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Saron war in den Keller des Regierungsgebäudes auf Elyrien gegangen, wo sich das Archiv befand. Er hatte diese Arbeit immer wieder vor sich her geschoben, wusste aber jetzt, dass es wohl keinen Ausweg mehr geben würde. Er fühlte sich aber sehr schlecht dabei. Er wusste noch genau, was seine Vorgesetzte ihm auf dem Flug gesagt hatte. Von Heldentötung hatte sie gesprochen! Er hoffte sehr, dass die Seine nicht die Hand an der Klinge sein würde, durch die dieser Held, von dem ihm bereits in der Grundschule erzählt worden war, sterben würde. Sisko wurde ihm immer als ein sehr integerer Mann, ja fast schon als gottgleiche Lichtgestalt, dargestellt. Er war ja auch zur Hälfte ein außerirdisches Wesen, das sogar von einer Spezies in seinem heimatlichen Quadranten als göttlich verehrt wurde. Also konnte doch an ihm nichts Böses sein, oder? Aber was war, wenn in diesem Fall seine menschliche Hälfte die Oberhand gehabt hatte und ihn quasi dazu gezwungen hatte. Der Mensch war schließlich zu vielen Schandtaten fähig, wenn es um sein eigenes kleines Leben ging. Aber einen Überlebensinstinkt zu besitzen, konnte doch im Grunde auch nicht schlecht sein, denn die Natur hatte es doch so eingerichtet, dass die Spezies leben sollten. Warum sonst hätte sie dann erst Wesen entstehen lassen? War es also doch auf einer gewissen philosophischen Ebene legitim, was Sisko eventuell getan haben sollte?

Unfähig, diese Frage für sich zu entscheiden, setzte er sich an einen der Rechner, die zur Suche nach historischen Dateien allen Mitarbeitern hier zur Verfügung standen und gab seine Benutzerdaten ein. Dabei schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er hoffte inständig, nichts zu finden, denn er wollte wie gesagt nicht am Sturz eines Helden schuld sein. Er wusste, dass man die Suche auf jeden Fall zu ihm zurückverfolgen konnte, wenn er etwas finden würde.

Das Programm war geladen und die Frage nach dem zu suchenden Schlagwort trieb ihm die Tränen in die Augen, denn der Sekretär ahnte, dass er jetzt nichts gegen den Sturz des Helden seiner Kindheit mehr tun können würde. Die Zeilen: „Willkommen, Mr. Saron! Bitte Suchbegriff eingeben!“, waren für ihn schon fast wie eine Aufforderung zur Revolte. Er starrte Minuten lang auf den Schirm, ohne irgendwas zu tun.

„Kann ich helfen?“, eine glockenhelle Stimme hatte ihn erschreckt. Erst jetzt sah Saron die Silhouette einer Frau, die langsam hinter den Regalen mit den Datenkristallen hervortrat. Sie war Celsianerin. Das konnte der hoch gebildete Sekretär durchaus erkennen. Zumal ihre herzförmigen Augen auch noch sehr durch ihre Art, sich zu schminken, betont wurden. Sie war etwa 1,70 m groß, schlank und trug ein blaues Kleid aus seidigem Stoff, das ihr knapp bis über die Knöchel reichte. Ihre Arme waren von langen Ärmeln bedeckt, die von neckischen Rüschen abgeschlossen wurden und sich in Richtung der Bündchen leicht verjüngten. Im flachen züchtigen Ausschnitt, der ihre weiblichen Reize nicht zu sehr betonte, prangte der Anhänger einer silbernen Halskette, der die Form eines Katzenkopfes hatte. Die grünen Augen der Katze, die aus replizierten Smaragden bestanden und sich vom Silber des Anhängers abhoben, schauten feurig und geheimnisvoll zu gleich. Das gab dem Anhänger ein sehr geheimnisvolles und rätselhaftes Aussehen, was, wie die Frau fand, als sie sich den Schmuck ausgesucht hatte, sehr gut zu einer Archivarin passte. Zu dem Kleid trug sie rote Schuhe, die auf der Spitze kleine weiße Bommel hatten und mit kleinen etwa 2 cm hohen Absätzen versehen waren.

