Zum selben Zeitpunkt saß Ginalla mit der obersten Prätora an einem Tisch in der großen Halle unter der Kuppel zusammen. Shashanas Leibwächterin Meduse stand im Hintergrund und beobachtete, wie beide gemeinsam speisten. Shashana hatte das Fleisch einer der auf Genesia Prime beheimateten Raubkatzen auftragen lassen, die ihre Jägerinnen extra geschossen haben mussten. Dies mochte für uns sehr befremdlich wirken, aber für die Genesianer war das ganz normal. In ihrem Glauben enthielt das Fleisch dieser Tiere auch ihren Mut, der bei ihrem Verzehr auf die Kriegerinnen übergehen sollte. Über diesen Umstand war Ginalla informiert, was sie auch gut zuschlagen ließ. Kamurus hatte ihr einen Auszug aus seiner Datenbank vorgelegt, in dem dieses Thema behandelt wurde. Die junge Celsianerin wunderte sich aber, warum die Jägerinnen die Beute bereits geschossen hatten, als sie eingetroffen war. Sie konnte nicht umhin zu vermuten, dass Shashana von ihrer Ankunft bereits durch irgendeinen Umstand Kenntnis gehabt haben musste. Das würde auch die Prüfung erklären, der sie und Kamurus unterzogen worden waren.
Shashana schenkte nun beiden aus einer großen Karaffe von einer Flüssigkeit in zwei Trinkgefäße, die einer großen Schöpfkelle ähnelten, ein. Nur waren sie tiefer und ihr Stiel war nicht ganz so lang. „Das beste Veddach, das mein Replikator zaubern kann!“, sagte die oberste Prätora schon fast etwas stolz. „Na, dann prost!“, erwiderte Ginalla, setzte ihr Gefäß an und nahm einen tiefen Schluck des auf Quark und einem Gewürz, das drei mal so stark wie terranischer Knoblauch war, basierenden Inhalts. Dann stellte sie es ab und hüstelte: „Ui! Das is’ aber mal ’n guter Tropfen!“ „Ich mag Leute, die gute Speisen zu schätzen wissen.“, lächelte Shashana. „Oh, ich auch.“, sagte Ginalla, die irgendwie nicht recht wusste, wie sie auf diesen Satz ihres Gegenüber reagieren sollte. „Und das werde ich Euch jetzt beweisen, Shashana!“ Damit griff sie nach einer Keule des Tieres, die noch immer fest an seinem Rumpf saß, riss sie ab und biss herzhaft hinein. „Dein Verhalten ist einer Genesianerin würdig.“, sagte Shashana. „Aber das wusste ich schon, als mir deine Ankunft angekündigt wurde, Ginalla vom Planeten Celsius!“
Verdattert ließ Ginalla ihr Fleischstück wieder auf das grobe Brett sinken, das ihr als Teller diente. „Wie angekündigt?“, fragte sie irritiert und sicher grammatisch etwas ungelenk. „Wie könnt Ihr denn …?“ „Das wirst du gleich sehen.“, sagte Shashana, wischte ihre Hände grob in ihrer Kleidung ab und sagte dann nach hinten gewandt: „Meduse, bring meinen Kontaktkelch!“ Die Leibwächterin nickte und verließ die Halle.
Ginalla hatte längst ihr Essen vergessen. Viel zu interessant erschien ihr das, was wohl gleich auf sie zukommen würde. Tatsächlich erschien die Wächterin bald wieder mit einem typischen imperianischen Kontaktkelch in der Hand, den sie auf Shashanas Geheiß auf dem Tisch abstellte. Ginalla betrachtete ihn sich sehr genau. Es war ein weißer Kristallkelch, in den zwei geflügelte Löwen graviert waren. Darunter befand sich das Clanwappen der obersten Prätora. Beide Wappen wurden durch zwei sich zwischen ihnen befindende Hände miteinander verbunden, die einander hielten. Aber auf der anderen Seite von Shashanas Wappen sah Ginalla noch eines, das ebenfalls mit zwei Händen mit dem Ihren verbunden war. Sie hatte zwar nicht oft Nachrichten gehört, aber sie erkannte das Staatswappen der Klingonen sofort! Langsam begann sie sich zu fragen, in was sie dort hineingeraten war. Sie wurde immer aufgeregter, denn das, was sie vermutete, konnte ja eigentlich nicht sein! Shashana konnte unmöglich mit Logar und dem klingonischen Kanzler ein Bündnis eingegangen sein! Shashana und zwei Männer?! Das war doch eigentlich etwas, das aufgrund der genesianischen Religion, in der Männer doch als mindere Wesen galten, unmöglich war!
