- Schriftgröße +

 

In Sytanias Schloss saß Dirshan noch immer vor dem Kontaktkelch. Statt des Geschehens auf der Werft hatte er sich aber uns zugewandt, denn er fand es wohl doch ziemlich langweilig, dem schwarzhaarigen Celsianer bei der Ausübung seiner Arbeit an IDUSA zuzusehen. Er hoffte nur, dass die Prinzessin ihn nicht bei der Vernachlässigung seiner Pflicht erwischen würde.

Schnelle weibliche Schritte zwangen ihn dann jedoch, die für ihn sehr amüsante Ablenkung doch aufzugeben. Sytania musste, ungeduldig wie sie nun einmal war, nicht mehr die Muße gehabt haben, bis zu seinem Bescheid abzuwarten. Schnell schaltete Dirshan das Bild des Kontaktkelchs um, damit sie seinen kleinen Fehler nicht bemerken würde. Es war aber nicht nur die Langeweile ob der endlosen Zahlenkolonnen auf dem Bildschirm der Diagnosekonsole des Celsianers gewesen, die ihn dazu veranlasst hatte, uns statt seiner zu beobachten. Schon lange war dem Novizen das Verhalten seiner Herrin sehr suspekt gewesen. Er hatte die fast despotische Art, wie Sytania über ihre Dimension herrschte, nie wirklich gut heißen können. Im Grunde seines Herzens war er ein gutes Wesen und konnte eigentlich mit ihrer Bosheit nichts anfangen. Er hatte sich schon des Öfteren gewünscht, auf der Seite des Dunklen Imperiums geboren zu sein, die von Sytanias Vater Logar beherrscht wurde. Die Ideale der dortigen Vendar und auch die des dortigen Herrschers gefielen ihm weitaus besser. Logar würde niemals die Sterblichen in der Art benutzen, wie es Sytania tat und wenn es dann doch mal dazu kommen sollte, dann würde er dies nur mit ihrem Einverständnis tun! Der junge Vendar rang mit sich, ob er es nicht irgendwann wagen sollte, zu Logar über zu laufen. Aber er konnte einfach noch keinen Entschluss fassen.

„Was weißt du Neues?!“ Eine strenge Stimme hatte ihn erschreckt und aus seinen Gedanken gebracht. Das hatte aber auch zur Folge, dass seine Verbindung zum Kontaktkelch abbrach, was wiederum den angenehmen Effekt hatte, die Dinge, die er gesehen hatte, sofort zu löschen. So würde Sytania nie darauf kommen, was er beobachtet hatte. „Es gibt nichts Neues, Milady.“, meldete Dirshan, nachdem er sich gefangen hatte. „Allrounder Betsy und ihre Freunde sind in einer celsianischen Kneipe dabei, eine Party zu feiern. Sie spielen ein Spiel und …“ „Deren lächerliche Beschäftigungen interessieren mich nicht!“, schalt ihn Sytania, der gegenüber er jetzt doch seine kleine Unaufmerksamkeit verraten hatte. „Auf der Werft! Was geschieht gerade auf der Werft?!“ „Bitte gebt mir einen Augenblick, Prinzessin.“, bat Dirshan, der sehr froh darüber war, dass sie wohl über sein Vergehen hinweggesehen hatte.

Er legte seine linke Hand wieder auf den Fuß des Kelchs und gab Sytania, die rechts neben ihm saß, seine Rechte, die sie in ihre Linke nahm, um ihrerseits die rechte Hand auf den Fuß zu legen. Dann konzentrierte sich Dirshan auf das Bild von dem schwarzhaarigen Celsianer, der gerade mit der Wartung IDUSAs auf der Werft beschäftigt war. „Ich kann mit diesen Dingen nichts anfangen!“, ermahnte ihn Sytania. „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du es mir erklären musst. Oder sag mir einfach nur, wann du schätzt, dass es Zeit für die Enttarnung des Schiffes sein könnte!“ „Ich denke, dieser Zeitpunkt ist gar nicht mehr so fern, Hoheit.“, grinste Dirshan tröstend. „Seht Ihr, dass der Celsianer gerade das Programm gewechselt hat? Er ist wohl mit den Messungen so weit fertig und wird sich jetzt gleich einen Ausschnitt des Schirms geben lassen wollen, um die Bildqualität der Sensoren mit den eigenen Augen zu überprüfen. Energiewerte und Spannungskurven sind die eine, aber die wirkliche Qualität der Bilder die andere Seite der Medaille.“ „Ich verstehe.“, grinste die Königstochter. „Also, wann kann ich damit rechnen?“ „Bitte bleibt hier, Hoheit.“, bat Dirshan. „Dann werdet Ihr den Zeitpunkt bestimmt nicht verpassen. Ich werde Euch Bescheid geben.“ „Das ist sehr gut.“, sagte Sytania und lehnte sich zurück. „Aber verrate mir doch: Was wird dieses Schiff genau tun, wenn …“ „Das werdet Ihr schon noch sehen.“, versicherte Dirshan. „Ich bin sicher, es wird ein Augenschmaus für Euch werden.“ „Dann freue ich mich schon darauf, mein guter Dirshan.“, sagte Sytania und nahm eine abwartende Haltung ein.

Techniker Taurus, der Mitarbeiter der Werft, der Scottys Vertretung übernommen und sich mit IDUSAs Wartung beschäftigt hatte, war gerade im Begriff, sein Pad zu entfernen. Die Beiden hatten nur per Lautsprecher und Bordmikrofon des Schiffes kommuniziert, denn Taurus war nicht im Besitz eines kompatiblen Neurokopplers gewesen. „Jetzt schnurrst du wieder wie ein Kätzchen, IDUSA.“, sagte Taurus mit seiner sonoren tiefen Stimme. „Ich finde, deine betreuende Ingenieurin auf der tindaranischen Basis hat dich echt gut in Schuss.“ „Danke.“, sagte IDUSA. „Aber ich finde, dass …“