Erneut fühlte sich Saron ertappt. Er hatte sogar das Gefühl, in seine Kindheit zurückversetzt worden zu sein und war für einen Augenblick wieder der kleine Junge, den man beim Genuss verbotenen Naschwerks erwischt hatte. Er warf ihr einen verschämten Blick zu, konnte sich aber nicht wirklich vom Bildschirm und der Eingabeaufforderung lösen. Dass der Computer ihn sogar mit seinem Namen identifiziert hatte, machte die Situation nicht wirklich leichter für ihn. Im Gegenteil!

Immer noch im Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, stellte er zunächst die Bedienung des Programms im Systemmenü von Stimm- auf Tastaturbedienung um. Aber kaum hatte er die Einstellungen beendet, war die ungeliebte Eingabeaufforderung wieder da.

Verloren sah sich Saron im Raum um. Wieder streifte sein Blick die Silhouette der Fremden, die er hier zuvor noch nie gesehen hatte. Er beschloss, zunächst mit ihr ein unverfängliches Gespräch zu beginnen. Das würde ihn sicher ablenken von dem, was er unter Umständen zu tun hatte. „Oh, ich habe Sie gar nicht bemerkt, Miss …“ Er überlegte merklich. „Dalylla Sendor.“, stellte sie sich lakonisch vor. „Ich bin die neue Archivarin.“ Wieder zuckte Saron zusammen. Ihr Nachname, der zugleich wie in den meisten Sprachen üblich, die keine Familiennamen an sich kannten, der Vorname ihres Mannes sein musste, wies ihn darauf hin, dass sie wohl mit einem der Netzwerker verheiratet sein musste. Andererseits war Sendor vielleicht auch ein auf Celsius sehr weit verbreiteter Name und er musste sich keine Sorgen machen, dass die Sache demnächst noch größere Wellen schlagen würde. Die Netzwerker überwachten ja sicher auch die Rechner im Archiv und hatten sicher schon gesehen, dass er jetzt bereits gefühlte zwei Stunden in der Eingabeaufforderung fest hing, ohne, dass sich etwas Signifikantes getan hatte. Wenn die Sprechanlage jetzt piepen würde, hätte er Gewissheit, was die Situation für ihn nicht gerade besser machte.

Jener ungeliebte Ton gellte auch bald durch den Raum. Er tat Saron regelrecht in den Ohren weh. „Entschuldigen Sie mich kurz.“, sagte Dalylla und wendete sich kurz der Anlage zu, die sie auf Lautsprecher gestellt hatte, um im Notfall die Hände für anderes frei zu haben. Im Display war das Rufzeichen der Informatikabteilung mit dem Unterrufzeichen von Sendors Arbeitsplatz zu sehen, der zugleich Leiter der Abteilung war. „Is’ bei dir alles klar, Schatz?“, fragte er. „Ich mein’, ich seh’ gerade, dass sich der Sekretär von Nugura im Archiv angemeldet hat, aber nichts macht. Der Rechner hängt aber nich’ fest. Kommt ihr klar?“

Erneut schnürte sich Saron die Kehle zusammen. Er wusste jetzt genau, dass es sich um jenen Mr. Sendor handeln musste, mit dem diese Frau verheiratet war, den er selbst sehr gut kannte. „Bitte sagen Sie, dass alles in Ordnung ist.“, bat er sie inständig. „Bitte, Dalylla. Es ist sehr wichtig!“ „Das werde ich nicht tun!“, sagte Dalylla fest. „Weil ich nämlich den Eindruck habe, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt, Mr. Saron. Sie sind ausgebildeter Sekretär und benehmen sich hier gerade, als könnten Sie den Rechner nicht bedienen. Was zur Hölle is’ hier los?!“

