- Schriftgröße +

 

Zirell und Sedrin, sowie Maron und Joran waren immer noch mit dem Nachdenken beschäftigt. Zirell hatte, nachdem ihr und Sedrin allein nichts eingefallen war, die Hilfe ihres ersten Offiziers und des Vendar gesucht. Aber auch allen vieren wollte einfach keine Lösung einfallen. „Lassen wir es für heute gut sein.“, sagte Zirell schließlich. „Es ist spät und …“

Die Sprechanlage beendete ihren Satz. Ich hatte IDUSA befohlen, mich anzukündigen. „Was gibt es, IDUSA?!“, fragte die Kommandantin, die das Rufzeichen des Basisrechners im Display der Sprechanlage erkannt hatte. „Allrounder Betsy Scott ist auf dem Weg zu Ihnen, Commander.“, sagte der Rechner gewohnt nüchtern. „Ihren medizinischen Werten nach ist sie sehr aufgeregt. Positiv aufgeregt, um genau zu sein, allerdings. Da ich dieses Verhalten an sich nur bei ihr gesehen habe, wenn sie eine Idee hat, halte ich es für wahrscheinlich, dass sie in der Lage sein wird, auch Ihr Dilemma zu lösen. Aber sie sucht eigentlich primär nach Ihnen, Agent Sedrin.“ „Nach mir?!“, fragte die Demetanerin verwundert. „Na ja. Wir werden ja sehen, was dabei herauskommt. Lass sie ein, IDUSA!“ „Wie Sie wünschen, Agent.“, sagte der Rechner und öffnete mir die Tür zur Kommandozentrale.

Ich schritt hindurch und befahl in Richtung des nächsten Mikrofons: „IDUSA, Tür blockieren!“ „Erwarten wir noch jemanden?“, erkundigte sich Zirell. „Ich warte nur noch auf Shimar.“, sagte ich. „Wir sind uns auf dem Flur begegnet und er scheint sehr neugierig auf das zu sein, was ich zu sagen habe.“ „Na dann!“, sagte Zirell. „Das bedeutet dann wohl.“, meinte Sedrin, „Dass Ishan ihn raus gelassen hat. Es scheint ihm also schon wieder viel besser zu gehen.“

„Und das alles nur, weil du zur rechten Zeit das Rechte getan hast, Sedrin El Demeta!“, sagte Joran aus dem Hintergrund. „Aber du weißt hoffentlich, dass …“ „Mir ist bekannt!“, sagte Sedrin energisch. „Dass ich ein schier unverschämtes Glück hatte! Wäre es zu Komplikationen gekommen, auf die das Erste-Hilfe-Programm auch nicht hätte reagieren können, dann hätte er auch sterben können! Das ist mir durchaus bewusst und ich bin Mutter Schicksal sehr dankbar, dass sie mir zur Seite gestanden hat! Ich weiß, dass ich deshalb noch lange keine Ärztin bin, Joran! Selbstüberschätzung war noch nie einer meiner Charakterzüge! Ich glaube, da verwechselst du mich mit deiner ehemaligen Gebieterin!“

„Jetzt hört mal auf zu streiten!“, ließ sich Zirells Stimme wenig später vernehmen. „Wir sind nämlich inzwischen alle vollzählig. Sie deutete hinter sich, wo sich jetzt auch Shimar eingefunden hatte. Dann befahl sie IDUSA an meiner Statt, die Blockade der Tür aufzuheben.

„Also, Allrounder.“, wendete sich Sedrin jetzt ruhig an mich, die ich vor Aufregung bebend vor ihr stand. „Was müssen Sie so dringend mit mir besprechen. Ihrem Verhalten nach muss es ja etwas Weltbewegendes sein!“ „Das ist es auch, Agent!“, stieß ich aufgeregt und vor Aufregung ganz atemlos und zitternd hervor. „Wissen Sie, die Tindaraner, nein, die Nidari-Travelers, wir müssen …“

Sie stellte sich hinter mich und legte mir ihre rechte Hand auf die Schulter. Dann näherte sich ihr Mund meinem rechten Ohr, in das sie flüsterte: „Trancilarin.“ Das war demetanisch und bedeutete so viel wie: „Beruhigen Sie sich!“ Aber es brachte mich auch dazu, ihr unwillkürlich ebenfalls in ihrer Muttersprache zu antworten: „Ne trancilaris ke, Sea!“, was, da ich im Gegensatz zu ihr das Futur benutzt hatte, hieß: „Ich werde mich nicht beruhigen, Madam!“ „Na gut.“, sagte Sedrin wieder in Englisch zu mir. „Dann machen wir das jetzt eben erst mal anders! Zirell, bitte lass mich deinen Raum benutzen.“ Die Tindaranerin nickte nur, worauf Sedrin mich bei der rechten Hand nahm und mich mit den Worten: „Kommen Sie!“, aus der Kommandozentrale zog.

Es dauerte nicht lange und wir waren in Zirells Bereitschaftsraum angekommen. „Woher wussten Sie, dass es mir hier leichter fallen würde, zu reden?“, fragte ich. „Ich kenne solche Situationen mit Illiane.“, erklärte Sedrin. „Sie hatte ihre Schwierigkeiten damit, vor mehreren Vorgesetzten frei zu reden. Aber ich hatte immer gedacht, das träfe auf Sie nicht zu, Betsy.“ „Normalerweise ist das auch nicht so.“, sagte ich. „Aber dieses Mal …“

Ich musste tief durchatmen. „Sehr guter Anfang!“, lobte Sedrin und führte mich zu einem der typischen tindaranischen Sitzkissen. Sie selbst holte sich auch eines und setzte sich mir gegenüber. Dann sagte sie: „Und jetzt mal ganz langsam von Anfang an. Was wäre Ihr Lösungsvorschlag?“ „Ich glaube.“, setzte ich an. „Dass wir das Pferd mal von hinten aufzäumen sollten.“, sagte ich. „Na, davon verstehen Sie ja was.“, sagte Sedrin grinsend, um die Situation aufzulockern. „Ich meine.“, fuhr ich fort, ohne wirklich auf ihren kleinen humorigen Einwurf einzugehen. „Dass wir ja die ganze Zeit versuchen, den Tindaranern zu beweisen, dass es die Nidari-Travelers gibt. Aber was ist, wenn wir den Nidari-Travelers erst mal beweisen, dass es die Tindaraner gibt? Ich meine, dann haben sie ja auch einen Anlass, sich direkt bei ihnen zu melden und …“