Sie nahm plötzlich eine Erfassung mit dem Transporter vor, was Taurus gut anhand der Leuchten auf der Konsole sehen konnte. Er wusste auch, dass sich das erfasste Objekt innerhalb ihres Cockpits befinden musste. Aber was war hier noch außer ihm? Eigentlich gar nichts! „IDUSA, was machst du da?“, fragte er. „Ein vermutlich feindlicher Kontakt wurde registriert.“, sagte das Schiff förmlich. „Meldeprotokoll eins wird initiiert.“ „Was bedeutet das?“, fragte Taurus. „Das unautorisierte Personal wird evakuiert.“, erklärte IDUSA. „Das heißt wohl, dass du mich jetzt gleich von Bord beamst.“, sagte der celsianische Techniker. „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte das Schiff. „Dann hör mir mal zu.“, sagte Taurus, der durchaus der Meinung war, dass man mit ihr reden konnte. „Ich bin der Einzige, der dafür sorgen kann, dass du überhaupt irgendwas melden kannst. Die Docks sind so abgeschirmt, dass keine Kommunikation nach außen möglich ist, um eventuelle Sabotageversuche von außen zu vereiteln. Ein Schiff im Dock ist unter Umständen eine ziemliche Schwachstelle. Dein Sprechgerät wird nicht so ohne Weiteres jemanden erreichen können.“ „Die Abschirmung wurde registriert.“, sagte IDUSA anscheinend völlig unbeeindruckt von seiner Erklärung. Wie sollte sie dies auch sein? Das, was jetzt gerade in ihr ablief, war ein automatisches Protokoll. „Es wird versucht, auf vorhandene Netzwerke zur Kommunikation zuzugreifen.“ „Ach du Schande! Das tust du jetzt nicht wirklich!“, sagte Taurus, der sich extrem hilflos vorkam.

Er holte sein Pad wieder hervor und schloss es an. Dann versuchte er, sich einen Überblick über IDUSAs Systeme zu verschaffen, aber dazu kam es nicht mehr. Im gleichen Moment wurde er nämlich von Bord gebeamt und fand sich im Korridor vor dem Büro der Werftleiterin wieder. „Wenigstens bin ich gleich da, wo ich hin wollte.“, sagte er und betätigte die Sprechanlage. „Milarah, ich muss mit dir reden.“, sagte er, nachdem er bemerkt hatte, dass sie die Verbindung annahm. „Wer ist denn da überhaupt?“, fragte eine genervte Stimme von drinnen. „Ich kann leider meine Mitarbeiter noch nicht allein an der Stimme erkennen!“ „Hier ist Taurus.“, sagte er. „Der Techniker, den du für die Wartung des tindaranischen Schiffes eingeteilt hattest. Bitte lass mich ein. Ich möchte das Ganze nicht hier auf dem Flur besprechen.“

Er bemerkte, dass die Türen vor ihm auseinander glitten. Erleichtert betrat er das Büro seiner Vorgesetzten. „Was ist los, Taurus?!“, fragte Milarah und schob dem völlig blassen Techniker einen Stuhl hin. „Ich habe gerade ihre Sensoren gewartet.“, sagte er. „Da muss sie wohl etwas gesehen haben, das ein automatisches Protokoll bei ihr ausgelöst hat. Wenn du deinen Computer bemühst, dann wirst du vielleicht sehen, dass sie versucht, sich in das Kommunikationsnetzwerk der Werft einzuhacken.“

Milarah setzte sich an ihren Schreibtisch und schaute auf den Bildschirm ihres Rechners. „Das sehe ich.“, sagte sie. „Aber warum soll es das tun?“ „Ich denke, es muss jemanden auf seiner Heimatwelt erreichen oder so.“, sagte der Techniker. „Jedenfalls würde nichts anderes einen Sinn machen.“ „Denkst du, dass wir herausfinden können, wen es sprechen will?“, fragte Milarah. „Das glaube ich nicht.“, sagte Taurus. „Wir sind unautorisiertes Personal, weil wir keine tindaranische Militäruniform tragen, denke ich. Dieses Meldeprotokoll eins muss was Militärisches sein, über das uns die Tindaraner nicht informiert haben.“

Milarah kramte in ihrem Schreibtisch. „Wo habe ich ihn denn?“, fragte sie. „Was meinst du?“, fragte Taurus. „Ich rede von dem Datenkristall, auf dem ich die Rufzeichen gespeichert habe, unter denen dieser tindaranische Pilot zu erreichen ist. Wenn uns jetzt einer helfen kann, dann sicher nur er.“ „Kann ich dann mit ihm reden, Milarah?“, fragte Taurus. „Ich meine, schließlich bin ich Zeuge.“ „Natürlich.“, sagte die Werftleiterin und machte ein erleichtertes Gesicht, weil sie den Kristall endlich gefunden hatte. Sie schob ihn in ein Laufwerk und rief die entsprechende Datei auf. Taurus und sie sahen eine Liste vor sich auf dem Bildschirm. „90 % dieser Rufzeichen dürften auszuschließen sein.“, stellte Milarah fest. „Dort kann er im Moment wohl definitiv nicht sein. Aber dieses Rufzeichen hier halte ich für einen Treffer.“

Sie wandte sich bestimmt dem Terminal für die Sprechanlage zu und gab das Rufzeichen von Ginallas Kneipe ein, nachdem sie dem System verdeutlicht hatte, dass sie nach außerhalb SITCHen wollte. Der Ruf wurde von Ginalla persönlich entgegengenommen. „Hier ist Ginalla.“, meldete sie sich. „Ich bin Milarah.“, sagte dieselbe. „Ich bin Leiterin der Raumwerft, auf der das tindaranische Schiff gewartet wird. Es gibt Probleme. Der Pilot hat dein Rufzeichen angegeben, wenn …“ „Sekunde, Milarah.“, sagte Ginalla schmissig, die Milarah noch aus ihrer gemeinsamen Zeit in einer celsianischen Dorfschule kannte. „Ich hol’ ihn!“ Damit legte sie das Gespräch auf ein Handsprechgerät um, mit dem sie sich auf den Weg zu unserem Zimmer machte.

Es war ein schöner lustiger Abend gewesen und Shimar, Scotty und ich hatten uns nach dem Bowling wieder dort hin begeben. „Hör mal, Kleines.“, sagte Shimar und schien total gerührt. „Ich kann ja kaum fassen, wie süß du mit Malcolm gewesen bist.“ „Anscheinend hat sie doch mehr Instinkt für den Umgang mit Kindern, als …“, setzte Scotty an.