Saron war nicht entgangen, dass sie sich mit dem Sprechen zunächst große Mühe gegeben hatte, um ihre flapsige celsianische Sprache gut zu verschleiern, denn sie ahnte wohl, dass es einen sehr ernsten Hintergrund haben musste, wenn Saron solche Schwierigkeiten hatte. Das war ihr auch gut gelungen, bis auf ihren letzten Satz. „Bitte wenden Sie sich ab, Dalylla.“, bat Saron. „Ich möchte nicht, dass Sie das sehen.“ „Was soll ich denn nich’ sehen?“, flapste sie zurück. „Wenn Sie Geheimsachen nachzusehen haben, dann wäre es doch bestimmt besser gewesen, das von Ihrem Büro aus zu machen. Ich mein’, die Rechner sind doch alle untereinander vernetzt. Wenn Sie dabei nich’ klar gekommen wären, hätten Ihnen mein Mann und seine Mitarbeiter sicher geholfen.“ „Nein! Um Mutter Schicksals Willen!“, sagte Saron und betonte es so, dass sie denken musste, sie habe etwas Schreckliches von sich gegeben. Etwas, das einer Aufforderung zu einem Verbrechen gleich kam, oder zumindest dem Angebot zur Mittäterschaft bei eben diesem.

Dalylla ließ ihn nicht aus den Augen. Sie sah jetzt, wie er versuchte, die Schlagworte: „Sisko, romulanische Gesandte.“, und: „Mord.“, einzugeben, sich aber mehrmals dabei vertippte. Sie bemerkte, dass er dabei immer wütender auf sich selbst wurde. „So was.“, brummelte er vor sich hin. „Ein ausgebildeter Sekretär und kann noch nicht mal richtig schreiben!“

Erneut war das Piepen der Sprechanlage zu hören, das ihn erschreckte. Dalylla nahm das Gespräch entgegen. „Es tut mir leid, Schatz.“, hörte Saron erneut die Stimme des ihm bekannten Netzwerkers aus dem Lautsprecher. „Aber ich konnte einfach nich’ widerstehen. Was bitte macht dieser Saron da unten bei dir? Ich glaub’, hier braucht mal jemand Hilfe! Ich komm’ am besten selbst.“ Damit hängte er das Mikrofon für beide gut hörbar ein und die Verbindung wurde automatisch beendet, da die Sprechanlage entsprechend eingestellt war. „Er ist unterwegs.“, sagte Dalylla. „Ab jetzt gibt es kein Zurück mehr.“ „Bitte, wimmeln Sie ihn wieder ab.“, bat Saron verzweifelt. „Es ist besser, wenn so wenige Leute wie möglich von der Sache erfahren. Haben Sie eine Ahnung, was das auslösen könnte, wenn …“

Er begann plötzlich zu zittern und fiel vor ihren Augen vom Stuhl. Sie hockte sich neben ihn und zog ihn an sich im Versuch, ihm beim Aufstehen behilflich zu sein. Da er aber sehr weiche Knie hatte, gelang ihr das nicht. Deshalb nahm sie ihn einfach so in den Arm, wie die Beiden jetzt hier auf dem Boden des Archivs saßen.

Saron bemerkte, wie gut ihm ihre Anwesenheit tat. Er genoss den Duft ihres Parfums, das ihn stark an eine heimische demetanische Blume erinnerte. Auch der weiche seidige Stoff ihres Kleides gab ihm ein Gefühl der Geborgenheit. „Sch.“, machte Dalylla. „Is’ ja gut. Oh, Backe! Dass der Job in Nuguras Büro so stressig is’, hätte ich nich’ gedacht. Sie verhalten sich ja, als hätten Sie einen Schock!“ Sie sah, dass er immer blasser und blasser wurde.

