das Zeugen in der Umlaufbahn des Mars beobachtet haben wollen. Warum Scotts Schiff nicht in Frage kam, kannst du dir ja wohl denken. Lycira würde sich nicht einfach kapern lassen. Aber offensichtlich konnte sie das Mädchen nicht erfassen, um es ebenfalls an Bord zu holen. Die Störungen, die durch das Feld von Radcliffe entstanden sind, werden sie gezwungen haben, sich zwischen ihrer Pilotin und ihr zu entscheiden. Ihrer Prämisse gemäß hat sie dann wahrscheinlich Betsy gewählt.“ „Das weiß ich.“, sagte Peters. „D/4 hat mich aufgeklärt. Ich werde den Chief-Agent informieren.“

Er ging zum Sprechgerät und schickte sich an, das Rufzeichen des Chief-Agent einzugeben. Aber Sedrin, die ja in dieser Hinsicht etwas mehr wusste, sprang hinzu und nahm ihm das Mikrofon aus der Hand. „Du verschwändest deine Zeit!“, sagte sie. „Sie wird uns nicht helfen. Sie wird von Tag zu Tag entscheidungsunfähiger werden.“ „Wovon redest du?!“, fragte Karl alarmiert. „Ich habe auf dem Flug mit ihr gesprochen.“, sagte Sedrin. „Sie ist lange nicht mehr die energische Tamara, die wir kennen. Sie scheint auch ein Opfer unseres Wäschers geworden zu sein. Ich kann mir denken, wo das passiert ist. Ich denke, das war auf Khitomer! Lass mich mal da ran!“

Damit stieß sie ihn, der gar nicht richtig wusste, wie ihm geschah, samt Stuhl zur Seite und setzte sich dann selbst auf ihrem eigenen Sitzmöbel vor das Sprechgerät, um dann das Rufzeichen des interdimensionalen Relais einzugeben. Als Zielrufzeichen gab sie: „281 Alpha.tin.“, ein, obwohl sie nicht wirklich wusste, ob das Rufzeichen von Zirells Basis tatsächlich so lautete. Deshalb war sie auch etwas überrascht, im nächsten Moment statt einer Fehlermeldung tatsächlich Jorans Gesicht auf dem Bildschirm zu sehen. „Ich grüße dich, Sedrin El Demeta.“, sagte der Vendar. „Hallo, Joran.“, entgegnete die sichtlich überraschte Sedrin. „Ich muss dringend mit deiner Kommandantin reden. Kannst du das einrichten?“ „Ich denke schon.“, sagte der Vendar zuversichtlich. „Anführerin Zirell betritt nämlich gerade die Kommandozentrale.“ „Dann gib sie bitte her!“, verlangte Sedrin. „Es ist sehr dringend.“ „Wie du wünschst.“, sagte Joran und Sedrin hörte die üblichen Schaltgeräusche und dann Zirells Stimme: „Was gibt es, Sedrin?“ „Hast du von der Sache auf Khitomer gehört?“, fragte die Agentin. „Das habe ich.“, antwortete die Kommandantin. „Inzwischen ist viel passiert.“, sagte Sedrin. „Unter anderem suchen wir eine überlebende Breen, die sich auf einem Wüstenplanetoiden befinden soll. Sie ist eine wichtige Zeugin. Aber wir brauchen wohl eure Sensorenplattform, um die ganze Dimension scannen zu können.“ „Ich werde sofort mit der Zusammenkunft sprechen.“, versprach die Tindaranerin. „Eine Breen auf einem Wüstenplanetoiden! Hoffentlich lebt sie überhaupt noch! Falls ja, werde ich sofort eine Patrouille schicken! Die Zusammenkunft hat Shimars und Marons Bericht. Die interessiert auch brennend, was da passiert ist und wenn diese Zeugin es uns sagen kann, um so besser.“ „Danke, Zirell.“, sagte Sedrin erleichtert, die sich an ihre letzte fruchtbare Zusammenarbeit – sogar als Sedrins erste Offizierin - noch gern erinnerte. Sie wusste, die Regierung der Tindaraner würde ihnen in diesem Zusammenhang sicher keine Steine in den Weg legen. Darüber war sie sehr erleichtert. Sie ahnte, dass es mit der Plattform ein Leichtes sein müsste, die Kleine zu lokalisieren und zu bergen. Zirell würde sie auf keinen Fall im Stich lassen!

