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Sie bogen auf den Parkplatz in der Nähe des Stadtparks ein, wo Sedrin bereits den Jeep der Ärztin erblickte. „Cupernica ist schon da.“, sagte sie. Dann stellte auch sie ihren Jeep ab und winkte Kate: „Komm!“

Novus und ich waren zu Malcolm und dem versteinerten Sidar zurückgekehrt. Malcolm hatte inzwischen sogar zu weinen begonnen, denn die Situation war für ihn mit seinen sechs Jahren wohl sehr beängstigend. „Warum wird er zu Stein, Tante Betsy?!“, fragte er verzweifelt. Natürlich konnte ich ihm unmöglich sagen, was ich vermutete. Es würde ihn ja nur noch mehr ängstigen und wenn er versuchen würde, seine Hand aus der des alten Mannes zu ziehen, könnte er, so wie die Dinge jetzt lagen, sich unter Umständen sogar verletzen. Deshalb log ich: „Ich weiß es nicht, Malcolm.“

Novus wandte sich plötzlich meinem rechten Ohr zu und flüsterte hinein: „Tante Betsy, der Demetaner nimmt jetzt Malcolms freie Hand und führt sie zu Caruso.“ Erst jetzt fiel mir auf, dass der Kater immer noch laut schnurrend über der Schulter des Alten lag. Das sagte mir, dass das, was hier gerade passiert war, nichts Negatives sein konnte, denn dann hätte er sicher ganz anders reagiert. Wenn etwas Böses im Busch wäre, reagierten Tiere eigentlich damit, sich so schnell wie möglich vom Ort des Geschehens entfernen zu wollen. Aber Caruso war einfach liegen geblieben. Er stand jetzt nur auf und balancierte auf dem Arm des Mannes entlang, bis er auf Malcolms Arm landete. Dann ließ er sich auf dessen Schoß nieder und rollte sich zusammen. Immer noch schnurrte er laut dabei. Es war kein Beschwichtigungsschnurren, sondern ein tiefes und ausgedehntes Wohlfühlschnurren. Die Situation war ihm also nicht unangenehm. „Wenn du keine Angst hast, Caruso.“, sagte Malcolm, nachdem ihm der Demetaner ein Taschentuch gereicht und ihm geholfen hatte, seine Tränen zu trocknen. „Dann hab’ ich auch keine mehr.“

Sedrin hatte Cupernica erspäht, die auch ihrerseits Notiz von der Anwesenheit der Agentin genommen hatte. Jetzt ging sie auf ihre ehemalige Vorgesetzte zu. „Da sind Sie ja, Agent.“, sagte sie. „Und wer ist das?“ „Ich bin Agent Kate Malcovich.“, stellte sich die Fremde vor. „Sie ist meine neue Partnerin.“, fügte Sedrin bei. „Ah ja.“, sagte die Androidin und gab Kate die Hand: „Sehr erfreut, Agent Malcovich.“

Sie machte einige forsche Schritte in Richtung des Parks. Dann sagte Cupernica: „Ich bin im Bilde, was die medizinische Situation angeht. Mein Sohn war so frei, mir nicht nur die Bilder, sondern auch Malcolms medizinische Werte und die des Fremden zu senden. Wir müssen uns aber beeilen, da die Leitfähigkeit seiner Nerven immer weiter abnimmt, je mehr sein Körper kristallisiert. Wenn wir zu lange warten, kann ich mit dem Stimulator nichts mehr ausrichten und werde operieren müssen.“ „Langsam, Cupernica!“, sagte Sedrin. „Welcher Fremde und was ist hier los? Anscheinend wissen Sie durch Novus mehr, als wir alle zusammen.“ „Bestätigt.“, sagte die Androidin. „Aber nun folgen Sie mir bitte. Jede Sekunde ist jetzt kostbar.“ „Logisch.“, sagte Sedrin, die sich nicht anmerken lassen wollte, wie verwirrt sie durch Cupernicas Angaben war. Dann winkte sie Kate und es ging im Gänsemarsch hinter Cupernica her. „Laufen deine Fälle immer so ab?“, fragte Kate irritiert. „Die Meisten ja.“, antwortete Sedrin. „Du wirst dich noch an einiges Schräge gewöhnen müssen hier in Little Federation.“ „Na dann!“, sagte Kate und lächelte zuversichtlich, was Sedrin wiederum in erleichtertes Erstaunen versetzte.

