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Lycira, Sedrin und ich waren guter Dinge, was unsere Pläne anging. Wir ahnten ja noch nicht, was auf uns zukommen sollte. So kam es auch, dass wir völlig andere Themen in unseren Unterhaltungen erörterten. „Wie kommen Sie eigentlich dazu, mich so anzulügen?!“, fragte mich die Agentin mit viel Empörung in der Stimme. „Hat man Ihnen auf der Akademie nicht beigebracht, dass es ungehörig ist, eine Vorgesetzte zu belügen?!“ „Ich habe keine Ahnung, von was Sie reden, Madam.“, sagte ich. „Bei allem Respekt!“ „Na, wie war das denn wohl mit Ihren Kenntnissen in Pflanzisch?!“, fragte sie immer noch im Verhörton. „Den Ablegern seiner Sämlinge! Ich denke, diesen Satz haben Sie mit voller Absicht gewählt, oder? Ich halte das schon mal für einen guten Anfang und dann behaupten Sie trotzdem noch, dass Sie …“ „Das war sicher nichts weiter, als ein gut gemeinter Versuch, Agent!“, fiel ich ihr nervös ins Wort. „Selbst wenn!“, sagte sie. „Dann war es ein verdammt Guter! Sie müssen dringend aufhören, Ihr Licht immer so unter den Scheffel zu stellen. Ganz dringend!“

Sie konnte ihre Standpauke nicht fortsetzen, denn im gleichen Augenblick fuhr eine heftige Erschütterung durch Lyciras gesamten Rumpf. Wie sie es gewohnt war, forderte Sedrin nur: „Bericht!“ Statt mir antwortete ihr aber dann Lycira telepathisch: Wir scheinen uns in den Krallen eines riesigen Adlers zu befinden, Sedrin. Ich kann mir das auch nicht erklären. „Zeig Betsy und mir den verdammten Raubvogel, Lycira!“, befahl Sedrin. „Und dann gib uns alle Werte, die du von ihm empfangen kannst!“ Wie du willst, Sedrin., gab mein Schiff zurück und zeigte uns die Sensorenbilder. „Tatsächlich! Ein Adler!“, stellte ich fest. „Für einen Moment hatte ich noch gehofft, wir wären nur in den Traktorstrahl eines klingonischen Kriegsschiffes geraten und dass Sie das gemeint hätten, Agent! Aber das ist ja wirklich einer! Aber wie kann das sein?! Auf Sauerstoff angewiesene Kreaturen können doch im Weltraum nicht überleben?!“ „Das ist korrekt, Allrounder.“, erwiderte Sedrin. „Aber all das ist relativ, sobald es sich um Geschöpfe von Sytania handelt! Das wissen Sie doch! Lycira, zeig ihr den Rest!“

Mein Schiff hatte ihren Befehl ausgeführt und so hatte ich auch bald gesehen, was sie gemeint hatte. Anhand der Energiewerte des Wesens hatte auch ich schließen können, dass es sich um Sytanias Schöpfung handeln musste. Aber ein bisschen hatte ich mich auch über mich selbst geärgert. Wie war ich darauf gekommen, dass hier ein klingonisches Schiff in der Nähe sein sollte?! Wo sollte das denn herkommen?! Zuerst das Harmloseste anzunehmen, war zwar eigentlich eine gute Sache, um nicht in Panik zu geraten, aber in diesem Fall wohl völlig fehl am Platze!

„Es tut mir leid, Agent.“, entschuldigte ich mich. „Was tut Ihnen leid, Allrounder?“, fragte Sedrin. „Es tut mir leid, dass ich so naiv war. Ein Klingonenschiff! Pah! Wo sollte das denn wohl herkommen und warum sollten denn die Klingonen gegen uns feindliche Absichten hegen?! Sie sind doch schon seit Jahren politisch mit uns verbündet!“ „Das mag sein.“, tröstete Sedrin. „Aber das waren die Vulkanier auch. Trotzdem haben sie der Föderation einen ziemlichen Denkzettel verpasst, wenn Sie mich fragen. Sie haben den Artikel nicht gesehen, Betsy, aber Cupernica und meine neue Partnerin, sowie mein Mann und noch viele andere, aber vor allem Caruso, müssen die Vulkanier wohl schwer beeindruckt haben. Sonst wären sie sicher nicht in die Föderation zurückgekehrt.“ „Sie glauben den Artikel doch!“, fragte ich irritiert. „Den Grundinhalt ja.“, erklärte Sedrin. „Nur die Aufmachung dieser Art von Presse gefällt mir gar nicht! Aber vielleicht ist ja ein Körnchen Wahrheit darin enthalten.“