Die Tür öffnete sich. „Bist du hier, Dalylla?!“, fragte eine tiefe Stimme ins Halbdunkel des Raumes. „Ja, Sendor.“, antwortete sie, die diese Stimme durchaus erkannt hatte. Dann sah sie, wie sich ihr Mann auf die Beiden auf dem Boden sitzenden zu bewegte. „Ach du Scheiße!“, urteilte Sendor, packte Saron mit seinen kräftigen Händen an den Schultern, zog ihn hoch und verfrachtete ihn, auch gegen seinen Willen, auf einen Stuhl. Dann holte er zwei kleine in der Höhe verstellbare Hocker, die an sich als Tritthilfe dienten, um an die oberen Etagen der Regale kommen zu können, stellte sie auf die größtmögliche Höhe ein und schob sie unter Sarons Beine. „So, mein Bester!“, sagte er nach getaner Arbeit. „Meine Frau holt Ihnen jetzt erst mal ’n Arzt und ich seh’ mir die Bescherung mal an, die sie hier verzapft haben!“ Damit wandte er sich dem Rechner zu: „So, mein Kleiner! Zeig Papa mal, was du hast!“

Unfähig, sich in dieser Situation noch irgendwie zu wehren, saß Saron da und sah sich an, was Sendor ans Tageslicht zauberte. „Was haben Sie denn da für Suchbegriffe eingegeben?“, fragte Sendor. „Na, bei denen würde ich auch einen Schock erleiden. Fragt sich nur, wer hier wen umgebracht haben soll. Sisko die Romulaner, oder die Romulaner Sisko.“ Er lachte, denn er hoffte mit diesem kleinen Witz Sarons Stimmung etwas aufheitern zu können. Durch einen Seitenblick bemerkte er aber bald, dass er genau das Gegenteil erreicht hatte. „Oha.“, machte er. „Dann sind die Geschichten, die dieser Wäscher vom Mars erzählt, eventuell doch wahr?“

Saron schlug die Hände über dem Kopf zusammen und begann bitterlich zu weinen. „Ach du dicker Hund!“, meinte der Netzwerker lakonisch. „Das bedeutet, sie will tatsächlich wissen, ob da was Wahres dran is’. Na gut. Dann wollen wir mal!“ Er bestätigte Sarons Eingaben. „Bitte nicht, Mr. Sendor!“, schluchzte Saron verzweifelt. „Bitte nicht!“ „Is’ schon zu spät.“, sagte Sendor. „Er sucht bereits und das tut er im ganzen Netz. Das könnte jetzt etwas dauern.“

Er nahm die Hand seiner Frau und zog sie hinter eines der Regale, wo er mit ihr gleich ein Gespräch in ihrer Muttersprache begann, von dem Saron nur die Worte: „Nang.“, und: „Quet.“, verstehen konnte, die: „Ja.“, beziehungsweise: „Nein.“, bedeuteten. Die Sprache erinnerte das gut geschulte Ohr des Sekretärs entfernt an die Sprache der Thai, die auf der Erde gesprochen wurde. Was die Beiden jetzt besprachen, konnte er allerdings nicht heraushören, da sich seine Kenntnisse des Celsianischen auf nur diese beiden Worte beschränkten. Aber da sie ihre Diskussion sehr aufgeregt führten, konnte er sich denken, dass es wohl um seine Situation ging. Dann sah er, wie sich Dalylla zu einer Sprechanlage begab und ein externes Rufzeichen eingab, während sich Sendor zurück an den Rechner setzte.

Mit einem Seitenblick zu ihm beobachtete der Netzwerker den Bildschirm. „Also.“, sagte er. „Er is’ jetzt fertig. Zu Ihrer Beruhigung: Gefunden hat er nichts. Aber das muss ja nichts heißen. Wenn das wirklich so ’ne Geheimsache war, dann wird auch nichts darüber an die Öffentlichkeit geraten sein. Wir könnten noch bei den Geheimdiensten nachfragen, aber dann brauchten wir ’ne Sondergenehmigung.“ „Ist schon OK, Sendor.“, sagte Saron, der sich angesichts seiner Worte sehr erleichtert vorkam.

