Auf der Krankenstation der Basis 818 hatte man mich in das zweite Krankenzimmer geführt. Dann hatte Mr. Yetron, der dies übernommen hatte, den Raum verlassen und mich gebeten, erst einmal nichts zu tun als auf die Anweisungen per Sprechanlage zu warten, die dann auch bald von Commander Time kamen. „Vor Ihnen auf dem Biobett liegt eine in einer Plastiktüte geruchsdicht verpackte Uniform.“, sagte er. „Ziehen Sie sich bitte aus, und dann nehmen Sie die bitte aus der Verpackung und ziehen sie an. Ich werde die Verbindung beenden, damit ich Ihnen nichts wegschaue. Rufen Sie mich, wenn Sie so weit sind. Dann schalten Sie die Sprechanlage bitte auf Dauersenden und setzen sich auf das Biobett. Von mir aus können Sie sich auch hinlegen. Das bleibt ganz Ihnen überlassen.“ „In Ordnung, Sir.“, gab ich zurück. Dann wurde die Verbindung von seiner Seite her tatsächlich beendet. Hinter welchem Knopf sich das Rufzeichen verbarg, das ich bald brauchen würde, wusste ich, denn diese Dinge waren bei allen Sprechanlagen der Sternenflotte standardisiert.
Ich ging also zum Biobett und tastete nach der Uniform, die ich auch bald fand. Dann nahm ich sie aus der Verpackung, nachdem ich mich ausgezogen hatte und zog sie an, um danach zur Sprechanlage zurückzukehren. Dort drückte ich den passenden Knopf und sagte: „Ich wäre dann so weit, Commander.“ „OK.“, gab Time zurück. „Stellen Sie die Anlage ein, nehmen Sie das Mikrofon mit und gehen Sie wieder zum Biobett, Allrounder!“ „Aye, Sir.“, sagte ich und klang dabei wohl etwas verwundert, denn Time fragte zurück: „Was wundert Sie, Betsy?“ „Mich wundert.“, erwiderte ich, „Dass Sie mich mit meinem rechtmäßigen Rang angesprochen haben, obwohl noch gar nicht raus ist, dass ich wirklich Allrounder Betsy Scott bin.“ „Für mich und meine Leute sind Sie es!“, sagte er mit viel Sicherheit und Überzeugung in der Stimme. „Außerdem haben schon zwei von drei Tests Ihre Identität bestätigt. Das sind schon ungefähr 60 %. Was soll denn da noch passieren?“ „Bei allem Respekt.“, sagte ich. „Ich wäre im Hinblick auf Sytania an Ihrer Stelle da lieber vorsichtig.“ „Bravo!“, sagte Time. „Von Ihrer Wachsamkeit könnten sich viele unserer Kameraden sicher noch eine dicke Scheibe abschneiden. Aber ganz ehrlich: Ich glaube kaum, dass der Katzentest etwas anderes ergeben wird, als alle anderen Tests, die wir bisher gemacht haben. Lassen Sie uns jetzt doch einfach mal beginnen. Auch, damit Caruso endlich aus der stickigen Box rauskommt. Sie sind als sehr tierlieb bekannt. Das sollte doch auch in Ihrem Interesse liegen.“ „Also gut.“, sagte ich und nahm die nötige Einstellung auf Dauersenden an der Sprechanlage vor. Danach setzte ich mich mit dem Mikrofon wieder auf das Bett und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Time wandte sich Yetron zu, der die ganze Zeit neben ihm gesessen hatte. „Wie lief die Vernehmung, Agent?“, fragte er. „Sie war ein schier übersprudelnder und sehr freigiebiger Quell an Informationen, Commander.“, antwortete der geheimdienstlich ausgebildete erste Offizier mit zufriedenem Grinsen. „Ich musste ihr teilweise sogar helfen, ihre Sätze in die richtigen Bahnen zu lenken. Es haben sich sage und schreibe 15 Datenkristalle voller Material angesammelt, das ich noch auswerten muss.“ „Ich bin auf Ihren schriftlichen Bericht gespannt, Mr. Yetron.“, sagte Time. „Das können Sie auch sein.“, sagte der Demetaner. „Ich weiß, dass ich normalerweise skeptisch sein sollte, wenn jemand so kooperativ gegenüber einem Agenten ist. Aber in ihrem Fall ist das wohl ein bisschen anders gelagert. Wie gesagt: Ich hatte das Gefühl, sie wollte mir am liebsten alles auf einmal sagen. Ich weiß, wir kennen den Allrounder an sich nicht so fahrig. Aber wenn man gerade von den Toten auferstanden ist, ist das vielleicht ganz normal. Ich kann das leider nicht beurteilen, denn ich habe eine solche Erfahrung nie gemacht. Der Einzige, dessen Erfahrungen in den Geschichtsbüchern zugrunde liegen, ist Mr. Spock. Aber er ist kein Vergleich, denn er war ein halber Vulkanier und sie ist eine vollständige Terranerin. Die Situation ist völlig anders gelagert.“ „Na ja.“, sagte Time und zog sein Handsprechgerät, in das er Cendas Rufzeichen eingab. „Wir werden ja gleich sehen, was Caruso dazu meint.“
„Cenda hier!“, meldete sich eine flapsige Stimme aus dem Lautsprecher von Times Sprechgerät. „Techniker.“, sagte Time. „Hier ist Commander Time. Wir sind so weit. Beamen Sie Caruso zu ihr, aber halten Sie die Transportererfassung aufrecht, bis wir Entwarnung geben.“ „Aye, Sir.“, sagte die Celsianerin schmissig und aktivierte den Transporter.