Ich hörte ihre Kleidung rascheln und dann ihre Schuhe auf den Boden tippen. Einen Moment lang dachte ich sogar, jetzt hätte ich etwas Schlimmes angestellt. Dieser Gedanke verflog aber sofort wieder, als ich spürte, wie mich zwei kräftige Arme an einen mit weichen Kleidern verhüllten Körper drückten und wohl nicht die Absicht hatten, mich sobald wieder loszulassen. Dann hörte ich ihre laute und energische Stimme erfreut rufen: „Allrounder, das ist großartig! Den Beweis dafür tragen Sie ja schließlich in sich! Wir müssen nur noch eine Möglichkeit finden, ihre Dimension zu finden und dorthin zu gelangen! Aber das besprechen wir am Besten mit allen gemeinsam! Kommen Sie! Wir gehen wieder zurück!“

Damit zog sie mich strahlend auf die Beine und führte mich beschwingten Schrittes in die Kommandozentrale zurück, wo uns eine sehr stark staunende Zirell erwartete. „Was habt ihr denn Tolles in meinem Bereitschaftsraum erlebt?!“, fragte sie grinsend, denn Sedrins Grinsen musste irgendwie ansteckend sein. „Zirell, du musst sofort eine Offiziersbesprechung anberaumen!“, sagte Sedrin bestimmt. „Ich schätze, sie hat uns gerade die Lösung all unserer Probleme aufgezeigt!“ Dabei deutete sie auf mich. „So, muss ich das.“, sagte Zirell. „Aber da ich ja sehr neugierig bin und nicht davon ausgehe, du lieferst mir die Lösung gratis, werde ich tun, worum du mich jetzt gerade gebeten hast. IDUSA, gib allen Bescheid! Konferenz in einer Stunde in Konferenzraum J14!“ „Wie Sie wünschen, Commander.“, gab der Rechner nüchtern zurück.

Data und Jaden waren an Datas und Cupernicas Haus angekommen. Der Androide hatte seinen Jeep abgestellt und dem Terraner dann bedeutet, ihm zu folgen. So waren die Männer in die privaten Räume von Data und Cupernica gelangt, die sich gleich an den Trakt mit der Praxis anschlossen.

„Mein Mann informierte mich bereits per F-14-Code, dass Sie meiner Hilfe bedürfen.“, sagte Cupernica und lächelte sogar dabei. Dies war zwar ein erlerntes Verhalten, aber sie wusste durchaus, wann es angebracht war. „Dann muss ich Ihnen ja nich’ alles noch mal vorkauen.“, sagte Jaden und seufzte auf. „Nein, das müssen Sie nicht, Sir.“, sagte Cupernica aus Gewohnheit, die ja lange unter Huxley gedient hatte.

Der Blick des Terraners fiel auf Novus, der sich mit seinen Eltern und ihm jetzt im Wohnzimmer befand. „Wir sollten das Kind spielen schicken.“, meinte Huxley. „Auch wenn er ein Androide ist, würde ich mich damit einfach wohler fühlen.“ „Also gut.“, sagte Data. Dann wendete er sich an Novus: „Bitte geh spielen, mein Sohn!“ „Wie du wünschst, Vater.“, sagte der künstliche Junge folgsam und ging aus der Tür. Cupernica und Data hatten wohlweislich verschwiegen, dass Novus über alles informiert war. Sie dachten sich wohl, dass eine solche Tatsache auf den Terraner etwas befremdlich wirken könnte. Schließlich war Jaden es bestimmt nicht gewohnt, dass ein 6-jähriges Kind über Dinge informiert war, die eigentlich nur die Erwachsenen etwas angingen. Dass Novus sich bereits ebenfalls mit der Lösung des Problems beschäftigte, ahnten sie nicht.

Cupernica hatte ihre Gäste nun auf die Terrasse geführt, von der aus man auch in den Garten sehen konnte. Dort hatten sich alle drei jetzt auf einige Stühle um einen Tisch herum gesetzt. „Ich kann also davon ausgehen, dass Sie Bescheid wissen, Scientist.“, sagte Jaden. „Dann wissen Sie ja auch, was für ’ne Blamage wir bei der Zeitung erlebt haben.“ „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte die Androidin. „Aber so blamabel finde ich das gar nicht. Schließlich kann die Absicht, bei der Wahrheit zu bleiben, Ihnen einen sehr guten Leumund bescheinigen und die Regierungen der Tindaraner und der Föderation könnten doch noch geneigt sein, Ihnen zu glauben. Hätte mein Mann gelogen, was ihm ja nicht möglich ist, wie Sie wissen, sähe das sicher anders aus.“ „Sie klingen schon wie Agent Malcovich.“, sagte Jaden lakonisch. „Ich nehme das als Kompliment.“, sagte die ehemalige Schiffsärztin der Eclypse. „Aber lassen Sie uns nun doch über unser primäres Problem reden. Der Einzige, der beweisen kann, dass Sytania hiermit nichts zu tun hat, ist doch eindeutig Caruso, nicht wahr?“ Data und Jaden nickten einhellig. „Dann müssen wir den Regierungen ja nur zeigen, dass …“, führte Cupernica aus, aber Jaden fiel ihr ins Wort: „Moment! Was macht denn Ihr Sohn da? Also, nach Spielen im konventionellen Sinne sieht mir das nicht aus. Aber vielleicht spielen Androiden ja anders. Sehen Sie. Er winkt sogar zu uns herüber.“ „Dann sollten wir mal nachsehen, was er für uns hat.“, sagte Cupernica und stand von ihrem Stuhl auf. Sie hatte es absichtlich vermieden, Jaden zu fragen, ob er etwas zum Trinken oder Essen haben wollte, denn sie kannte ihren ehemaligen Commander zur Genüge und wusste, dass er, wenn ihm eine Laus über die Leber gelaufen war, oft keinen Appetit hatte. Es wäre zwar höflich gewesen, ihn danach zu fragen, aber Cupernica wusste, dass diese Frage wohl müßig wäre. Auch Data und Jaden folgten ihr.