Lycira zeigte uns plötzlich weitere Bilder, die von ihren Sensoren empfangen worden waren. „Unter uns ist ein Asteroidenfeld!“, stellte Sedrin alarmiert fest. „Es ist so dicht, dass wir darin nicht manövrieren könnten, selbst wenn wir es wollten. Wir werden zwangsläufig auf einen der Asteroiden treffen, wenn uns die Kreatur fallen lässt!“ „Das weiß ich!“, entgegnete ich aufgeregt. „In diesem Zustand würde uns auch Lyciras Antrieb nicht helfen! Das Wesen ist viel zu stark! Deshalb habe ich ihr auch längst befohlen, ihn zu deaktivieren! Sie soll ja schließlich ihre Energie nicht verschwenden!“ „Das war sehr gut!“, lobte Sedrin. „Dann werden wir wenigstens genug Energie haben, falls uns doch eine Möglichkeit zur Flucht einfällt!“

Das Wesen gewann plötzlich stark an Höhe und flog immer schneller. „Was ist genau unter uns, Lycira?“, fragte Sedrin. „Zeig es bitte erst mal nur mir! Ich will nicht, dass Betsy noch mehr Angst bekommt!“ OK, Sedrin., gab mein Schiff zurück und führte den Befehl meiner momentanen Vorgesetzten aus.

„Das ist ein ziemlich felsiger Asteroid!“, stellte Sedrin nach Ansicht der Sensorenbilder fest. „Wenn uns die G-Kräfte beim Absturz nicht erledigen, dann wird es spätestens einer dieser spitzen Steine dort unten tun, auf die wir prallen werden!“ Ich wünschte auch, ich könnte uns irgendwie retten!, sagte Lycira. „Du kannst ja nun am wenigsten dafür, du kleines tapferes Schiff!“, sagte Sedrin. „Mach dir keine Vorwürfe! Was immer auch mit uns dreien geschieht, du trägst mit Sicherheit keine Schuld daran!“ Danke, Sedrin., sagte mein Schiff erleichtert.

Wir hörten eine Stimme in unseren Geistern, die einige lang gezogene primitive Sätze in schrillen Lauten formulierte: Gleiiich steeerbt iiihr! Gleiiich! Die Modulation erinnerte mein geschultes Kommunikationsoffizierinnengehör sofort an die Schreie eines Adlers, was sicher auch kein Wunder war, denn wir hatten es ja schließlich mit so etwas Ähnlichem zu tun. Aber das war typisch für Sytania. Sie liebte nun einmal majestätische Auftritte.

Er wird uns sicher gleich loslassen, Betsy!, wendete sich Lycira angstvoll an mich. Was soll ich tun?! Bitte sag mir, was ich tun soll! „Ich weiß es nicht, Lycira!“, musste ich zugeben. Zwar hätte ich Mut vortäuschen können, aber ich wusste, dass dies wegen unserer direkten telepathischen Verbindung wohl zwecklos war. Sie hätte längst gespürt, wie es mir wirklich ging.

Sytanias Geschöpf war mit uns höher und höher gestiegen. Ich befürchtete, es war nur noch eine Frage der Zeit, wann er uns loslassen würde. Wahrscheinlich würde er uns sogar noch einen kräftigen Stoß verpassen, damit uns die Trägheit, die normalerweise im Weltraum herrscht, auch ja in die richtige Richtung bringen würde. Dieser Stoß würde sicher durch einen Sturzflug erfolgen! Den Rest würde die Anziehung des Asteroiden erledigen, aber je mehr Anlauf er hatte, desto stärker war der Stoß, den er ausführen konnte. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass er das ganz genau wusste.