Die Sprechanlage machte unserer Unterhaltung ein jähes Ende. Statt zu antworten entriegelte Shimar die Tür aber sofort. Seine telepathische Wahrnehmung musste ihm schon verraten haben, wer da vor der Tür stand, nämlich eine total aufgeregte Ginalla, deren Hand er nur noch ergriff, um alles, was sonst noch daran hing, auf einen Stuhl zu befördern. „Was ist los, Ginalla?“, fragte er tröstend. „Ich hab’ die Leiterin der Werft hier.“, sagte Ginalla. „Es is’ irgendwas mit deinem Schiff!“ „Gib her.“, sagte der junge Tindaraner und zeigte auf das Sprechgerät in ihrer Hand, das ihm erst jetzt aufgefallen war. Mit zitternder Hand, eigentlich für sie ziemlich untypisch, streckte sie es ihm hin. „Ich bin Shimar.“, meldete er sich, nachdem er es entgegengenommen hatte. „Mein Name ist Milarah.“, stellte sich die ältere Celsianerin bei ihm vor. „Es geht um Ihr Schiff, Mr. Shimar. Aber warten Sie. Ich werde Sie direkt an einen Zeugen weitergeben.“

Da sie das Gerät auf Dauersenden gestellt hatte, bekam Shimar mit, wie es von Hand zu Hand ging. Dann hörte er, wie jemand etwas von Aufheben der Funktion murmelte und sich zu erkennen gab: „Ich heiße Taurus. Ich bin der für IDUSA zuständige Techniker. Ich brauche Hilfe! Vielleicht wissen Sie, was das soll. Ihr Schiff hat plötzlich alle Systeme blockiert und mich dann als unautorisiertes Personal bezeichnet. Dann hat sie was gesagt von einem Meldeprotokoll eins und mich einfach von Bord gebeamt. Sie versucht außerdem gerade, sich in unser Kommunikationssystem zu hacken.“ „Ich bin unterwegs. Unternehmen Sie nichts. Auf keinen Fall Gegenmaßnahmen!“, sagte Shimar, beendete die Verbindung und gab das Gerät an Ginalla zurück, die dann noch einen Wink bekam, das Zimmer sofort zu verlassen. Widerwillig tat sie dies.

Der junge Tindaraner war extrem erleichtert, als sich die Tür nach einer gefühlten Ewigkeit endlich hinter ihr geschlossen hatte. „Was ist Meldeprotokoll eins, Srinadar?“, fragte ich. „Vor Scotty und mir kannst du ja ruhig reden. Wir haben auch die gleiche Ausbildung wie du. Außerdem sind die Föderation und Tindara politische Verbündete. Wir sind keine Zivilisten.“ „Sie hat visuellen Feindkontakt.“, sagte Shimar. „Laut Protokoll muss sie das sofort ihrem Stammpiloten oder dessen Basiskommandanten melden, wenn sie ihn, also in diesem Fall mich, nicht erreicht. Wenn sie das nicht kann, darf sie alles tun, um sich das zu ermöglichen, wenn sie auf sich gestellt ist und das ist sie jetzt. Ich bin ja noch nicht bei ihr.“ „Dafür benötigt sie das Kommunikationsnetz der Werft.“, kombinierte ich. „Ich meine, das Dock ist bestimmt abgeschirmt und …“ „Richtig, Kleines.“, sagte Shimar. „Würde sie auch versuchen zu starten, um nach Tindara zurück zu fliegen?“, fragte Scotty. „Das würde sie!“, bestätigte Shimar fest. „Nur Zirell oder ich können ihr befehlen, das Protokoll vorzeitig zu beenden.“ „Oh, Mann.“, sagte Scotty. „Dann sollten wir zwei mal Dampf machen. Ich fahr’ dich. Mein Jeep ist auf dem Parkplatz.“ „OK.“, sagte Shimar, stand blitzschnell auf und die beiden Männer waren aus der Tür. Ich blieb leicht verwirrt zurück.

Sytania und ihr neuer Truppenführer hatten die Situation auf der Werft und in Ginallas Kneipe beobachtet. „Du bist ein sehr guter Stratege, Dirshan.“, stellte die Prinzessin fest. „Dein Timing gerade war exzellent! Keinen Moment zu früh und keinen zu spät hast du mir Bescheid gegeben. Jetzt werde ich gleich Kontakt mit Nathaniel aufnehmen, um ihm zu sagen, dass er diesen kleinen von mir so ungeliebten Sternenflottenallrounder jetzt ruhig vergiften kann. Ihre Freunde werden ja eine Weile lang aufgehalten sein und ihr somit nicht helfen können.“ „Ich hätte da noch einen Vorschlag, Hoheit.“, sagte Dirshan. „Wir sollten die ganze Sache auf der Werft noch einwenig dringlicher gestalten.“ „Wie willst du das erreichen?“, fragte Sytania und merkte auf. Sie wusste, dass jede Art der Ablenkung jetzt das Beste für ihren Plan war. „Ihr solltet irgendeinem einfältigen Arbeiter auf dieser Werft den telepathischen Befehl geben, die Leitung zu kappen, mit der IDUSA an die Systeme der Werft gekoppelt ist. Das ist nämlich auch der Weg, über den sie versucht, sich in deren Systeme zu hacken. Wenn sie das registriert, wird sie es als Sabotage erkennen und glauben, dass man verhindern will, dass sie den feindlichen Kontakt ihrem Piloten oder dessen Basiskommandantin meldet. Dann wird sie vermuten, dass die Leute auf der Werft ebenfalls auf Seiten ihrer Feinde sind und Stufe zwei initiieren.“ „Was ist stufe zwei, Dirshan?“, fragte Sytania neugierig. „Das werdet Ihr sehen, wenn Ihr meinem Vorschlag Folge leistet, Hoheit.“, erwiderte Dirshan. „Also gut.“, sagte Sytania und konzentrierte sich auf die Geister aller Arbeiter auf der Werft. „Ich werde mir den Dümmsten aussuchen müssen.“, erklärte sie. „Es sollte aber jemand sein, der auch in der Kommunikation arbeitet.“, sagte Dirshan. „Ansonsten wäre es ziemlich verdächtig, wenn jemand aus einer anderen Abteilung plötzlich…“ „Ich weiß.“, fiel ihm Sytania ins Wort. „So dumm bin ich schließlich auch nicht.“

