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Zur gleichen Zeit waren Kate und Jaden auf Vulkan angekommen. Die beiden Agenten, zu denen Kate den Kontakt hergestellt hatte, hatten sie sogar vom Raumflughafen abgeholt. Sicher war das für Vulkanier ungewöhnlich, aber die Situation und ihre Dringlichkeit verlangten es.

Sie waren direkt zu jenem Gebäude gefahren, in dem T’Pera und ihr Partner Koss arbeiteten. Hier standen sie nun vor einem grauen Behälter, der ungefähr die Größe eines durchschnittlichen humanoiden Körpers hatte. Am Deckel des Behälters befand sich ein Bedienelement. „Was is’ denn das für’n Sarg?“, fragte Jaden flapsig. Kate gab ihm nur einen kleinen Stoß in die Seite. „Das ist ein Stasiscontainer.“, erklärte T’Pera, der Jaden erst jetzt, als sie sich langsam in seine Richtung gedreht hatte, wirklich ansichtig wurde. Sie war ca. 1,70 m groß, schlank, hatte kurze blonde Haare und trug die übliche Uniform eines Sternenflottenagenten. Ihr Partner Koss, der hinter ihr stand, überragte sie mit seinen 1,90 m noch. Auch er war in die übliche Agentenuniform gekleidet, von sportlicher Statur und hatte aber ebenfalls kurzes, aber rötliches Haar und einen rötlichen ordentlich gepflegten Bart. Beide hatten die obligatorischen spitzen Ohren. „War ja auch nich’ so wörtlich gemeint.“, versuchte Jaden, die Situation noch zu retten. „Hab’ ja nur einen kleinen Scherz gemacht.“ „Wir sind auf Vulkan, Commander.“, flüsterte Kate ihm zu. „Ich denke, Sie sollten das mit dem Scherzen etwas weniger intensiv betreiben, solange wir hier sind.“ „Also gut, Agent.“, sagte Jaden. „Ich werde mich bemühen. Könnte ja auch ein schlechtes Licht auf Sie werfen. Ich mein’, könnte ja sein, dass die denken, was wir wohl für Witzfiguren sind. Eine Anfängerin, die noch grün is’ hinter den Ohren und ein Clown. Das käme sicher nich’ gut an.“ „Genau das.“, sagte Kate leise.

T’Pera war zum Bedienelement des Containers gegangen und hatte etwas eingegeben, worauf einige Lämpchen auf einem Display erloschen waren. Unter dem Deckel, der sich jetzt langsam, aber stetig beiseite schob, konnte Jaden die immer deutlicher werdenden Umrisse einer Statue aus Kristall ausmachen. Sie schien blaue Sandalen und ein rotes Kleid zu tragen. Sie war ca. 1,60 m groß, etwas füllig und hatte wohl langes schwarzes Haar, das ihr verspielt über die Schultern hing. „Ich nehme an, das ist Ihre Besucherin.“, sagte Kate. „Ihre Annahme ist korrekt.“, sagte T’Pera mit ihrer zwar sehr hellen, aber dennoch sehr abgeklärt klingenden Stimme. „Zeugen haben sie im Park der Hauptstadt gesehen.“, fügte Koss ebenfalls in sehr neutraler Betonung bei. „Damals war sie natürlich noch keine Statue.“, sagte T’Pera. „Dachten wir uns.“, sagte Kate. „Ich denke, dass sie sehr wohl gelebt hat und dass sich die Zeugen, wie bei uns auch, sehr gut mit ihr unterhalten haben, bevor sie ihren Körper verlassen hat und er versteinert ist.“ „Genau so war es, Frau Kollegin.“, sagte Koss, der durchaus erkannt hatte, dass sie im selben Rang wie er und seine Partnerin stand.

„Fragen Sie nach Sytania!“, zischte ihr Jaden zu. „Das hatte ich gerade vor!“, gab Kate etwas genervt zurück. Sie mochte es nämlich gar nicht, wenn sich jemand in ihre Ermittlungen einmischte, der ihrer Meinung nach davon gar keine Ahnung hatte.

Sie drehte sich T’Pera zu und fragte: „Hat irgendeiner Ihrer Zeugen vielleicht eine telepathische Präsenz bemerkt?“ Sie hatte ihr mit Absicht keine Worte in den Mund legen, oder reine Ja-Nein-Fragen stellen wollen, wie sie es in der Agentenschule gelernt hatte. „Das haben sie allesamt.“, sagte T’Pera. „Die Präsenz schien aber nicht feindlich zu sein und von Sytania schien sie schon gar nicht zu kommen, falls Sie das meinen. Meine Leute und ich lesen nämlich auch Zeitung und wir halten rein gar nichts von den Plänen der Tindaraner. Wir sind allerdings sehr erleichtert über den Umstand, dass es dem Team um Scientist Cupernica offensichtlich tatsächlich gelungen ist, zumindest die Regierung der Föderation umzustimmen. Das ist ja auch der Grund, warum unsere Regierung beschlossen hat, doch in die Föderation zurückzukehren. Logik und Vernunft haben also doch noch gesiegt.“ „Wenn Sie das so betrachten wollen.“, sagte Kate diplomatisch.

Die vulkanische Agentin zeigte auf ihren Partner, der jetzt vortrat, um das Referat, welches sie begonnen hatte, fortzusetzen. „Die Präsenz.“, sagte er. „Kam wohl von der Fremden selbst. Es war eine uns völlig unbekannte Präsenz. Aber sie schien, wie meine Partnerin bereits ausführte, sehr freundlich zu sein. Zeugen beschrieben sie sogar als äußerst neugierig.“ „In welchem Sinn?“, fragte Kate. „Ich meine, Neugier kann positiv, aber auch negativ sein.“ „Sie hat keine intimen Fragen gestellt, falls Sie das meinen.“, versuchte Koss, sie zu beruhigen. Er wusste genau, dass sie wusste, dass die Vulkanier so etwas nicht mochten und war daher sehr bemüht, Missverständnisse zu vermeiden. „Sie hat sich, laut Aussage der Zeugen, mehr wie eine Forscherin verhalten, die mehr über unsere Kultur im Allgemeinen wissen wollte. Sie hat sich sogar vorgestellt. Einer Zeugin gegenüber sagte sie, ihr Name sei Nyell.“ „Klingt nich’ sehr vulkanisch.“, meinte Jaden. „Das ist korrekt.“, erwiderte Koss. „Es klingt eher tindaranisch. Aber warum sollte ein Tindaraner vorgeben, ein Vulkanier zu sein und uns beobachten wollen? Das wäre doch sehr unlogisch, oder? Zumal wir ja längst mit den Tindaranern eine politische Beziehung pflegen, da sie Verbündete der Föderation und wir Mitglieder derselben sind, was die Tindaraner ja auch wissen. Das ließ nur einen logischen Schluss zu. Es musste sich um ein ähnliches Volk handeln. Da bereits eines der von den Tindaranern mythisch geglaubten Schwestervölker als real bewiesen werden konnte, hielten wir es genau so für möglich, dass es das Zweite vielleicht auch geben könnte.“ „Sie glauben also auch an die Existenz der Nidari-Travelers?“, fragte Kate und Jaden blieb vor Staunen der Mund offen. „Ich halte ihre Existenz zumindest nicht völlig für ausgeschlossen.“, sagte T’Pera und Koss nickte bestätigend.