Peters hatte beobachtet, dass sie abgeschweift war. „Sedrin?“, fragte er. „Was?“, fragte sie zurück, ohne von ihrer Tasse, in die sie gedankenverloren geschaut hatte, aufzusehen. „Du warst doch bei Cupernica.“, erinnerte Karl sie. „Was konntest du dort in Erfahrung bringen?“ „Cupernica hat die beiden Leichen untersucht, die wir mitgebracht haben.“, sagte die Agentin. „Bei der Zeonidin hat sie wohl festgestellt, dass sie in Folge einer direkten telepathischen Einwirkung auf das Zentrum gestorben ist, über das der Herzschlag kontrolliert wird. Das können zwar die wenigsten Spezies bewusst, Loranas auch nicht, aber ein Telepath könne schon einen Befehl dort unterbringen, der dieses Zentrum derart durcheinander bringt, dass es seinen Dienst quittieren muss. Die Folge ist dann das Aussetzen des Herzens und in dessen Folge der Tod.“ „Das steht auch in dem Bericht, den mir Cupernica gerade geschickt hat.“, sagte Peters. „Aber sie erwähnt hier noch die Untersuchung des Aldaners, die viel fruchtbarer gewesen sein soll. Sie schreibt, du könntest mich aufklären.“ „Das kann ich auch.“, sagte Sedrin. „Ich war bei der Untersuchung des Aldaners, beziehungsweise bei ihrer Auswertung der Daten, schließlich dabei. Also, anscheinend haben wir es hier mit Sytania zu tun, die sich als Prophet tarnen wollte, um alle, vor allem Radcliffe, in die Irre zu führen.“ „Aber warum gerade als Prophet?“, fragte Peters in der Hoffnung, wohl die von ihm so ungeliebte Theorie über Siskos Wiedergeburt nicht noch einmal hören zu müssen. „Weil sich Radcliffe offensichtlich ab und zu für Commander Sisko hält und es vielleicht sogar ist, oder besser, es war.“ „Du nicht auch noch!“, stöhnte Peters. „So etwas hätte ich von dir schon gar nicht erwartet. Und Cupernica? Sag bitte nicht, sie bestätigt das auch noch.“ „In gewisser Weise.“, begann Sedrin. „Hat sie es bestätigt. Sie hat gesagt, dass dies die einzige Erklärung dafür ist, warum sich Sytania als Prophet tarnen würde. Aber wir haben sie erkannt, weil ein kleiner Prozentsatz der Energiesignatur leider nicht übereinstimmte!“ Sie grinste schadenfroh. „Aber das ist doch absurd.“, sagte Karl. „Dir persönlich mag es absurd erscheinen.“, sagte Sedrin. „Aber bisher ist es die einzige Spur, die wir haben. Du musst aufhören, deine persönliche Meinung über die Beweise zu stellen. Sonst wirst du immer nur ein Hilfsagent bleiben und nie selbst ein Team leiten können.“