Von dem Vorgang an sich bekam ich naturgemäß nichts mit. Wohl aber von dem, was auf ihn folgte. Das war nämlich das Geräusch von Carusos Schelle, das mir ankündigte, dass er nicht gerade langsam auf dem Weg zu mir war. Dann hörte ich ein aufgeregtes: „Min-Mang!“ Danach wurde es schwer auf meinem Schoß. Die Gewichtszunahme ging zweifelsfrei auf das Konto des Katers, der auf meinen Schoß gesprungen war und sich jetzt laut schnurrend eine Position suchte. Dabei rieb sich sein Kopf immer wieder wahlweise an meiner rechten, oder an meiner linken Brust. „Hi, mein Süßer.“, flüsterte ich beruhigend und streckte meine Hände nach ihm aus. Dabei bemerkte ich, dass er hoch erhobenen Schwanzes auf meinen Beinen stand. Sein Atem und sein Puls gingen sehr schnell, was kein Wunder war, so sehr, wie er sich freute. Dass er positiven Stress haben musste, hörte ich auch an den seltsamen gurrenden Lauten, die er in sein Schnurren gemischt hatte. „So freust du dich, mich wiederzusehen, hm?“, fragte ich in sehr hoher Tonlage und mit leiser Stimme. „Was? Ui, du kannst ja gar nicht so doll schnurren, wie du dich freust. Gar nicht so doll schnurren kannst du ja. Ui!“
Data hatte die Situation mit Time, Ketna und Yetron gemeinsam beobachtet. „Ich kann mir vorstellen, dass er sich sehr freut, Betsy zu sehen.“, erklärte er. „Die gesamte Zeit über, seit ihrem Tod, hat er auf dem Friedhof verbracht. Cupernica und ich mussten ihn des Öfteren einsammeln. Von allein wäre er wohl nicht nach Hause gekommen.“ „Dann hängt er aber ganz schön an Betsy.“, sagte Ketna. „Das ist korrekt, Scientist.“, erwiderte der Androide.
Sie wurden durch Times Kommentar auf eine Änderung der Situation aufmerksam: „Kriech doch gleich in sie rein!“ Data drehte sich zum Monitor. „Was Sie hier sehen.“, referierte er. „Ist das normale Verhalten einer Katze, wenn sie jemanden mag und die Person lange nicht gesehen hat. Es besteht wohl offensichtlich kein Zweifel mehr. Es handelt sich sowohl physisch, als auch mental um Allrounder Betsy Scott, die wir hier vor uns sehen! Ich werde jetzt gehen, und Caruso holen.“ „Also gut.“, sagte Time.
Caruso hatte begonnen, seine Augen zu schließen, nachdem er sich laut schnurrend auf meinem Schoß zusammengerollt hatte. Er musste fast eingeschlafen sein, denn sonst ließ sich nicht erklären, warum er plötzlich hoch schreckte, als Data den Raum betrat. Ohne Umschweife kam der Androide auf mich zu und breitete seine Arme aus, um Caruso von meinem Schoß zu nehmen, eine Maßnahme, mit der dieser aber gar nicht einverstanden zu sein schien. Jedenfalls begann er damit, sich steif zu machen und hob seine rechte Vorderpfote in Datas Richtung, was für mich ein eindeutiges Zeichen war, dass er nun so gar keine Lust hatte, aus der Umgebung, in der er sich jetzt befand, entfernt zu werden. Auch sein Nackenfell sträubte sich und er begann, leise zu fauchen. Mich irritierte sehr, dass Data, der das ja eigentlich wissen musste, nicht darauf einzugehen schien. Deshalb beschloss ich, ihn zu warnen: „Bei allem Respekt, Commander, ich würde an Ihrer Stelle jetzt nicht …!“
Es war zu spät. Ich hörte ein kreischendes Miauen von Caruso und dann ein Geräusch, das mich an das Zerreißen von Plastik erinnerte. Gleichzeitig sagten mir meine Hände, dass Caruso seine Pfote ausgestreckt haben musste. Ich dachte mir schon, dass er Data gekratzt haben könnte. Aber das war sicher kein böswilliges Verhalten gewesen, sondern war, wenn man die Situation berücksichtigte, in der er war, sicher nur seinem Schreck zuzuschreiben. „Es tut mir leid für Sie, Commander.“, sagte ich tröstend. „Sind Sie beschädigt?“ „Sie haben keinen Grund, sich zu entschuldigen.“, sagte Data. „Sie versuchten ja noch, mich vor dieser Dummheit zu bewahren. Wenn ich auf Ihre Warnung eingegangen wäre, würden meine Systeme sicher jetzt nicht die leichte Beschädigung verzeichnen, die ich erlitten habe. Aber Techniker Cenda sollte Caruso vielleicht in seine Box beamen, damit er sich von dem Stress erholen kann. Auch wenn es positiver Stress war, hat ihn die Freude über das Wiedersehen mit Ihnen doch sehr angestrengt.“ „Cenda.“, stammelte ich. „Ja, das halte ich auch für eine gute Idee, auch im Hinblick auf Sie.“ „Ich benötige die Dienste des Technikers nicht, Allrounder.“, sagte Data. „Die Wesen, die mich damals fanden, haben mich auch mit einer sich selbst immer wieder erneuernden Population Naniten ausgestattet, die ich bereits angewiesen habe, den Schaden zu reparieren.“ „Wie spannend ist das denn?!“, fragte ich. „Sie erzählen mir hier tatsächlich, Sie haben ein Immunsystem, das Sie auch noch bewusst kontrollieren können?“ „Über den Grad der Faszination.“, sagte Data. „Die dieser Umstand auf Sie auszuüben scheint, kann ich Ihnen nicht viel sagen. Aber Ihren medizinischen Werten nach, die Sie zu dem Zeitpunkt aufwiesen, als ich Ihnen diesen Fakt präsentierte, schien er doch sehr hoch zu sein. Dass ich ein Immunsystem besitze, ist also eine korrekte Interpretation der von mir präsentierten Fakten Ihrerseits. Es gibt nicht viele, die dieses Geheimnis kennen. Sie sind eine der Ersten.“ „Oh, was für ein Privileg!“, staunte ich und lächelte. „Das andere war übrigens nur eine rhetorische Frage.“
Während unseres Gesprächs war mir völlig entgangen, dass Cenda Caruso fortgebeamt hatte. „Zu Ihrer Information.“, sagte Data, dem aufgefallen war, dass ich die ganze Zeit gedankenverloren die Luft gestreichelt hatte. „Caruso ist nicht mehr da.“ „Das habe ich jetzt auch gemerkt.“, sagte ich. „Der schläft sicher selig und süß. Hat er sich ja auch verdient. Was ist übrigens mit dem Ergebnis des Katzentests? Habe ich bestanden?“ „Haushoch mit Abstand und Auszeichnung.“, sagte Data. „Sie sind mit Sicherheit Allrounder Betsy Scott! Also, willkommen zurück im Leben, Allrounder!“ „Danke, Sir.“, sagte ich und gab ihm die Hand.