Plötzlich fuhr ein silberner Blitz durch die Decke und eine Art silberne Wolke durchquerte den Raum in Richtung des Containers. Sie senkte sich auf den Körper der Statue nieder, prallte aber gleich wieder von ihm zurück. Gleichzeitig glaubten alle, einen telepathischen Schrei wahrzunehmen, der sie an einen Schmerzensschrei erinnerte. Jaden, der selbst wohl nicht genau wusste, was er da tat und vor allem nicht, warum er es tat, hechtete in Richtung der Wolke, mit der er dann schlussendlich zusammenstieß. Dann sank er ohnmächtig zu Boden.

Die Ereignisse, die Kate gerade beobachtet hatte, hatten sie so stark erschreckt, dass sie sich selbst auch erst einmal setzen musste. So war es an den beiden Vulkaniern, sich um Jaden zu kümmern, der nur ganz langsam wieder zu sich kam. Das Erste, das er wahrnahm, war T’Pera, die sich mit einem Erfasser über ihn gebeugt hatte. „Bleiben Sie ruhig liegen.“, sagte sie. „Sie hatten einen Unfall. Offensichtlich sind Sie mit einer telepathischen Präsenz zusammengetroffen, die sich, zumindest laut meinem Erfasser, jetzt in dem Teil Ihres Gehirns befindet, in dem auch Ihr Unterbewusstsein gelagert ist.“ „Ich weiß.“, sagte Jaden mit schwacher Stimme. „Ich weiß, dass sie verletzt is’. Ich wollte sie retten. Ich wollte sie einfach nur retten. Los! Hilft mir mal einer auf die Beine!“

Kate, die sich jetzt deutlich zusammengerissen hatte und die hinzugeeilt war, griff beide seiner Hände und zerrte ihn unter Einsatz ihrer gesamten Kraft auf die Beine. Dann fragte sie: „Was um Himmels Willen haben Sie sich dabei gedacht?!“ „Ich weiß es nich’.“, sagte Jaden. „Wahrscheinlich habe ich gar nich’ gedacht, wie so oft. Wichtig is’ jetzt nur, dass wir mich nach Tindara bringen. Vielleicht kann uns beiden dort geholfen werden, ihr und mir. Bitte! Sie is’ sehr schwach.“

T’Pera war mit ihrem Erfasser hinzugetreten und hatte Jaden noch einmal gescannt. „Eine ungewöhnliche Situation.“, sagte sie. „Aber diese Bilder bestätigen, was Commander Huxley soeben gesagt hat. Koss, verständigen Sie die Flugbereitschaft!“ Der Vulkanier nickte und wandte sich zur Tür. Dann fragte er: „Möchten Sie zu einer speziellen Adresse auf Tindara?“ „Sagen Sie auf Basis 281 Alpha Bescheid, Mr. Koss.“, sagte Jaden leise. „Das is’ eine Militärbasis und ich kenne den Commander.“ „In Ordnung.“, sagte Koss und ging aus dem Raum.

Minar und ich waren in den Nebenraum gegangen. Hier schien er sich, zumindest war dies mein Eindruck, eine Art Praxis eingerichtet zu haben. Jedenfalls führte er mich zu einer Art weicher Liege, die einem Tischchen mit zwei Sesseln gegenüber stand. „Es liegt ganz bei dir, ob du sitzen oder liegen willst, während ich dich untersuche.“, sagte er. „Ich sage dir aber gleich, dass es etwas turbulent werden könnte. Dein Geist wird eine Art Eigenleben entwickeln. Aber wenn du mich machen lässt und nicht dagegen arbeitest, wird das auch nicht unangenehm werden.“ „Das habe ich nicht vor, Minar.“, sagte ich in der Absicht, wohl auch mich zu beruhigen, denn ich hatte noch nie eine telepathische Untersuchung erlebt, außer einmal von Shimar. Ihm aber hatte ich von vorn herein vertraut.

Ich drehte mich der Liege zu: „Ich glaube, ich lege mich besser hin.“ „Kluge Entscheidung.“, sagte Minar. „Zumal du Nicht-Telepathin bist und als solche sicher wenig Erfahrung hiermit hast. Aber sei gewiss. Ich werde ganz vorsichtig sein.“

Ich ließ mich auf den Polstern der Liege nieder. Sie war aus weichem Stoff, hatte einen glatten Bezug und war gerade richtig für meine Größe. Mein Kopf fand auf einem dicken Kissen Platz, das ich sofort sehr mochte. „Gefällt mir, wie du dich entspannst!“, lobte Minar. „Das wird es uns gleich allen beiden viel leichter machen.“

Er setzte sich mir gegenüber auf einen der Sessel, den er sich heran geschoben hatte. Dann war eine Weile sehr konzentrierte Stille im Raum und dann begann ich plötzlich, Dinge aus meiner gemeinsamen Zeit mit Shimar zu sehen. „Gut so.“, lächelte Minar. „Lass es einfach zu.“

Wir waren bei jenem Erlebnis angekommen, bei dem ich Shimar kennen gelernt hatte. Damals hatte er mich sehr beeindruckt und das war auch der Moment, in dem ich mich in ihn verliebt hatte. Diesen Moment schien Minar sehr intensiv beleuchten zu wollen. Jedenfalls führte er mich immer wieder dort hin zurück und ließ mich sogar Shimar ausführlich betasten. Er wusste wohl, dass es ihm nichts nützte, sein Bild einfach nur in meinen geistigen Fokus zu rücken.