Das saß. Kleinlaut stellte Peters seine Tasse ab. „So was Ähnliches hat D/4 auch gesagt.“, sagte er. „Sie hat sogar gesagt, das System würde tatsächlich die Möglichkeit einer Wiedergeburt von Sisko untersuchen.“ „Natürlich tun sie das.“, sagte Sedrin. „Sie werden genau so von den Tatsachen ausgehen wie wir. Aber ich habe hier noch etwas Unerhörtes für dich, mein lieber Karl. Demnächst werden wir ein Tier vernehmen. Genauer, eine demetanische Wollkatze, die das Haustier unserer toten Zeonidin war.“ „Was werden wir tun?“, fragte Karl blass. „Wie soll denn das gehen? Willst du einen Telepathen auf das Tier loslassen?“ „Auf keinen Fall!“, sagte Sedrin, die das Gefühl hatte, er würde ihr nicht zugehört haben. „Wenn ich das täte, dann würde ich mir Yara garantiert nicht zur Freundin machen. Schließlich ist sie erst durch einen Telepathen in diese Situation geraten. Man sagt allen Katzenartigen nach, dass sie in der Lage seien, Telepathie zu spüren. Nein. Aber Davis sucht gerade alle Verhaltenstrainer heraus, die sich mit diesen Tieren auskennen.“ „Auch das noch.“, stöhnte Peters. Er war von seiner Partnerin zwar einiges gewohnt, dies aber schlug, wie er fand, dem Fass den Boden aus. „Und du meinst wirklich, dass das etwas bringt?“, fragte er skeptisch. „Ja, das meine ich!“, entgegnete sie fest. „Es ist der einzige Anhaltspunkt und Sytania soll nicht denken, dass sie mit ihrem Plan nur deshalb durchkommt, weil wir uns nicht trauen, ungewöhnliche Wege zu beschreiten!“ „Wer wird hier jetzt unsachlich?!“, fragte Peters, der sich mit der Situation immer schlechter zu fühlen schien. „Man könnte ja fast meinen, du würdest den Fall als persönliche Rache gegen Sytania verwenden wollen.“ „Das hat mit Unsachlichkeit oder Rache gar nichts zu tun!“, verteidigte sich Sedrin. „Du kennst Sytania nicht so gut wie ich! Du weißt nicht, was für eine Art von Feind sie ist! Sie ist eine Mächtige, die sich einen Dreck um unsere Konventionen schert. Sie studiert sie sogar nur zu dem Zweck, sie gegen uns zu benutzen! Wir müssen also für sie so unberechenbar wie möglich werden und dazu gehört auch mal, dass man ungewöhnliche Wege beschreitet!“ „Es ist nur.“, sagte Karl. „Weil mir das alles, was man hier so erlebt, manchmal schon zu viel wird. Manche Dinge hier in Little Federation wollen einfach nicht in meinen Kopf. Aber nicht nur in Little Federation! Weißt du, warum ich mich in diese Kleinstadt habe versetzen lassen? Ich wollte endlich mal einen ruhigen Dienst ohne Seltsames!“

Sedrin stand auf, klatschte in die Hände und lachte so laut, dass man ihr Gelächter auch einige Büros weiter gut hören konnte. „Also, wenn du vorgehabt hast, alten Omis ihre gestohlenen Handtaschen zurückzubringen, oder gar Ähnliches, dann hättest du kein Agent der Sternenflotte werden dürfen. Augen auf bei der Berufswahl!“ „Als ob ich die je gehabt hätte!“, empörte sich Peters. „Mein Großvater war Agent, mein Vater war Agent, also haben sie alles in die Wege geleitet, und das schon in meiner Kindheit, dass ich ja die gleiche Laufbahn einschlage!“ „Oh, Mutter Schicksal, vergib mir!“, sagte Sedrin mit einem Blick, der ihr Bedauern ausdrückte. „Ein Familienfluch! Das tut mir leid. Dann werde ich dich wohl zukünftig etwas sanfter anfassen müssen. Aber heute, da du erwachsen bist, könntest du doch sicher jederzeit einen anderen Beruf wählen.“ „Sicher.“, sagte Karl. „Aber ich sehe es als Herausforderung an, mich an vieles zu gewöhnen. Gott sei Dank habe ich ja eine Partnerin wie dich, die mich ab und zu daran erinnert, dass eine Freakshow in der Föderation etwas ganz Normales ist.“

Sedrin räusperte sich und hob drohend die rechte Hand. „Ein Scherz.“, beschwichtigte Peters. „Nur ein kleiner Spaß. Ich habe nichts gegen fremde Spezies und ihre Verbrechen und kann mich sicher auch mit der Vernehmung eines Tieres anfreunden. Wie weit ist Davis?“ „Sie wird mir Bescheid geben, wenn sie ein Ergebnis hat.“, sagte Sedrin. „Ich habe ihr freie Hand gegeben, was die Gespräche über Termine angeht.“ „In Ordnung.“, sagte Peters. „Dann wird uns ja nichts anderes übrig bleiben, als zu warten.“