Der Weg führte alle drei in den Garten, in dessen hinterem Teil Novus offensichtlich damit beschäftigt war, etwas zu bauen. Die Konstruktion glich einer Drahtröhre, die etwa 60 cm im Durchmesser war und eine Länge von etwa 9 m hatte. Sie war in drei Kammern unterteilt und ihr hinteres Ende war fest mit Draht verschlossen. In etwa 5 cm Höhe war eine Vorrichtung mit einem Futternapf in der dritten und letzten Kammer angebracht. Dieser konnte durch eine etwa handgroße Klappe in der hinteren Drahtwand herausgenommen werden. In der mittleren Kammer an der Decke befand sich eine Vorrichtung, in die ein Zylinder gespannt werden konnte, wie er zum Aufbewahren von Energieproben zu kriminalistischen Zwecken verwendet wurde. Die erste Kammer, welche den Eingangsbereich bildete, war leer. Allerdings zweigte von ihr das Ende einer weiteren Röhre ab, das mit einer strahlendichten Tür vom Rest getrennt war. Diese hatte eine Halbmondform und ihr zweites Ende mündete ebenfalls seitlich in die Kammer mit dem Futternapf. Alle Türen in der Röhre, also auch die, welche die Kammern trennten, waren strahlendicht. Das Ganze sah also aus wie der Buchstabe D.

Beeindruckt sah sich Jaden diese Konstruktion an. „Was hast du denn da gebaut, Novus?“, fragte er erstaunt. „Nun.“, erklärte der Androide. „Ich hoffe, dass wir mit Hilfe dieser Konstruktion allen beweisen können, dass Sytania hiermit nichts zu tun hat. Wir benötigen nur noch einen Zylinder mit einer Energieprobe von ihr. Ich bin aber sicher, dass Agent Malcovich uns den besorgen kann. Wenn Caruso zum Thunfisch gehen sollte, ohne sich von der Energie in dem Zylinder irritieren zu lassen, wissen wir, dass Katzen für Thunfisch wirklich alles tun würden und dann hätte Nugura mit ihrer Meinung sicher wirklich Recht und das wäre kein Beweis. Davon gehe ich aber nicht aus. Wir müssen nur noch dafür sorgen, dass möglichst viel Öffentlichkeit von unserem Experiment erfährt. Ich denke, hier wird wieder Mrs. Karen Malcovich ins Spiel kommen. Sie hat doch sicher noch mehr Kontakte zu Presse und Fernsehen, die es uns ermöglichen sollten, unser Experiment allen zu Ohren und zu Augen kommen zu lassen, also auch den Regierungen.“

Jaden gab einen auf sehr großes Erstaunen hindeutenden Laut von sich. Dann sagte er: „Du bist ja echt ’n kleines Genie, Novus. Das hier hätte ich dir nich’ zugetraut. Immerhin bist du erst sechs!“

Data und Cupernica waren hinzugetreten und hatten jenes Bauwerk ihres Sohnes ebenfalls studiert. „Ich muss meinem ehemaligen Vorgesetzten Recht geben.“, sagte Cupernica und man konnte fast glauben, etwas Stolz aus ihrer Stimme entnehmen zu können. „Diese Eigenschaft hat er aber eindeutig von dir geerbt.“, sagte Data und schaute seine Frau mit einem fast schmeichelnden Blick an. „Du bist wie immer ein Schmeichler erster Güte.“, sagte Cupernica. „Ich habe gelernt, dass es in Partnerschaften üblich ist, sich ab und zu Komplimente zu machen.“, erklärte Data. „Insbesondere scheint es üblich zu sein, dass der Mann dies gegenüber der Frau tut.“

Jaden hatte die gesamte Zeit über die Augen nicht von der Drahtkonstruktion gewendet. Dabei war ihm aufgefallen, dass sich auch Caruso dieser genähert hatte. „Ja, ja.“, schmeichelte er. „Mach dich nur schon mal damit vertraut. Dann ist nachher alles sehr viel leichter.“ Der Kater schnurrte und warf ihm einen freundlichen Blick zu. Er hatte sicher nicht verstanden, was Jaden gemeint hatte, aber er genoss es, freundlich angesprochen zu werden, da er wusste, dass menschliche Ansprache meistens etwas Positives nach sich zog.

Der Terraner drehte sich wieder Cupernica, Data und Novus zu. „Es sieht aus, als würden wir die Hilfe der Schwestern Malcovich erneut brauchen.“, sagte er. „Also. Ich würde sagen, Data und ich fahren noch mal zu Kate und Karen Malcovich und Sie, Scientist, verständigen Nugura. Ihnen wird sie am Ehesten glauben. Ich will, dass sie schon mal informiert ist, damit sie nicht so ins kalte Wasser geworfen wird. Soweit ich mich erinnere, mag sie das nämlich gar nicht.“ „In Ordnung.“, nickten alle Jadens Plan ab und dann gingen sie in Richtung Jeep und Haus. Jaden warf Novus noch ein kurzes: „Danke, mein Kleiner. Die wird staunen.“, zu.

Auf 281 Alpha waren wir alle inzwischen im Konferenzraum eingetroffen und Zirell hatte erläutert, wie die Situation aussah. „Allrounder Betsy Scott hat aber bereits eine Idee, wie wir das Problem lösen können.“, endete ihr Referat. Dann schob Sedrin mich wie auf Stichwort in die Mitte des Raumes. „Ich denke.“, begann ich. „Dass wir die ganze Zeit das Pferd von der falschen Seite aufgezäumt haben.“ „Das dürfte doch unmöglich sein.“, meldete sich Joran, der mit geflügelten Worten auf Englisch im Allgemeinen noch seine Schwierigkeiten hatte. Wie allen bekannt sein dürfte, vermied er es aus verständlichen Gründen, einen Universalübersetzer zu benutzen. „Im Prinzip ganz richtig, Joran.“, lächelte ich. „Deshalb funktioniert es ja auch in diesem Fall nicht. Der Grund, aus dem die Zusammenkunft so beleidigt ist, ist doch der, dass die Nidari-Travelers sie nicht direkt kontaktiert haben, sondern den Umweg über die Föderation gewählt haben. Aber wie sollten sie denn auch eine Rasse kontaktieren, von der sie annehmen müssen, dass es sie gar nicht gibt?! Wie wäre es also, wenn wir den Nidari-Travelers erst mal beweisen, dass es die Tindaraner wirklich gibt? Den Beweis dafür trage ich in mir. Deshalb würden Agent Sedrin und ich das gern übernehmen. Wenn ein Tindaraner mitkäme, wäre das sicher zu viel für sie. Mit der Tür ins Haus fallen, das sollten wir nicht. Wir könnten sie dadurch vergrätzen. Das wäre aus diplomatischer Sicht sicher der falsche Weg.“ „Agent Sedrin und du.“, sagte Zirell. „Das halte ich auch für eine gute Idee. Ihr beide seid Sternenflottenoffizierinnen und gehört somit der Föderation an. Wenn ihr also den Nidari-Travelers vorsichtig beibringt, dass wir existieren, dürfte das tatsächlich funktionieren. Das denke ich auch. Dann könnten die sich ja immer noch an die Zusammenkunft wenden. Vor allem dann, wenn sie hören, was ihre Kontaktversuche für Konsequenzen nach sich gezogen haben. Also gut! Nur, wie wollt ihr das anstellen?“