„Ich glaube, wir dürfen unser Testament machen, Agent.“, sagte ich irgendwann resignierend. Mir fiel nichts ein, was uns retten könnte und Lycira offenbar auch nicht, aber wenn noch nicht einmal Sedrin eine Idee hatte, dann war wohl Hopfen und Malz für uns verloren! „Ich bin neugierig auf mein Ende, Sedrin.“, meinte ich dann. „Sehende berichten davon, dass sie ein weißes Licht sehen, wenn es so weit ist. Wie es wohl für mich sein wird!“

Sie holte plötzlich tief Luft, blieb aber dann wie versteinert sitzen. Ich kannte dieses Verhalten von ihr. Ich kannte es aber nur dann, wenn in ihr ein so genialer Plan reifte, dass sie es selbst kaum wahrhaben wollte. „Was haben Sie gerade gesagt?!“, fragte sie schließlich, hatte aber wieder einmal diese gewisse Betonung, als hätte ich ihr gerade die Erlösung verkündet, die ich aber auch schon von ihr kannte. „Ich sagte.“, erklärte ich. „Dass ich mich fragte, ob ich wohl auch ein weißes Licht …“

Sie zuckte plötzlich, klatschte in die Hände und sagte mit skandierendem Ton: „Mutter Schicksal, das ist es! Warum haben Sie das nicht früher gesagt?! Befehlen Sie Lycira, McKnights neue Erfindung zu aktivieren!“ „Das wird uns hier im Weltraum nichts nützen, Agent.“, erwiderte ich ruhig, die ich offensichtlich noch nicht verstanden hatte, was sie meinte und die ich mich wohl schon mit meinem Ende arrangiert hatte. „Jenna hat doch gesagt, der Lichtantrieb funktioniert nur in der Dimension der Nidari-Travelers. Nur dort kann er uns voranbringen.“ „Kommt ganz darauf an, wie Sie voranbringen definieren, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Vertrauen Sie mir?!“ „Ja.“, antwortete ich. „Dann geben Sie Lycira jetzt den Befehl! Beweisen Sie mir, dass Sie mir vertrauen, Betsy! Beweisen Sie es mir!“, sagte Sedrin mit viel Dringlichkeit in der Stimme.

Ich hatte Lycira den Gedankenbefehl erteilt und hatte bald das starke Gefühl, dass auch sie nicht ganz wusste, was das bringen sollte. Aber im selben Augenblick sollten wir es erfahren, denn Sytanias Geschöpf ließ uns mit einem letzten lauten Schmerzensschrei in unseren Geistern los und flog davon. Lycira hatte zu trudeln begonnen und ich musste all meine fliegerischen Kenntnisse aufbieten, um sie zunächst auf Impuls wieder zu stabilisieren. „Sehr schön!“, sagte Sedrin. „Und jetzt bringen Sie uns auf Maximum Warp und so schnell wie möglich weg von hier. Der Kurs liegt in Ihrem Ermessen! Los!“ „Ja, Ma’am!“, erwiderte ich zackig und total automatisiert, bevor ich ihre Befehle an mein Schiff weitergab.

Nur sehr langsam war die Angst aus meinen Gliedern gewichen. Jene Angst, in die mich Sytanias Geschöpf versetzt hatte. Aber jetzt wusste ich, dass alles wieder gut wurde, obwohl mir noch nicht wirklich klar war, was da eigentlich gerade passiert war. „Flieg nur zurück, du Ausgeburt der Hölle!“, hatte ich noch gezischt. „Was war das denn?!“, fragte Sedrin verwirrt. „Das ist schon das zweite Mal heute, dass ich Worte von Ihnen höre, die ich mir nicht erklären kann, weil sie nun so gar nicht zu der lieben Miezekatze passen wollen, die Sie sonst immer sein wollen.“ „Das erkläre ich Ihnen, wenn Sie mir vorher mal was erklären, Agent.“, sagte ich. „Was hat meine Vorstellung vom Tod mit dem zu tun, was Sie mir gerade befohlen haben?!“ „Licht.“, sagte Sedrin ruhig. „Licht war das entscheidende Wort, Allrounder. Sytanias Schöpfungen sind Produkte der Dunkelheit. Licht bedeutet Schmerz für sie. Je mehr, desto stärker. Erinnern Sie sich noch, was Techniker McKnight über ihre Erfindung sagte?“ Ich nickte. Dann fragte ich: „Woher wissen Sie das, Agent?“ „Ich weiß es von Illiane.“, sagte sie. „Als wir gemeinsam auf diesem gewissen Planeten abgestürzt waren, wurden wir von Sytanias Geschöpfen belästigt. Es war Illiane, die vorschlug, aus Holzspänen, die wir in Baumharz tauchten und im Kreis um unser Lager aufstellten, einen Wall aus Licht zu bauen. Ich leistete dem Folge und half ihr, um ihr zu beweisen, dass ich ihr vertraute.“ „Dann hat sie uns ja gerade wieder geholfen, Madam!“, sagte ich fast ehrfürchtig. „Sogar von dem Ort aus, an dem sie jetzt ist.“ „Wenn Sie das so sehen wollen, Betsy.“, sagte Sedrin. „Ja, das will ich.“, sagte ich.