Plötzlich ließ er von mir ab und holte tief Luft. „Habe ich es dir schwer gemacht?“, fragte ich schuldbewusst. „Nein.“, tröstete er. „Es ist für mich nur ungewohnt, mit einer Nicht-Telepathin zu arbeiten, die noch dazu nichts sieht und noch nie einen Visor benutzt hat. Es gibt eine Menge, auf das ich achten muss, um dich nicht zu verwirren. Die Dinge, die ich deinem Unterbewusstsein sage, müssen von ihm ja auch verstanden werden. Es liegt also ganz bei mir, ob ich alles richtig, oder alles falsch mache. Du trägst überhaupt keine Schuld. An gar nichts!“ „OK!“, atmete ich erleichtert auf. „Aber kann ich trotzdem etwas tun, um dir zu helfen?“ „Du hilfst mir schon sehr, wenn du dich einfach nur entspannst.“, sagte Minar. „Und nicht mehr darüber nachdenkst, ob du etwas richtig oder falsch machst. Es ist ja schließlich mein Job, herauszufinden, ob es die Tindaraner wirklich gibt und nicht deiner. Du bist ja nur eine Zeugin und welche Zeugin fragt schon ihren Vernehmer, ob ihre Aussage richtig oder falsch ist. Ich habe in meiner Ausbildung gelernt, mit den Mitgliedern verschiedenster Spezies umzugehen, bei denen Telepathie möglich ist, also werde ich auch für uns beide eine Möglichkeit finden. So etwas wie du ist mir zwar zum ersten Mal untergekommen, aber ich finde, dass wir uns doch bisher recht gut durchgewurstelt haben, nicht wahr?“ Ich nickte. „Na siehst du.“, sagte Minar und lächelte hörbar. Gleich darauf entschuldigte er sich aber wieder. „Du musst dich nicht entschuldigen.“, sagte ich. „Ich habe einen ganz normalen Sprachgebrauch.“ „OK.“, sagte er und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

„Hör zu!“, sagte er dann ruhig, aber doch sehr bestimmt. „Was ich jetzt mache, könnte dir vielleicht etwas Angst machen. Ich habe da nämlich etwas in deinem Geist entdeckt, das tatsächlich eine schlafende Schutzverbindung zu einem Tindaraner sein könnte. Wie du vielleicht weißt, können wir Nidari-Travelers, da wir in der Evolution viel weiter sind, als unsere jüngere Schwester, die Tindaraner, unsere Fähigkeiten über dimensionale Grenzen hinaus nutzen. Ich werde mich also quasi als Relais betätigen. Das dürfte die Verbindung kurzzeitig wieder erwecken. Wenn ich dann spüre, was ich vermute zu spüren, können wir ganz sicher sein. Ich weiß nur nicht, wie du darauf reagieren wirst. Deshalb möchte ich dir vorschlagen, dass wir abwechselnd bis drei zählen. Du fängst an.“ „Warum möchtest du, dass ich anfange?“, fragte ich verwirrt. „Weil du dann drei sagst und somit bestimmst, wann es los geht.“, erklärte er. „Einverstanden.“, sagte ich und zählte: „Eins.“ Er sagte: „Zwei.“, worauf ich: „Drei!“, hinzufügte. „Das kam ja wie mit dem Phaser geschossen!“, lächelte er. „Ich hätte mit mehr Zögern gerechnet. Aber gut.“

Er nahm erneut Verbindung zu mir auf. Im nächsten Moment bemerkte ich jenes Gefühl, das ich nur von der Verbindung zwischen Shimar und mir kannte. Das plötzliche Auftauchen jener Verbindung entlockte mir allerdings einen Quietschlaut, für den ich mich sofort wieder entschuldigen wollte, aber Minar wiegelte ab: „Man merkt, dass du ihn liebst. Warum also sollte dir das peinlich sein? Ich habe schon ganz andere Sachen gehört. Aber …“

Er hatte plötzlich mitten im Satz inne gehalten. Den Grund dafür vermochte ich nicht zu erkennen. „Ist etwas nicht in Ordnung, Minar?“, fragte ich, erhielt aber keine Antwort. Auch auf eine zweite Anfrage sagte er nichts. Ich war total verwirrt, denn ich befürchtete, doch etwas falsch gemacht zu haben. Deshalb stand ich von der Liege auf, tastete in dem kleinen Raum herum, bis ich zur Tür kam, öffnete sie mittels des Sensors und rief laut in den Flur: „Agent!“

Wenig später hörte ich ihre vertrauten Schritte auf dem Bodenbelag. Dann stand sie vor mir und fragte: „Was ist los, Betsy?“ „Bitte kommen Sie mit!“, sagte ich außer mir und zog sie mit in den Raum. „Minar hat mich nur telepathisch untersucht, wie er es auch tun wollte.“, erklärte ich. „Aber ich glaube, dabei ist irgendwas falsch gelaufen. Haben Sie Ihren Erfasser?“

Sie zog mich näher an sich. Dann sagte sie, während sie mir tröstend eine Hand auf die rechte Schulter legte: „Den brauche ich nicht, um zu erkennen, was hier los ist. Es ist nämlich gar nichts Schlimmes passiert. Minar sieht nur sehr fasziniert aus. Oh! Warten Sie! Jetzt tut sich was. Er hat gerade angefangen zu lächeln.“ „Uff!“, machte ich erleichtert.

Endlich, nach einer für mich unendlich langen Zeit, schien Minar seine Sprache wieder gefunden zu haben. „Es ist faszinierend!“, sagte er. „Das ist der Beweis! Das ist der ultimative Beweis! Du stehst tatsächlich in einer Beziehung mit einem Tindaraner und dein Schiff, mit dem du ja auch eine Verbindung hast, als ihre rechtmäßige Pilotin, stammt tatsächlich von den Saloranern. Da gibt es gar keinen Zweifel! Wir haben wohl einen großen Fehler gemacht, als wir die Tindaraner einfach übergangen haben. Das müssen wir dringend ändern. Wir sollten …“

Ein Aufschrei aus dem Wohnzimmer hatte uns alle hellhörig werden lassen. Sedrin hakte mich unter und wir gingen hinter Minar her, der sich bald einem sehr blassen und zittrigen Sidar gegenüber sah. „Was ist los, Schwiegervater?!“, fragte er. „Es geht um Nyell!“, stammelte Sidar. „Ich glaube, sie ist in Gefahr, oder war es! Sie hätte das nicht tun dürfen! Nein, sie hätte das nicht tun dürfen! Ich habe sie ja noch gewarnt!“

Sedrin setzte sich auf die Sessellehne und legte ihren Arm um Sidars Schultern, um ihn zu stützen. Dann sagte sie: „Was genau hast du gesehen, Sidar?“ „Darf ich es dir zeigen?“, fragte er. Die demetanische Agentin nickte. Dann zeigte ihr Sidar telepathisch, was er gesehen hatte. Warum Minar trotz der Schutzverbindung mit seiner Frau aufgrund ihrer Beziehung nichts gemerkt hatte, war uns allen klar. Er war ja mit mir beschäftigt gewesen.