Im Büro der Werftleiterin beobachteten Taurus und Milarah immer noch, was IDUSA tat. Das Schiff hatte es zwischenzeitlich tatsächlich hinbekommen, die Codes für das Kommunikationssystem der Werft zu knacken. „Sieht aus, als wäre sie drin.“, stellte Taurus mit geschultem Blick fest. „Das kann ich nur bestätigen.“, sagte Milarah. „Ich denke, wir sollten uns mal dran hängen und sehen, mit wem sie spricht.“ „Das habe ich schon versuchen wollen, Milarah.“, sagte Taurus. „Aber als dieser Pilot sagte, wir sollen keine Gegenmaßnahmen ergreifen, da habe ich den Gedanken gleich wieder verworfen. Wer weiß, was sie dann macht.“ „Dieser Tindaraner wird genau wissen, was sie dann macht.“, sagte Milarah. „Er wird uns ja nicht umsonst dazu geraten haben.“

Die Sprechanlage piepte und Milarah erkannte das Rufzeichen eines Terminals in der Kommunikationstechnik. „Hier Milarah.“, gab sie sich kurz und bündig zu erkennen. „Ich bin Visentius.“, sagte ein etwas untersetzter älterer Mann mit tiefer Stimme. „Ich habe gerade die Relaisverbindung gekappt, die das Schiff mit unseren Systemen verbindet. Jetzt kann sie nicht mehr …“ „Du ausgemachter Idiot!“, entflog es Milarah. „Du hättest gar nichts tun dürfen, rein gar nichts! Hast du verstanden? Ich habe mich doch gerade in einer werftweiten Ansage an euch alle gewendet. Aber mir scheint, dass du mal wieder nicht zugehört hast. Wo war eigentlich deine Kollegin, die dir über die Schulter sehen sollte?“ „Sie war mal austreten.“, sagte der etwas dümmlich wirkende Arbeiter. „Entschuldigung, Chefin. Ich weiß auch nich’, was da gerade in mich gefahren is’.“

Genervt ließ Milarah das Mikrofon in die Halterung zurück gleiten. „Was machen wir jetzt, Taurus?“, fragte sie ihren Untergebenen, der ihr doch viel klüger schien, als der, mit dem sie gerade gesprochen hatte. „Ich denke, das wird davon abhängen, was dieses Schiff als Nächstes tut.“, sagte Taurus. „Hoffentlich macht sie nichts Schlimmes.“, sagte Milarah. „Ich meine, dieser Pilot kennt sein Schiff und wenn er uns sagt, dass wir nichts unternehmen sollen, dann täten wir wohl am besten daran, das auch zu tun. Ich kann mir vorstellen, dass einfach nur herumsitzen nicht wirklich erbaulich ist. Aber ich finde, wir müssen ihm einfach vertrauen.“ „Die Basis dafür dürfte zerstört sein.“, stellte Taurus fest und das alles nur wegen meines dämlichen Kollegen!“

Eine starke Erschütterung wurde spürbar. „Jetzt gibt es auch noch ein Erdbeben!“, sagte Milarah. „Nein, ich habe eine andere Vermutung.“, sagte Taurus. „Ich denke, das Schiff hat soeben ihren Antrieb aktiviert. Ich denke, da sie genau mitbekommen hat, was dieser ausgemachte Hohlkopf da gemacht hat, wird sie das als Sabotage und als feindlichen Akt erkannt haben. Ich denke, dass sie uns zwingen will, sie frei zu lassen. Ich kann nur vermuten, aber ich glaube, dass sie irgendwo einen Feind gesehen hat. Sonst wäre sie sicher nicht so erpicht darauf gewesen, alle Zivilisten von Bord zu bekommen.“ „Und jetzt nimmt ihr auch noch jemand die einzige Möglichkeit, mit ihrem Piloten Kontakt zu bekommen.“, sagte Milarah verständig. „Wahrscheinlich würde ich an ihrer Stelle genau so handeln, wenn ich das Gefühl hätte, in feindlicher Hand zu sein. Geh runter und sag dem Dummkopf, er soll den Stecker wieder reinstecken. Wenn er sich weigert, machst du es selbst. Vielleicht besänftigt das IDUSA.“ „Wie du willst, Chefin.“, sagte Taurus und stand auf.

„Die Celsianer sind ganz schön ins Schwimmen gekommen.“, stellte Sytania fest. „Die sind jetzt erst mal abgelenkt. Das bedeutet, ich kann Nathaniel jetzt sagen, dass er zu Betsy gehen und sich mit ihr versöhnen soll. Ihre beiden Freunde werden so schnell nicht wieder kommen. Das heißt, er hat absolut freie Bahn, um sie zu töten! Ach, wie schön kann es doch manchmal sein, die Sterblichen zu benutzen und wie erfreulich ist es doch, wenn man nicht alles nur mit Hilfe seiner Macht erledigt. Man kann das alles doch viel mehr auskosten. Aber sag mir, Dirshan, wird diese Maßnahme, die diese Celsianerin da gerade befohlen hat, überhaupt etwas bringen?“ „Ich schätze nicht viel.“, grinste der Vendar dreckig. „IDUSA wird das Kappen der Verbindung als Sabotage erkannt haben. Das bedeutet, sie wird Stufe zwei des Protokolls starten. Jede Kontaktaufnahme von Seiten der Celsianer wird jetzt wahrscheinlich als Versuch zur Übermittlung eines Virus interpretiert werden.“ „Du sagst wahrscheinlich.“, sagte Sytania. „Wie sicher bist du?“ „Unsere Quellen sind da nicht eindeutig.“, sagte Dirshan. „Aber lasst uns die Sache doch einfach weiter beobachten.“ „Einverstanden.“, sagte Sytania.