Sedrin stellte sich neben mich. „Wir werden zuerst mal versuchen, ihre Dimension zu finden.“, sagte sie. „Dazu sollten wir die Daten benutzen, die ich sammeln konnte. Ich habe eine Restsignatur eines Neuralmusters auf meinem Erfasser. Das Muster gehörte offenkundig zu einem Nidari-Traveler.“ „Sicher zu dem, dem Betsy begegnet ist.“, vermutete Maron. „Zu wem denn wohl sonst?!“, fragte Sedrin mit leicht verärgertem Tonfall. „Vergib mir bitte, Sedrin.“, bat Maron. „Aber ich bin so schrecklich nervös. Hast du eine Ahnung, was gerade durch die Nachrichten geht? Weißt du, dass Nugura erwägt, in den Krieg mit einzusteigen, wenn es einen geben sollte? Die Einzigen, die das bisher verhindern, sind die Vulkanier mit ihrem Veto. T’Mir erwägt sogar, Vulkan aus der Föderation zu nehmen. Ihr Parlament, der Hohe Rat, hat diesem Vorschlag bereits zugestimmt, weil sie das Verhalten der Zusammenkunft und der Regierung der Föderation als höchst unlogisch verurteilt haben und ihnen so etwas nicht zugetraut haben. Ich glaube, die Vulkanier sind von deiner Regierung, Zirell, maßlos enttäuscht!“ „Es ist jetzt auch deine Regierung, Maron.“, verbesserte Zirell ihren ersten Offizier. „Vergiss das bitte nicht! Schließlich arbeitest du jetzt auch für sie!“ „Ja.“, sagte Maron und fügte deutlich leiser bei: „Leider. Ich hätte ihnen wirklich mehr Vernunft unterstellt. Allrounder Betsys Erklärung ist sicher genau das, aber keine Entschuldigung.“

Jenna war von ihrem Platz aufgestanden und hatte sich ebenfalls in die Mitte des Raumes begeben. „Wir schweifen ab, Ladies und Gentlemen.“, stellte die hoch intelligente Halbschottin fest. „Agent Sedrin, wie haben Sie sich vorgestellt, die Dimension der Nidari-Travelers zu finden?“ „Wir sollten die interdimensionale Sensorenplattform mit den Daten aus meinem Erfasser füttern.“, schlug die Demetanerin vor. „Sie sollte auch in der interdimensionalen Schicht nach Energiepfaden suchen, die von den Nidari-Travelers unter Umständen dort hinterlassen worden sein könnten. Jeder Schiffsantrieb hinterlässt solche Spuren. Die Nidari-Travelers bestehen aus reiner Energie und hinterlassen sicher auch ihre Spuren beim Durchqueren der Schicht.“ „Sie könnten Recht haben, Agent.“, sagte Jenna. „Und dann könnten wir sicher auch Rückschlüsse darauf ziehen, wie ihre Dimension aussieht. Ich denke, da sie nicht körperlich sind, wird ihre Dimension auch von der Unseren abweichen. Körperlose können im Allgemeinen in einer Dimension der Körperlichkeit, wie sie unsere beiden Universen sind, nicht lange überleben, ohne sich selbst einen Körper zu suchen oder zu erschaffen.“ „Damit kennen Sie sich ja aus, McKnight.“, sagte Sedrin. „Ihre Erfahrungen mit Lord Grandemought haben dazu sicher ihren Teil beigetragen.“ „Das stimmt, Agent.“, sagte Jenna. „Und in einer solchen Dimension herrschen auch sicher ganz andere Naturgesetze. Es könnte also sein, dass die Systeme der Schiffe, vor allem denke ich an den Antrieb, nicht funktionieren.“ „Also schön.“, sagte Zirell. „Schauen wir uns das erst mal mit der Plattform an! Sedrin, bitte gib mir deinen Erfasser.“ Die Agentin nickte und übergab ihr das Gerät.

Shimar, den Ishan inzwischen wieder gesundgeschrieben hatte, meldete sich zu Wort: „Mit welchem Schiff wollt ihr denn fliegen? Ich meine, ich wäre durchaus bereit, euch mit IDUSA hinzubringen.“ „Das sollten wir lassen, Shimar.“, sagte Sedrin. „Wenn du gerade richtig zugehört hast, dann weißt du, dass wir die Anwesenheit von Tindaranern erst mal ausschließen wollen, um die Nidari-Travelers nicht zu sehr zu erschrecken. Betsy und ich werden allein mit Lycira fliegen. Ich kann mir vorstellen, dass dir so ein Abenteuer auch Spaß machen würde, aber angesichts der Situation müssen wir sehr vorsichtig sein. Immerhin seid ihr für die genau so ein Mythos, wie sie es für euch sind. Ich weiß deinen Einsatz durchaus zu schätzen, aber …“ „Schon klar.“, sagte mein Freund lächelnd und setzte sich wieder.