Jetzt hatte auch Sedrin jenes Bild von der Wolke gesehen, die in Jadens Kopf gedrungen war. „Sie ist in Sicherheit.“, sagte Sedrin. „Wenn jetzt alles richtig läuft, ist sie jetzt in Sicherheit. Oh, bitte, mach alles richtig, Jineron Terraneron! Mach bitte einmal in deinem Leben alles richtig!“

Ihren letzten Satz hatte auch ich mitbekommen. „Was meinen Sie damit, Agent?“, fragte ich. „Auf Ihrem Schiff.“, sagte Sedrin. „Bitte sagen Sie Lycira, sie soll uns hoch beamen. Dann müssen wir sofort nach Tindara!“ „OK, Ma’am.“, sagte ich und zog mein Sprechgerät: „Lycira, zwei zum Beamen und aktivieren!“

Es gab einen silbernen Blitz und wir fanden uns in Lyciras Cockpit wieder. „Das ging ja schnell.“, staunte Sedrin. „Wieso konntest du uns so schnell erfassen, Lycira?“ Weil ihr die ganze Zeit hier wart., erklärte mein Schiff. Ihr habt mein Cockpit nie verlassen. Auch, wenn es für euch beide sehr real war. Aber was ihr erlebt habt, hat nur in eurem Kopf stattgefunden. Die Nidari-Travelers hatten allerdings eindeutig eine telepathische Verbindung zu euch und ich habe alles aufgezeichnet. „Oh, Lycira, du Goldstück!“, entfuhr es Sedrin. „Wir können der Zusammenkunft also tatsächlich alles beweisen! Lass uns nun zurück nach Tindara fliegen! Wenn ich mich nicht täusche, haben wir dort auch noch etwas zu erledigen!“ OK, Sedrin., sagte Lycira. Aber ich sollte mich selbst steuern. Weder Betsy noch du dürftet im Moment dazu in der Lage sein. Ihr seid bestimmt noch sehr durcheinander. „Das kann man wohl sagen.“, sagte ich. „Vor allem, weil mir die ganze Sache so real vorkam.“ „Ich denke, das war die Absicht der Nidari-Travelers.“, sagte Sedrin. „Sie wollten ja, dass wir alles über sie erfahren und sie wollten auch, dass wir sie ernst nehmen. Also haben sie es uns auch so gezeigt, als wäre es das. Oder hätten Sie einen Traum sonderlich ernst genommen, Allrounder?“ „Sicher nicht.“, sagte ich. „Sehen Sie?“, fragte Sedrin. „Aber nun bring uns nach Tindara, Lycira!“ Wie du willst., sagte mein Schiff und aktivierte ihren interdimensionalen Antrieb.

Zirell und ihre Leute waren wieder dem Tagesgeschäft auf Basis 281 Alpha nachgegangen. Viel konnten sie ohnehin im Moment nicht tun, denn sie mussten abwarten, wie sich die Situation weiter entwickelte. Dass die Vulkanier offensichtlich den Weg zurück in die Föderation gefunden hatten, war ein großer Fortschritt, reichte aber bei Weitem nicht aus, um die schwierige politische Lage wirklich zu entschärfen. Dafür bedurfte es noch anderer Mittel, die ihnen aber noch nicht zur Verfügung standen, was sich aber bald ändern sollte. Jedenfalls meldete Joran, der mit Zirell und Maron ihren gemeinsamen Dienst in der Kommandozentrale versah, bald: „Anführerin Zirell, IDUSA hat gesehen, dass gerade zwei Schiffe die interdimensionale Schicht verlassen haben. Das Eine ist das private Schiff von Betsy El Taria und das Andere ist ein Schiff der vulkanischen Flugbereitschaft. Beide haben Kurs auf unsere Basis genommen. Die Vulkanier rufen uns sogar auf der Notruffrequenz!“ „Ein vulkanischer Notfall?“, erkundigte sich Zirell. „Du machst mich neugierig. Weise Betsy nach Andockplatz vier und gib mir die Vulkanier, Joran!“ „Wie du wünschst, Anführerin.“, sagte Joran und stellte die von Zirell gewünschte Verbindung her.

Vor dem geistigen Auge der tindaranischen Kommandantin erschien das Bild einer älteren Vulkanierin auf dem Neurokoppler. Sie war von drahtiger, fast militärisch durchtrainierter Statur, trug die übliche Uniform einer Bereitschaftspilotin, hatte rötliches kurzes Haar und maß ca. 1,70 m. Hinter ihr auf der Rückbank des Cockpits konnte Zirell schemenhaft die Umrisse von Jaden und Kate wahrnehmen. „Ich bin Zirell, Kommandantin der tindaranischen Basis 281 Alpha.“, sagte Zirell, um sich zu erkennen zu geben. „Ich bin T’Mora, Bereitschaftspilotin der vulkanischen Flugbereitschaft.“, stellte sich die Vulkanierin vor. „Ich habe zwei Passagiere, von denen einer dringend einer medizinischen Behandlung bedarf. Bitte informieren Sie Ihren Arzt. Genau genommen sind es sogar drei Passagiere. Aber den Rest würde ich Ihnen gern auf der Station erklären.“ „Sie sprechen in Rätseln, T’Mora.“, sagte Zirell diplomatisch korrekt, obwohl es für eine Tindaranerin wie sie sicher ungewöhnlich war, die Sie-Form zu benutzen. „Aber das wird sich sicher alles aufklären. Ich werde sofort meinem medizinischen Offizier Bescheid geben. Er wird sich um den Patienten kümmern. Wünschen Sie eine Vernehmung durch meinen ersten Offizier? Ich meine, anscheinend ist ja hier etwas geschehen, das ziemlich ungewöhnlich ist. Ich kann durch meine telepathische Wahrnehmung nämlich tatsächlich bestätigen, dass Sie in der Tat drei Passagiere haben. Ich gebe Sie jetzt an meinen SITCHer zurück, der Sie nach Andockplatz fünf weisen wird. Bitte warten Sie dort.“ „Vielen Dank für Ihr Angebot.“, sagte T’Mora diplomatisch. „Aber eine Vernehmung durch Ihren ersten Offizier benötige ich nicht. Ich weiß dazu nicht genug und es wäre somit nur Verschwendung von Zeit. Aber meine zweite Passagierin ist Agent Kate Malcovich. Sie ist eine Kollegin von Agent Maron und würde gern mit ihm sprechen.“ „Dann werde ich alles Notwendige veranlassen.“, sagte Zirell und gab das Gespräch an Joran zurück.