Taurus war im Wartungsraum für die Kommunikation angekommen, wo ihn ein ziemlich unschuldig dreinschauender Visentius erwartete. Der etwas untersetzte ältere Mann mit den kurzen blonden Haaren sah seinen Kollegen von Kopf bis Fuß an. „Was machst du denn hier, Taurus?“, fragte er. „Das Problem wieder lösen, das du verursacht hast.“, sagte Taurus mürrisch und drängte ihn zur Seite. „Milarah weiß schon, warum sie dich nur als Handlanger eingestellt hat. Jemandem anders einen Magnetschraubenschlüssel reichen, das kannst du vielleicht mal gerade, aber sonst bist du auch zu rein gar nix zu gebrauchen!“ Er steckte die Modulverbindung wieder zusammen. „So und jetzt werden wir mal abwarten, was passiert.“, sagte er.

Tatsächlich passierte auch bald etwas, aber leider etwas, das so gar nicht in die Vorstellung von Milarah und Taurus passen wollte. Am Piepen der Sprechanlage und dem unbekannten Rufzeichen konnte Taurus gut sehen, dass es das Schiff sein musste, das Kontakt zu ihnen aufnahm, aber was IDUSA dann sagte, gefiel ihm gar nicht. „Ihr Versuch, meine Meldung an meinen Stammpiloten zu verhindern, wurde registriert. Die erneute Herstellung der Kommunikationsverbindung von Ihrer Seite wird als Versuch interpretiert, meine Systeme zu stören. Nur mein Stammpilot oder dessen Basiskommandantin können das Protokoll aufheben. Stufe zwei ist initiiert. Der von Ihnen zur Zeit genutzte Port wird blockiert, um das Überspielen schädlicher Dateien zu verhindern.“ Die Verbindung brach ab.

„Da siehst du, was du angerichtet hast.“, sagte Taurus zu seinem belämmert aus der Wäsche schauenden Kollegen. „Tut mir leid, Taurus.“, sagte dieser. „Ich weiß auch nich’, was da in mich gefahren is’.“ „Als ob du überhaupt irgendwas weißt.“, murmelte Taurus frustriert in seinen 3-Tage-Bart.

Er nahm das Mikrofon der Sprechanlage in die Hand und gab das Rufzeichen seiner Chefin ins Terminal ein. „Milarah, ich habe mir jetzt einen Überblick verschafft.“, sagte er. „Offenbar hat das Schiff unsere Handlungen tatsächlich als feindlich interpretiert. Sie hat den Port blockiert, weil sie meint, wir wollten ihr ein Virus überspielen oder so. Sie sagt, nur ihr Stammpilot oder dessen Commander können …“ „Dann werde ich jetzt jemanden von der Sicherheit zu dieser Kneipe schicken. Die sollen ihm entgegen fahren und ihn herholen.“, entgegnete Milarah. „Ich denke, das dürfte alles einwenig abkürzen. Wenn das so weiter geht, werden wir vielleicht sogar die Hangartore öffnen müssen. Sonst fliegt uns noch das ganze Gebäude um die Ohren.“ „Ist OK, Milarah.“, sagte Taurus und beendete die Verbindung.

Scotty und Shimar waren mit dem Jeep des Schotten auf jener celsianischen Straße unterwegs, die sie zur Werft führte. Leider schienen sich aber sogar die Ampeln gegen sie verschworen zu haben, denn die rote Welle, die sie hinter sich bringen mussten, hatte selbst Scotty, der ja nun schon lange auf Celsius lebte, noch nie gesehen. „Jetzt erklär mir doch noch mal genau, was das is’ mit diesem Protokoll.“, sagte er und drehte sich zu dem nervösen neben ihm sitzenden Shimar um. „Wenn IDUSA einen Feind registriert.“, sagte Shimar. „Dann muss sie das unter allen Umständen melden. Um das zu erreichen, darf sie alle Mittel benutzen, die ihr zur Verfügung stehen. Wenn jemand dies sabotiert, gilt er automatisch als ebenfalls feindlich gesinnt und initiiert somit immer die nächste Stufe. Nur Zirell oder ich können …“ „Würde sie auch die Waffen einsetzen?“, fragte Scotty blass. „Wenn man sie dazu zwingt.“, sagte Shimar. „Deshalb habe ich ja auch gesagt, es darf nichts unternommen werden.“ „Hoffentlich haben sich meine Kollegen daran gehalten.“, sagte Scotty.

Plötzlich kam ein roter Jeep auf sie zu und bremste vor ihnen stark ab. Heraus stiegen zwei Celsianerinnen, die Uniformen der Werkssicherheit der Werft trugen, wie Scotty sofort erkannte. „Ich bin Mira.“, stellte sich die Ältere, eine schlanke sportliche Frau mit kurzen braunen Haaren und von ca. 1,70 m Größe, bei Scotty und Shimar vor. „Das ist meine Kollegin, Salia. Wir sind hier, um Sie abzuholen, damit Sie beim Passieren des Werfttors keine Schwierigkeiten bekommen. Mr. Shimar, Ihr Schiff hat den Antrieb gestartet. Es will starten, weil es Sie nicht erreicht hat.“ „Oh, nein!“, sagte Shimar. „Was is’?“, fragte Scotty. „Sie ist in Stufe zwei. Da hat mir wohl offensichtlich jemand nicht zugehört. Wir müssen ihr sagen, dass ich unterwegs bin. Aber Ihr Dock ist doch gegen SITCH abgeschirmt, oder?“ „Die Chefin will die Hangartore öffnen, um den Druck von der Statik zu nehmen.“, sagte Mira. „Das macht auch ein Loch in der Abschirmung.“, sagte Scotty.