Dalylla war von ihrem Gespräch zurückgekehrt und setzte sich jetzt auch zu Saron und ihrem Mann. „Ich habe unserem Hausarzt Bescheid gegeben.“, sagte sie und legte Saron tröstend ihre kleine rechte Hand auf die Schulter. „Er ist sehr freundlich und kommt gleich. Er ist auch psychologisch geschult. Von ihm werden Sie sicher Hilfe bekommen.“ „Danke, Dalylla.“, sagte Saron. „Aber ich glaube, es geht mir schon viel besser.“

Er versuchte aufzustehen, aber seine Beine versagten ihm den Dienst, was zur Folge hatte, dass er gleich wieder hinfiel. Dalylla raunte ihrem Mann aufgeregt etwas auf Celsianisch zu, was ihn veranlasste, sofort hinzu zu springen und ihn auf einen Bürostuhl zu ziehen, den sie ihnen eilig hingeschoben hatte und der jetzt als Rollstuhl zweckentfremdet wurde. „Ne, ne, mein Junge.“, lachte der etwas kräftig gebaute Celsianer. „Nich’ ohne mich. Nich’ ohne Onkel Sendor. Bis der Arzt hier war, machen Sie keinen Schritt allein, verstanden?“ „Aber ich muss ...“, stammelte Saron. „Die Ergebnisse …“ „Das lassen Sie mal unsere Sorge sein.“, sagte Sendor zuversichtlich und Dalylla pflichtete bei: „Ich werde ihr mitteilen, dass Sie nichts gefunden haben. Ich werde ihr ja ohnehin melden müssen, dass Sie krank geworden sind, weil es an meinem Arbeitsplatz geschehen ist.“ „Bitte nicht, Dalylla.“, sagte Saron mit einem Flehen in den Augen. „Sie darf es nicht erfahren!“ „Und wie wollen Sie dann Ihre Abwesenheit im Büro erklären, he?“, fragte Sendor. „Sie haben ja Recht.“, sagte Saron. „Aber es ist doch wirklich beschämend, wie ich mich verhalten habe, oder?“ „Ne.“, urteilte Sendor. „Also, in meinen Augen is’ Ihr Verhalten ganz normal. Wenn mir plötzlich jemand den Boden unter den Füßen weg ziehen würde, dann würde ich sicher genau so reagieren. Ich mag zwar nur ’n ungehobelter Celsianer sein, der oft flapsig daher quatscht, aber ich bin nich’ doof. Hab zufällig auch vor ’nem Sprechgerät gesessen, als die Übergabe von Meilenstein übertragen werden sollte. Ich weiß auch, wessen die Romulaner und der Fremde uns beschuldigen und dass wir nix finden, heißt nich’, dass da nix war. Immerhin war Sisko ein Held und das gebe einen hübschen schwarzen Fleck auf seiner weißen Weste. Aber irgendwoher muss die Info ja kommen. Mein Bauch sagt mir auf jeden Fall, dass der komische Fremde sich das alles nich’ ausgedacht hat und ich hab’ ’n großen Bauch. Wenn wir da mal nich’ ’ner ziemlich unbequemen Wahrheit auf der Spur sind, mein Lieber!“

Die Worte des Netzwerkers, der wohl nicht ganz an die Unschuld Siskos glaubte, waren für den Sekretär, der dies immer noch tat, wie ein Stich ins Herz. Aber wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was vermutet wurde, dann musste er sein Bild vom strahlenden Helden wohl noch einmal überdenken. Aber im Augenblick war er dazu überhaupt nicht in der Lage. Das würde sich wohl erst nach einigen therapeutischen Sitzungen bei Dalyllas und Sendors Hausarzt ändern.