Die junge Celsianerin wurde kreidebleich. „Was ist dir?!“, fragte Shashana lächelnd. „Ich kann nich’ glauben dass ...“, stammelte Ginalla. „Ich meine, Ihr könnt nich’ … Das kann nich’ …“ „Willst du sehen, ob es kann?!“, fragte Shashana und sah ihr direkt in die Augen, aber das so intensiv, dass Ginalla glaubte, keine Wahl zu haben, als zu nicken. „Gute Entscheidung!“, lobte Shashana. „Ich wusste, dass du kein Feigling bist. Also, nun lege deine linke Hand auf den Kelch und gib mir deine rechte Hand.“ Ginalla nickte und führte aus, was Shashana ihr gerade gesagt hatte. Dann dachten sie und die Genesianerin auf deren Anweisung sehr intensiv an Logars Gesicht.
Alsbald fuhr ein weißer Blitz von der Decke der Halle herab und die beiden Frauen sahen tatsächlich das Bild des Herrschers vor sich. Ich weiß, dass dich die Umstände verwirren müssen, Ginalla., erklärte der König telepathisch. Aber du gehörst zu den Auserwählten, die helfen werden, meiner Tochter einen gehörigen Denkzettel zu verpassen! Sei guten Mutes und beame wieder auf dein Schiff! Dann fliegst du ins Gebiet der Föderation zurück. Dort hast du noch etwas zu erledigen. Sei guten Mutes, egal, was auch immer dir geschehen mag. Du wirst schon das Richtige tun, wie alle, die ich auserwählt habe. Auch Klark, Kanzler der Klingonen, gehört zu meinen Auserwählten, wie du siehst!
Die Verbindung war getrennt worden. Shashana musste ihre Hände vom Kelch und aus Ginallas Hand gezogen haben. „Ich wollte dich ja nicht überfordern.“, gab sie grinsend als Grund an. Ginalla konnte nichts erwidern. Das erste Mal in ihrem Leben war sie komplett sprachlos.
Ein Geräusch aus ihrer Tasche ließ sie plötzlich aufhorchen. Sofort suchte sie nach dessen Quelle. Es war ihr Sprechgerät. Da sie Kamurus’ Rufzeichen erkannt hatte, antwortete sie: „Was is’, Kumpel?“ Dabei gab sie sich große Mühe, nicht ganz so fertig zu klingen. „Du wirst es nicht glauben.“, sagte Kamurus. „Allrounder Betsy ist gerade von den Toten auferstanden.“ „Willst du mich verarschen?!“, fragte Ginalla und ihr fiel fast das Gerät aus der Hand, weil ihre Hände so stark zitterten. „Nein, das will ich nicht.“, sagte das Schiff ruhig. „Ich kann verbinden, wenn du willst.“
Noch bevor Ginalla reagieren konnte, hatte Kamurus an mich durchgestellt. „Hallo, Ginalla.“, sagte ich. „Ich kann mir vorstellen, dass Sie das nicht verstehen. Ich verstehe es ja selbst kaum. Aber ich scheine auch irgendeinen Schaden davongetragen zu haben. Wir sollten mich zur Sternenflotte bringen und untersuchen lassen.“ „Darauf können Sie einen lassen, Betsy!“, stieß Ginalla hervor. „Los, Kamurus, hol mich ab und dann nichts wie ab nach Hause. Ich hab’ auch noch ’ne Story, die mir garantiert keiner abnimmt!“
Sie beendete die Sprechverbindung und steckte das Gerät wieder ein. Dann wandte sie sich Shashana zu: „Danke für die Gastfreundschaft.“ „Gern geschehen.“, sagte die oberste Prätora. „Geh nur. Aber mach dich auf etwas gefasst, das noch geschehen wird.“ „Was kann das denn noch übertreffen?“, fragte Ginalla. „Warte ab.“, gab sich Shashana geheimnisvoll. „Na gut.“, sagte die Celsianerin und stand auf. Das war für ihr Schiff das Zeichen, seinen Transporter zu aktivieren.