Sie waren am Ort des Geschehens angekommen. Sofort erblickte Cupernica ihre Wirkungsstätte. Aber auch ich hatte längst bemerkt, wer da angekommen war. „Hallo, Cupernica.“, begrüßte ich sie erleichtert. „Oh und hallo Agent Sedrin. Wer ist da denn bei Ihnen?“ „Wie in Mutter Schicksals Namen haben Sie …?“, fragte Sedrin fast stammelnd. „Ich kenne Ihren Schritt und den des Scientist, Agent.“, sagte ich. „Das wissen Sie doch.“ „Das weiß ich, Allrounder.“, sagte Sedrin. „Nur werde ich mich wohl nie dran gewöhnen.“ „Sie sieht eben mit dem Geist, Agent.“, sagte Novus. Setz ihr bitte nicht weiter zu, Novus!, ermahnte Cupernica ihren Sohn in F-14-Code, der im Allgemeinen im Volksmund auch als Androidentelepathie bezeichnet wird. „Wovon hast du gerade gesprochen, Novus?“, fragte Sedrin. „Das kann ich Ihnen erklären, Agent.“, mischte ich mich ein. „Also gut.“, sagte Sedrin und zog mich ein Stück zur Seite. „Dann schießen Sie mal los, Betsy.“

Cupernica hatte sich inzwischen die Situation um Malcolm und den versteinerten Mann angesehen. Dann hatte sie aus ihrem Arztkoffer einen mobilen Stimulator geholt und ihn an der Handwurzel des Fremden angesetzt. „Wenn ich sage.“, sagte sie leise und beruhigend zu Malcolm. „Dann nimmst du deine Hand einfach weg.“ „OK, Tante Cupernica.“, sagte der Junge. Dann aktivierte die Androidin das medizinische Gerät. Tatsächlich schnalzten die Finger des Fremden auseinander. „Jetzt!“, sagte Cupernica bestimmt und Malcolm tat, was sie ihm vorher aufgetragen hatte. Mit Erleichterung stellte er fest, dass er frei war. „Danke, Tante Cupernica.“, sagte Malcolm. „Gern geschehen.“, sagte die Androidin und drehte sich fort, um nach Sedrin Ausschau zu halten, der sie wohl noch etwas mitteilen wollte.

Sedrin hatte meine Vernehmung beendet und mich ihrer Partnerin überlassen. Sie selbst war zu dem Demetaner gegangen und hatte sich dann mit ihm ein Stück weit von uns entfernt. Dann hatte sie begonnen, ihn in ihrer gemeinsamen Muttersprache zu vernehmen. Seine Aussage hatte sich im Wesentlichen mit der Meinen gedeckt und sie hatte ihn bald seiner Wege geschickt. Bei dem, was sich aus den Aussagen ergab, war ihrer Meinung nach jeder Zivilist, der jetzt noch anwesend war, einer zu viel. Auch die Kinder würde sie nach Hause schicken, sobald man Malcolm von dem Fremden losgeeist hatte. Die besondere Situation würde es sogar erlauben, dass Novus allein mit Malcolm nach Hause gehen durfte. Er würde schon gut auf seinen Freund achten und ihn sicher bei seinen Eltern abliefern können.

Cupernica war von schräg rechts an Sedrin heran getreten. „Meine Behandlung war erfolgreich.“, sagte sie. „Malcolm ist frei. Mich wundert nur, dass der Kristallisierungsprozess nicht schon weiter fortgeschritten war. Den Daten zufolge, die mir Novus gegeben hat, hätte das eigentlich so sein müssen. Meinen Berechnungen nach hätte ich den Stimulator viel höher einstellen müssen. Aber ich habe schon eine Theorie. Unter Umständen hat Carusos Schnurren den Prozess verzögert. Unser Freund muss kristallinen Ursprungs gewesen sein. Kristalle können durch akustische Reize ins Schwingen geraten. Ein normales tindaranisches Biozeichen besteht aus energetischem Schwingen. Er war zweifelsfrei kein Tindaraner, aber meiner Analyse nach mindestens mit ihnen verwandt.“