Dalylla, die vor das Haus getreten war, kam jetzt mit einem älteren Terraner im weißen Kittel, der etwa 1,80 m maß und eine drahtige Figur und rote kurze Haare hatte, zurück, der seinen Jeep gut sichtbar auf dem Parkplatz abgestellt hatte. „Ich bin Doktor Joseph Jenkins.“, stellte er sich bei Saron vor. „Ich werde mich jetzt um Sie kümmern. Keine Sorge, Mr. Saron. Überarbeiten kann sich jeder mal.“ Damit gab der fremde zivile Mediziner Sendor einen Wink und die Männer verfrachteten Saron gemeinsam auf die Rückbank des Jeeps, während Dalylla ihnen alle Türen aufhielt. Insgeheim war Saron sehr froh, dass ihm jetzt Hilfe zuteil wurde. Er hätte nicht gewusst, wie er allein mit den schlimmen Gedanken an Siskos eventuelle Schuld fertig werden sollte.

Wesentlich neutraler gingen die Xylianer mit der Situation um, obwohl sie eigentlich viel mehr Grund gehabt hätten, erschüttert zu sein, denn sie hatten tatsächlich etwas gefunden. Aus den alten Aufzeichnungen der Station Deep Space Nine, die ihnen durch Nuguras Anordnung überantwortet worden waren, ging tatsächlich eine eindeutige Schuld Siskos hervor! Man hatte bei der Untersuchung der Kristalle aus der Station und den Shuttles eindeutige Dinge zutage gefördert. Da waren nicht nur die Aufzeichnungen von Gesprächen und die danach erfolgte Entdeckung der Fälschung des thermolytischen Datenstäbchens, sondern auch das Gespräch zwischen Sisko und dem Zivilisten Garak zu sehen, der den Mord schließlich ausgeführt und sich sogar noch damit gebrüstet hatte. Aber es gab keinen Weg, der an Siskos Schuld vorbeiführte, den Mord geplant zu haben, auch wenn ein anderer die makabere Gelegenheit ergriffen hatte. Auf einem Datenkristall des Shuttles Rio Grande war nämlich ein vollständiges Geständnis des Captains zu finden. Er hatte dies zwar gelöscht, nachdem er, so zu sagen als Therapie, dem Logbuch alles mitgeteilt hatte, diese Löschung war aber nicht durch Expertenhand, sondern nur durch einen einfachen laienhaften Löschbefehl erfolgt, was es den Xylianern sehr leicht machte.

Ein kleines Modul machte sich also auf den Weg zum Zentralring, um A/1 die neuen Fakten mitzuteilen. Es war mit zwei Sonden, die eine männlich, die andere weiblich, besetzt. Die Sonden hatten den Datenkristall mit den Beweisen dabei. Nachdem das Staatsoberhaupt informiert war, würde er die Fakten sicher Nugura und den Romulanern gleichermaßen mitteilen, wie es ihnen versprochen worden war.

Das Modul näherte sich einer freien Andockrampe am Zentralring und machte fest. Dann verließ die weibliche Sonde es, während die Männliche an Bord blieb. Ihr Weg führte sie nun durch unzählige Gänge zum Mittelpunkt des Ringes, wo sie A/1 antraf. Sofort hatte dieser sie registriert und über ihr Rufzeichen, das ihm durch ihr Präsenzsignal, von dem es ein Teil war, mitgeteilt wurde, Verbindung zu ihr aufgenommen. „Welche Erkenntnisse hast du gewonnen, J/12?“, fragte er die Daten von der vor ihm stehenden Sonde ab. „Die Bioeinheit Benjamin Sisko ist schuldig.“, sagte die Sonde. „Er hat den Mord an den romulanischen Gesandten tatsächlich geplant. Die Informationen der fremden Bioeinheit sind also korrekt. Es gibt eine weitere in den Fall verstrickte Bioeinheit Namens Garak. Er hat den Mord schließlich ausgeführt.“ „Handelte die Bioeinheit Garak auf Befehl der Bioeinheit Sisko?“, wollte das xylianische Staatsoberhaupt von der ihm unterstellten Wissenschaftlerin erfahren. „Die Fakten sind meiner Interpretation nach in dieser Frage nicht eindeutig.“, antwortete J/12. „Wir müssen eine Sonde in unsere Konferenz integrieren, die eine fundierte Expertise zum Verhalten von Bioeinheiten abgeben kann.“ „Zeig mir die Daten, die du gesammelt hast!“, befahl A/1 und J/12 steckte den mitgebrachten Datenkristall in ein Laufwerk an einer Konsole. An die gleiche Konsole hefteten sich dann auch sie und A/1 per Kommunikationsverbindung. Dann sahen sie sich alles an, was die wissenschaftlichen Ermittlungen der Sonden erbracht hatten.