Maron wendete sich seiner Vorgesetzten zu: „Was meintest du damit, dass es drei Passagiere sind, Zirell? Ich habe außer der Frau nur zwei weitere Personen auf dem Schirm gesehen.“ „Sagen wir mal so.“, sagte Zirell. „Es sind zwei Körper, aber drei Seelen. Die dritte Präsenz ist aber dort, wo sie bestimmt niemand vermuten würde.“ „Geht etwa im Moment die vulkanische Rätselkrankheit um?“, fragte Maron irritiert. „Erst diese T’Mora und dann auch noch du, Zirell. Mir ist zwar bekannt, dass eine vulkanische Krankheit auf telepathischem Wege übertragen werden kann, aber das ist sicher nicht die.“

Zirell gab ein genervtes Seufzen von sich und schaute gelangweilt in Jorans Richtung. Dann sagte sie: „Erklär’s ihm!“ Sie wusste, dass Joran, als so genannter passiver Telepath, durchaus in der Lage war, Präsenzen zu spüren. Alles andere hätte es den Vendar ja auch unmöglich gemacht, Telepathenjäger zu werden. „Es ist ganz einfach, Maron El Demeta.“, sagte Joran. „Jaden El Taria hat den Geist einer fremden Person in seinem Gehirn. Sie scheint aber sehr schwach zu sein und wir werden eine Möglichkeit finden müssen, ihr zu helfen, wenn sie nicht sterben soll.“ „Verstehe.“, sagte Maron. „Ich werde dann also zuerst mal Agent Malcovich und dann Allrounder Betsy und Agent Sedrin vernehmen. Vielleicht wird ja aus ihren Aussagen ein schlüssiges Puzzle, mit dem wir alle offenen Fragen beantworten können und die Zusammenkunft endlich davon überzeugen können, dass ein Krieg mit Sytania der völlig falsche Weg ist!“ „Tu das.“, sagte Zirell. „Ich verständige inzwischen Ishan. Shannon werde ich sagen, sie soll Commander Huxley direkt auf die Krankenstation beamen.“ „In Ordnung.“, nickte der erste Offizier die Anweisungen seiner Vorgesetzten ab und führte seinen Teil aus. Das bedeutete, dass er sich auf den Weg zur Andockschleuse machte, um uns und Kate dort zu empfangen.

Auch Lycira war das vulkanische Schiff aufgefallen, das an der Nachbarschleuse gedockt hatte. Was mögen die wollen?, fragte sie gleichsam Sedrin und mich. „Wie wäre es, wenn wir sie einfach mal fragen, wenn sie ausgestiegen sind?“, schlug Sedrin vor. „Ich denke nämlich, das haben sie vor.“ Also gut.“, sagte Lycira. Aber bitte haltet mich auf dem Laufenden, ja? „Du kennst uns doch.“, lächelte Sedrin und nahm mich bei der Hand, um gemeinsam mit mir ihr Cockpit zu verlassen.

Ich hatte erkannt, dass an Bord der Station wohl eine ziemlich hektische Betriebsamkeit herrschen musste. „Können Sie mir sagen, was hier los ist?“, fragte ich an Sedrin gewandt. „Ich weiß es nicht.“, sagte die Agentin. „Aber vielleicht können wir … Kate!“

Sie hatte ihre neue Partnerin erspäht und zog mich jetzt mit sich den Gang entlang, der die beiden Andockschleusen miteinander verband. Jetzt standen wir jener kleinen aufgeregten Person gegenüber, die gerade wild gestikulierend Maron den Grund für ihr Hiersein auseinandersetzte. „Schon gut, Kate.“, tröstete der Demetaner, dem durchaus klar war, wie aufgeregt sie sein musste. „Ich denke, ich sollte meine Pläne etwas ändern, was meine Reihenfolge der Vernehmungen angeht. Vielleicht sollte ich erst mit Sedrin und Betsy anfangen und warten, bis du dich wieder beruhigt hast. Du bist ja noch ganz neu in dem Job und dann stürzt gleich so was auf dich ein. Kein Wunder, dass du total überfordert bist.“ „OK, Maron.“, sagte Malcovich. „Aber ich möchte Commander Huxley auf der Krankenstation zur Seite stehen. Er benötigt sicher Hilfe und ich habe keine ruhige Minute, bevor ich nicht …“ „Also gut.“, sagte Maron.

Er wandte sich der technischen Assistentin zu, die auch in der Nähe gewartet hatte, um gegebenenfalls Befehle für die Wartung der Schiffe entgegen zu nehmen: „O’Riley, bringen Sie Agent Malcovich auf die Krankenstation!“ „Aye, Sir!“, erwiderte Shannon und winkte Kate, ihr zu folgen. Die Entscheidung, ob Kate wirklich in ihrem aufgeregten Zustand dort bleiben konnte, würde er Ishan überlassen.

Er hatte Sedrin und mich wohl erst jetzt gesehen. Jedenfalls drehte er sich fast erschrocken nach uns um, bevor er sagte: „Da seid ihr ja schon. Ich denke, ich sollte erst mal mit euch anfangen. zusammensetzen kann ich die Aussagen ja immer noch später.“ „OK, Maron.“, sagte Sedrin. „Mit wem willst du anfangen?“ „Immer mit der, die fragt.“, lächelte der Demetaner. „Also gut.“, sagte Sedrin und drehte sich in die Richtung, in die er gezeigt hatte. „Gehen wir.“

Ich zog etwas aus der Tasche: „Agents, Sie haben noch etwas vergessen!“ Sedrin, die den glänzenden Gegenstand in meiner Hand erst gar nicht gesehen hatte, drehte sich jetzt schnell zu mir um und nahm ihn mir ab. „Das ist ein Datenkristall mit Lyciras Aufzeichnungen.“, erklärte ich.“ „Ach ja.“, sagte sie. „Mutter Schicksal, Allrounder! Wenn ich Sie und Ihr Schiff nicht hätte!“ „Man tut, was man kann.“, sagte ich lächelnd und ging in die Gegenrichtung davon. Es war meine Absicht, mich ein wenig mit Shimar zu verlustieren, bevor ich mit meiner Aussage dran wäre. Ich hoffte nur, dass er Zeit und Lust darauf hatte.