Sie saß eine Weile lang sinnierend neben mir. Dann sagte sie: „Hier wäre ein guter Platz, um in den interdimensionalen Modus zu gehen. Finden Sie nicht?“ „Oh doch.“, sagte ich und gab meinem Schiff die entsprechenden Befehle: „Also los, Lycira! Bring uns zu den Nidari-Travelers!“ Sie führte meinen Befehl aus und wir verschwanden in einem Blitz.

Sytania hatte das Tun ihrer Schöpfung genau beobachtet und war daher auch über sein Wohl und Wehe informiert. Genau hatte sie gesehen, dass er versagt hatte! Das war eine Tatsache, die sie niemals ungestraft lassen würde. Sie hatte den Adler aus Energie zwar zurück in ihre Dimension geholt, das war aber der einzige Akt der Gnade, den sie ihm zukommen lassen wollte, wie sie Telzan bald wissen ließ.

„Was werdet Ihr jetzt tun, Hoheit, um Euer Geschöpf zu bestrafen?“, fragte der Vendar. „Nun.“, sagte Sytania. „Ich habe mir da schon etwas besonders Grausames ausgedacht, mein guter Telzan. Du siehst, dass er sehr stark verletzt ist?“ „Das sehe ich, Milady.“, sagte der Vendar, der gemeinsam mit ihr den Kontaktkelch nutzte. „Dieses seltsame Lichtgerät, das sie an ihrem Schiff hatten, hat …“ „Genau das.“, sagte Sytania. „Dahinter steckt bestimmt wieder Techniker Jenna McKnight! Aber wie konnte sie wissen, was ich plane?“ „Ich bin sicher, das hat sie nicht gewusst, Herrin.“, beruhigte Telzan sie. „Ich bin sicher, der Antrieb, den sie in dieses seltsame Schiff eingebaut hat, diente eigentlich dazu, ihnen in der Dimension der Nidari-Travelers ein Fortkommen zu ermöglichen. Sie hat mit Sicherheit nicht mit Eurem Adler gerechnet. Nur Agent Sedrin Taleris-Huxley El Demeta hat die Situation mal wieder schamlos ausgenutzt!“

Sytania sprang von ihrem Thron auf. „Wenn dir dein Leben lieb ist, Telzan.“, sagte sie. „Dann erwähnst du diesen Namen nicht mehr in meiner Gegenwart! Hast du mich verstanden?!“ „Ja, Herrin!“, sagte Telzan fest. „Ich bin sicher, es genügt Euch schon, dass diese Hexe, deren Namen ich nicht erwähnen darf, Euch mal wieder so eine schmachvolle Niederlage beschert hat. Da will ich nicht noch zusätzlich Salz in die Wunde streuen. Soll ich auch meinen Leuten befehlen, dass sie den Namen nicht mehr aussprechen dürfen?“ „Tu das!“, sagte Sytania.

Telzan holte sein Sprechgerät aus der Tasche und programmierte einen Sammelruf an alle Mitglieder seiner Truppe. Auch der einfachste Soldat sollte es hören und Sytania sollte dies auch mitbekommen. Es lag ihm viel daran, die Wunde, die Sedrin an ihrem Ego geschlagen hatte, wieder zum Heilen zu bringen.

Als das Gerät ihm meldete, dass die Verbindung zustande gekommen war, sagte er: „Tshê, Vendar! Unsere Herrin Sytania lässt verlauten, dass ab heute niemand von uns mehr den Namen von …“

Er ließ den Sendeknopf los und sah sie peinlich berührt an. „Ich muss es noch einmal sagen, Milady. Bitte seid tapfer.“ „Na gut.“, sagte Sytania und biss die Zähne aufeinander.

Er nahm das Gespräch wieder auf und fuhr fort: „Agent Sedrin Taleris-Huxley El Demeta aussprechen dürft! Ab sofort sagt ihr nur noch die Unaussprechliche! Wer dies verstanden hat, meldet sich sofort zurück!“ Er ließ das Gerät die Verbindung fürs erste beenden. Wenige Sekunden danach kam von allen Rufzeichen ein einhelliges: „Verstanden, Anführer!“, zurück.