„Würde Lycira tolerieren, wenn ich an ihrem Antrieb herumbasteln würde, Allrounder?“, fragte Jenna mich förmlich, eine Tatsache, die mir seltsam vorkam. So lange, wie wir uns schon kannten, hatte ich längst etwas weniger Förmlichkeit von ihr erwartet. „Ich denke, sie weiß, dass Sie ihr nichts tun, Techniker.“, erwiderte ich. Dabei betonte ich ihren Rang noch besonders, um sie auf den eben genannten Umstand aufmerksam zu machen. „Oh!“, lächelte Jenna, die längst gemerkt hatte, worauf ich hinaus wollte. Etwas anderes hatte ich aber auch nicht von ihr erwartet. „Ich verstehe schon, Betsy.“, sagte sie dann, um ihren kleinen Fauxpas von gerade wieder wettzumachen. „Schon OK, Jenna.“, sagte ich.

„Dann wissen ja alle, was sie zu tun haben.“, meinte Zirell. Alle nickten. „Na dann!“, sagte die tindaranische Kommandantin. „Mal alle wieder ab auf eure Posten! Sedrin, wir beide reden noch mal gesondert. Komm bitte erst mal mit in die Kommandozentrale!“ „OK, Zirell.“, sagte die Agentin und wendete sich danach an mich: „Sie entschuldigen mich! Verlustieren Sie sich doch noch ein wenig. Wir werden Sie rufen, sobald der Spaß losgeht.“ „Aye, Agent.“, nickte ich und ging, genau wie alle anderen auch, meiner Wege.

Zum Wiederholten Male hatte Saron das vulkanische Staatsoberhaupt an seine Vorgesetzte durchgestellt. Dem klugen Sekretär war klar, dass es ums Ganze ging. Zu lange hatte er die Korrespondenz zwischen Nugura und T’Mir bereits beobachtet und naiv war er beileibe nicht! Also wusste er ganz genau, dass Nugura es wohl nicht leicht haben würde und mit Sicherheit wirklich nicht gestört werden wollte, wenn sie das sagte. Um so mehr kam er nun ins Schwimmen, als er zum wiederholten Male jenes fremde Rufzeichen im Display des Sprechgerätes sah, das ihn schon den ganzen Morgen ziemlich genervt hatte, wenn man ihn nach seiner persönlichen Meinung fragte. Als Sekretär durfte er sich das natürlich nicht anmerken lassen, aber die Privatperson Saron hatte da durchaus seine Probleme. Die Inhaberin des Rufzeichens hatte ihm zwar gesagt, dass sie Offizierin der Sternenflotte war, aber trotzdem hatte Saron sich zunächst auf jene Scientist Cupernica nicht wirklich einen Reim machen können. Zwar war Nugura als Präsidentin der Föderation automatisch auch Oberbefehlshaberin der Sternenflotte, aber trotzdem musste ihr Sekretär nicht jeden Offizier persönlich kennen.

Jetzt waren Saron schon langsam die Ausreden ausgegangen und die Fremde dachte auch wohl gar nicht daran, ihre Rufe einzustellen. „Es tut mir leid, Scientist.“, bemühte sich Saron, ihr sachlich, aber bestimmt die Situation zu erklären. „Aber ich habe absolute Anweisung, meine Vorgesetzte nicht zu stören!“ „Also gut.“, sagte die Stimme am anderen Ende und täuschte zunächst, zumindest Sarons Interpretation nach, Einsicht vor. Dieser Eindruck schwand aber gleich wieder, als sie sagte: „Dann werde ich Ihnen jetzt erklären, was ich will. Vielleicht können Sie ja Ihre Vorgesetzte dann überzeugen, dass es sehr wichtig ist, mit mir zu sprechen, wenn sie die Föderation vor einem aus der Unvernunft geborenen Abenteuer bewahren will, was sie, zumindest meiner Meinung nach, als gute Präsidentin, auf jeden Fall tun sollte.“ „Einem aus der Unvernunft geborenen Abenteuer.“, zitierte Saron. „Sie reden, als wären Sie Vulkanierin.“ „Fast.“, sagte Cupernica nüchtern. „Ich bin Androidin. Und jetzt, da Sie das wissen, Mr. Saron, werden Sie sich ausrechnen können, dass Sie ein Duell der Geduld, wie Sie es offensichtlich anstreben, auf jeden Fall gegen mich verlieren werden. Die Tatsache, dass ich Sie immer und immer wieder rufe, wird bei Ihnen zwar irgendwann eine nervliche Krise auslösen, mich aber lässt dieser Umstand gänzlich unberührt. Sehen Sie: Jeder Computer gibt, wenn etwas nicht stimmt, eine Fehlermeldung heraus, solange das Problem andauert, was dem Fehler zugrunde liegt, auch wenn dies seinen Nutzer noch so sehr nervt. Genau so werde ich mich immer und immer wieder bei Ihnen melden, bis Sie oder Nugura mich anhören! Sie sehen also, es liegt ganz bei Ihnen, diese für Sie so sehr unbequeme Situation zu beenden.“ „Sie versuchen doch nicht etwa, mir zu suggerieren, dass ich eine Kontrolle über die Situation habe, die mir aber nicht wirklich obliegt.“, erkannte Saron. „Wenn ja, dann ist das ein ziemlich übler psychologischer Kniff, den Sie da gerade anwenden, meine Liebe. Woher haben Sie solche Informationen? Sind Sie …“ „Wie Sie meinem Rang entnehmen können.“, fiel ihm Cupernica ins Wort. „Bin ich medizinisch ausgebildet. Dazu gehört auch ein Kurs in Psychologie.“ „Ah so.“, sagte Saron, dem so langsam klar wurde, mit wem er es hier zu tun hatte. „Ganz ehrlich, Scientist, ich selbst habe auch kein gutes Gefühl bei der Sache mit dem Krieg. Ich finde auch, die Zusammenkunft hätte warten sollen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, bevor sie Krieg und Pulverfass schreit. Aber anscheinend sieht das Nugura ja anders.“ „Rein juristisch.“, erklärte Cupernica. „Muss, oder wenigstens kann, sie es auch anders sehen. Wir haben immerhin eventuell einen Bündnisfall. Das bedeutet, wenn die Zusammenkunft uns um Hilfe bittet, können wir ihr diese gewähren. Ich denke, dass Nuguras Entscheidung auch etwas mit der Tatsache zu tun hat, dass demnächst wieder Wahlen anstehen. Sie denkt wohl, dass sie schlecht beim Wähler ankäme, wenn sie die Tindaraner jetzt im Stich lassen würde. Das einfache Volk hat sicher nicht die Informationen, die wir besitzen. Es könnte also durchaus so ankommen. Allerdings verfüge ich über eine Möglichkeit, ein für alle Mal zu beweisen, dass Sytania in diesem Fall komplett unschuldig ist!“ „Das haben die Vulkanier ja auch schon versucht.“, sagte Saron, dem gar nicht auffiel, dass er mit ihr bereits über sämtliche Details sprach. Sie hatte ihn genau dort, wo sie ihn haben wollte, aber das war ihm auch ganz recht. Er wusste ja, dass sie Ärztin war und als solche zum Schweigen verpflichtet. Jedes Wort, das sie jetzt wechselten, würde also zwischen ihnen beiden verbleiben. „Aber sie sind kläglich gescheitert. T’Mir droht sogar, Vulkan aus der Föderation zu nehmen! Stellen Sie sich das mal vor, Cupernica! Was glauben Sie, wird das für eine psychologische Wirkung auf den einfachen Bürger auf der Straße haben, wenn ein Gründungsmitglied die Föderation verlässt?! Das wäre, als würden Sie einem gesunden Patienten ein lebenswichtiges Organ entnehmen und ihn dann seinem Schicksal überlassen!“ „Ihre Reaktion, Mr. Saron, zeigt mir sehr schön.“, sagte Cupernica. „Was das bei Ihnen ausgelöst hat. Sicherlich weiß T’Mir um das Potential ihrer Drohung. Sie weiß bestimmt, dass diese bei ihren Landsleuten wohl nichts bewirken wird, aber die Wirkung ist ungleich größer beim Rest, bei Ihnen inklusive. Aber wir beide, Mr. Saron, Sie und ich, wir können die Patientin Föderation vielleicht noch retten. Dazu ist es nur dringend notwendig, dass Sie mich jetzt gleich an Nugura durchstellen! Ich werde dann alles Weitere mit ihr besprechen.“ „Das geht leider nicht, Scientist Cupernica.“, sagte Saron. „Sie wird die Sprechanlage nicht beantworten.“ Er sah auf das Display. „Außerdem spricht sie gerade. Aber es wird doch mit Sicherheit noch einen anderen Weg geben. Wie wäre es, wenn Sie mir erläutern, was Sie zu sagen haben und ich es ihr dann als Nachricht zukommen lasse?“