Kelly hatte inzwischen bereits einige Stunden vor dem Rechner verbracht, um unter den Schlagworten: „demetanische Wollkatze“, und „Verhaltenstrainer“, im allgemeinen Netzwerk der Föderation nachzusehen. Sie war erstaunt darüber gewesen, wie viele Einträge es dort gab. Allerdings hatte Sedrin, nachdem sie ihr ihre ersten Ergebnisse wie abgesprochen präsentiert hatte, zunächst alle Telepathen aus den bekannten Gründen aussortiert, was Kelly die Arbeit schon etwas erleichtert hatte. Aber selbst jetzt waren noch um die 200 Einträge übrig geblieben, die noch bearbeitet werden mussten. Das bedeutete für die Notrufkoordinatorin, zunächst die herauszusuchen, die sie per SITCH-Mail erreichen konnte und eine Sammelmail an sie zu verfassen, in der sie um Antwort bat. Dann würde sie alle, die nur über Sprech-SITCH erreicht werden wollten, direkt zu rufen versuchen. Falls keiner der Trainer bereit wäre, mit dem Geheimdienst zusammenzuarbeiten, würde sie dies Sedrin auch mitteilen und diese würde entscheiden, ob eventuell in diesem besonderen Fall einer von ihnen durch ein Gericht bestimmt werden sollte, der dann eventuell vorgeladen würde, wenn die Justiz dem Antrag stattgäbe. Aber so weit, das hoffte Davis auf jeden Fall, sollte es nicht kommen.

Einige Minuten waren jetzt schon vergangen, in denen sie auf Antworten auf die Mail wartete und die verbliebene Zeit für einige Gespräche mit den Sprechern, wie sie die reinen Sprechgerätkandidaten genannt hatte, nutzte. Aber viele hatten ihr abgesagt oder sich gar nicht erst gemeldet. Kelly persönlich dachte sich, dass die Aussicht, eventuell mit dem Geheimdienst zu arbeiten, den Meisten vielleicht zu heiß war. Sie hatte schon die Befürchtung, Sedrin doch mitteilen zu müssen, dass sie doch die Mühlen der Justiz bemühen müsse, als ein Ruf sie erreichte. Dieser Ruf kam ausgerechnet von dem Rufzeichen, das sie als Allererstes gerufen hatte, auf dem sie aber nur einen SITCH-Rufbeantworter angetroffen hatte.