Sytania atmete erleichtert auf. „Das hast du sehr gut gemacht, Telzan.“, sagte sie. „Jetzt werde ich wieder ruhig schlafen können. Auch meiner Dienerschaft werde ich auftragen, so zu verfahren. Sollte einem von ihnen der Name dieser kleinen verfluchten demetanischen Hexe doch mal über die Lippen kommen, so soll er oder sie sofort mit dem Tode bestraft werden! Ach ja. Die Bestrafungen für deine eigene Truppe überlasse ich dir! Ach ja. Da war ja noch etwas.“

Sytania schickte nach ihrem Stallburschen, der den Auftrag erhielt, ihr Pferd zu satteln. Auch für Telzan sollte er eines bereitstellen. „Ich will dir zeigen, was ich mit Geschöpfen tue, die in meinem Dienst versagen.“, sagte sie. „Auch dann, wenn es meine Eigenen sind.“

Telzan und sie gingen hinunter in den Hof, wo sie bald dem schwarzen feurigen Hengst ansichtig wurden, der Sytania gehörte. Neben ihm stand ein deutlich kleinerer Wallach, der wohl für Telzan bestimmt war.

Der Vendar fasste seine Herrin um die Hüften und hob sie mit Leichtigkeit in den Damensattel, bevor er selbst auf sein Pferd stieg. Dann wartete er ab, bis Sytania befahl: „Folge mir!“, und los ritt. Sie wusste schließlich genau, wo sie nach dem Adler suchen mussten.

Sie kamen bald in einen dunklen Wald. Hier hatten Sytanias seherische Fähigkeiten den Adler auf einer Lichtung ausgemacht. „Warum hasst Ihr die Unaussprechliche so?“, wollte Telzan wissen. „Immerhin ist sie nur eine einfache Sterbliche, die Ihr mit einem Gedanken hinwegfegen könntet.“ „Und damit soll ich mir den Zorn der gesamten Föderation auf den Leib ziehen?!“, fragte Sytania empört. „Oh nein! Dafür ist sie viel zu gut vernetzt und ich wäre dumm, wenn ich das tun würde. Aber ich werde dir sagen, warum ich sie so hasse. Sie ist eine Frau wie ich, kann sich also verdammt gut in meine Denkweise versetzen. Außerdem ist sie Demetanerin! Denen habe ich noch nie getraut! Selbst dann, wenn ich ihre Gedanken lesen kann, ist es fraglich, ob das, was sie denken, auch dem entspricht, was sie dann auch tun. Sie sind so schrecklich doppelzüngig! Ja, manchmal sogar doppelzüngiger, als ich es je sein kann!“ „Ich höre aus Miladies Worten doch nicht etwa Neid?!“, fragte Telzan etwas unsicher. „Nenn es, wie du willst!“, sagte die imperianische Prinzessin.

Sie waren an der Lichtung angekommen und stiegen ab. Hier lag, das konnte auch Telzan gut sehen, tatsächlich das Energiewesen am Boden. Es sah aus, als würde es aus den Augen stark bluten. Schmeeerz! Schmeeerz!, hörten es beide in ihrem Geist. „Ach, hör auf zu jammern, du Versager!“, schimpfte Sytania gleichzeitig laut und in Gedanken. „Du sollst erfahren, was mit Wesen passiert, die mich enttäuschen!“

Sie wandte sich Telzan zu: „Sag mir! Weißt du, auf welche Distanz ein Pferd sehen kann?“ „Ja, das ist mir bekannt, Herrin.“, sagte der Vendar. „Dann wirst du jetzt die Pferde nehmen und mit ihnen zwei mal diese Distanz hinter dich bringen. Wir wollen ja nicht, dass sie sich noch vor dem erschrecken, was ich mit diesem Nichtsnutz hier tun werde. Ich werde dir telepathisch Bescheid geben, wenn mein Werk getan ist. Erst dann kommst du zurück.“ „Ich habe verstanden, Hoheit.“, sagte Telzan und nahm die Zügel beider Pferde: „Na kommt!“