Konsterniert sah sie nach dem Transport in mein Gesicht. „Oh, Backe!“, lautete ihr Kommentar. „Noch so ’n Ding, das uns keiner glauben wird! Los, Kamurus. Setz’ Kurs in Richtung Heimat! Wir müssen da unbedingt wen finden, der uns die Story abkauft! Shashana, Klark und Logar! Das glaubt uns zu Hause keiner!“ „Nun mal langsam, Ginalla.“, tröstete ich. „Ich bin ja auch noch da.“ „Sie?!“, sagte sie bedient. „Sie setzen dem Ganzen noch die Krone auf!“ „Soweit ich mich erinnere.“, korrigierte ich sie, die ich mich an alles, was ich vor meinem Tod erlebt hatte, noch sehr klar erinnern konnte, nachdem ich mein Gehirn ja wieder in Besitz genommen hatte. „Waren wir nach der Sache mit Miray bereits beim Du.“ „Auch OK.“, sagte Ginalla. Dann wendete sie sich an Kamurus: „Mach, dass wir nach Hause kommen!“ Der Avatar nickte und das Schiff verließ das genesianische Sonnensystem, um dann ziemlich bald auf Warp zu gehen. Ginalla und ich würden auf dem Flug noch genug Gelegenheit haben, uns auszutauschen. Dann würde ich wohl auch endlich erfahren, was sie mit ihrer Story gemeint hatte, die ihr angeblich niemand abkaufen würde. Die bloße Erwähnung der Namen des imperianischen Königs und des klingonischen Kanzlers im Zusammenhang mit Shashana hatten mich doch neugierig gemacht.
Geduldig hatte Neris gewartet, bis sich Odo zurückverwandelt hatte. Jetzt sah sie in das Gesicht ihres völlig abgekämpften Freundes. „Herzlichen Glückwunsch!“, sagte sie. „Danke, Liebes.“, sagte der Formwandler. „Für einen Moment hatte ich befürchtet, es nicht zu schaffen, aber dann war da dieses Schiff!“ „Das Schiff.“, echote die Bajoranerin. „Lomādo sagte so etwas. Er meinte, dass sie auf der anderen Seite erwartet würde. Er wollte ja in der Dimension der Lebenden nach ihrem Körper suchen. Er sagte, er sähe sie auf einem Schiff ohne Piloten.“ „Genau so war es.“, bestätigte Odo.
Sie half ihm auf und stellte sich hinter ihn, um ihn zu stützen. Dann sagte sie: „Lass uns gehen. Du solltest dich unbedingt ausruhen.“ Odo lächelte müde und folgte ihr, die ihn sanft in Richtung ihres gemeinsamen Hauses zurückführte.
Mikel und Kissara hatten sich, nachdem Mikel von Sharie abgesetzt worden war, vor meinem Haus in der Sisko Road getroffen. „Warum genau wollten Sie mich hier treffen, Kissara?“, fragte der erste Offizier. „Es geht um das Haus Ihrer Freundin, Agent.“, sagte die Kommandantin. „Ich habe ein unbestimmtes Bauchgefühl, dass hier noch etwas passieren wird, das großes Aufsehen erregt. Shimar und Scotty machten am SITCH eine eindeutige Andeutung.“ „Na dann sollten wir der Sache mal nachgehen!“, sagte Mikel entschlossen und klappte seinen Taststock aus, den er, auch im 30. Jahrhundert, immer bei sich führte. „Das ist nicht nötig, Mikel.“, sagte Kissara und stellte sich links versetzt vor ihn, so dass ihr Arm in Reichweite seiner linken Hand war. „Ich werde Sie führen. Wer weiß, auf was für unberechenbare Dinge wir dort treffen werden.“ „In Ordnung, Commander.“, sagte Mikel und hakte sich bei ihr ein. „So sind wir auch etwas schneller.“ Sie setzten sich in Bewegung.