Time betrat den Raum. „Auch von mir das Gleiche.“, flapste er mit seinem schweren amerikanischen Akzent. „Vielen Dank, Sir.“, sagte ich. „Was wird jetzt eigentlich mit mir passieren? Ich meine, ich habe immer noch das Problem mit dem Strohhalm.“ „Wir bringen Sie nach Tindara.“, sagte Time. „Vielleicht können die Kameraden Ihres Freundes, oder vielleicht sogar er selbst, Ihnen helfen. Ketna ist mit ihrem Latein am Ende und zwar hoffnungslos!“ „Oh.“, witzelte ich. „Das ist aber nicht gut für eine Ärztin, wenn sie mit ihrem Latein am Ende ist.“ Time lachte. „Wann soll es denn losgehen, Sir?“, fragte ich. „Sobald Cenda das Schiff überprüft hat.“, sagte er. „Muss ich auf der Krankenstation reisen, oder bekomme ich das Gästequartier?“, fragte ich. „So krank sind Sie ja auch nicht.“, sagte Time. „Ketna sagt, Sie können ruhig im Gästequartier wohnen.“ „OK.“, sagte ich. „Dann bliebe ja nur noch zu klären, ob ich mich wieder umziehen soll, oder nicht.“ „Die Entscheidung, welche der beiden Uniformen Sie anbehalten, liegt ganz bei Ihnen.“, sagte Time. „Aber wie ich Cenda einschätze, haben wir nicht mehr viel Zeit.“ „Dann schmeiße ich meine Alte weg.“, sagte ich, nahm den Stapel Kleidung und beförderte ihn in die nächste Materierückgewinnung. „Na dann.“, sagte Time und bot mir seinen Arm an. „Gehen wir.“ Ich nickte und hakte mich unter. Dann machten wir uns gemeinsam auf den Weg zu den Andockrampen.
Shimar und Kamurus waren immer noch an der Position, an der sie gestoppt hatten. Das Schiff hatte den Ankerstrahl gesetzt und kreiste nun mit langsamem Impuls darum herum. Um schneller wieder starten zu können, hatte Shimar ihn dessen angewiesen. Jetzt war Kamurus aber hauptsächlich damit beschäftigt, die Biozeichen seines momentanen Piloten zu überwachen, während dieser ihm seine Legende erzählte, die er sich gemeinsam mit Agent Maron, der ihn als Geheimdienstler ja gut in so etwas unterweisen konnte, ausgedacht hatte.
„Herzlichen Glückwunsch!“, sagte Kamurus und simulierte sich Shimar wieder als er selbst. „Die letzten drei Versuche waren deine Besten.“ Er zeigte ihm die Statistik. „Danke, Kamurus.“, sagte der junge Tindaraner erleichtert. „Glaubst du, ich könnte vor einem vendarischen Erfasser oder einem der Ferengi bestehen?“ „Unbedingt!“, sagte der Avatar von Ginallas Schiff. „Du würdest sogar einen gestandenen Borg überzeugen!“ „Humor hast du ja auch gelernt!“, staunte Shimar. „Kunststück.“, sagte Kamurus ruhig. „Wenn man eine Celsianerin als Pilotin hat, bleibt das wohl nicht aus.“ „Richtig.“, sagte Shimar. „Und genau die werden wir jetzt befreien! Ich werde dich Kurs in Richtung der Wirbel setzen lassen und dann …“
Der Avatar vor Shimars geistigem Auge legte plötzlich den rechten Zeigefinger an den Mund. „Was ist?“, fragte Shimar. „Wir werden gerufen.“, sagte Kamurus. „Allerdings ist das Rufzeichen genesianisch. Die Kriegerin, die mit dir reden will, hat sich mir als Salmonea Tochter von Shandra vorgestellt.“ „Sie will mit mir reden?“, fragte Shimar und machte ein Gesicht, als verstünde er die Welt nicht mehr. „Du hast ihr schon erklärt, dass ich männlichen Geschlechts bin?“, fragte er dann. „Ja, das habe ich.“, sagte Kamurus. „Aber sie besteht trotzdem darauf.“ „Das ist höchst ungewöhnlich.“, sagte der tindaranische Patrouillenflieger verwundert. „Ist dir sonst noch was aufgefallen?“ „Es war auch merkwürdig.“, sagte das Schiff. „Dass mich Salmonea mit meinem Namen angesprochen hat, als wüsste sie, wer ich bin.“ „Wird dein Name nicht mit deinem Rufzeichen im Transpondersignal übermittelt?“, fragte Shimar. „Das nicht unbedingt.“, sagte Kamurus. „Jenna hatte mir geraten, ihn aus dem Signal zu streichen, damit nicht eventuell jemand uns erkennen kann, der es nicht soll. Du verstehst?“ „Sehr gut.“, sagte Shimar. „Die gute Jenn’! Sie denkt aber auch an alles. Aber jetzt sollten wir die Genesianerin nicht mehr warten lassen. Die Angehörigen von Kriegervölkern sind meines Wissens nicht gerade für ihre Geduld bekannt. Stell sie schon durch! Ich nehme ja nicht an, dass ich sie um Erlaubnis bitten muss, sprechen zu dürfen.“
Kamurus’ Avatar nickte und führte den Befehl aus. Bald sah Shimar in das gleiche Gesicht, das er auch schon bei der Besprechung seiner Mission mit Zirell und Maron auf dem virtuellen Schirm gesehen hatte. „Ich grüße dich, Tindaraner!“, sagte Salmonea und klang dabei schon fast etwas kalt und Furcht einflößend. „Ich bin Salmonea Tochter von Shandra vom Clan der Ginalla! Sag mir sofort, was du mit dem Schiff unserer Prätora zu schaffen hast! Warum fliegst du es?! Hast du es ihr etwa gestohlen?!“
Shimar war über ihre Frage zunächst sehr irritiert. Ihre kalten stechenden Augen, mit denen sie ihn angesehen hatte, hatten ihn völlig aus dem Konzept gebracht. „Wir sollten ihr vielleicht einfach die Wahrheit sagen.“, empfahl Kamurus. „Das wird wohl das Beste sein.“, sagte Shimar und setzte an: „Nein, Salmonea, ich habe es nicht gestohlen. Ich habe es gefunden und aus einer höchst misslichen Lage befreit. Sytanias Vendar hatten seinen Interdimensionsantrieb beschädigt und es hätte aus eigener Kraft niemals unsere Dimension erreichen können. Es wäre bei jedem weiteren Versuch zerstört worden, wenn mein Schiff und ich nicht gewesen wären. Es hat gegenüber unserem ersten Offizier eine Aussage gemacht, die Sytania sicher nicht gern hören würde und die ihre Vendar dadurch verhindern sollten. Sytania hat auch eure Prätora entführt. Kamurus und ich sind aufgebrochen, um Prätora Ginalla vom Clan der Ginalla aus ihren Händen zu befreien!“ „Was ist mit Betsy Tochter von Renata, die unsere Erbprätora ist?“, fragte Salmonea. „Sie ist in Sicherheit!“, sagte Shimar fest. „Ich bin einer ihrer zwei Gefährten. Vielleicht wisst ihr, was passiert, wenn ein Tindaraner zu einem anderen Wesen eine Beziehung aufbaut. Deshalb weiß ich es sehr genau!“
Die Gesichtszüge der Kriegerin wurden plötzlich immer weicher und dann lächelte sie sogar. „Richtige Antwort, Tindaraner.“, sagte sie. „Unsere Fragen waren eine Prüfung, die du mit Auszeichnung bestanden hast. Die oberste Prätora informierte uns über die Zukunft. Aber sie hat uns auch gesagt, dass wir sie auf keinen Fall ändern dürfen. Sie steht in direktem Kontakt mit König Logar. Seine Majestät hat ihr gesagt, dass, damit die Erziehungsmaßnahme gegen seine Tochter Sytania Wirkung zeigt, wir den Verlauf nicht wirklich verändern dürfen. Laut dem, was sie uns gesagt hat, müssen wir alle ungewöhnliche Wege gehen, um das hier zu überleben. Der Meinung ist übrigens auch Klark, mit dem wir auch zusammenarbeiten. Ich kann und werde dir nicht sagen, ob es dir gelingt, Prätora Ginalla zu befreien, denn das würde wieder eine Variable bilden, die alles ändern könnte. Aber sag ihr, wenn du sie sehen solltest, dass wir an der Grenze auf sie warten.“ Salmonea beendete die Verbindung.