Sytania wandte sich ihrem Geschöpf zu: „Und nun zu uns beiden!“ Dann gab es einen schwarzen Blitz und der Adler hatte plötzlich einen festen Körper. Die Wunden in seinen Augen und seine Schwäche waren aber geblieben. Lyciras Licht hatte ihm die Augen regelrecht verbrannt. „So wirst du erfahren, was es heißt, sterblich zu sein!“, sagte Sytania. „Und damit kein dummer Jäger auf die Idee kommen könnte, in einem Akt der Gnade dein nutzloses Leben zu beenden, werde ich auch noch hier vorsorgen!“

Es gab einen weiteren schwarzen Blitz und der Adler war von einer Energiekuppel überdeckt worden, die wie ein Zelt aussah. Sie war durchsichtig, aber jede Art von Materie prallte an ihr ab, also auch Pfeile. Auch für die Energie eines Phasers war sie undurchdringlich. „Hier sollst du nun bis an dein Ende vor dich hin leiden!“, sagte Sytania. „Stirb langsam, du Klotz am Bein! Du nichtsnutzige Kreatur! Stirb langsam und qualvoll, aber stirb!“ Dann gab sie Telzan telepathisch Bescheid, wie sie es ihm versprochen hatte und beide kehrten zufrieden ins Schloss zurück, nachdem sich Telzan auch die Strafe angesehen hatte. Auch er fand, dass alles so gut war. Schließlich hatte niemand das Recht, seine Herrin zu enttäuschen. Auch, oder besser schon gar nicht, ihre eigenen Schöpfungen.

Jaden war, wie er es versprochen hatte, bei Caruso geblieben. Er hatte beobachtet, wie der Kater zunächst die Reste des Thunfisches aus dem Napf geschleckt hatte und sich dann begonnen hatte zu putzen. Dabei schnurrte er friedlich vor sich hin. „Na, Caruso.“, sagte Jaden. „Hast dich wohl langsam wieder beruhigt, was? Dann sollten wir mal dafür sorgen, dass du hier wieder raus kommst.“

Er winkte Novus, der sich noch immer im Hintergrund aufgehalten hatte. „Kannst du ihm mal die Tür aufmachen?“, fragte Jaden den Androidenjungen und zeigte auf Caruso und den Drahtkäfig. „Gewiss, Commander.“, sagte Novus höflich und zog die Fernsteuerung aus der Tasche, mit der er wieder abwechselnd die nötigen Türen öffnete, bis Caruso aus dem Käfig geschleust worden war.

Entgegen Jadens Erwartungen kam er sofort zu ihm und köpfelte sogar mit seiner rechten Hand. Das bedeutet, er rieb seinen Kopf daran, ein eindeutiges Zeichen, dass er Jaden doch mochte. Dabei schnurrte er laut tief und ausgedehnt. „Na, du verzeihst aber schnell.“, stellte Jaden fest. „Tiere leben zumeist im Hier und Jetzt im Gegensatz zum Menschen.“, referierte Novus. „Sie erinnern sich nur länger an Dinge, die sehr traumatisierend für sie sind. Aber offenbar zählt das versehentliche Ziehen seines Schwanzes für Caruso nicht dazu, das Sie ihm angetan haben, Commander.“ „Na ja.“, vermutete Jaden. „Er is’ Freigänger und als solcher vielleicht hart im Nehmen. Trotzdem sollten wir den Bogen auch bei ihm nich’ überspannen.“ „Bestätigt.“, sagte Novus und nickte sogar, um seine Meinung noch zu unterstreichen. „Eine Anzeige wegen Tierquälerei im Privaten würde sich sicher nicht gut machen in der Akte eines Sternenflottenoffiziers.“ „Wenn du wüsstest, was ich schon alles in meiner Akte hätte, wenn Sedrin nich’ …“, sagte Jaden. „Die Fakten sind mir bekannt.“, sagte Novus. „Im Grunde verdanken Sie Ihre weitere Karriere also Ihrer Frau. Sie können dann ja froh sein, dass Sie den Agent kennen und lieben gelernt haben.“ „Oh ja!“, bestätigte Jaden. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal eine Demetanerin kennen lernen würde, die mir den Atem nimmt in doppelter Hinsicht.“ „Bitte definieren Sie.“, bat Novus, der wohl mit dieser Redewendung seine Schwierigkeiten hatte. „Erst hab’ ich gedacht, sie würde mich nur einschränken wollen, wenn sie in unseren Diskussionen so viel über Rücksichtnahme und andere Kulturen und ihre Sitten geredet hat, die man respektieren muss und nich’ wie ’ne Dampfwalze auf sie einrollen darf, nur um die eigenen Interessen durchzusetzen. Heute weiß ich, dass sie Recht hatte. Mir würd’s ja genau so gehen. Und ausgerechnet in die musste ich mich doch glatt verlieben.“ Er seufzte. „Aber ich bereue das kein bisschen, weißt du?“