A/1 löste sich als Erster wieder von der Konsole und sah seine Untergebene niedergeschlagen an. „Diese Daten sind zu 80 % eindeutig.“, stellte er fest. „Wir sollten aber abschließend klären, ob die Bioeinheit Garak auf Befehl der Bioeinheit Sisko gehandelt hat, oder nicht. Die Fakten wird das nicht ändern, aber es wird der Bioeinheit Nugura ein besseres Verständnis ermöglichen. Allerdings wird die Beziehung zwischen den Romulanern und der Föderation enden, wenn wir das Verhalten von Bioeinheiten korrekt einschätzen. Ein Krieg scheint sogar möglich.“

Er heftete sich wieder an die Konsole und gab einen Suchbefehl ein, der den Rechner nach Daten über das Verhalten von Bioeinheiten im Allgemeinen suchen ließ. Außerdem nach der Kennung der Sonde, die am meisten Daten zu diesem Thema eingestellt hatte. Am Ende dabei heraus kam die Kennung von D/4, mit der A/1 über einige Relaisstationen sofort Kontakt aufnahm. „Es existieren ungeklärte Fakten im System.“, begründete er die Störung ihrer Regeneration, zu der sich D/4 gerade an ihre Dockingstation begeben hatte. „Deine Expertise ist notwendig. Bitte schalte deine Systeme frei, um in unsere Konferenz integriert zu werden. Die fraglichen Daten werden dann auch dir zur Verfügung gestellt. Deine Assistenz bei der Lösung dieser Frage ist unverzichtbar!“ „Verstanden.“, gab D/4 zurück und tat, worum sie gerade von ihrem Staatsoberhaupt gebeten worden war. Jetzt konnte auch sie sich ansehen, vor welcher Frage er und J/12 standen. „Eure bisherige Einschätzung ist korrekt.“, urteilte sie. „Das Ende der Beziehung zwischen der Föderation und den Romulanern ist eminent. Ein derart schweres Verbrechen wird nicht toleriert werden. Dieser Fakt wird zu einem Bruch zwischen Nugura und dem Staatsoberhaupt der Romulaner führen. Dieser Bruch wird das Ende der Beziehungen herbeiführen. Ein politischer Bruch ist eminent. Die Romulaner könnten dies sogar als einen Grund sehen, die Föderation, welche sie so hintergangen und belogen hat, erneut als Feind anzusehen. Ein Krieg wäre eventuell das Ergebnis.“ „Kannst du beantworten, ob die Bioeinheit Garak auf Befehl der Bioeinheit Sisko gehandelt hat?“, fragte A/1. „Affirmativ.“, erwiderte die ältere weibliche Sonde. „Das kann ich. Meiner Analyse des Verhaltens der Bioeinheit Sisko gegenüber der Bioeinheit Garak nach hat die Bioeinheit Garak nicht auf Befehl der Bioeinheit Sisko gehandelt. Aber dieser Nebenfakt ist irrelevant. Er ändert nichts an dem Fakt der Schuld der Bioeinheit Sisko, auch wenn die Bioeinheit Garak auf eigene Faust gehandelt hat. Aber Fakt bleibt, dass die Bioeinheit Sisko den Mord geplant hat, um den Formwandlern später die Schuld zuzuweisen. Dies ist ein Verhalten, zu dem ein Sternenflottenoffizier den eigenen Angaben der Föderation nach niemals greifen darf. Da Sisko als ein Solcher aber dagegen verstoßen hat, werden die Romulaner dies der Föderation vorwerfen. Das Ende der Beziehung wird eminent sein.“ „Hältst du auch einen Krieg für eminent?“, fragte J/12, die eine noch sehr junge Sonde war und sich noch nicht so gut mit der Welt außerhalb des Systems auskannte, direkt an D/4 gerichtet. „Negativ.“, sagte D/4. „Ich halte einen Krieg für möglich, aber nicht für eminent. Die Bioeinheiten haben immer wieder gezeigt, dass sie sich auch entgegen der Wahrscheinlichkeiten verhalten können. Das Verbrechen, den Mord an den romulanischen Gesandten, werden sie aber nicht verzeihen.“ „Auch dann nicht, wenn er durch einen einzelnen Zivilisten ausgeführt wurde?“, fragte die junge Sonde. „Auch dann nicht!“, sagte D/4 mit Überzeugung. „Denn die vorliegenden Fakten und dieses Geständnis zeigen eindeutig, wer die treibende Kraft war und das war ein Föderationsoffizier. Er hat den Zivilisten so zu sagen zu seiner Handlung inspiriert. Zumindest werden meiner Analyse nach die Romulaner es so betrachten. Die meisten Bioeinheiten handeln sehr emotional. Unsere Erkenntnisse werden die Beziehung beenden. Eine politische Eiszeit ist eminent!“