Sie nahm das Mikrofon in die Hand und drückte kurz die Sendetaste, was dem Gerät befahl, die Verbindung anzunehmen. Dann sah sie in das lächelnde Gesicht eines Demetaners mittleren Alters, der eine schlanke sportliche Figur hatte, einen schwarzen kurzen Bart trug und eine leichte Halbglatze über der Stirn aufwies. Dahinter hatte er noch einige schwarze kurze Haare zu bieten. Er trug eine blaue Jeans, ein rotes Hemd und ebenfalls rote Schuhe. „Hallo, Mrs. Davis.“, begrüßte seine sanfte tiefe Stimme sie. „Mein Name ist Tymoron. Ich rufe sie zurück, um mich für den Posten des Übersetzers bei der Vernehmung von Yara zu bewerben.“ „Hi, Mr. Tymoron.“, meldete sich Davis zurück. „Ich denke, da haben Sie sehr gute Chancen. Im Augenblick sind Sie nämlich der einzige Bewerber.“ „Wie bitte?!“, fragte der Demetaner ungläubig. „Will denn niemand von meinen Kollegen …?“ „Wie es aussieht, nein.“, antwortete Kelly. „Wissen Sie, ich glaube, sie haben sich alle erschrocken wegen der Sache mit dem Geheimdienst. Ich musste ja sagen, in wessen Auftrag ich anrufe.“ „Sicher, sicher.“, antwortete Tymoron. „Da könnte ja sonst jeder kommen. Aber der Geheimdienst ist auch mit ein Grund, warum ich das unbedingt möchte. Wissen Sie, als ich den Namen Ihrer Auftraggeberin hörte, fiel mir gleich etwas auf. Ich bin nämlich mit einer Sedrin Taleris zur Schule gegangen. Sie war damals schon recht strebsam und ich könnte mir gut vorstellen, dass sie Karriere bei der Sternenflotte gemacht hat.“ „Ich kann Ihnen natürlich nicht sagen, Mr. Tymoron.“, sagte Kelly. „Ob es sich bei unserer Agent Sedrin wirklich um Ihre Klassenkameradin handelt, aber ich könnte Sie gleich mit ihr verbinden. Vielleicht können Sie das ja dann gleich mit ihr klären.“ „Wenn sie jetzt noch erreichbar ist, nur zu!“, ermutigte Tymoron sie. „Aber ich habe das Gefühl, dass Sie etwas irritiert. Ich meine, dass Sie von Berufswegen sehr diplomatisch sein müssen, kann ich mir vorstellen. Aber ich glaube, dass Sie mir aus irgendeinem Grund ständig ausweichen.“ „Es ist nur.“, sagte Kelly. „Weil Sie gleich so ungezwungen geplaudert haben. Ich hatte damit nicht gerechnet und es war mir irgendwie unheimlich, obwohl ich mich andererseits auch sehr wohl gefühlt habe.“ „Dann habe ich ja zumindest die Hälfte von dem erreicht, was ich erreichen wollte.“, sagte Tymoron. „Wissen Sie, die meisten Haustierbesitzer, die uns holen, haben ein Problem, das meistens am oberen Ende der Leine hängt. Ich will aber nicht als Oberlehrer und schon gar nicht als Richter daher kommen. Deshalb versuche ich erst einmal, eine freundliche Atmosphäre aufzubauen. In so einer lässt es sich doch viel besser arbeiten, nicht wahr? Das ist mein Konzept. Dann sind die Leute nämlich auch viel ehrlicher gegenüber mir und spielen mir nichts vor. So kann ich ihnen und ihren Vierbeinern auch viel besser helfen.“ „Stimmt.“, sagte Kelly. „Damit werben Sie ja auch auf Ihrer Seite. Aber ich hätte nicht gedacht, dass dieses Werbeversprechen der Wahrheit entspricht.“ „Aber warum sollte ich meine Klienten denn belügen?“, fragte Tymoron mit der ihr schon bekannten bestimmten Sanftheit in der Stimme. „Was würde ich denn damit erreichen? Doch wohl gar nichts, oder allerhöchstens das, meinen guten Ruf selbst in den Schmutz zu ziehen. Aber jetzt verbinden Sie mich erst mal mit Ihrem Agent Sedrin Taleris-Huxley. Ich möchte doch zu gern wissen, mit wem ich demnächst arbeiten werde.“ „Sofort, Mr. Tymoron.“, sagte Kelly. „Bleiben Sie bitte in der Leitung.“ Sie nahm die notwendigen Schaltungen vor.

Sedrin war überrascht über Kellys Ruf. „Ich hatte Ihnen doch erlaubt, das mit dem Termin und alles, was daran hängt, selbst in die Hand zu nehmen, Kelly.“, sagte die Demetanerin, die von dem Gespräch mit Peters immer noch leicht genervt war. Es hatte ihr gar nicht gefallen, dass er sich so unflexibel gegeben hatte, was die Theorien über Siskos Wiedergeburt anging. Das war eine Prämisse gewesen, die ihre Lehrer auf der Akademie ihnen bereits im ersten Jahr ihrer Ausbildung eingetrichtert hatten. „Eine Spur ist eine Spur, ist eine Spur, ist eine Spur und wenn sie noch so absurd scheint. Solange es keinen Gegenbeweis gibt, ist sie zu verfolgen!“, hatten ihre Professoren sie jeden Morgen bei Unterrichtsbeginn allesamt wiederholen lassen. Deshalb ärgerte sie um so mehr, dass er dies vergessen zu haben schien. „Es tut mir leid, Agent.“, entschuldigte sich Kelly. „Aber der Verhaltenstrainer, der sich als Einziger bereiterklärt hat, behauptet, mit einer Sedrin Taleris zur Schule gegangen zu sein. Er meint, dass könnten vielleicht Sie sein. Das möchte er klären.“