Shimar machte ein bedientes Gesicht und gab einen Laut von sich, der ebenfalls darauf hinwies, dass ihn die gerade erlebte Situation sehr geplättet hatte. „Soll ich das Steuer übernehmen?“, fragte Kamurus. Von Shimar erfolgte keine Reaktion. Er war wohl immer noch damit beschäftigt, dass eine genesianische Kriegerin gerade freiwillig mit ihm, einem Mann, geredet und ihn sogar als gleichwertigen Partner in irgendeiner Art von Plan betrachtet hatte, wie sie es anscheinend auch widerspruchslos mit Logar und Klark getan hatte. „Erkläre mir bitte mal, was hier los ist, Kamurus!“, sagte er, ohne auf die Frage des Schiffes einzugehen. „Das kann ich leider nicht.“, sagte Kamurus. „Aber anscheinend ist sie eine sehr ungewöhnliche Kriegerin, die auch bereit ist, ungewöhnliche Wege zu beschreiten, um ihre Ziele zu erreichen. Das Gleiche sagen Beobachter aber auch über Shashana. Das ist wohl auch der Grund, aus dem sie sich überhaupt auf den Plan eingelassen hat. Wichtig ist aber auch, dass Sytania dadurch eventuell in die Defensive gedrängt werden kann. Wenn sie nicht damit rechnet, dass wir so sehr von unseren festgefahrenen Strukturen abweichen, dann …“ „Na, dann musste sie ja wohl den größten Satz von uns allen machen, als sie über ihren Schatten gesprungen ist.“, sagte Shimar. „Davon ist wohl auszugehen.“, sagte Kamurus. „Aber was ist nun? Soll ich?“ „Ob du was sollst.“, erkundigte sich Shimar. „Die Steuerkontrolle.“, erinnerte ihn Kamurus. „Ach ja.“, sagte Shimar. „Ist wohl besser. Ich werde an den gerade gehörten Tatsachen wohl noch eine Weile zu knabbern haben.“ „Na gut.“, sagte Kamurus und ließ das Bild der Steuerkonsole vor Shimars geistigem Auge in den Hintergrund rücken. „Bleibt es bei unserem Ziel?“, wollte er wissen. „Natürlich.“, sagte Shimar. „OK.“, sagte Kamurus und setzte sich mit Warp vier in Bewegung.
„Eines würde mich aber noch interessieren.“, sagte er. „Du hast anscheinend größere Schwierigkeiten mit der Tatsache, dass du mit ihr gesprochen hast, als mit dem Fakt, dass deine Freundin, die ja Offizierin der Sternenflotte ist, offensichtlich gerade zur Erbprätora eines genesianischen Clans avanciert ist.“ „Du meinst wegen der Obersten Direktive, der eigentlichen Feindschaft mit den Genesianern und so?“, fragte Shimar lakonisch. „Ich werde dir erklären, warum das für mich nicht so schwer verdaulich ist! Mit Betsy an ihrer Seite, die ja theoretisch als Erbprätora genau so viel zu sagen hat, wie sie selbst, wird sich die Anzahl von Fettnäpfchen, in die Ginalla treten kann, schlagartig auf null reduzieren! Das ist auf jeden Fall besser für alle Beteiligten, als wenn diese unbedarfte Zivilistin mit der Situation völlig alleingelassen ist. Betsys Wissen über die Genesianer wird da sehr hilfreich sein. Ich begrüße die Situation sogar, wie sie jetzt ist.“ „Verstehe.“, sagte Kamurus, der ja nun auch schon mehr als genug einschlägige Erfahrungen mit Ginallas Art gemacht hatte. „Wie sagt Betsys Volk doch so schön? Besser der Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.“ „Korrekt!“, sagte Shimar fest.
Mittels ihrer seherischen Fähigkeiten hatte Sytania Kamurus und Shimar beobachtet und war zu dem Schluss gelangt, dass jetzt der beste Zeitpunkt für ihren Eingriff wäre. Dies teilte sie auch Telzan mit, der ihre Meinung durchaus teilte. „Wie wollt Ihr sie aufhalten, Herrin?“, fragte der Vendar und grinste dreckig. Er hatte durchaus das Gefühl, dass Sytania jetzt zu Ende bringen würde, was ihm nicht vergönnt war. „Ich werde ein Netz aus Energiesträngen weben, deren Modulation so geartet ist, dass sie sein Warpfeld durchschneidet.“, sagte Sytania und begann damit, sich auf ihr Vorhaben zu konzentrieren. „Mal sehen, wie dieses Schiff und dieser tindaranische Flieger damit umgehen werden.“ „Aber Kamurus kann seine Rosannium-Waffe einsetzen, wenn er spitz kriegt, dass Ihr daran schuld seid, Milady.“, sagte Telzan besorgt. „Nein, Telzan.“, sagte die Königstochter. „Das wird er nicht tun! Ich werde das Netz so einrichten, dass es auch seine Schildgeneratoren zerstört, wenn es mit ihnen in Berührung kommt.“ „Warum die Schildgeneratoren?“, wollte Telzan wissen. „Nun.“, erklärte Sytania schadenfroh. „Kamurus’ momentaner Pilot ist was?“ „Er ist Tindaraner.“, sagte Telzan. „Richtig!“, sagte Sytania und grinste gemein. „Und was sind die Tindaraner?“ „Sie sind Telepathen.“, sagte Telzan und begriff: „Ah, jetzt weiß ich, worauf Ihr hinaus wollt. Wenn seine Schildgeneratoren zerstört sind, wird Kamurus es nicht wagen, die Rosannium-Waffe einzusetzen, weil die Strahlung auch durch seine Hülle dringen und Shimar gefährden könnte, weil er ihn nicht abschirmen kann.“ „Genau.“, sagte Sytania. „Sehr gut erkannt. Aber jetzt stör mich bitte nicht länger. Ich will auf keinen Fall einen Fehler machen!“ „Wie Ihr wünscht, Herrin.“, sagte Telzan und begann zu schweigen.