Saron hatte wieder nicht bemerkt, dass er auf ihre Schliche hereingefallen war. Ihre Art, ihm einzureden, dass er einen gewichtigen Beitrag zur Rettung der Föderation leisten konnte, hatte offensichtlich Früchte getragen. Aber wenn er ehrlich mit sich selbst war, dann hatte er es auch nicht merken wollen. Zu sicher fühlte er sich bei ihr! Es tat ihm gut, über die brisante Situation mit jemandem unverfänglich zu reden.

„Also gut, Mr. Saron.“, sagte die Androidin. „Dann möchte ich Sie bitten, einen Augenblick in der Leitung zu warten. Ich werde die Verbindung jetzt auf mein Handsprechgerät umlegen und Sie dann quasi mit in den Garten nehmen. Hier werde ich dann alles weiter ausführen.“ „OK.“, sagte Saron. „Ich warte.“ Dann hängte er vertrauensvoll das Mikrofon ein, allerdings, ohne die Verbindung zu beenden.

 

Aus dem Sprechgerät ertönten die fünf ersten Töne einer Wartemusik, die aus einer demetanischen Volksweise bestand. Dann hörte er erneut Cupernicas Stimme, die jetzt im Hintergrund von leisem Vogelgezwitscher begleitet wurde. „Ich bin jetzt dort, Mr. Saron.“, sagte sie. „Bitte achten Sie auf meine Kameraführung.“ Sie hielt das Sprechgerät in Richtung von Novus’ Konstruktion. „Mit diesem Käfig.“, führte sie aus. „Und mit der Hilfe unseres Katers Caruso werden wir beweisen, dass Sytania unschuldig ist. Es fehlt zwar noch ein wichtiges Stück, aber das werden wir schon noch bekommen. Da sehe ich überhaupt keine Schwierigkeiten.“ „Mit Hilfe eines Tieres?!“, fragte Saron irritiert und Cupernica konnte sehr gut die Angst in seiner von den normalen Frequenzen abweichenden Stimme feststellen. „Das wird Nugura uns nicht abnehmen! Sie wird sich nicht die Blöße geben wollen! Schon gar nicht vor den Vulkaniern! Was immer Sie auch vorhaben, sie wird …“ „Aber nein, Mr. Saron.“, tröstete die Androidin. „Gerade dann werden Sie in der Lage sein, zu beweisen, dass es manchmal sehr hilfreich sein kann, auf die Instinkte einer vergleichsweise primitiven Lebensform zu hören. Die Geschichte hat bewiesen, dass dies sogar einmal einem vulkanischen Ermittler geholfen hat, Thomas Eugene Paris zu entlasten. Ich würde mich an Ihrer Stelle mal an Ihre neue Archivarin wenden. Ich bin überzeugt, Dalylla wird die Datei sehr schnell finden und sie Ihnen genau so schnell zukommen lassen. Dann haben Sie genug Munition, um Nugura zu überzeugen. Stellen Sie sich vor, wie das ankäme, wenn ein einfacher Sekretär und eine einfache Archivarin gemeinsam die Politiker vor einem Einstieg in einen sinnlosen Krieg bewahren würden!“

Saron bemerkte nur noch fast schlafwandelnd, wie sich sein Kopf bei gedrücktem Sendeknopf senkte. Dann sagte er: „Sie verstehen es sehr gut, jemanden zu manipulieren.“ „Ja.“, gab Cupernica unumwunden zu. „Weil es in diesem Fall notwendig ist und einem höheren Ziel dient. Aber dazu gehören auch immer zwei. Nämlich einer, der manipuliert und einer, der sich manipulieren lässt und ich habe den Eindruck, Sie spielen im Moment gern die Rolle des Letzteren.“ „Sie haben Recht.“, gestand Saron. Er wusste genau, dass sie wusste, wie gut es ihm tat, dass sie ihm auf diesem Wege eine Lösung offerierte. „Dann sind wir uns ja einig, Mr. Saron.“, sagte Cupernica mit einem konspirativen Gesichtsausdruck. „Das sind wir, Scientist.“, bestätigte Saron und beendete die Verbindung.