Shimar hatte seinen Neurokoppler, den er immer bei sich hatte, aus der Tasche gezogen und ihn an einen der Ports des Sprechgerätes von Scottys Jeep angeschlossen. „Das passt schon mal.“, sagte er. „Aber das Gerät wird nich’ erkannt.“, sagte Scotty, der einen Blick auf das Display geworfen hatte. „Wir brauchen die tindaranische Software.“ „Die lässt sich doch sicher im Netzwerk finden.“, sagte Mira. „Nicht im Zivilen.“, sagte Shimar. „Aber wenn ihr alle mal wegschaut, kann ich da bestimmt was drehen.“ Alle nickten, die Frauen drehten sich um und Shimar und Scotty tauschten rasch die Plätze. „Wieso is’ das mit dem Koppler überhaupt notwendig?“, fragte Scotty. „Weil IDUSA in Stufe zwei nur meinen oder Zirells Neuralabdruck als Code akzeptiert.“, antwortete der junge Tindaraner genervt. „Und jetzt stör mich bitte nicht!“

Tatsächlich war es ihm wenig später gelungen, die militärische Software auf das Sprechgerät in Scottys Jeep zu spielen. „Ganz legal war das nicht, was ich hier tue.“, sagte er. „Na ja.“, sagte Scotty. „Falls du dich vor einem tindaranischen Kriegsgericht verantworten musst, sage ich gern für dich aus, dass du in einer Notlage gehandelt hast.“ „Das ist sehr tröstlich.“, sagte Shimar. „Verdammt! Scotty, was bedeutet so eine Meldung?!“

Der versierte Ingenieur ließ seinen Blick über die auf dem Bildschirm flimmernde Meldung schweifen. Dann sagte er: „Es hat nicht genug Arbeitsspeicher.“ „Verdammt!“, sagte Shimar. „Du hast nicht zufällig irgendwo einen Replikator versteckt, Scotty? Oder vielleicht eine der Damen?“ „’n Replikator hab’ ich nich’.“, sagte Scotty. „Aber du hast zum Glück ja den lieben Scotty bei dir! Den König der Bastler! Ladies, würden Sie mir bitte kurz Ihre Sprechgeräte leihen?“ Die Celsianerinnen nickten und übergaben Scotty bereitwillig die Geräte. Sie wussten, wenn jetzt einer mit seinen unkonventionellen Methoden helfen konnte, dann war er es. Tatsächlich machte sich Scotty gleich daran, nach dem Herunterfahren der Geräte die Speicherbausteine auszubauen und sie in das Sprechgerät des Jeeps zu setzen. „Versuch’s mal, Shimar.“, sagte er dann stolz und zeigte auf den Einschalter des Gerätes. Der Tindaraner nickte und betätigte ihn, worauf das Betriebssystem des Gerätes wieder startete und auch die tindaranische Software für den Neurokoppler ohne Probleme aktivierte. Dann gab Shimar per Gedankenbefehl, was ihm ja jetzt möglich war, IDUSAs Rufzeichen ein. Da Milarah tatsächlich inzwischen den Befehl zur Öffnung der Hangartore gegeben hatte, kam der Ruf sogar bei ihr an. „Erkenne Shimar.“, sagte der Schiffsavatar. „Das ist richtig.“, gab Shimar zurück. „Meldeprotokoll aussetzen, IDUSA! Ich bin auf dem Weg zu dir! Auf weitere Befehle von mir warten!“ „Neuralabdruck akzeptiert.“, gab IDUSA zurück. „Befehl wird ausgeführt. Meldeprotokoll wird ausgesetzt. Erwarte weitere Befehle.“

Shimar setzte erleichtert den Neurokoppler wieder ab und zog den Stecker aus der Buchse. „Das war’s erst mal.“, sagte er. „Aber wir müssen trotzdem zur Werft und ich sollte mir mit IDUSA ansehen, was da oben im Orbit ist. Scotty, kannst du dafür sorgen?“ „Aber klärchen, Teddybärchen.“, frotzelte mein Ehemann. „Aber erst mal mache ich die Sprechgeräte von diesen beiden bezaubernden Ladies wieder heil. Vielen Dank, dass ihr uns den Arbeitsspeicher geliehen habt.“ „Gern geschehen.“, lächelten beide. „Und wenn ich damit fertig bin.“, sagte Scotty. „Dann fahren wir alle zur Werft und dann mache ich deine IDUSA für dich flott, Shimar und dann trittst du Sytania mit ihr zusammen gehörig von mir in den Arsch! Verstanden?!“ „Wenn du so sicher bist, dass es was mit ihr zu tun hat?“, meinte Shimar. „Darauf verwette ich mein Leben!“, meinte Scotty. „Also gut, Euer Majestät.“, scherzte Shimar, worauf Scotty ihn verwirrt ansah. „König der Bastler.“, half ihm Shimar auf die Sprünge. „Erinnerst du dich?“ „Klar.“, sagte Scotty, während er die letzten Module steckte. Dann übergab er den Frauen ihre Sprechgeräte und schloss auch die Abdeckungen über den Systemen des Jeeps. „Alles wieder OK?“, erkundigte sich Mira. „Ja.“, nickte Scotty. „Na gut.“, sagte sie und sprang gemeinsam mit ihrer Kollegin wieder in den Jeep der Sicherheit. „Dann folgen Sie uns!“