Sedrin überlegte kurz und ließ ihre Zeit auf der High School noch einmal Revue passieren. Tatsächlich hatte es während ihrer Zeit dort einen Jungen gegeben, der sich gleichermaßen für sie, aber auch für das Verhalten von Tieren interessiert hatte. Sie lächelte, als ihr die Gedanken an ihre gemeinsame Zeit durch den Kopf huschten. Sie und der gewisse Junge Namens Tymoron waren nämlich als Teenager einmal ein halbes Jahr lang ein Paar gewesen. Aber wie das so ist bei Beziehungen in dem Alter, gab es irgendwann auch wieder eine Trennung. Ob diese nun von ihr oder ihm ausgegangen war, vermochte Sedrin nicht mehr mit Gewissheit zu sagen. Sedrin wusste nur noch, dass es wohl keine Trennung aus Hass gewesen sein musste, denn sie waren danach auch weiterhin Freunde geblieben. Zumindest hatte es für einen flüchtigen Briefkontakt und ab und zu Gespräche am Wochenende ausgereicht, bevor sie zur Sternenflottenakademie gegangen war. Dann hatte man sich aus den Augen verloren. Sollte dieser „Geist“ aus der Vergangenheit sie jetzt tatsächlich wieder einholen?

Sedrin rückte ihre Kleidung zurecht und räusperte sich. Dann sagte sie: „Geben Sie her, Kelly.“ Die Notrufkoordinatorin nickte und ging per 88-Taste aus der Leitung. Ihr Bild auf dem Schirm wich dem des Demetaners. „Hallo, Sedrin.“, sagte er. „Wie ich sehe, bist du es tatsächlich. Wir sind zwar beide etwas älter geworden, aber dein verschmitztes Gesicht erkenne ich unter tausenden. Eure SITCHerin hat dich mit einem Doppelnamen vorgestellt. Das heißt, dass du wohl heute verheiratet bist und das auch noch mit einem Außerweltlichen. Ich meine, Huxley klingt nicht sehr demetanisch. Ich bin neugierig, wie deine konservativen Eltern das aufgenommen haben.“ „Meine Mutter hat sich damit arrangiert.“, sagte Sedrin. „Und mein Vater, du weißt ja, dass er tot ist.“ „Interessant.“, sagte Tymoron. „Aber jetzt zum Geschäftlichen. Du ließest ausrichten, es ginge um eine Wollkatze Namens Yara, welche die Ermordung ihres Frauchens gesehen haben soll?“ „Das stimmt.“, sagte Sedrin bestätigend. „Es ist wahrscheinlich durch den Schwiegersohn des Opfers geschehen, der durch einen hier am SITCH nicht unbedingt zu erwähnenden Umstand telepathisch geworden ist. Er ist Terraner.“ „Ah ja.“, brummelte Tymoron und notierte etwas in ein Pad. „Dann weiß ich schon, welchen Dummy wir brauchen. Es wäre gut, wenn du an getragene Kleidungsstücke unseres Verdächtigen Nummer eins kommen könntest. Wollkatzen sind zwar eigentlich Sichtjäger, aber der Geruch spielt auch eine Rolle. Je nach dem, wie sich Yara dann verhält, werden wir sehen, ob er es wirklich war und ob der Wäscher vom Mars endlich ein Gesicht bekommt. Du hörst, ich lese auch Zeitung. Wir werden aber auch noch jemanden benötigen, zu dem das Tier eine positive Beziehung hat. Notfalls den Lieblingspfleger aus dem Tierheim.“ „Das lässt sich bestimmt machen.“, sagte Sedrin. „Wichtiger ist mir jetzt, ob du überhaupt noch einen Termin frei hast.“ „Hätte ich sonst hier so lange mit dir geredet?“, fragte Tymoron und kam dabei für sie schon etwas altklug rüber. „Sicher nicht.“, beschwichtigte sie. „Na also.“, sagte er. „Dann würde ich sagen, dass ich nächste Woche Mittwoch bei euch aufschlage.“ „Das ist OK.“, sagte die Demetanerin und beendete die Verbindung: „Bis dann.“ Auch sie war neugierig geworden und freute sich insgeheim bereits sehr auf seine Ankunft.

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