Nach seinem Gespräch mit Cupernica musste Saron erst mal tief durchatmen. Sie hatte ihm da gerade eine Menge Informationen geliefert, die es erst mal galt zu verarbeiten. Er war sicher, dass sie ihm die Namen nicht umsonst gesagt hatte. Sicher hatte sie ihn mit Daten versorgen wollen, die ihm und Dalylla die Suche im Archiv erleichtern sollten. Er wusste, dass sie, da sie ein Gedächtnis wie eine Datenbank hatte, das einmal gelernte nicht so schnell wieder vergessen würde.

Er fasste sich ein Herz und betätigte die Sprechanlage, indem er sie auf internen Ruf stellte und das Rufzeichen des Archivs eingab. Am anderen Ende der Verbindung antwortete tatsächlich Dalylla. Jene Dalylla, in die er gerade alle Hoffnung setzte. „Was gibt es denn, Mr. Saron?!“, fragte die junge Celsianerin mit ihrer glockenhellen Stimme. „Ich muss Sie bitten, mir einen wichtigen Gefallen zu tun.“, sagte Saron.

Dalylla war schnell bewusst, dass er sehr herumdruckste. „Na, worum geht es denn?!“, fragte sie mit fast mitleidiger Betonung. „Bitte hören Sie auf, mich so zu bemitleiden.“, sagte der Sekretär unwirsch. „Oh, is’ ja schon gut.“, flapste Dalylla. „Ich wollte ja nur nett sein!“ „Mir tut es leid.“, sagte Saron. „Aber die ganze Situation …“ „Welche Situation denn?“, fragte die junge Archivarin. „Ich rede von der allgemeinen politischen Situation.“, sagte Saron. „Aber ich habe einen Tipp bekommen, dass gerade Sie mir helfen können sollen. Wir müssen vielleicht etwas mit Hilfe historischer Daten untermauern. Ich gebe Ihnen mal einige Stichworte, nach denen Sie suchen sollten: Thomas Eugene Paris, vulkanischer Ermittler und Tier.“ „Komischer Mischmasch.“, brummelte Dalylla. „Aber ich werde mein Bestes tun. Warten Sie mal kurz, oder besser, ich rufe Sie zurück, sobald ich was habe.“ „OK.“, erklärte sich Saron einverstanden und beendete die Verbindung.

In zähen Verhandlungen hatte Nugura die letzten Minuten verbracht. Es sah immer mehr danach aus, als würde T’Mir die Drohung, Vulkan aus der Föderation zu nehmen, tatsächlich wahr machen. „Sie dürfen nicht vergessen, dass wir einen Bündnisfall haben.“, sagte Nugura. „Wenn Sytania die Tindaraner angreift, müssen wir das, zumindest meiner Meinung nach, genau so betrachten, als seien wir selbst betroffen. Schließlich sind die Tindaraner unsere politischen Verbündeten.“ „Darin stimme ich Ihnen zwar durchaus zu, Nugura.“, sagte T’Mir gewohnt ruhig und sachlich. „Aber wie sagt man noch auf der Erde? Eine Freundschaft muss auch mal einen Sturm aushalten können. Ich erinnere mich noch gut an Zeiten, in denen die Tindaraner sich auch von der Föderation und ihrem Handeln distanziert haben und da hat auch niemand den Bündnisfall angeführt. Ihr momentanes Verhalten, Nugura, ist also zutiefst unlogisch. Die einzige Erklärung, die ich hätte, wäre die Tatsache, dass wieder eine Wahl ansteht und Sie befürchten, von den zumeist sehr emotional gelenkten Wählern keine Stimmen zu bekommen! Ich weiß, dass wir Vulkanier und die künstlichen Lebensformen nur einen sehr geringen Teil der Wählerschaft ausmachen. Daher ist aus Ihrer Sicht ein solches Verhalten sicher nachvollziehbar, aber dennoch höchst unvernünftig! Auf so etwas können und wollen wir uns nicht einlassen! Ich werde also in diesem Moment meinen Planeten aus der Föderation nehmen!“

Ihr letzter Satz ließ Nugura versteinern. Wie ein Echo, das sich in einer Warteschleife befand, wiederholte er sich in ihrem Kopf. Der Präsidentin war durchaus bewusst, was dieser Umstand für die Föderation bedeuten konnte. Faktisch war sicher alles nicht so schlimm, aber die psychologische Wirkung auf das einfache Volk durfte nicht unterschätzt werden. Sie hatte bereits die Überschriften der Zeitungen vor Augen, in denen sicher auch vom Zusammenbruch der Föderation die Rede sein konnte. Dass die Presse vieles aufbauschte, und dass die Leute dies eventuell sogar ihr zuschreiben könnten, war ihr bewusst. Blass sank sie in ihrem Stuhl zusammen.

Nervös saß Saron vor seinem Schreibtisch und ließ den Bildschirm mit seinem SITCH-Mail-Programm nicht aus den Augen. Er wusste zwar, dass ein Signal ihm, auch wenn er gerade nicht hinsah, jede eingehende Nachricht ankündigen würde, aber er wollte wohl nichts verpassen.

Tatsächlich kam auch in diesem Augenblick Dalyllas Nachricht herein. An sie gehängt war tatsächlich eine Datei, die sich mit jenem Ereignis befasste, auf das Cupernica ihn hingewiesen hatte. Im Textfeld standen nur die Worte: „Saron, ich hab’s gefunden!“

Sofort zog der Sekretär die Datei auf sein Pad. Dann stand er von seinem Stuhl auf und begab sich in Richtung der Zwischentür, die sein und das Büro seiner Vorgesetzten voneinander trennte. Leise klopfte er an, eine Tätigkeit, die in Zeiten von Gegensprechanlagen an fast jeder Tür sicher schon in Vergessenheit geraten war. Er hoffte, Nugura damit überraschen zu können, weil ihm irgendein unbestimmtes Bauchgefühl sagte, dass es jetzt wohl etwas Ungewöhnliches brauchte, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.