Geplättet, was bei ihr selten genug vorkam, drehte sich die Agentin in Carusos und Malcolms Richtung. Dann zischte sie dem Kater zu: „Wenn die Theorie von deinem Frauchen stimmt, dann kriegst du ’ne Portion Futter auf Rechnung des Geheimdienstes, junger Mann!“ „Caruso bevorzugt Katzenfutter Nummer 235!“, sagte Novus sehr bestimmt, der nicht verstanden hatte, dass Sedrin das eigentlich nicht wirklich ernst gemeint hatte. Auch Caruso begann, als hätte er sie verstanden, genüsslich seine Schnauze zu lecken. „Ich fürchte, da kommst du nicht mehr raus.“, lächelte Malcovich aus dem Hintergrund. „Na dann tun wir es eben.“, sagte Sedrin. „Wird uns schon keiner einen Strick draus drehen.“ Sie ging zum nächsten öffentlichen Replikator, um das Futter für Caruso zu besorgen. Kaum sah der Kater sie mit dem Schälchen um die Ecke biegen, sprang er von Malcolms Schoß und bediente sich.

Sedrin wandte sich Novus zu. „Du und dein Freund.“, sagte sie. „Ihr solltet besser heim gehen.“ „Sicher, Agent.“, sagte der Androide. „Aber ich würde es besser finden, wenn wir Malcolm noch etwas zum Trost mitgeben könnten. Ich bin sicher, er muss seinen Schock erst mal verdauen. Ich hörte, menschlichen Kindern helfen Süßigkeiten dabei sehr!“

Malcovich, die alles mitbekommen hatte, deutete in Richtung Parkplatz, wo die Jeeps standen. Sie hatte oben auf Sedrins Picknickkorb eine große Tüte mit Früchten in Schokolade gesehen. Sedrin nickte nur konspirativ grinsend und gab Kate den Schaltschlüssel. Diese sagte nur: „Bin gleich zurück!“ Dann wuselte sie davon, um wenig später bereits mit Tüte und Schlüssel zurückzukehren. Dann gab sie den Schlüssel ihrer Partnerin zurück und die Tüte Malcolm, den Novus folgsam bei der Hand nahm, um ihn aus dem Park in Richtung seines Elternhauses zu führen.

Sedrin wandte sich mir zu. „Was jetzt kommen muss, können Sie sich bestimmt denken, Allrounder.“, sagte sie. „Ich denke, Sie wollen die Tindaraner informieren, nicht wahr?“, fragte ich. „Genau das!“, sagte Sedrin fest und bestätigend. „Ich nehme an, Ihr Kanal zu einem bestimmten und gewissen Tindaraner ist immer noch offen.“ „Sicher.“, sagte ich. „Aber Shimar wird nicht viel erreichen können. Er ist schließlich nur ein Patrouillenflieger.“ „Aber sein Commander könnte das schon.“, sagte Sedrin. „Sie ist, soweit ich weiß, ja sehr gut befreundet mit dem Oberhaupt der Zusammenkunft.“ „Das stimmt.“, bestätigte ich. „Aber laut Shimar haben sich die Tindaraner schon sehr schwer damit getan, die Existenz der Saloraner zu glauben. Offiziell weiß das keiner. Es ist eine sehr private Information. Aber er sagt, es gab Leute innerhalb der Zusammenkunft, die bis heute glauben würden, dass Sytania ihnen eine Falle stellen wollte, wenn es nicht die Leiche und Lycira geben würde.“ „Wieso eine Falle von Sytania?“, fragte Sedrin verwirrt. „Bitte denken Sie doch mal nach, Agent.“, sagte ich. „Sytania könnte Wesen erschaffen, die den für einen Mythos gehaltenen Schwestervölkern der Tindaraner so ähnlich sind, dass diese liebend gern mit ihnen Kontakt haben wollen würden und alles andere darüber vergessen würden, weil sie sich so freuen. Wenn sie mit ihnen Kontakt hätten, würde das auch Datenaustausch und Wissensaustausch einschließen. Sicher hätte Sytania auch andere Möglichkeiten, aber wenn sie ihre Macht direkt nutzen würde, käme ja wohl wirklich jeder drauf und das will sie nicht. Mir gefällt in diesem Zusammenhang ein Satz sehr, den Agent Maron einmal benutzt hat: Sytania will an diesem oder jenem schuld sein, aber nicht als Schuldige erkannt werden. Irgendwo kann ich die Skepsis der Zusammenkunft also sogar verstehen.“ „Verstehe.“, sagte Sedrin. „Das wäre ja so ähnlich, als würde sie für Sie Atlantis lebendig werden lassen.“ „Eben.“, sagte ich. „Die sollen ja auch enormes Wissen gehabt haben und Sytania könnte uns so sehr leicht manipulieren, wenn sie dafür sorgen würde, dass ihre Schöpfungen uns schädliches Wissen …“