Radcliffe hatte sich in seinem Zimmer bereits moralisch auf die Kontaktaufnahme durch Sytania vorbereitet. Er schien bereits zu ahnen, dass es heute Nacht wohl so weit sein würde. Tatsächlich hörte er auch bald ihre Stimme in seinem Geist: Es ist so weit, Nathaniel! Lass dir vom Zimmerservice ein Tablett mit demetanischem Sommerfruchttee und einigen Keksen mit Schokolade bringen und dann geh zu Allrounder Betsy Scott ins Zimmer. Aber vergiss ja die Amphore nicht, die ich dir gegeben habe. Sie ist schließlich dein wichtigstes Werkzeug! Ich werde sie nicht vergessen, Prinzessin!, versicherte der verblendete Professor auf gleichem Wege. Aber ich frage mich, ob auch Ihr Euer Versprechen gegenüber mir einhalten werdet und dafür sorgen werdet, dass ich gesund bleibe. Wenn du deinen Teil unseres Deals einhältst., meinte Sytania, dann werde ich auch den Meinen einhalten. Warum zweifelst du? Ich weiß nicht., erwiderte Radcliffe zögerlich. Vielleicht ist es das, was Ihr von mir wollt, Milady. Ich meine, ich habe noch nie einen anderen Menschen oder gar ein anderes Tier oder ein Wesen getötet. Sogar die Stubenfliegen habe ich als Kind leben lassen, auch wenn sie mich genervt haben. Ich habe sie mit einem Glas eingefangen und wieder vor die Tür gesetzt. Wie rührend., gab Sytania zurück, aber sie klang dabei ziemlich gelangweilt. Du solltest dir aber bewusst machen, dass Allrounder Betsy Scott keine harmlose Stubenfliege ist. Sie ist der Feind! Ein mir sehr unbequemes Wesen, das dringend beseitigt werden muss, damit ich meine Pläne verwirklichen kann! Hast du verstanden?! Das habe ich!, entgegnete Nathaniel mit leichter Verwirrung in der geistigen Stimme. Aber warum benutzt Ihr dazu nicht einfach Eure …? Wenn ich das täte!, fiel ihm Sytania telepathisch so zu sagen ins Wort. Dann würde ja jeder darauf kommen, dass ich schuldig sein könnte und das will ich auf keinen Fall, hörst du?! Auf keinen Fall! Und dir wird auch keiner etwas nachweisen können, weil ich dafür sorgen werde, dass der Schlafwurz nicht mehr nachweisbar ist, wenn sie Betsys Körper scannen. Außerdem arbeitet der See in gewisser Weise für uns. Die mineralischen Ablagerungen in seinem Grund machen einen Scann quasi unmöglich. Sie werden sie schon transportieren müssen und bis sie das erledigt haben … Das ist mir alles klar, Hoheit., meinte Radcliffe. Es ist nur so, dass ich … Werden wir etwa feige?!, ermahnte ihn Sytania. Vergiss nicht, dass ich dich ganz schnell wieder zu dem nervlichen Wrack machen kann, das du warst, bevor wir uns begegnet sind. Willst du das etwa wieder erleben, he?! Nein, Prinzessin!, dachte Nathaniel fest, denn er erinnerte sich noch genau an die Phase seiner Krankheit. Diese Erinnerung hatte auch schlagartig sein schlechtes Gewissen vertrieben. Jetzt war er bereit, alles für Sytania zu tun! Ich werde tun, worum Ihr mich gebeten habt!, versicherte er. Warum nicht gleich so!, gab Sytania dreckig grinsend zurück. Warum lässt du dich immer so lange bitten, Nathaniel?

Er hatte bemerkt, dass sie die Verbindung beendet haben musste. Ihr Bild vor seinem geistigen Auge war verschwunden. Jetzt musste er nur noch die Sache mit dem Gebäck und dem Tee organisieren. Er wusste, dass demetanischer Sommerfruchttee etwas nach Marzipan schmeckte. Das würde den Geschmack des Schlafwurz, der ebenfalls leicht süßlich war, sehr gut übertünchen.

Mit ziemlich stark klopfendem Herzen ging er zur Sprechanlage und betätigte sie. Aus dem Menü auf dem Display hatte er sich das Rufzeichen des Gastraums herausgesucht. Ginalla, die am Rufzeichen ebenfalls erkannt hatte, aus welchem Zimmer der Ruf kam, nahm ihn entgegen. „Hier is’ Ginalla.“, sagte sie. „Was gibt es denn, Mr. Radcliffe?“ „Ich würde mir gern etwas aufs Zimmer bestellen.“, sagte der Professor. „Und was wäre das?“, fragte Ginalla freundlich, nachdem sie eine kurze Zeit abgewartet hatte. „Eine Kanne mit demetanischem Sommerfruchttee und einige Schokoladenkekse.“, sagte Nathaniel. „Ach ja. Dann hätte ich noch gern zwei Gläser.“ „Oh.“, meinte Ginalla. „Gibt es bei Ihnen etwa was zu feiern?“

Ihre Frage hatte ihn sehr nervös gemacht. Jene Frage, die er im Prinzip ja gar nicht beantworten durfte. Er konnte ihr schließlich nicht sagen, dass er gerade von Sytania den Auftrag erhalten hatte, mich um die Ecke zu bringen. Also sagte er nur: „Nayale und ich wollen auf den Neuanfang trinken, aber wir stehen dem Alkohol beide nicht sonderlich positiv gegenüber. Ich hoffe, Sie verstehen das.“ „Oh, sicher.“, meinte Ginalla. „Ich werde das sofort zu Ihnen rauf schicken.“ „Danke, Miss Ginalla.“, sagte Radcliffe erleichtert und ließ das Mikrofon wieder in die Halterung sinken. Er hoffte inständig, dass sie, egal was passieren würde, keine weiteren Nachforschungen anstellte.

Jasmin, die sich noch immer an ihrem Arbeitsplatz aufhielt, obwohl es schon tiefe Nacht war, hatte das Gespräch zwischen ihrer Chefin und Nathaniel mitbekommen. Eigentlich war ihre Arbeitszeit schon längst zu Ende, aber sie war heute freiwillig länger geblieben. Ginalla hatte dies mit ihren Eltern natürlich abgesprochen. Die Jugendliche hatte argumentiert, dass sie ja schließlich auch mal erfahren musste, wie es sei, in der Nacht in der Gastronomie zu arbeiten, wenn sie entscheiden wollte, ob dieser Beruf wirklich etwas für sie war. Vielleicht hing das auch mit Korelems Rat an sie zusammen, noch einmal genau über ihre Berufswahl zu reflektieren. „Ich kann die Sachen doch zubereiten und zu ihm bringen, Chefin.“, bot sich Jasmin an. „Wenn du willst.“, sagte Ginalla. „Aber du kannst mich auch ruhig Ginalla nennen. Hier auf Celsius sind wir ja nich’ so förmlich.“ „OK, Ginalla.“, sagte Jasmin und drehte sich lächelnd dem Replikator hinter dem Tresen zu, um die Bestellung von Radcliffe einzugeben.

Nervös saß Nathaniel in seinem Zimmer. Die Amphore mit dem Schlafwurz hatte er in der rechten Hand. Er plante, mich zu überreden, ihn den Tee einschenken zu lassen, damit er ohne Probleme etwas davon in mein Glas träufeln konnte. Sytania hatte ihm gesagt, dass nur wenige Tropfen ausreichen würden, um die Wirkung, ihre Hypnose zu verstärken, bei mir eintreten zu lassen. Er wusste genau, dass er etwas tat, für das man ins Gefängnis kommen konnte, aber er hatte keine Wahl, wenn er gesund bleiben wollte. Zumindest dachte er das. Sytania hatte ihm ja auch nichts anderes eingeredet.