Völlig entkräftet lagen Shimar und Scotty auf dem Boden meines Wohnzimmers. Die ganze Sache musste sie doch sehr mitgenommen haben. Rund um sie herum war Chaos. Dies spiegelte sich vor allem in umgestürzten Möbeln und zerbrochenem Geschirr wieder, das überall herumlag. „Hast du gesehen, was sie gemacht hat?“, fragte Scotty total überwältigt. „Oh ja, das habe ich.“, antwortete Shimar. „Sie ist von den Toten auferstanden.“
Er setzte sich auf und blickte starr in eine bestimmte Richtung. „Was is’ los?“, flapste Scotty. „Da ist was, das ich nicht einordnen kann.“, sagte Shimar. „Es ist etwas, das es gar nicht mehr geben dürfte, zumindest dann nicht, wenn man unseren Medizinern glauben kann.“ „Wovon zur Hölle redest du?“, fragte der Ingenieur. „Ich rede von der Schutzverbindung.“, sagte Shimar. „Sie dürfte doch normalerweise nicht da sein, aber sie ist da. Ich kann es mir nicht erklären.“ „Aber ich kann vielleicht.“, sagte Scotty grinsend. „Hör mal, Kumpel. Dieses Energieding, das ihr hinterlasst, wenn ihr mit jemandem eine Beziehung eingeht. Wo is’ das? Bleibt es in der Hirnrinde, oder wird es in die geistige Energie eingebettet.“ „Es bleibt in der Hirnrinde.“, erklärte Shimar. „Du meinst also …“ „Ja, ich meine!“, sagte Scotty fest. „Sobald Betsys Festplatte also wieder Saft hatte, ist auch das reaktiviert worden!“ „Wie redest du denn?!“, fragte Shimar mit vorwurfsvollem Blick in Richtung Scotty. Dann drohte er: „Ich werde ihr alles erzählen, wenn …!“ „Das kannst du ruhig.“, nahm Scotty ihm den Wind aus den Segeln. „Ich bin sicher, sie wird es verstehen. Sie kennt meine Sprechweise ja. Ich bin sicher, es wird ihr weniger ausmachen, als du jetzt denkst.“ „Na schön.“, sagte Shimar. „Lassen wir es drauf ankommen. Aber noch mal was ganz anderes: Ich habe mich ja noch gar nicht bei dir bedankt, weil du mir dadurch geholfen hast. Was du gemacht hast, hat mich wirklich sehr erleichtert. Woher wusstest du, dass es helfen würde? Ich meine, du bist doch kein Telepath.“ „Nein.“, sagte Scotty. „Aber ich bin Ingenieur für Raumschiffmaschinen! Wir Ingenieure verstehen was von Energieflüssen. Wir wissen, dass es besser für ein System ist, wenn es Überlast fährt, es über viele Sicherungen abzufedern. Das gilt zwar im Allgemeinen für elektrische Energie, aber geistige Energie ist ja im Prinzip nichts anderes, sagt zumindest Jenna.“ „Ich kenne Jenn’s Grundsatz.“, sagte Shimar und betete herunter: „Energie ist Energie, ist Energie, ist Energie.“ „Genau.“, sagte Scotty.
Von der Straße her waren Geräusche zu vernehmen. „Ich glaube, da kommt jemand.“, sagte Scotty. „Wir sollten mal aufräumen. Aber derjenige, der das wohl am schnellsten kann, bist du.“ „Ich gäb’ was drum.“, sagte Shimar. „Aber im Moment bin ich viel zu erschöpft. Du wirst wohl noch ein paar Minuten warten müssen.“
Tatsächlich hatten sich Mikel und Kissara laut diskutierend über die Hofeinfahrt meinem Haus genähert. „Erinnern Sie sich noch an den Code für die Eingangstür?“, fragte Kissara. „Ich meine, bei Ihrer engen Freundschaft gehe ich davon aus, dass der Allrounder ihn Ihnen verraten haben wird, damit Sie von Zeit zu Zeit, zum Beispiel, wenn sie bei ihrem Mann auf Celsius ist, mal die Topfpflanzen pflegen können oder so etwas.“ „Sie hat keine Topfpflanzen, Kissara.“, sagte Mikel. „Aber den Code weiß ich trotzdem. Ich hoffe nur, dass meine Kollegen das Haus noch nicht versiegelt haben.“ „Sie meinen, wegen diverser ungeklärter Umstände?!“, vergewisserte sich Kissara. „Genau.“, bestätigte der Geheimdienstler. „Na ja. Wir werden ja gleich sehen.“
Sie hatten den Vordereingang meines Hauses erreicht und Kissara führte Mikels Hand zum Terminal der Sprechanlage, wo auch der Code zur Öffnung der Tür eingegeben werden musste. Mikel tat dies und der Code wurde tatsächlich akzeptiert. Jedenfalls glitt die Tür bald vor ihnen zur Seite. „Na also.“, sagte Kissara. „Dann gehen wir mal rein.“, sagte Mikel und wollte einen Fuß über die Schwelle setzen. Kissara aber griff blitzartig nach seinem Arm und hielt ihn zurück: „Vorsicht, Agent!“ „Was ist los?“, fragte der blinde Mann verwirrt. „Sie wären beinahe über einen Teil eines Tisches gestolpert.“, erklärte Kissara. „Ich denke, es wird besser sein, wenn ich Sie weiterhin führe.“ „Wieso Teil eines Tisches?“, fragte Mikel. „Das weiß ich nicht.“, sagte Kissara. „Aber hier sieht es aus wie nach einem Bombenangriff!“
Mit ihrer freien Hand zog sie ihren Erfasser und hielt ihn geradeaus vor sich. Dann forderte sie Mikel auf: „Kommen Sie mit!“ Der Agent nickte und folgte ihr am Arm ins Wohnzimmer. Hier sah Kissara auch bald die Bescherung, die aus zwei völlig verschwitzten Männern und einer Menge zerstörter Gegenstände bestand. Ihr Erfasser verriet ihr aber auch, dass hier eine Menge telepathischer Energie im Spiel gewesen sein musste.