Jaden hatte sich auf der Krankenstation auf einem Biobett wieder gefunden. Über ihn gebeugt befand sich Nidell, die ihn mit einem Erfasser untersuchte. Ishan stand einige Schritte entfernt in einer Ecke und beobachtete das Geschehen von dort. Ihm war es ja möglich, einen Scan mit den eigenen Augen vorzunehmen. Für den Terraner war so etwas nicht weiter befremdlich, war er diese Art der Untersuchung doch von Cupernica gewohnt.

„Bitte bleib ruhig liegen, Jaden.“, sprach Nidell ihren Patienten an. „Ich schätze, du wirst dich nicht sehr gut fühlen. Meine Ergebnisse bestätigen, dass du ganz schön mit etwas zu kämpfen hast.“ „Das kann man wohl sagen.“, sagte Jaden, der sich nicht daran störte, von ihr soeben geduzt worden zu sein. Er wusste ja, dass er sich auf einer tindaranischen Basis befand, wo das durchaus zum üblichen Rahmen gehörte, was die Kommunikation anging. Er wollte sich einfach nicht mehr nachsagen lassen, zu dumm zu sein, um auf andere Kulturen einzugehen.

Huxleys Versuch, sich auf die andere Seite zu drehen, vereitelte Nidell auch sofort wieder, indem sie ihn sanft, aber bestimmt festhielt. „Wenn ich sage, du sollst ruhig liegen bleiben, dann meine ich das auch, Jaden.“, begründete sie sachlich. „Tut mir leid.“, entschuldigte sich Jaden, der im gleichen Moment einen sehr starken Anflug von Schwindel zu spüren bekam. „Aber wieso fühle ich das so genau?“, fragte er. „Ich meine, die Vulkanier haben gesagt, dass sich die Fremde in meinem Unterbewusstsein befindet. Zu dem habe ich normalerweise keinen sonderlich guten Kontakt. Ich war immer verdammt mies in solchen Sachen wie licht Träumen und so. Noch nich’ mal Meditation hat bei mir geklappt! Ich bin sicher, selbst der geduldigste buddhistische Mönch hätte mit mir die Geduld verloren.“

Nidell sah fragend zu ihrem Vorgesetzten hinüber, der sich nun einen Schritt auf seinen Patienten und seine Assistentin zu bewegte. „Nun.“, sagte Ishan. „Dein Nervensystem meldet deinem Körper natürlich die fremde Energie und ihren Zustand. Dieser reagiert dann mit Alarmsignalen. Das hat nichts damit zu tun, ob du in Kontakt mit ihr treten kannst, oder nicht.“ „Is’ also rein körperlich, he?“, fragte Jaden zur Verifizierung. „Könnt ihr da was machen?“ „Sicher.“, sagte der Arzt und deutete auf eine Patrone in einem Regal in einem der durch Nidell gerade geöffneten Schränke an der Wand. „20 mg, Nidell!“, wies er die junge Tindaranerin an. Diese nickte und führte seine Anweisung aus, indem sie die Patrone herausnahm, auf einen Hypor steckte, diesen einstellte und ihn dann über Jadens zuvor frei gelegten Arm hielt. „Soll ich bis drei zählen?“, fragte sie fürsorglich. „Is’ nich’ nötig.“, sagte Jaden flapsig. „Ich kenne das. Wenn nur bald dieser Schwindel aufhört.“

Nidell hatte lächelnd den Knopf betätigt, der den Hypor auslöste. Bald darauf verspürte Jaden das Abebben des Schwindels. Das verschaffte ihm große Erleichterung. „Na endlich!“, sagte er und atmete auf. „Wurde aber auch Zeit!“ „Wir haben aber lediglich die Symptome abgefedert.“, erklärte Ishan. „Die Medizin, die wir dir gaben, verhindert nur, dass die Signale, die dir den schwachen Zustand der Fremden melden, zu deinem Gehirn durchdringen können. Ihren Zustand verändern sie nicht. Dafür müssen wir eine andere Lösung finden. Eigentlich hilft in solchen Fällen nur ein Vendar.“

Wie auf Stichwort hatte sich Nidell an eine Konsole begeben und hatte dort eine Art Kalender aufgerufen. Dann sah sie Ishan traurig an. „Jorans Sifa-Zyklus lässt im Moment keine Aufnahme eines Wesens zu.“, sagte sie. „Das Einzige, was wir noch tun könnten, wäre Sianach zu fragen, ob einer ihrer Leute vielleicht das Wesen übernehmen kann.“ „Tu das!“, sagte Ishan. „Und informiere am besten gleich auch Zirell!“ „Ja, Ishan.“, nickte Nidell und wandte sich der Sprechanlage zu.

Jaden hatte sich dem androiden Arzt zugewandt und hatte ihn sich genauer angesehen. „Ich hatte zwar schon viel von dir gehört.“, sagte er. „Aber ich glaube, wir haben uns noch nie leibhaftig gesehen.“ „Das ist korrekt.“, sagte Ishan. „Wenn du willst, dann kann ich dir noch einige Fragen zu meiner Person beantworten, die dir vielleicht auf der Seele liegen könnten.“ „Da is’ tatsächlich was.“, sagte Jaden. „Is’ es richtig, dass du ein Androide mit aldanischem Bewusstsein und vendarischem Namen bist?“ „Ja.“, nickte Ishan. „Ich verdanke mein Leben, oder besser mein Überleben von Sytanias Gefängnis nämlich in erster Linie der Vendar Sianach und Techniker McKnight. Aber das ist eine lange Geschichte, die hier sicher zu weit führen würde.“ „Schade.“, sagte Jaden. „Die würde mich echt brennend interessieren. Aber ich glaube, ich sollte erst mal schlafen.“ Er gähnte. „Oh, Gott! Ich bin hundemüde!“ „Verständlich.“, sagte Ishan und legte Jaden noch ein medizinisches Gerät an. „Dies informiert mich über deinen Zustand, während du schläfst.“, sagte er zur Erklärung. „Deine Situation ist ein völliges Novum und daher noch nicht erforscht. Ich möchte in der Lage sein, auf Komplikationen sofort reagieren zu können.“ „Is’ schon OK.“, sagte Jaden noch, bevor er auf der Stelle einschlief.