„Um so mehr benötigen Sie Beweise!“, sagte Cupernica und schnappte sich in Taschendiebmanier den ballistischen Erfasser, den Sedrin bei sich trug. Dann schloss sie ihr eigenes Haftmodul an das Gerät an und haftete sich das andere Ende auf die Stirn. Jetzt überspielte sie dem Gerät alle Daten, die sie über den Fremden gesammelt hatte. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, Scientist, wie?“, fragte Sedrin, die das Verschwinden ihres Erfassers erst jetzt bemerkt hatte. „Das ist korrekt.“, sagte die Androidin und entkoppelte sich wieder von dem Gerät. Dann gab sie es Sedrin zurück.

Der Agentin war aufgefallen, dass ich kurz gezuckt und einen seltsamen Laut von mir gegeben hatte, als sie das terranische Sprichwort verwendete. „Was ist?“, fragte sie tröstend. „Was hat ihren fein ausgebildeten Kommunikationsoffizierinnenohren nicht gefallen, Betsy?“ „Es ist nichts Schlimmes, Agent!“, sagte ich und wurde ganz aufgeregt. „Im Gegenteil! Es ist nur so, dass Sie mich gerade an ein Argument erinnert haben, das mit Sicherheit ziehen wird. Erinnern Sie sich noch an meine Aussage?“ „Natürlich, Allrounder.“, sagte Sedrin und legte mir die Hand auf die rechte Schulter, als wollte sie mich beruhigen. „Ich habe sie ja gerade erst von Ihnen erhalten.“ „Dann wissen Sie.“, sagte ich. „Dass der Alte gemeint hat, ich hätte einen sehenden Geist. Das ist ein ins Englische übersetztes Sprichwort der Tindaraner! Das bedeutet, die Tindaraner und die Nidari-Travelers könnten eine ähnliche linguistische Entwicklung genommen haben.“

Sedrin griff fest und fast streng nach meiner Hand: „Wo ist Ihr verdammtes Sprechgerät?!“ „Wo es immer ist, Agent.“, sagte ich. „In meinem Wohnzimmer.“ „Dann los!“, sagte Sedrin und zog mich nach geradeaus. Kate und Cupernica schnippte sie nur zu: „Ihr entschuldigt uns!“ Dann zerrte sie mich auch schon wieder in Richtung meines Hauses davon.

Wenig später betraten wir mein Wohnzimmer. Sedrin hatte mit mir die Abkürzung über die Terrasse genommen. „Wie wollen Sie jetzt vorgehen, Agent?“, fragte ich. „Wie ist das Verhältnis zwischen Shimar und seinem Commander, Betsy?“, fragte sie. „Ziemlich gut.“, sagte ich. „Würde sie ihm glauben, wenn er ihr die Dinge berichten würde, die Sie und ich erlebt haben?“ Ich nickte und fragte dann: „Aber warum gehen wir nicht über die offiziellen Kanäle?“ „Weil Sie mir gerade das passende Gegenargument dazu geliefert haben, als Sie mir diese kleine private Information gaben, Betsy.“, sagte Sedrin. „Wenn wir über die offiziellen Kanäle gehen, habe ich viel zu viel Sorge, dass genau das passieren wird, was Sie mir gerade gesagt haben und wenn die Zusammenkunft Sytania beschuldigt, ihnen eine Falle zu stellen und sie das gar nicht getan hat, hätte sie sogar jedes Recht, sich zu wehren und Sie wissen, wie das unter Umständen aussehen könnte. Die Zusammenkunft könnte ihr somit den perfekten Vorwand liefern, Tindara anzugreifen! Einen Vorwand, auf den sie vielleicht nur warten wird, aber …“ „Verstehe.“, sagte ich und schluckte, denn mir war inzwischen echt mulmig geworden, je länger ich ihren Ausführungen gelauscht hatte. Ich ahnte, dass sie Recht haben könnte. Die Tindaraner waren zwar im Allgemeinen nicht für ihre Beamtenmentalität bekannt, aber wenn man zweimal in so kurzer Zeit ein für einen Mythos gehaltenes Schwestervolk auf dem Silbertablett serviert bekam, konnte man schon skeptisch werden. Sehr pikant an der Sache fand ich auch, dass sich offensichtlich alle drei Völker gegenseitig für einen Mythos hielten. Wenn alle Stricke rissen, würde ich auch dies Shimar unter die Nase reiben.