Scotty, der als Erster wohl wieder auf den Beinen war, erhob sich aus dem ganzen Trümmerhaufen und salutierte gewohnheitsgemäß, als er den beiden im Rang über ihm stehenden Offizieren ansichtig wurde. „Was ist hier passiert, Techniker?!“, fragte Kissara streng und Mikel grinste, weil er wohl als Einziger die kleine Spur eines ironischen Untertons hörte, die sie in ihre Frage gemischt hatte. „Es ist nicht das, wonach es aussieht, Commander.“, sagte Scotty und sah dabei peinlich berührt zu Boden. „Jedenfalls tragen Sie zwei wohl noch Ihre Kleidung.“, sagte Kissara. „Aber ich bin auf Ihre Erklärung wirklich gespannt.“
Scotty sah Shimar an. „Willst du es ihr erklären, oder soll ich?“, fragte er. „Mach du.“, sagte Shimar immer noch sehr fertig. „Ich brauche noch ’ne Minute.“ „Na dann, Mr. Scott!“, forderte Mikel den Techniker auf. „Das Ganze war ’n Unfall.“, begann Scotty auf seine alt bekannte flapsige Art. „Das behaupten sie alle.“, scherzte Kissara, um die Stimmung aufzulockern. „Ich denke, Sie sollten dort beginnen, wo im Allgemeinen alles anfängt, Techniker.“, sagte Mikel. „Also am Anfang!“ „Aye, Agent.“, sagte Scotty, räusperte sich und begann: „Es hat damit angefangen, dass wir Betsys Körper gesucht haben. Aber dann kam uns irgendein interdimensionales Phänomen dazwischen, von dem Shimar nicht wieder los kam. Sein Telepathiezentrum hing dran und er konnte die Verbindung nicht lösen. Ich habe ihm geholfen, das zu ertragen. Das Ding hat Betsys Geist in ihren Körper zurückgebracht und dabei ist Shimar wohl einiges außer Kontrolle geraten.“ „Eine abenteuerliche Story, Mr. Scott.“, sagte Kissara. „Können Sie das beweisen?“ „Ich denke, das dazu notwendige Gerät haben Sie, Commander.“, sagte mein Ehemann. „Ach ja.“, sagte Kissara und beugte sich über Shimar, um ihn mit dem Erfasser zu scannen. „Das sind ja sehr merkwürdige Werte.“, sagte sie. „So etwas habe ich noch nie gesehen. Aber es scheint tatsächlich, als wäre ihre neurale Energie in diesem Phänomen gewesen, mit dem du in Kontakt warst, Shimar.“ „Sage ich doch.“, sagte Scotty.
Kissara richtete sich wieder auf. „Ich glaube, wir wissen jetzt, was wir wissen wollten, oder haben Sie noch Fragen, Agent?“ „Nein, Ma’am.“, sagte Mikel. „Zumindest keine, die sich hier klären lassen. Aber ich finde, hier sollte mal jemand aufräumen!“ „Na gut.“, sagte Shimar und dann gab es einen weißen Blitz und alles war wieder heil und an Ort und Stelle. Nichts erinnerte mehr an das, was hier geschehen war. „Na geht doch.“, flüsterte Shimar zufrieden.