Shimar hatte trotz der Tatsache, dass Kamurus das Steuer übernommen hatte, den Neurokoppler aufbehalten. Deshalb konnte das Schiff, das seinerseits seine Tabelle geladen gelassen hatte, jeden seiner Gedanken gut verfolgen. „Du hast es immer noch nicht verdaut, was?“, fragte er. „Nein, wenn ich ehrlich bin.“, gab Shimar zu. „Das ist ja auch kein einfacher Stoff. Ich frage mich nur, wie Betsys Commander mit der Situation umgehen wird.“ „Glaubst du, Kissara wird es je erfahren?“, fragte das Schiff. „Wenn es zu einer Zusammenarbeit kommen sollte.“, sagte der Tindaraner. „Dann wird sie es früher oder später erfahren müssen. Es sei denn …“
Kamurus’ Bug machte plötzlich eine Bewegung nach unten und er begann zu schlingern. Gleichzeitig sah sein Avatar Shimar mit vor Panik aufgerissenen Augen an. Hätte der tindaranische Patrouillenflieger es nicht besser gewusst, hätte er fast wirklich geglaubt, das Schiff hätte Angst. Aber da es sich bei ihm um ein Mitglied einer fremden Rasse und nicht um ein auf einer tindaranischen Werft gebautes Schiff handelte, dachte er sich, dass er diesen Gedanken doch nicht so weit von sich weisen durfte. „Hilf mir, Shimar!“, sagte Kamurus mit ängstlicher Stimme, dem es nicht möglich war, aus eigener Kraft seine Fluglage zu stabilisieren. „Hilf mir! Ich brauche dich!“
Shimar hatte bemerkt, dass die instabile Lage, in der sie jetzt waren, dafür zu sorgen drohte, dass Kamurus sich auf die Seite drehen würde, wenn er nicht eingriff. Etwas musste sein Warpfeld fast willkürlich an bestimmten Stellen durchstoßen haben. Das sagte dem geschulten Flieger allein sein Bauchgefühl. Die Instrumente benötigte er nicht, um es zu erkennen. Souverän befahl er: „E-Trimmung aus, Kamurus! Gib mir die Steuerkontrolle! Und jetzt hoch mit der Nase, mein Kleiner! Komm schon!“
Da die elektronische Trimmung ausgeschaltet war, konnte Shimar jetzt alle Spulen einzeln schalten, wenn er sich die entsprechenden Bewegungen der Joysticks vorstellte. So gelang es ihm auch, Kamurus wieder gerade wie ein Brett in den Weltraum zu legen. „Gut so.“, lobte er. „So gefällt mir das! Danke für dein Vertrauen. So und nun reduzieren wir ganz langsam deinen Schub. Dann schaltest du die E-Trimmung wieder ein und wir warten.“
Bald lag Kamurus mit ausgeschaltetem Antrieb im Raum. „Und was nun?“, fragte er. „So kommen wir ja nie ins Dunkle Imperium.“ „Nein.“, sagte Shimar. „Aber dieses Feld, das dein Warpfeld zerschnitten hat, muss ja irgendwo herkommen.“ „Es war ein Netz und kein Feld.“, korrigierte Kamurus und zeigte Shimar die Sensorenbilder. „Sein Ursprung scheint nicht in dieser Dimension zu liegen.“ „Oh, nein.“, sagte Shimar. „Das spüre ich auch. Der Einfluss von Sytania ist überdeutlich.“ „Ich darf die Rosannium-Waffe nicht benutzen.“, sagte das Schiff. „Meine Schildgeneratoren sind auch in Mitleidenschaft gezogen worden. Du würdest auch in Gefahr sein.“ „Dann werde ich Sytania wohl bekämpfen müssen.“, sagte Shimar. „Aber dieses Netz kann anscheinend nur zerstört werden, wenn man seinen Hauptstrang aufribbelt und dass an der Wurzel.“
Er begann damit, sich stark zu konzentrieren, aber Kamurus wiegelte ab: „Du vergisst, dass du deine Kräfte nicht interdimensional nutzen kannst. Wenn sich die Wurzel des Hauptstranges in einer anderen Dimension befindet, hast du keine Chance, ohne dass ich dir helfe. Meine Umweltkontrollen dürften in der Lage sein, jegliche Art von Atmosphäre und Strahlung zu generieren.“ „Du meinst, du kriegst sogar Savarid-Strahlung hin?“, fragte Shimar. „Zumindest kann ich es versuchen.“, sagte Kamurus. „Mit der richtigen Dosis im Hirn könntest du es vielleicht schaffen. Wenn ich anfange, die Strahlung in der Cockpitluft freizusetzen, musst du ein paar Mal tief Luft holen. Dann setzt sie sich auf die Schleimhäute deiner Lungen und gelangt von dort aus in dein Blut, das sie in dein Gehirn transportiert. Möchtest du mit Ishan darüber reden, bevor wir anfangen?“ „Dafür ist keine Zeit!“, sagte Shimar sehr bestimmt. „Fang an! Ich werde zwischendurch immer wieder versuchen, an die Wurzel des Hauptstranges zu kommen. Aber wenn ich sie sicher mit meiner mentalen Hand greifen kann, werde ich sie nicht etwa auf einmal zerreißen, weil mich das auch ziemlich viel Energie kosten würde. Nein! Weißt du, wie ein Biber auf Terra einen Baum fällt, damit er ihm nicht auf dem Kopf landet?“ „Nein.“, sagte Kamurus. „Dann schau zu und lerne!“, sagte Shimar. „Also gut.“, sagte das Schiff, stellte seine Umweltkontrollen ein und begann ebenfalls mit der Aufzeichnung. „Warte, bis die Atmosphäre gesättigt ist.“, empfahl er. „Ich sage dir Bescheid.“ „OK.“, sagte Shimar.