„Warum hat sich Sidar eigentlich dort in das Kunstwerk gesetzt?“, fragte ich. „Ich denke.“, sagte Sedrin. „Dass er sich sehr wohl denken konnte, dass er seinen Körper verlassen würde, wenn er mit Ihnen gesprochen hat. Er ist schließlich Telepath und weiß wohl ganz genau, wie Sie denken. Ich finde, seine Statue passt dort perfekt hin. Alls eine Solche werden wir sie den Zivilisten wohl auch erst mal erklären, bis alles offiziell abgesegnet ist. Wir werden der Presse sagen, es sei das Werk eines anonymen Künstlers.“ „OK.“, sagte ich.

Sedrin sah auf die Zeitanzeige ihres Handsprechgerätes, das, wie ihr Erfasser und ihre Waffe auch, zu ihrer Ausrüstung gehörte, die Kate ihr noch schnell überreicht hatte, als sie sich begrüßt hatten. Dann nahm sie eine Einstellung im Menü vor. Danach sagte sie: „Auf Tindara wird es jetzt bereits Mitternacht sein. Denken Sie, dass Ihr Freund noch auf sein könnte?“ „Eigentlich ist Shimar keine Nachteule, Agent.“, sagte ich, während ich das Rufzeichen von Zirells Basis nebst Shimars Unterrufzeichen aus dem Adressbuch meines Sprechgerätes zutage förderte. „Besonders dann nicht, wenn er im Dienst ist. Aber wir werden ja sehen.“ Ich bestätigte meine Auswahl.

Quälend langsam verging die Zeit, bis endlich etwas passierte. Eigentlich waren es nur ein paar Sekunden, aber diese kamen Sedrin und mir wie Stunden vor. Dann meldete sich endlich am anderen Ende eine elektronische Stimme, die ich als die von IDUSA, dem Rechner der Station, identifizierte. „Guten Abend, Allrounder.“, sagte der Rechner, der mich nur anhand meines Rufzeichens identifiziert hatte. DA ich keinen Neurokoppler benutzte, hatte sie ja auch keine andere Möglichkeit. „Hi, IDUSA.“, sagte ich. „Ist Shimar noch wach?“ „Wie Sie hören, ist er das nicht mehr.“, sagte der Rechner. „Sonst würde ich ja wohl kaum an seiner Statt antworten. Aber das Frequenzprofil ihrer Stimme weicht von dem Sonstigen leicht ab. Das zeigt mir, dass Sie sehr nervös sind, oder vielleicht sogar Angst verspüren.“ „Etwas nervös bin ich schon, IDUSA.“, sagte ich. „Aber ich habe keine Angst. Könntest du Shimar bitte wecken? Es ist sehr wichtig! Ich bin auch nicht allein. Agent Sedrin ist bei mir.“ „Also gut.“, sagte der Rechner. „Bitte warten Sie einen Moment.“ „Was wird sie jetzt tun?!“, fragte Sedrin erstaunt, die durchaus am Display gesehen hatte, dass die Verbindung noch immer aktiv war. „Sie hat ihre Methoden, Agent.“, lächelte ich und lehnte mich entspannt in meinem Sessel zurück. „Darüber müssen Sie mir bei Gelegenheit unbedingt mehr verraten, Allrounder.“, sagte die Agentin und klang dabei sehr neugierig. Wahrscheinlich konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen, wie der Rechner es anstellen könnte, Shimar aus dem Schlaf zu holen. Rütteln und schütteln konnte sie ihn schließlich nicht.