„Wir sollten alle wieder auf unsere Schiffe zurückkehren.“, schlug Kissara vor. „Ich bin überzeugt, wir müssen noch viel Forschungsarbeit leisten, was das hier angeht. Aber ich glaube auch, dass uns deine Leute, Shimar, einwenig dabei helfen müssen.“ „Ich denke, das werden sie gern tun, Commander.“, sagte der Tindaraner und stand endlich ebenfalls vom Boden auf. „Kann ich mitkommen?“, fragte Scotty. „Aber sicher, Techniker.“, sagte Kissara. „Sie gehören doch schließlich dazu. Wollen Sie mit uns, oder mit Shimar mitfliegen?“ „Ich denke, ich sollte bei Shimar bleiben.“, sagte der ältere Terraner. „Ich will Ihnen nicht zur Last fallen. Sie haben ja meines Wissens schon einen Patienten, um den Sie sich kümmern müssen.“ „Also gut.“, sagte Kissara. „Dann ab auf die Schiffe und auf nach Tindara!“
Sie zog ihr Sprechgerät, gab Techniker Jannings Bescheid und dann beamten Mikel und sie auf die Granger. Auch Shimar und Scotty ließen sich von IDUSA abholen. Danach flogen beide Schiffe nebeneinander in Richtung tindaranische Dimension davon.
Das Geschehen um Ginalla, Kamurus, Shashana und mich war von Sytania nicht unbeobachtet geblieben. Mit Hilfe ihrer seherischen Fähigkeiten hatte die Prinzessin durchaus wahrgenommen, dass sich die Schlinge um ihren Hals langsam enger zog. Da sie auch die Zukunft kannte, wusste sie genau, welche Konsequenzen es haben würde, wenn wir unser Ziel erreichen sollten. „Ich darf das nicht zulassen, Telzan!“, besprach sie die Situation mit ihrem obersten Vendar. „Ich darf nicht zulassen, dass sie ins Gebiet der Föderation gelangen und Allrounder Betsy dort genauer untersucht wird, oder jemand die Botschaft, die sie in sich trägt, womöglich noch entziffert! Nein, das darf nicht passieren!“ „Das wird auch nicht passieren, wenn Milady erlauben, dass meine Leute und ich dieses Schiff aufbringen, oder verhindern, dass es überhaupt irgendwo hinfliegen kann. Es wird beim Versuch, den interdimensionalen Antrieb zu benutzen, einen kleinen Unfall erleiden, wenn meine Truppe erst mal mit ihm fertig ist.“ „Was für ein Unfall wird das sein?!“, fragte Sytania neugierig.
Telzan grinste und holte einen kleinen Gegenstand hinter seinem Rücken hervor. „Das ist eine kleine aber gemeine Mine.“, sagte er. „Sie heftet sich an ein Ziel, das ihr vorher eingegeben wird und fügt diesem nur einen leichten aber effektiven Schaden zu. Ich dachte, sie auf den Interdimensionsantrieb des Schiffes zu programmieren und zwar so, dass sie nur eine Spule außer Gefecht setzt, indem sie einen Verteilerknoten zerstört. Dann ist das Schiff, wenn es versucht, in den interdimensionalen Modus zu gehen, halb hier und halb dort. Den Rest werden die Scherkräfte erledigen. Weder seine Pilotin, noch Betsy, geschweige denn es selbst, werden diesen Unfall überleben. Ich beabsichtige, dies ganz allein zu tun. Um so weniger Aufsehen errege ich. Ich werde mich mit meinem Veshel dem Schiff im toten Winkel seiner Sensoren nähern und dann …“ „Die Sache klingt sehr gut, Telzan.“, sagte Sytania. „Und das mit dem toten Winkel solltest du auch genau so machen, wenn du mich fragst. Nur solltest du vorher für ordentlich Rabatz sorgen, damit sie abgelenkt sind. Du solltest also ruhig einen Teil der hier verbliebenen Vendar mitnehmen.“ „Ihr habt Recht.“, überlegte der Vendar halblaut. „Also werde ich genau das tun, Milady.“ Er verließ zufrieden ihren Thronsaal, um dann in seine Garnison zu gehen, um alles mit seinen Leuten zu besprechen.