Die Electronica hatte abgedockt und war zu einer Stelle im Weltraum unterwegs, an der sie gut ihren interdimensionalen Antrieb, der ihr auf der Werft erst kürzlich eingebaut worden war, zünden konnte. Sensora hatte dafür auch noch einmal auf der Flugschule die Schulbank drücken müssen. Aber da sie Androidin war, fiel ihr so etwas ja nicht schwer. „Wir befinden uns gleich im freien Weltraum, Sir.“, meldete sie Time. „Sehr gut, Allrounder.“, sagte der Terraner. „Geben Sie als Ziel die tindaranische Dimension ein.“ „Aye, Commander.“, nickte Sensora.
Im gleichen Moment wurde sie auf ein fremdes Rufzeichen aufmerksam, dessen Besitzerin wohl unbedingt mit Time reden wollte. Hinter dem Rufzeichen verbarg sich Salmonea, deren Truppe auch die Bewegungen der Electronica beobachtet haben musste. „Offensichtlich werden wir von jenseits der genesianischen Grenze ebenfalls in Augenschein genommen.“, vermutete Yetron. „Allrounder Betsy erwähnte in ihrer Aussage Genesianerinnen.“ „Was haben die vor?“, fragte Time alarmiert, der den Bericht seines ersten Offiziers wohl noch nicht gelesen hatte. „Wollen die uns angreifen? Sensora, sagen Sie ihnen, dass wir eine Patientin nach Tindara bringen, also auf einer humanitären Mission sind.“ „Das können Sie ihnen selbst sagen, Sir.“, entgegnete die Androidin. „Sie verlangen ausdrücklich, mit Ihnen zu sprechen.“ „Komisch.“, wunderte sich der Amerikaner flapsig und sein demetanischer erster Offizier begann zu grinsen. „Aber verbinden Sie mal. Hören wir uns mal an, was sie zu sagen haben.“
Sensora nickte und führte aus, was ihr Vorgesetzter ihr soeben befohlen hatte. Dann sah Time in Salmoneas Gesicht, das ihn lieb angrinste. „Du magst jetzt glauben, dass wir euch angreifen wollen, Terraner.“, sagte sie. „Aber das wollen wir keineswegs. Wir würden schließlich nie ein Schiff angreifen, auf dem wir das Biozeichen unserer Erbprätora wahrnehmen. Wir warten hier nur auf unser Zeichen.“
Yetron grinste noch stärker und Time schaute bedient. „Sie meint doch nicht etwa …“, sagte Time fast stammelnd. „Doch, sie meint.“, sagte Yetron. „Na.“, sagte der terranische Commander. „Ich fürchte, da wird uns Allrounder Betsy Scott noch einiges erklären müssen.“ „Das wird sie.“, sagte Yetron. „Aber eigentlich hat sie das schon.“ „Ach ja.“, sagte Time. „Da ist ja noch der Wälzer von Bericht, den Sie mir auf den Schreibtisch gelegt haben. Den sollte ich vielleicht mal schleunigst zu Ende lesen. Sie haben die Brücke, Agent!“ Damit ging Time in Richtung seines Bereitschaftsraumes davon.
Shimar war es gelungen, durch bewusstes und tiefes Atmen tatsächlich eine Menge Savarid-Strahlung in sein Blut zu pumpen, die dann von dort in sein Gehirn gelangte. So weit stimmte also die Theorie. Kamurus hatte dies zufrieden beobachtet. Dem Schiff war aber auch aufgefallen, dass er immer noch seine telepathischen Fühler nach der Wurzel des Hauptstranges des Energienetzes ausgestreckt hatte. „Pass auf, dass du deine Energie nicht zu sehr verschwändest.“, warnte Kamurus. „Keine Angst.“, tröstete Shimar. „Ich weiß schon, was ich tue. Ich bin im Moment noch passiv gegenüber der Wurzel. Ich öffne mich ja lediglich den Eindrücken, was du sehen müsstest, wenn du die Daten, die du über den Neurokoppler bekommst, richtig interpretierst.“ „Stimmt.“, sagte Kamurus. „Entschuldige bitte. Aber derartige Interpretationen sind mir neu. Schließlich ist Ginalla Nicht-Telepathin.“ „Schon gut.“, sagte Shimar. „Ich verbuche es als Anfängerfehler und dann sind wir quitt.“
Er schaute plötzlich starr geradeaus. Dieses Verhalten sagte Kamurus, dass sich gerade etwas verändert haben musste. „Was ist los?“, fragte das Schiff zwar ruhig, aber machte auch keinen Hehl aus seiner Absicht, sich auf keinen Fall mit einer halbherzigen Antwort zufrieden zu geben. „Du, ich glaube, deine Strahlung fängt an zu wirken.“, sagte Shimar. „Ich fange an, die Wurzel zu sehen. Sie ist zwar immer noch durch einen leichten Schleier verhüllt, aber ich denke, der wird sich lichten, wenn wir so weitermachen, wie wir es bis jetzt getan haben.“ „Du willst mir damit sagen, dass es tatsächlich mit jedem Atemzug für dich leichter werden könnte?“, fragte das Schiff. Shimar nickte. „Mein Rezept scheint also zu stimmen.“, schloss Kamurus. „Oh ja, Kamurus.“, sagte Shimar. „Das tut es. Aber jetzt bitte ich dich, mir keine Fragen mehr zu stellen, damit ich dir nicht antworten muss und …“ „Schon klar.“, sagte das Schiff. „Nur eines noch: Wann beginnst du mit dieser Bibernummer?“ „Dafür muss die Verbindung zwischen mir und der Wurzel noch stabiler werden.“, sagte Shimar. „OK.“, sagte Kamurus. „Ich werde versuchen, den Anteil der Strahlung in der Cockpitluft noch etwas zu erhöhen. Vielleicht hast du es dann einfacher. Auch später, wenn du die Wurzel hast und an ihr arbeitest, werde ich nicht aufhören, Strahlung zu produzieren. Der Spiegel darf schließlich nicht sinken, wenn wir erfolgreich sein wollen.“ „Da hast du Recht.“, sagte Shimar.