In Shimars Quartier auf der Basis 281 Alpha konnte man inzwischen den Eindruck gewinnen, dass dort wohl eine wilde Party im Gange sein würde. Die Sprechanlage piepte unaufhörlich und auf jedem Display im Raum blinkte es. Außerdem erhöhte sich das Niveau der Raumbeleuchtung immer weiter fast gnadenlos. Hierdurch wurde Shimar tatsächlich bald aus seinen Träumen geholt. Missmutig drehte er sich dem Mikrofon der Konsole auf seinem Nachttisch zu und fragte hinein: „Was bei allen Göttern ist hier los, IDUSA?! Verrate mir sofort, warum du mich weckst!“

Statt zu antworten leuchtete ihm der Rechner aber einen Port aus. Shimar verstand und stand schwerfällig auf, um zu dem Stuhl zu gehen, auf dem er seine Sachen abgelegt hatte. Etwas umständlich, was wohl der Tatsache geschuldet war, dass er noch halb schlief, fingerte er seinen Neurokoppler aus der Tasche seiner Uniformjacke. Dann kehrte er zum Bett zurück. Dabei stieß er sich leider auch noch den linken großen Zeh an einem Mauervorsprung. „Verdammt!“, fluchte er, während er den Stecker des Neurokopplers in den Port steckte und sich den Koppler selbst aufsetzte. Sofort lud IDUSA seine Reaktionstabelle und stellte die Verbindung zwischen uns her. „Hi, Srinadar.“, sagte ich. „Hi, Kleines.“, kam es verschlafen zurück. „Was ist los? Warum lässt du zu, dass mich IDUSA um meinen wohl verdienten Schönheitsschlaf bringt, he?“ „Du brauchst keinen Schönheitsschlaf, mein Schatz.“, gab ich zurück. „Du bist schön genug. Von außen kann ich das zwar nicht wirklich beurteilen, aber deine innere Schönheit sehe ich ganz genau!“

Sedrin nahm mir das Mikrofon ab. „Shimar, hier ist Agent Sedrin Taleris-Huxley. Ich hoffe, du erinnerst dich noch an mich.“ „Das tue ich.“, sagte Shimar. „Du warst schließlich einmal Zirells erste Offizierin, als … Aber das steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich nehme ja nicht an, dass du Betsy angestiftet hast, mich zu wecken, um mit mir über alte Zeiten zu plaudern.“ „Eigentlich nicht.“, sagte Sedrin. „Obwohl ich annehme, dass die in diesen alten Zeiten entstandenen Verbindungen uns sehr helfen könnten.“

Sie hatte den Sendeknopf losgelassen, um ihm eine Möglichkeit zu geben, über ihre Worte nachzudenken und etwas zu erwidern. Aber Shimar schien irgendwie nicht ganz bei der Sache zu sein. „Du sprichst in Rätseln.“, gab er schließlich zu. „Ich habe keine Ahnung, wovon du reden könntest.“ „Morgen früh könntest du Zirell verdeutlichen.“, erklärte Sedrin. „Dass wir Grund zu der Annahme haben, Kontakt zu den Nidari-Travelers bekommen zu haben. Einer von ihnen war sogar leibhaftig hier. Das heißt, sein Leib ist es immer noch. Aber vielleicht könntest du mir noch einiges über diese Wesen erklären.“ „Vor allem kann ich dir erklären.“, sagte Shimar. „Dass die Nidari-Travelers ein Mythos sind, Sedrin.“ „Faszinierend.“, sagte Sedrin mit leicht ironischem Unterton. „Dann wirst du ja hoffentlich nichts dagegen haben, uns diesen Mythos etwas näher zu bringen. Wir lieben Märchenstunden. Sie sind immer so gemütlich. Schließlich hast du nichts zu verlieren.“ „Also gut.“, sagte Shimar. „Angeblich soll es sich bei den Nidari-Travelers um Geistwesen handeln, deren neurale Energie Ähnlichkeiten zu unserer aufweist. Sie sind pandimensionale Existenzen, die, wenn sie in eine Dimension von körperlichen Wesen kommen, mittels ihrer Kräfte für sich Körper generieren können, die auch unseren in sofern ähnlich sind, dass sie auch kristallinen Ursprungs sein sollen und kristallisieren, sobald die Nidari-Travelers sie wieder verlassen. Aber ernsthaft. Daran glaube ich nicht!“ Genau das wollte sie erreichen, Srinadar., dachte ich. Du bist ihr voll auf den Leim gegangen!