Ginalla, Kamurus und ich waren kurz vor der Grenze ins Gebiet der Föderation. Ich hatte ihr von meinem kleinen Problem berichtet und es ihr auch demonstriert. „Komische Nummer.“, sagte die Celsianerin und kratzte sich am Kopf. „Und du glaubst, das ist ein Hirnschaden?“ „Für möglich halte ich das durchaus, Ginalla.“, sagte ich. „Wir dürfen nicht vergessen, dass ich nicht gleich nach meinem Tod in Stase gelegt werden konnte, sondern …“ „Die paar Sekunden!“, lachte Ginalla. „Glaubst du wirklich, die spielen eine Rolle?“ „Jedenfalls können sie eine sehr große Rolle spielen, Ginalla.“, setzte ich zu einer Erklärung an, wurde aber gleich von Kamurus unterbrochen: „Ginalla, Betsy, ich empfange eine hohe Anzahl kleiner genesianischer Kriegsschiffe, die auf einem Schnittkurs zu uns sind.“ „Haben die ihre Waffen geladen, Kamurus?“, fragte Ginalla. „Ja.“, bestätigte das Schiff. „Aber die Energie reicht lediglich für einen einzigen Schuss.“
Ginalla sah mich an. „Verstehst du das?“, fragte sie, denn sie dachte wohl, dass ich, als ausgebildete Sternenflottenoffizierin, von so etwas mehr Ahnung haben musste, als eine einfache Zivilistin. „Ich habe eine Vermutung.“, sagte ich, die ich alles mitbekommen hatte, da ich auch einen Neurokoppler trug und Kamurus meine Tabelle geladen hatte. „Aber die müssen wir verifizieren. Kamurus, kannst du am Transpondersignal erkennen, welches das Führungsschiff ist?“ „Ja, das kann ich.“, sagte das Schiff. „Dann verbinde so, dass Ginalla und ich mit der Kriegerin reden können, die es fliegt.“, sagte ich. „In Ordnung.“, sagte das Schiff. Gleich darauf aber fügte er hinzu: „Zu rufen brauche ich sie nicht. Anscheinend will sie mit euch zweien von sich aus reden.“ „Dann stell durch.“, sagten Ginalla und ich gleichzeitig. Der Avatar nickte und führte unseren Befehl aus.
Vor Ginallas und meinem geistigen Auge erschien das Bild einer etwa 1,80 m messenden Kriegerin, die einen reich verzierten Brustpanzer und auch einen ebensolchen Bauchschutz trug. Auch die berühmten spitzen Nahkampfschuhe hatte sie an. dazu noch einen Helm, um ihren Kopf zu schützen. In ihrem Schulterhalfter steckte ein Phaser und an ihrem Gürtel ein typischer genesianischer Dolch. „Das is’ definitiv keine Friedenstaube.“, grinste Ginalla. „Die is’ bereit zum Kampf.“ „Aber anscheinend nicht gegen uns.“, sagte ich. „Sonst würde sie uns bestimmt nicht rufen. Kamurus, lass mal hören, was sie will!“ Wieder nickte der Avatar, dessen Bild jetzt in den Hintergrund geraten war und führte aus, worum ich ihn gerade gebeten hatte. „Ich bin Salmonea Tochter von Shandra vom Clan der Ginalla!“, stellte sich die Kriegerin stolz mit ihrer leicht tiefen Stimme vor. „Ich bin im Augenblick amtierende Führerin der Kriegerinnen deines Clans, werde die Führung aber sofort an dich abgeben, sobald wir dir Respekt gezollt haben und du ihn angenommen hast, Ginalla.“
Die Schiffe stellten sich plötzlich in einer Reihe auf und jedes gab einen Schuss mit dem Phaser ab, der aber ins Leere ging. „Was war das denn?!“, fragte Ginalla verwirrt. „Sollte das ’ne Art Salut sein?!“ „So ähnlich.“, erklärte ich. Dann wendete ich mich an Kamurus: „Waren deine Schilde oben?“ „Nein, waren sie nicht, Betsy.“, sagte das Schiff. „Uff!“, machte ich erleichtert. „Gott sei Dank!“ „Es gab ja auch keinen Anlass, sie zu heben.“, sagte Kamurus. „Sie waren alle viel zu weit weg, um mir schaden zu können.“ „Wieso is’ das gut, dass er die Schilde nicht gehoben hat?“, fragte Ginalla. „Wenn er das getan hätte, hätte das bedeutet, dass du ihren Respekt nicht annimmst.“, erklärte ich. „OK!“, sagte Ginalla langsam und für ihre Verhältnisse schon bedächtig. „Da kann ich ja froh sein, dass ich einen Allrounder der Sternenflotte neben mir sitzen habe, der sich mit so was auskennt. Ohne dich wäre ich jetzt bestimmt schon wieder im Fettnäpfchen gelandet. Aber was hat die gesagt? Von welchem Clan kommt sie und ihre Truppe?“ „Vom Clan der Ginalla.“, sagte ich, die ich mir als ausgebildete Kommunikationsoffizierin ja recht gut Daten und Namen merken können musste. „Oh, welche Ehre!“, sagte sie salopp. „Da hat doch ’ne Kriegerin irgendwann mal ihre Tochter nach mir benannt und die führt jetzt …“