Sytania hatte ein merkwürdiges Gefühl bekommen. Da sie noch immer mit ihrem Netz in Verbindung stand, um es den etwaigen Bewegungen des Schiffes schneller anpassen zu können, nahm sie sehr wohl wahr, was Shimar tat, konnte und wollte es aber irgendwie nicht glauben. Nur Telzan hatte an ihren Gesichtsregungen gesehen, dass da wohl etwas im Gange war. Er kannte seine Herrin gut genug, um dies zu erkennen. „Was ist Euch?“, fragte der Vendar. „Ich weiß es nicht genau.“, log Sytania, die eigentlich ganz genau wusste, dass sie wohl ziemlich in Bedrängnis war. „Jemand versucht offenbar … Ah! Was ist das?!“
Shimar hatte seine Verbindung zur Wurzel im gleichen Moment stabilisieren können, in dem Sytania den Schrei von sich gegeben hatte. „So, Kamurus.“, sagte er konzentriert. „Jetzt solltest du mit der Aufzeichnung beginnen, wenn du was über terranische Biber lernen willst.“ „Na gut.“, sagte das Schiff. „Mich würde ohnehin interessieren, wie du es anstellen willst. Ich meine, Sytania dürfte viel stärker sein als du allein. Wenn Zirell und Nidell dir noch helfen würden, dann könnte ich mir rein mathematisch vorstellen, dass ihr drei …“ „Ach, Kamurus.“, sagte Shimar. „Es ist nicht immer alles eine Frage der Kraft, sondern manchmal auch der Technik! Sytania muss das Netz aufrecht erhalten. Dazu benötigt sie viel Energie. Aber sie kann nicht gleichzeitig das tun und nach allen Stellen suchen, die ich bearbeite. Ich muss also nur schneller als sie sein.“
Über den Neurokoppler beobachtete das Schiff jetzt, wie Shimar seine Hand mit einer Art von Schere visualisierte, die aber nur sehr klein war. Damit begann er jetzt, sich schichtweise um den Hauptstrang herumzuarbeiten. Allerdings tat er das in einer rasenden Geschwindigkeit. Manchmal wechselte er auch willkürlich die Richtung.
Sytania, die dies durchaus mitbekommen hatte, gefiel das gar nicht. „Es ist dieser verdammte Tindaraner.“, sagte sie zu Telzan, der auch bemerkt hatte, dass sie wohl einige Probleme hatte und begonnen hatte, sie mit dem Erfasser zu scannen. „Das kann ich nur bestätigen, Milady.“, sagte der Vendar. „Aber warum kann er das? Ich dachte immer, die Tindaraner können nicht über ihre Dimension hinaus …“ „Da irrst du offensichtlich!“, stieß Sytania angestrengt hervor. „Im Allgemeinen können sie nicht über dimensionale Grenzen hinweg ihre Kräfte benutzen. Aber es gibt ausnahmen wie zum Beispiel Commander Zirell! Aber sie ist nicht bei ihm. Er ist völlig allein! Ich verstehe das nicht! Warum kann er …?!“
Telzan wendete sich ab und vertiefte sich in das Menü seines Erfassers, um ihn umzuprogrammieren. Eine Theorie, wie es dazu kommen konnte, hatte Sytanias treuer Diener bereits. Er wollte sie nur durch das Gerät bestätigt wissen, bevor er sie seiner Herrin unterbreitete. Tatsächlich sagte ihm das Gerät bald genau das, was er wissen wollte. „Seine Energie.“, setzte er an. „Enthält einen großen Teil von Savarid-Strahlung.“ „Wie kommt es dazu?“, fragte Sytania keuchend, die inzwischen durch den anstrengenden Kampf sehr außer Atem war. „Ich kann es nicht sagen.“, sagte Telzan. „Dazu müsste ich wissen, wo er sich befindet. Aber wenn Ihr versuchen würdet, das herauszufinden, dann müsstet Ihr einen Teil Eurer Konzentration vom Netz abziehen.“ „Richtig.“, sagte Sytania. „Aber das darf ich nicht! Wenn ich das täte, hätte er alle Chancen der Welt, es endgültig zu zerstören. Er hat den Hauptstrang schon erheblich ausgedünnt und wenn der reißt, dann … Oh, er ist einfach zu schnell!“
Telzan überlegte. Er musste es irgendwie hinbekommen, seiner Gebieterin wieder einen Vorteil zu verschaffen. Die Zeit würde beileibe nicht reichen, um Sonden nach Shimars Position suchen zu lassen. Das wusste der erfahrene Stratege. Aber wenn er seinen Erfasser so programmieren würde, dass dieser Sytanias Hirnwellen als Trägeramplitude benutzen würde, dann würde er auch ein Bild von dem Netz bekommen können. Dann müsste er das Gerät nur auf Shimars Wellen umstellen und hätte die Information vielleicht schnell genug, um dessen nächsten Schritt vorauszusehen. Eine Garantie war das zwar nicht, aber es würde ihnen immerhin ermöglichen, in Sachen Geschwindigkeit zu ihm aufschließen zu können. Er würde aber sofort handeln müssen, wenn es funktionieren sollte. Seiner Herrin eine Erklärung zu geben, würde zu lange dauern. Außerdem würden derart technische Details sie nur langweilen, wie er fand. Also stellte er das Gerät einfach ein und richtete es auf Sytania.
„Du scheinst es fast geschafft zu haben.“, sagte Kamurus in motivierender Absicht zu Shimar. „Der Strang ist schon erheblich dünner. Du hattest wohl Recht, was Sytania angeht. Die Aufgabe, es aufrecht halten zu müssen, macht sie viel schwerfälliger als dich. Du bist im Gegensatz zu ihr viel flexibler.“ „Ich weiß!“, sagte Shimar, den das Unterfangen inzwischen auch sehr mitgenommen hatte. So sehr, dass es bereits körperliche Reaktionen in Form von Schweißperlen gab, die ihm am ganzen Leib herunter rannen.
Plötzlich registrierte Kamurus eine Verlangsamung der Ausdünnung, obwohl Shimar seine Bemühungen nicht zurückgeschraubt hatte. Das konnte nur eines bedeuten. Sytania musste irgendeine Art von Hilfe haben. Aber auch er hatte eine Idee, wie er Shimar helfen würde. Seine Sensoren hatten ihm gesagt, dass das Netz bereits so schwach war, dass ein gezielter Energiestoß aus seinem Warpfeld ausreichen müsste, um es zu zerreißen. Dazu müsste er von jetzt auf gleich auf Maximum Warp schalten. Das war ihm durchaus möglich, aber die G-Kräfte, die dabei frei wurden, würden Shimar derart in den Sitz pressen, dass es für ihn lebensgefährlich werden könnte, wenn er nicht mit den Antischwerkraftkontrollen dagegen halten würde. Das müsste aber genau dann passieren und auch nur für den genau nötigen Zeitraum. Er hoffte sehr, dass seine Prozessoren schnell genug arbeiteten. Warnen durfte er Shimar nicht, denn über die Verbindung, die zwischen ihnen bestand, könnte auch Sytania etwas davon mitbekommen und dann wäre eventuell alles vergebens. Deshalb sagte er nur: „Nimm dich zurück. Tu, als wolltest du aufgeben. Jetzt brauche ich dein Vertrauen. Ich habe einen Plan. Bitte, Shimar, vertrau mir.“ Shimar überlegte kurz, nickte dann aber nur abgekämpft.