„Fein, Shimar.“, sagte Sedrin. „Du persönlich magst vielleicht nicht daran glauben, aber was ist mit Zirell? Es kann ja immer noch sein, dass sie an die Existenz der Nidari-Travelers glaubt und von der Zusammenkunft wissen wir es auch nicht. Falls du aber keinen Erfolg haben solltest, Zirell zu überzeugen, hat deine Freundin hier einen Trumpf auf der Hand, der sie bestimmt überzeugen wird.“ Sie gab das Mikrofon an mich zurück: „Hier, Allrounder.“ „Lass uns noch einmal zu der Sache am Anfang kommen, Srinadar.“, sagte ich. „Ich sagte, dass ich genau sehen würde, wie schön du bist, meinte damit aber deine innere Schönheit, also die Schönheit deiner Seele.“ „Das sieht auch nur jemand mit einem sehenden Geist.“, sagte Shimar. „Da haben wir es schon.“, sagte ich. „Einen Solchen hat mir nämlich auch der Traveler bescheinigt, mit dem ich gesprochen habe. Das bedeutet, dass es sein kann, dass ihr und sie sogar eine ähnliche linguistische Entwicklung genommen haben könnt. Bei Schwestervölkern kann so etwas doch durchaus sein, oder?“ „Das kann ich nicht wirklich beurteilen im Gegensatz zu dir, Kleines.“, sagte Shimar. „Du bist neben einer sehr talentierten Pilotin auch noch ausgebildete Kommunikationsoffizierin. Meine Kenntnisse reichen gerade einmal aus, um den SITCH auf der Station ab und zu mal zu bedienen. Aber darin, sprachliche Feinheiten zu beurteilen, bist du wohl viel besser. Du wirst schon Recht haben damit.“ „Jetzt hast du dir gerade selbst widersprochen, Srinadar.“, sagte ich grinsend. „Wieso?“, gab er zurück. „Wenn du sagst, dass du mir glaubst, dann siehst du in gewisser Weise ein, dass es die Nidari-Travelers ja doch geben könnte.“ „Hör auf, mich festzunageln, Kleines!“, sagte Shimar etwas lauter, der wohl langsam nicht mehr aus noch ein wusste. Das Glaubensgebäude, das seine Lehrer und seine Eltern in seinem Kopf bezüglich der Nidari-Travelers errichtet hatten, begann zu bröckeln und irgendwann würde es wohl ganz einstürzen, wenn wir so weitermachten. Shimar tat mir irgendwie leid. Von der einen wurde er geleimt und von der anderen festgenagelt. Das waren Umstände, die er sicher nicht als sehr angenehm empfand.

„Wirst du Zirell unsere Nachricht weitergeben?“, fragte ich. „Ich habe ja wohl keine andere Wahl, wenn ich erreichen will, dass ihr mich irgendwann wider in Ruhe schlafen lasst.“, sagte er. „Also gut. Wir werden ja sehen, was sie und vor allem, was die Zusammenkunft dazu meint.“ „Na geht doch.“, sagte ich und beendete lächelnd die Verbindung.

„Sie können ja auch schon richtig hinterlistig sein.“, sagte Sedrin und ich wurde das Gefühl nicht los, dass dies aus ihrem Mund wohl als ein kräftiges Lob gemeint war. „Wenn es sein muss.“, sagte ich. „Ich will nur hoffen, dass die Zusammenkunft das sprachliche Argument glaubt. Selbst wenn Commander Zirell das tut, nützt uns das nicht viel. Die Zusammenkunft währe diejenige, die wir überzeugen müssten, denn nur sie könnte offiziell einen ersten Kontakt mit den Nidari-Travelers herstellen.“ „Besser gesagt einen neuen Kontakt.“, verbesserte Sedrin. „Wenn die Beiden Schwestervölker sind, dann müssen sie doch irgendwann einmal zusammengehört haben.“ „Davon gehe ich auch aus.“, sagte ich. „Aber das war sicher vor einigen Millionen Jahren.“ „Trotzdem.“, sagte die Demetanerin. „Es war einmal der Fall. Vielleicht gibt es ja sogar auf Tindara Belege dafür. Vielleicht könnten Archäologen der Föderation sogar bei der Suche danach behilflich sein.“ „Wenn die Zusammenkunft damit einverstanden ist.“, sagte ich. „Sonst könnten sich die Tindaraner vielleicht bevormundet vorkommen.“ „Natürlich nur dann, Betsy.“, beschwichtigte Sedrin.