Novus hatte einen Moment geschwiegen. Dann sagte er: „Ich habe Ihre kleine Redewendung durchaus verstanden, Commander. Allrounder Betsy Scott und ich haben gemeinsam eine Art gefunden, mir dies zu ermöglichen. Meine Nachfragen galten lediglich der Verifizierung. Natürlich ist mir klar, dass der Agent nicht versucht hat, Sie zu ermorden!“ „Dann is’ ja gut.“, sagte Jaden erleichtert. „Ich weiß nämlich, dass man bei euch Androiden manchmal verdammt vorsichtig sein muss, was man so von sich gibt, um Missverständnisse zu vermeiden, die in meinem Fall mal wieder sicher zu diversen diplomatischen Zwischenfällen führen würden, so wie ich die Situation einschätze. Ich habe wohl das Pech gepachtet, wie es aussieht.“

Wieder verging einige Zeit, in der Novus zu überlegen schien. Dann sagte er: „Aber jeden Pachtvertrag kann man kündigen, Commander. Das wissen Sie doch hoffentlich.“ „So wörtlich meinte ich das nich’, Novus.“, sagte Huxley. „Was is’ mit deiner Methode von Allrounder Betsy? Klappt die hier etwa nich’?“ „Doch.“, sagte Novus. „Sie funktioniert sogar hervorragend. Aber überlegen Sie doch bitte einmal, ob ich nicht wirklich meinen könnte, was ich gesagt habe! Ich gebe Ihnen ein Stichwort und eine kleine Hilfe. Wissen Sie, was eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ist?“

Nun war es an Jaden, nachzudenken. Plötzlich sagte er: „Ich glaube, ich weiß, was du meinst, Novus! Ich glaube ja selbst schon, dass bei mir alles schief gehen muss und arbeite dann vielleicht sogar unbewusst darauf hin. Ich denke, das muss ich schleunigst ändern, nicht wahr?“ „Korrekt!“, sagte Novus und klatschte in die Hände. „Ach du Scheiße.“, murmelte Huxley. „Muss ich mich doch glatt von einem 6-jährigen Androiden therapieren lassen.“

Kate hatte das Geschehen beobachtet und kam nun auf die Beiden zu. „Ich hätte eine Idee, wie wir weitermachen, Commander.“, sagte sie. „Wir haben doch die Rufzeichen von meiner Schwester und da ist ja auch das der Ermittler auf Vulkan dabei. Zufällig sind das genau die Agenten, die mir auch den Behälter verehrt haben. Agent T’Pera und ihr Assistent Koss haben mir versichert, dass sie alles tun werden, um meine Ermittlungen zu unterstützen. T’Pera meinte sogar zu mir, ich wäre bemerkenswert logisch für einen Menschen meines geringen Alters. Ich habe uns schon den nächsten Liner herausgesucht. Das Taxi zum Raumflughafen nach Washington wartet auch bereits hier um die Ecke. Bitte schnappen Sie Ihre Zahnbürste, Commander und dann los!“ „Also gut, Agent Malcovich!“, sagte Huxley ungewöhnlich selbstsicher. „Ich komme mit!“ Er musste sich Novus’ kleine Prüfung wohl sehr zu Herzen genommen haben. „Und dass die Vulkanier Sie für sehr logisch gehalten haben, is’ kein Wunder. Sie kämpfen mit allen Mitteln darum, diesen sinnlosen Krieg zu verhindern und die Ermittlungen abzuwarten. Das is’ ja auch das Vernünftigste.“

Er hakte sich bei ihr unter: „Los, gehen wir. Lassen wir den Fahrer nich’ unnötig lange warten! Wir kriegen das hin, Kate! Zusammen kriegen wir das hin!“

Kate nickte ihm nur zu, während sie mit ihm in Richtung des bereits wartenden Taxis ging. Sie war sehr erstaunt und überrascht zugleich über den neuen Huxley. Sie wusste ja nicht, wer, oder besser was, zu seiner plötzlichen spontanen Veränderung geführt hatte. Aber sie fand, dass diese sehr gut zu ihm passte.

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