Auch Sytania hatte Wind davon bekommen, dass Shimar offensichtlich nicht mehr weiter versuchte, das Netz zu zerstören. „Er hat aufgegeben, Telzan.“, sagte sie zufrieden. „Endlich hat er gemerkt, dass er seine Meisterin gefunden … Ah! Nein!!!“ Sie schrie, krampfte und wäre wohl von ihrem Thron gefallen, wenn Telzan sie nicht in letzter Sekunde aufgefangen hätte. Er sah auch ohne Erfasser, dass sie ohnmächtig geworden war. „Was haben die Beiden nur gemacht?“, flüsterte er. „Dieser verdammte Tindaraner und das verdammte Schiff?! Ich muss Sytania in ihr Bett bringen und dann meine Frau holen.“ Damit lud er sich die Prinzessin auf die Schultern und ging mit ihr aus dem Saal.
Kamurus’ plötzlicher Warpsprung hatte Shimar sehr überrascht. „Was war das?“, fragte er. „Entschuldige.“, sagte das Schiff. „Aber ich konnte dich nicht warnen, weil Sytania unter Umständen alles hätte mitbekommen können. Du weißt, dass du einen Neurokoppler trägst und dass ihr eine telepathische Verbindung durch den Kampf miteinander hattet. Wenn ich dir Bescheid gegeben hätte, dann wäre alles umsonst gewesen. Sytania hätte reagieren können und ich hätte das Netz nicht zerreißen können, weil sie es vielleicht geflickt hätte. Danke für dein Vertrauen.“
Shimar ließ den Blick seines mentalen Auges über den virtuellen Schirm schweifen. Die Instrumente verrieten ihm genau, was Kamurus getan hatte. „Du hast einen Warpsprung gemacht.“, sagte er. „Aber warum lebe ich noch? Entschuldige die Frage, aber in so einer Situation hätte ich doch eigentlich so sehr in den Sitz gedrückt werden müssen, dass ich am Ende Mus gewesen wäre, wenn du nicht …“
Er überlegte und ein breites Grinsen breitete sich über sein Gesicht. „Hey.“, sagte er dann. „Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du mit den Umweltkontrollen …“ „Doch!“, sagte Kamurus fast stolz. „Genau das habe ich getan. Den weisen Erbauern sei Dank waren meine Prozessoren für dieses Unterfangen schnell genug und haben mich nicht im Stich gelassen.“ „Hat Ginalla dir so was beigebracht?!“, staunte Shimar. „Nein.“, sagte das Schiff. „Darauf bin ich selbst gekommen. Aber von Ginalla habe ich sicher auch viel gelernt. Das ist übrigens auch der Grund, aus dem wir uns überhaupt biologische Piloten suchen, wenn wir das richtige Alter erreicht haben. Wir wollen mit ihnen Erfahrungen austauschen und von ihnen lernen. Gut, viele mögen meinen, dass Ginalla kein adäquater Partner dafür wäre, aber ich sehe das anders! Aber wir zwei, Shimar, ich finde, wir sind auch ein starkes Team!“ „Da wirst du von mir bestimmt keinen Widerspruch hören.“, sagte der Tindaraner und gähnte. „Uff.“, meinte er. „Ich glaube, ich muss mal dringend schlafen.“ „Nicht nur das.“, sagte Kamurus. „Du solltest dich noch einer bestimmten Art von Stimulatorbehandlung unterziehen, die ich gerade für dich ausgearbeitet habe. Sie wird deinem Telepathiezentrum helfen, sich zu erholen. Nimm bitte den Neurokoppler mit und schließe ihn hinten an. Ich bringe uns inzwischen an unser Ziel.“ „OK.“, sagte Shimar. „Aber bevor du gehst.“, sagte das Schiff. „Habe ich noch etwas für dich, das du unbedingt essen solltest. Es hilft deinem Telepathiezentrum, Gifte, die bei der starken Belastung entstanden sind, auszuscheiden.“
Shimar wandte sich dem Auswurffach des Replikators zu. Hier fand er ein pilzähnliches Gewächs, das auf den ersten Blick nicht sehr appetitlich aussah, aber doch ziemlich verführerisch roch. „Das Original wächst auf Kinas drei.“, sagte Kamurus. Dort lebt auch der biologische Pilot meiner Schwiegermutter in Spee. Er findet allerdings, das Zeug schmeckt wie Knüppel auf den Kopf. Er ist auch telepathisch. Du musst den Pilz nicht weiter bearbeiten.“ „Na dann!“, sagte Shimar, nahm sich den Pilz und biss hinein. An seinem Gesichtsausdruck bemerkte Kamurus aber, dass es ihm sehr zu schmecken schien. „Der Typ sollte mal seine Geschmacksnerven untersuchen lassen.“, sagte Shimar mit vollen Backen. Dann schluckte er und fügte hinzu: „Der hat nämlich eindeutig ein Problem damit, wenn du mich fragst.“
Er verdrückte den Rest des Pilzes, leckte sich Finger und Mund ab und rülpste. „Entschuldige bitte.“, sagte er zu Kamurus. „Ich weiß.“, flapste Kamurus. „Das war reine Körperbeherrschung. Andere an deiner Stelle hätten bestimmt ge…“ „Kamurus!“, sagte Shimar überrascht und leicht peinlich berührt. „Schöne Grüße von Ginalla.“, erklärte das Schiff. „Dachte ich mir schon.“, sagte Shimar. „Aber jetzt finde ich, wir sollten Teil zwei meiner Behandlung in Angriff nehmen.“ „Also dann.“, stimmte Kamurus zu und beobachtete, wie Shimar den Neurokoppler abzog, um ihn dann in der Achterkabine, wo er sich auf eine Bank legte, wieder anzuschließen. Er leitete die Stimulatorbehandlung ein und setzte sich gleichzeitig wieder in Richtung Wirbel in Bewegung. Er würde Shimar schon wecken, wenn sie angekommen waren. Er war zuversichtlich, dass sein Telepathiezentrum bis dahin wieder funktionsfähig sein würde.