Kamurus löschte Ginallas Tabelle und übernahm das Steuer. Jetzt war ich quasi, zumindest aus seiner Sicht, mit ihm allein. Ich sah, was sein Avatar für ein verzweifeltes Gesicht machte. „Sag mir bitte, dass sie nur so dumm tut, Betsy.“, sagte er. „Keine Sorge, Kamurus.“, tröstete ich das Schiff. „Ich werde es ihr schon schonend beibringen. Wir Sternenflottenoffiziere sind gut in Diplomatie.“ „Was hast du für Heimlichkeiten mit meinem Schiff?!“, fragte Ginalla. „Er kommt damit nicht klar, dass du offensichtlich nicht verstanden hast, dass du die Prätora des Clans der Ginalla bist, Ginalla. Ein genesianischer Clan trägt so lange den Namen seiner Prätora, bis er sich durch Heldentaten einen Namen gemacht hat.“, referierte ich. „Ach du Scheiße!“, rief Ginalla aus. „Ich und Führerin eines genesianischen Clans! Das kann ich nich’! Schon gar nich’ bei meiner Vergangenheit mit den Genesianern. Bitte sag mir, was ich jetzt eigentlich machen muss. Ich mein’, die warten doch bestimmt auf ’ne gescheite Antwort.“ „Du musst Salmonea sagen, dass du dich für ihren Respekt bedankst und die Führung annimmst, Ginalla.“, soufflierte ich, ohne zu ahnen, was ich damit für mich selbst angerichtet hatte. „Na gut.“, sagte sie. „Kamurus, gib mir Salmonella!“ „Sie heißt Salmonea.!“, flüsterte ich peinlich berührt. „Auch ’n schöner Name.“, sagte Ginalla. Ich lehnte mich blass in meinem Sitz zurück und betete: „Oh, ihr Götter, bitte lasst sie nichts Falsches sagen!“
Kamurus hatte Ginalla bald tatsächlich mit Salmonea verbunden. „Ginalla, Prätora des Clans der Ginalla, dankt ihren Kriegerinnen.“, sagte die Celsianerin. „Aber ich glaub’, es wird erst mal besser sein, wenn ihr hier bleibt und mich ’n anderen Job erledigen lasst. Wenn ihr jetzt gleich mit ins Gebiet der Föderation kommt, könnte das falsch ankommen, ihr versteht?“ „Wir verstehen, Prätora.“, sagte Salmonea. „Aber eines müssen wir noch wissen. Ihr habt keine Kinder, also, wer von uns soll Eure Erbprätora werden?“ „Ich setze Betsy Tochter von … Ähm …“ Sie stieß mich in die Seite: „Wie zur Hölle heißt deine Mutter?“ „Renata.“, sagte ich, der durchaus bewusst war, dass ich ihren wahren Namen schon allein der Zeitlinie wegen verfremden hatte müssen. Das, was aber jetzt passierte, ahnte ich nicht im Geringsten. Sie holte tief Luft und setzte an, nachdem sie den Sendeknopf auf der virtuellen Konsole per Gedankenbefehl gedrückt hatte: „Ich setze Betsy Tochter von Renata als meine Erbprätora ein!“
Ich stieß sie an. „Das geht nicht, Ginalla!“, zischte ich. „Ich bin Sternenflottenoffizierin!“ „Na und?!“, sagte sie. „Nichts na und!“, erwiderte ich. „Die Föderation und die Genesianer sind eigentlich Feinde.“ „Aber soweit ich Shashana verstanden habe, frisst der Teufel in der Not Fliegen.“, flapste Ginalla. „Komm schon! Ich brauch’ dich. Ohne dich, die hier Bescheid weiß, geht das garantiert in die Binsen und ich hab’ echt keine Lust, durch den Tod abgesetzt zu werden, weil ich so ’ne miese Prätora bin. Shashana mag sie geschickt haben, aber wer weiß, was passiert, wenn ich mich daneben benehme.“ „Auch wieder wahr.“, sagte ich und nickte ihr zu. Mir war klar, dass sie ohne mich wohl nicht sehr weit kommen würde. Nur meinem Commander würde ich, wenn ich sie dereinst wiedersehen sollte, einiges erklären müssen.