Maron und Sedrin hatten es sich im Quartier des Demetaners bequem gemacht. „Netter Ort für eine Vernehmung.“, sagte Sedrin. „Eine andere Möglichkeit haben wir im Moment wohl nicht.“, sagte Maron.

Er schob ihr eines der üblichen Sitzkissen vor einer Konsole zurecht: „Setz dich.“ Dann setzte er sich selbst genau neben sie auf ein weiteres Kissen und zog seinen Neurokoppler aus der Tasche, um ihn an einen Port an der Konsole anzuschließen. Für Sedrin ließ er IDUSA gleich noch einen replizieren, mit dem auch sie in gleicher Weise verfuhr. „Bist du so weit?“, fragte er seine langjährige Kollegin und Freundin. Sedrin nickte. „Also gut.“, sagte Maron und wandte sich an den Rechner: „IDUSA, die Personalien von Agent Sedrin Taleris-Huxley aufrufen und mit dem Vernehmungsprotokoll verknüpfen, sobald sie durch Agent Sedrin Taleris-Huxley bestätigt worden sind.“ „Woher soll sie meine Personalien kennen?“, fragte Sedrin. „Na, erlaube mal!“, sagte Maron. „Du warst doch einmal Zirells erste Offizierin! Erinnerst du dich etwa nicht mehr? McKnight hat meines Wissens nie Anweisung von Zirell erhalten, deine Datei zu löschen. Also wird sie ja wohl noch vorhanden sein. Ah! Da ist sie ja.“

Beide erhielten jetzt Einblick in einen Bogen mit Sedrins Daten. Gleichzeitig zeigte sich ihnen IDUSAs Avatar mit einem Zeigestock in der rechten Hand. „Hat sich an Ihren Personalien etwas geändert, Agent Sedrin?“, fragte der Rechner. „Nein, IDUSA.“, sagte die Demetanerin, nachdem sie sich die Daten durchgelesen hatte. „Also gut.“, sagte IDUSA und verknüpfte die Datei mit dem Vernehmungsprotokoll, wie Agent Maron es ihr befohlen hatte. Dann sagte sie: „Beginne Aufzeichnung.“

„Du findest es nicht ungewöhnlich, eine Kollegin zu vernehmen?“, fragte Sedrin. „Warum sollte ich das ungewöhnlich finden?“, fragte Maron zurück. „Du kannst mir glauben. Ich habe schon ganz andere Dinge gesehen, die sicher viel ungewöhnlicher waren. Aber nun zu dir. Was hast du gesehen?“ „Das ist alles nicht so leicht zu erklären.“, sagte Sedrin. „Aber es gibt eine Möglichkeit, es dir zu zeigen.“

Sie stand von ihrem Kissen auf, um leichter an ihre Hosentasche kommen zu können. Aus dieser zauberte sie jenen Datenkristall, den ich ihr gegeben hatte. Diesen nahm Maron ihr ab und steckte ihn in das Laufwerk an der Konsole.

„Wir werden gleich einen sehr intimen Einblick erhalten.“, warnte Sedrin ihn vor. „Wenn ich Allrounder Betsys Schiff richtig verstanden habe, dann hat sie alles das aufgezeichnet, was wir mit unseren geistigen Augen wahrgenommen haben.“ „Du willst mir also damit sagen.“, sagte Maron. „Dass die Nidari-Travelers mit euch telepathischen Kontakt aufgenommen haben?“ „Anscheinend ja.“, sagte Sedrin. „Obwohl es für uns total real schien. Aber ich denke, die Nidari-Travelers brauchten diese Täuschung, um sich unsere Kooperation zu sichern.“ „Dann sehen wir also gleich Bilder aus Betsys und deinem Kopf.“, verifizierte Maron. „Genau.“, nickte Sedrin. „Also gut.“, sagte Maron und gab IDUSA den Befehl, die Datei abzuspielen. Da ihr Betriebssystem mit dem von Lycira weitgehend kompatibel war, machte dies keine Schwierigkeiten.

Nervös hatte Zirell auf den Rückruf Sianachs gewartet, die sich natürlich sofort bereit erklärt hatte, sich selbst und ihre Leute auf die Aufnahmefähigkeit ihrer Sifas zu testen. Die Tindaranerin wusste, dass der Test allein nur drei Minuten dauern würde, aber da gab es ja auch noch die Vorbereitungszeit. Bis Sianach alle informiert hatte, konnte schon einige Zeit vergehen und bis sich dann alle getestet hatten, sicher noch mehr. Je nach Informationslage konnte sich das Ganze also ziemlich hinziehen. Um so überraschter war sie, ziemlich bald doch IDUSAs Ankündigung zu vernehmen: „Commander, ich habe Sianach für Sie.“ „Stell sie durch!“, befahl Zirell. „Sofort, Commander.“, gab der Rechner nüchtern zurück. Dann erschien das Zirell bereits sehr gut bekannte Gesicht der Anführerin der Vendar-Rebellen auf dem virtuellen Schirm vor ihrem geistigen Auge.