A/1 bedankte sich noch bei seiner Untergebenen und beendete dann schnellstens die Verbindung. Es war ihm klar geworden, dass J/12 die Situation ziemlich zusetzte. Da die Xylianer ja in gewisser Weise ein Verständnis für Emotion besaßen, war ihm klar, dass sie das Ganze wohl ziemlich unheimlich finden musste. „Denkst du, dass D/4 mit ihrer Analyse Recht hat?“, fragte sie. „Affirmativ.“, antwortete das Staatsoberhaupt der Xylianer. „Sie lebt jetzt schon seit über zehn Jahren unter Bioeinheiten. Ihre Kenntnisse über deren Verhalten sind fundiert. Die Bioeinheiten der Föderation und der Romulaner haben einen Grundsatz in ihrem Strafrecht: Mord verjährt nicht! Allein aufgrund dieses Faktums werden sie den Mord an den Gesandten nicht verzeihen. Noch dazu werden sie nicht tolerieren, dass die Föderation die Romulaner 800 Jahre lang belogen hat. Etwas, das laut ihrem Kodex auch nicht passieren darf. Die Romulaner hätten also jedes Recht, der Föderation die bekannten Fakten vorzuwerfen.“ „Wie wirst du vorgehen?“, wollte die junge Sonde wissen. „Ich werde mich mit dem Modul, mit dem du gekommen bist, zum Regierungsgebäude der Föderation bringen lassen. Dann werde ich Nugura die Fakten selbst überbringen. Danach werde ich mit ihr gemeinsam entscheiden, ob sie oder wir den Romulanern die Ergebnisse mitteilen sollen.“

Mittels seiner internen Kommunikationseinheit nahm er Kontakt zu einer weiblichen Sonde auf, die im Hintergrund wartete. Es war A/2, die immer mit ihm im Zentralring anwesend war. Per Datenlink übergab er ihr quasi seine Amtsgeschäfte und wandte sich dann wieder an die junge Sonde: „Bring mich jetzt zu eurem Modul!“ Sie nickte und winkte ihm, ihr zu folgen.

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