Das Piepen der Sprechanlage ließ ihn zusammenfahren. Mit zitternder Hand griff Professor Radcliffe nach dem Mikrofon. „Hier Radcliffe!“, sagte er und gab sich dabei große Mühe, fest und selbstbewusst zu klingen, was ihm aber wohl nicht wirklich gelingen wollte. „Hier ist der Zimmerservice.“, meldete sich eine freundlich lächelnde Jasmin. „Ich habe Ihre Bestellung, Mr. Radcliffe.“

Nathaniel überlegte. Er hatte nicht mit einer so jungen Stimme gerechnet. Einer Stimme, die eventuell auf eine Minderjährige schließen ließ, die auf keinen Fall mit in diese Geschichte hineingezogen werden sollte. Es war für ihn schon schlimm genug, in Sytanias Bann zu stehen und von ihr erpressbar zu sein, das wusste Nathaniel. Aber er dachte sich auch, dass Sytania ihn als Einzige gesund machen konnte. Allerdings hatte ihn die Tatsache, dass er ihr jetzt doch helfen sollte, mich zu ermorden, hellhörig werden lassen. Nur dieses Mädchen durfte auf keinen Fall davon erfahren!

Er räusperte sich und betätigte die Sprechanlage, um Jasmins Ruf zu beantworten. „Komm rein und stell es am besten hier auf den Tisch.“, sagte er. „Ich werde schon zurechtkommen.“ Dann drehte er sich schnell von der Anlage weg, um den verräterischen Gegenstand, die Amphore mit dem Gift, zu verstecken. „Gut, Mr. Radcliffe.“, sagte Jasmin und betätigte den Sensor für die Tür. Da Nathaniel sie vorher entriegelt hatte, glitt sie vor ihr ohne Beanstandungen zur Seite. Dann betrat die Jugendliche mit dem Tablett in der Hand das Zimmer. Sofort fiel ihr auf, dass Radcliffe allein sein musste, denn eine weitere Person war nicht zu sehen. Auch Nathaniel fand sie zunächst nicht. „Ich stelle Ihre Bestellung auf den Schreibtisch, Mr. Radcliffe!“, rief Jasmin ins Zimmer. „Soll ich die Gläser noch aufdecken?“ „Nein.“, sagte Radcliffe, der sich mit der Amphore inzwischen ins Badezimmer begeben hatte. „Am besten wird sein, wenn du mich jetzt wieder verlässt.“ „Ich möchte Ihnen und Ihrer Frau ja nur behilflich sein.“, entgegnete Jasmin. „Das gehört hier zum Service und wird nicht extra berechnet.“

Der sichtlich nervöse Nathaniel verließ das Badezimmer. Er ahnte, dass eine rein verbale Beschwichtigung hier wohl nicht ausreichen würde. Sie war wohl sehr darauf bedacht, ihren Gästen jeden Wunsch von den Augen abzulesen und würde wahrscheinlich sogar warten wollen, bis die angebliche Nayale im Zimmer war. Dazu würde es aber nie kommen und er wollte in jedem Fall vermeiden, dass sie noch weiter herumschnüffelte. Aber dass er die Amphore noch immer in der Hand hielt, hatte er jetzt wohl auch nicht unbedingt bedacht. Die verräterischen imperianischen Schriftzeichen schimmerten durch seine schweißnassen Finger. Diese machten die Amphore auch bald so rutschig, dass er schließlich gezwungen war, sie auf dem Tablett abzustellen, um sie nicht fallen zu lassen und ihren kostbaren Inhalt womöglich noch zu verschütten. „Oh, warten Sie.“, bot Jasmin an. „Ich helfe Ihnen.“ „Nicht nötig!“, sagte Radcliffe streng und schob ihre Hand, die im Begriff war, die Sachen auf dem Tablett zurechtzurücken, unsanft beiseite. „Was machst du eigentlich noch hier?! Jemand in deinem Alter sollte schon längst nicht mehr arbeiten! Geh! Verschwinde!“ „Aber ich wollte doch nur …“, setzte Jasmin an. „Du hast hier gar nichts mehr zu wollen!“, schimpfte der sichtlich ertappte Radcliffe. „Geh jetzt, verdammt! Verzieh dich!“

Jasmin nickte und war aus der Tür. Sein Verhalten hatte sie stark irritiert und sie würde auch mit ihrer Chefin darüber reden. Aber nicht nur über sein Verhalten, sondern auch über die merkwürdige Amphore, die sie bei ihm gesehen hatte. Wenn ihr Schulwissen sie nicht völlig im Stich ließ, dann handelte es sich dabei um eine imperianische Anfertigung! Jedenfalls hatte Jasmin imperianische Schriftzeichen an dem Gefäß ausmachen können. Aber was hatte eine imperianische Amphore mit der angeblichen Feier von Radcliffe und seiner Frau zu tun und warum war sie nicht im Zimmer gewesen, wenn ihr Mann etwas mit ihr zu feiern hatte? Warum hatte er sie so harsch behandelt? Das waren eine Menge offener Fragen, denen Jasmin wohl zu gern nachgegangen wäre. Wenn sich die Merkwürdigkeiten jetzt häufen würden, dann würde sie dies auch tun. Sie musste nur noch jemanden außer Ginalla finden, dem sie sich anvertrauen konnte. Mehrere Zeugen waren schließlich immer besser, als nur einer. Den schalen Beigeschmack davon, dass hier etwas nicht stimmte, würde sie nicht so einfach los werden können und wenn das tatsächlich so war, dann durften diese Tatsachen nicht ignoriert werden. Sie beschloss also, sich hinter einer Säule im Flur zu verstecken und dort zu warten und zu beobachten, was geschehen würde. Jasmin wusste, dass ihre Gäste zu belauschen auf keinen Fall zum guten Ton gehörte, aber sie konnte einfach nicht anders. Falls hier ein Verbrechen geschehen sollte, wie ihr ein unbestimmtes Bauchgefühl sagte, dann würde sie, als rechtschaffene Bürgerin der Föderation, zu der ihre Eltern sie erzogen hatten, sicher gut daran tun, dies den zuständigen Behörden zu melden.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.