Tatsächlich fiel Nuguras Reaktion zunächst etwas seltsam aus. Die Präsidentin hatte dieses Geräusch nämlich zuletzt in einem historischen Simulationsprogramm gehört. „Kommen Sie herein, Mr. Saron.“, sagte sie etwas verwundert.

Saron legte den Finger auf den Sensor, der daraufhin die Tür öffnete. Dann trat er forschen Schrittes und mit lächelndem Gesicht ein. Gleich fiel ihm aber der im Gegensatz dazu traurige Ausdruck auf dem Gesicht seiner Chefin auf. „Was ist geschehen, Präsidentin?“, fragte Saron Anteil nehmend. „Was geschehen ist, Mr. Saron?“, fragte Nugura mit unglücklichem und fast verzweifeltem Ausdruck in der Stimme zurück. „Etwas Schreckliches ist geschehen! Sie hat es getan, Saron! Oh, sie hat es tatsächlich getan! Sie hat Vulkan aus der Föderation genommen! Bedenken Sie! Vulkan! Ein Gründungsmitglied! Die Presse wird darüber herfallen! Oh, sie werden das ausschlachten, als gäbe es kein Morgen! Oh, Mr. Saron, das wird eine Massenpanik auslösen. Die meisten Leute werden glauben, dass die Föderation auseinander bricht und das werden sie mir ankreiden! Da bin ich ganz sicher!“ „Dann habe ich hier gerade das geeignete Mittel, um Sie davon zu überzeugen, dass doch nicht alles verloren ist, Sea Federana.“, sagte Saron und holte grinsend das Pad hinter seinem Rücken hervor, um es mit einem triumphierenden Ausdruck vor ihr auf den Schreibtisch zu legen.

Skeptisch las sich Nugura den Inhalt durch. Dann bekam ihr Gesicht plötzlich einen zornigen Ausdruck und sie fuhr Saron an: „Sie erdreisten sich hier allen Ernstes, mir so etwas in unserer Situation unter die Nase zu reiben, Mr. Saron?! Und wie kommen Sie dazu, zu behaupten, es sei hilfreich?! Das möchte ich jetzt mal ehrlich von Ihnen wissen! Außerdem interessiert mich, ob diese Scientist Cupernica …!“ „Sie hat uns noch mehrmals gerufen, Madam President und ich hatte ein langes Gespräch mit ihr. Sie hat mir auch diesen Tipp gegeben.“, sagte Saron wahrheitsgemäß und sehr ruhig im Gegensatz zu ihr. Er wusste, dass er nichts zu verlieren hatte. „Sie will ein Experiment machen, in dem mit Hilfe ihres Haustieres bewiesen werden soll, dass Sytania hiermit ausnahmsweise mal nichts zu tun hat. Sie sagt, die Vulkanier werden …!“ „Haben Sie beide sich etwa zusammengetan, um mein Ansehen völlig in den Dreck zu ziehen?!“, fragte die Präsidentin der Föderation empört. „Wir können alle froh sein, dass T’Mir ihren Planeten bereits aus der Föderation genommen hat! Wenn sie das nicht schon getan hätte, hätte sie es jetzt mit Sicherheit, nachdem ich mich noch mal vor ihr so richtig zur Lachnummer gemacht hätte! Haben Sie das etwa beabsichtigt?! So etwas grenzt meiner Ansicht nach schon an Hochverrat, Mr. Saron! Ich werde im Arbeitsrecht nachsehen, ob ich Sie dafür nicht fristlos …!“ „Der Inhalt dieses Pads.“, fiel ihr Saron selbstbewusst ins Wort. „Beweist gerade das Gegenteil. Er beweist, dass Sie sich gerade vor den Vulkaniern nicht zur Lachnummer machen werden! Schließlich hat gerade ein Vulkanier in dem hier geschilderten Fall auf die Hilfe eines Tieres zurückgegriffen. Ein logischer und hoch entwickelter Vulkanier. Wenn sich also mit diesem Experiment, das der Scientist vorhat, beweisen lässt, dass Sytania hier ausnahmsweise unschuldig ist, dann werden sogar sie das glauben und Ihnen hoch anrechnen, dass Sie alles getan haben, um sich davon zu überzeugen. Wenn wir dann aufgrund der neuen Fakten noch Abstand von dem Kriegsvorhaben der Tindaraner nehmen, werden sie sicher auch in die Föderation zurückkehren! Statt einer fristlosen Kündigung sollten Sie mir also eine Belobigung aussprechen, Sea Federana!“

Mit dieser Reaktion hatte Nugura offensichtlich nicht gerechnet. Sie schluckte kräftig herunter und sagte dann: „Also gut, Mr. Saron. Ich will unsere gute Arbeitsbeziehung, die Jahre lang angedauert hat und für mich sehr profitabel war, nicht sofort über Bord werfen. Schließlich waren Sie all die Jahre hindurch mein engster und bester Berater. Sie waren besser, als es jedes andere Mitglied meines politischen Stabes je sein konnte. Es wäre doch reichlich dumm von mir, dies jetzt einfach wegzuwerfen. Damit würde ich den Vulkaniern ja tatsächlich beweisen, dass ich eine emotional gesteuerte Närrin wäre und sie würden dann auf keinen Fall zurückkommen! Und Scientist Cupernica? Sie hat sich auch oft als kompetente Person erwiesen. Geben wir ihr also eine Chance und wenn es allein dazu dient, die Vulkanier zurückzuholen, um so besser! Rufen Sie Cupernica zurück und sagen Sie ihr, dass ich einverstanden bin und das Experiment gern live mit ansehen würde. Oder, nein! Verbinden Sie mich am besten gleich selbst mit ihr! Dann informieren Sie die Fernseh- und Pressestationen über das Experiment! Jeder soll es sehen! Von mir aus auch, oder gerade ein paar Vulkanier! Informieren Sie auch deren Stationen. Noch dürfte es ja technisch für sie möglich sein, Föderationsfernsehen zu empfangen. Wenn wir uns also beeilen, kriegen sie auch noch alles mit! Rasch, Saron! Rasch!“ „Sofort, Madam President.“, nickte Saron und verschwand schleunigst wieder in sein Büro, um die notwendigen Gespräche zu führen.

Du musst login (registrieren) um ein Review abzugeben.
Creative Commons License
Science/Fantasy-Ecke Website von Kamil Günay steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.