Zirell wusste allerdings sofort, auch ohne Sianach im Moment telepathisch wahrzunehmen, was die Stunde geschlagen hatte. Zu enttäuscht und traurig schaute sie drein. „Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Zirell El Tindara.“, sagte sie. „Aber weder ich, noch meine Leute vermögen im Augenblick, dir zu helfen.“ „Soll das bedeuten, keine eurer Sifas ist auch nur annähernd aufnahmebereit?“, fragte Zirell zurück. „Das ist korrekt, Zirell El Tindara.“, sagte Sianach traurig und hielt demonstrativ ihren eigenen Testkristall in die Kamera ihres Sprechgerätes. Zirell konnte leider kein bisschen schwarz an ihm erkennen, was ein Zeichen für ihre Aufnahmefähigkeit gewesen wäre. „Meine Leute und ich hätten dir wirklich gern geholfen.“, sagte die Vendar. „Bitte glaube mir.“ „Das tue ich.“, sagte Zirell tröstend, die sich nicht anmerken lassen wollte, wie kurz vor dem Aufgeben sie war. Sianach war ihre letzte Hoffnung gewesen und die war jetzt so einfach dahingeschwunden. „Es ist schon gut, Sianach.“, sagte Zirell, nachdem sie sich ausgiebig geräuspert, mühsam gefasst und die Sorgenfalten in ihrem Gesicht geglättet hatte. „Niemand kann etwas für seinen Biorhythmus. Wir werden uns einfach eine andere Möglichkeit suchen müssen, dem fremden Wesen zu helfen. Aber du trägst sicher keine Schuld an dem, was auch immer noch geschehen wird.“ „Ich danke dir.“, sagte Sianach erleichtert. „Ich habe zu danken.“, sagte Zirell. „Ich danke euch allein dafür, dass ihr bereit wart, es zumindest zu versuchen. Auch, wenn ihr nicht helfen konntet, so wart ihr zumindest bereit dazu. Ihr hättet ja auch allesamt nein sagen können. Oder hat das etwa jemand?“ „Deine Geschichte, Zirell El Tindara.“, erwiderte die junge Vendar. „Hat meine Leute und mich sehr berührt. Niemand hat nein gesagt.“ „Das ist sehr löblich.“, sagte Zirell und beendete die Verbindung.

Sie atmete tief durch und lehnte sich auf ihrem Sitzkissen, das ihren Kommandosessel darstellte, nachdenklich zurück. Dies war ein Umstand, der dem Rechner der Station nicht verborgen geblieben war, denn sie hatte ihren Neurokoppler nicht abgesetzt, ein eindeutiges Signal für IDUSA, die Verbindung zu ihr aufrecht zu halten. „Kann ich Ihnen behilflich sein, Commander?“, fragte der Rechner Anteil nehmend, denn Zirells Gedanken waren, aus den gerade genannten Gründen, für sie sehr leicht nachzuvollziehen.

Die ältere Tindaranerin fuhr erschrocken herum. Sie hatte nicht damit gerechnet, von IDUSA angesprochen zu werden. Dass sie den Neurokoppler noch auf dem Kopf sitzen hatte, war ihr völlig entgangen. Wahrscheinlich war es wie mit allem. Woran man sich gewöhnt hatte, das bemerkte man auch nicht mehr so leicht. Da bildete wohl sicher auch Zirell keine Ausnahme.

Sie musste einige Male Luft holen und ansetzen, bis ihr ihre Stimme wieder gehorchte. Dann sagte sie: „Vielleicht kannst du das wirklich. Hast du vielleicht eine Möglichkeit in deiner Datenbank, wie wir diesem armen Wesen helfen können, bevor es vielleicht sogar sterben muss? Ishan sagt, es sei sehr schwach. Das ist kein Wunder, nach dem, was es gerade durchgemacht hat und nach dem Risiko, das es eingegangen ist, nur um uns zu helfen, diesen verdammten Krieg zu verhindern!“ „Ich werde nachsehen.“, sagte der Rechner. „Bitte gedulden Sie sich einen Moment, Commander.“ „OK.“, sagte Zirell und dachte bei sich: Hoffentlich haben wir die Zeit noch.

Die Sekunden, bis sich IDUSA wieder bei ihr meldete, schienen für Zirell zu Stunden zu werden. Schließlich sagte der Rechner: „Es tut mir leid, Commander. Mit einer medizinischen Lösung kann ich leider nicht dienen, aber ich weiß, dass Sie sonst immer einen sehr effizienten Weg gehen, um solche Probleme zu lösen. In solchen Fällen berufen Sie zumeist eine Konferenz aller Offiziere ein, in der alle ihre Meinung kundtun dürfen. Dies hat schon oft zu sehr guten, weil spartenübergreifenden Lösungen geführt. In 80 % der Fälle war das der Moment, in dem sich Techniker McKnight einmischte. Ich frage mich, warum Sie gerade heute von diesem sonst schon von mir als natürlich eingestuften Verhalten abweichen.“

Zirell saß stocksteif da und ließ ihre Worte auf sich wirken. Dass sie Recht hatte, das wusste die Tindaranerin. Sonst hatte sie es immer so gemacht. Also warum ausgerechnet heute eigentlich nicht? Dafür, gerade heute damit aufzuhören, gab es keinen Grund! Also setzte sie ihr freundlichstes Lächeln auf und sagte: „Oh, IDUSA! Wenn ich dich nicht hätte und deine mathematische Genauigkeit, mit der du auch mein Verhalten beobachtest! Du hast selbstverständlich ganz Recht. Warum sollte ich mit einer Tradition brechen, die uns schon aus so vielen verfahrenen Situationen gerettet hat?“ „Bedeutet das, ich darf der Crew Bescheid geben?“, fragte IDUSA nach, um sich zu vergewissern. „Natürlich!“, sagte Zirell. „Gib der Crew Bescheid und auch unseren Gästen! Ich denke, außer Jaden wird sicher jeder gern etwas beitragen wollen.“ „Wie Sie wünschen, Commander.“, sagte IDUSA und initiierte den Sammelruf an alle Sprechanlagenterminals und Sprechgeräte.

Maron und Sedrin hatten ihren kleinen Ausflug in die Wahrnehmungswelt von Sedrin und mir sozusagen beendet. Erschrocken hatte Maron die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als er von der Risikobereitschaft Nyells gehört und sie auch quasi mit eigenen geistigen Augen gesehen hatte. „Mutter Schicksal!“, rief er aus. „Sie hat ihr Leben riskiert, um uns zu helfen. Es muss doch eine Möglichkeit geben, wie wir jetzt ihr dafür helfen können!“ „Ich bin sicher, die wird es auch geben.“, sagte Sedrin. „Zumindest dann, wenn du mich jetzt zu der Konferenz begleitest. Dort werden wir sicher eine gemeinsame Lösung finden, wie es meistens der Fall ist. Es hat sich gezeigt, dass es oft sehr ertragreich sein kann, spartenübergreifend danach zu suchen. So haben Jaden und ich es auf unserem Schiff auch oft gehandhabt.“ „Zirell und ich machen es genau so.“, sagte Maron. „Dann beweg die Füße!“, sagte Sedrin. „Es wäre ja sicher nicht gut, wenn wir zu spät kämen.“ „Das stimmt.“, sagte Maron. „Das wäre ganz und gar nicht gut.“ Er verließ gemeinsam mit ihr seine privaten Räume in Richtung des Konferenzraums.

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