Sie gähnte. „Es ist spät.“, sagte sie dann. „Und ich denke, es wird auch noch einige Zeit vergehen, bis wir wieder von Shimar hören werden. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich heute bei Ihnen übernachte? Ich meine, der Zeitunterschied könnte es vielleicht notwendig machen, dass …“ „Kein Problem, Agent.“, lächelte ich. „Ich hole Ihnen nur schnell Bettzeug.“ „OK.“, sagte sie. „Ich muss auch noch etwas erledigen.“

Sie ging wieder über die Terrasse zu Kate und Cupernica zurück, die immer noch im Park neben der Statue auf sie warteten. Dann gab sie ihrer neuen Partnerin den Schlüssel zum Jeep: „Kate, nimm bitte den Jeep und fahr zurück ins Büro. Du könntest schon mal mit dem Papierkram anfangen. Du weißt schon. Bring danach bitte den Jeep auch noch bei uns zu Hause vorbei und gib Jaden den Schlüssel. Lass den Computer die Aussage von Mr. Sandron bitte ins Englische übersetzen und lege aber das Original bei. Ach, lass mich bitte noch etwas aus dem Jeep holen.“ „Du redest von dem Picknickkorb, nicht wahr?“, sagte Kate. „Genau.“, sagte Sedrin. „Wäre ja sehr schade, wenn das ganze Zeug ungenutzt verdirbt. Außerdem weiß man ja nie, wozu man es noch brauchen kann. Ach, Scientist, Sie können auch gehen.“

Kate nickte und begleitete Sedrin noch zum Fahrzeug, aus dem diese, nachdem Kate die Tür geöffnet hatte, den Picknickkorb entnahm und sich damit wieder auf den Weg zurück zu mir machte. „Soll ich den Korb in die Kühlung meines Replikators stellen?“, fragte ich. „Woher wissen Sie nun das schon wieder?“, fragte Sedrin. „Der Korb in Ihrer Hand.“, hob ich zu einer Erklärung an. „Macht ganz spezielle Geräusche, weil er leicht in Bewegung ist, wenn Sie gehen.“ „Interessant.“, sagte Sedrin. „Aber ich kümmere mich schon selbst darum.“ Damit stellte sie den Korb selbst dort ab. Dann sagte sie: „Lassen Sie uns jetzt schlafen gehen. Es werden wohl noch mindestens sechs Stunden vergehen, bis wir von Ihrem Freund hören werden.“ „OK.“, sagte ich und führte sie in mein Gästezimmer, wo ich inzwischen das Bett für sie bezogen hatte.

Trotz einiger Einschlafversuche wollte es Shimar einfach nicht mehr gelingen, in dieser Nacht Ruhe zu finden. Zu sehr hatten ihn die Dinge, die Sedrin und ich ihm berichtet hatten, aufgewühlt. An die Existenz der Saloraner hatten er und vor allem die Zusammenkunft nicht geglaubt, aber trotzdem waren sie so real wie die Tindaraner selbst gewesen. Ich war damals sehr von der Regierung der Föderation und der Zusammenkunft gleichermaßen gefeiert worden, da ich diejenige war, die diesen ersten Kontakt überhaupt ermöglicht hatte. Beide Oberhäupter hatten mir sogar einen Orden, das Mikrofon in Latinum, verliehen. Aber an zwei solcher Zufallsbegegnungen in so kurzer Zeit hintereinander wollte Shimar irgendwie nicht ganz glauben und sorgte sich, dass die Zusammenkunft und noch nicht einmal Zirell das tun würden. Dass Sytania uns allen eine Falle gestellt hatte, war ein Gedanke, den er trotz meines linguistischen Arguments nicht ganz von sich weisen wollte. Er wusste, dass Sytania wusste, wie die Sternenflotte tickte. Sie hätte also durchaus eine Falle kreieren können, die genau nach diesen Vorstellungen aufgebaut war, damit auch ja alle wichtigen Persönlichkeiten darauf hereinfielen. Wenn gerade ich es war, die dann quasi durch ihr linguistisches Gefühl dafür das OK gegeben hatte, dann hatte Sytania auch zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sie hatte die Föderation ins Verderben geführt und gleichzeitig an mir persönliche Rache genommen dafür, dass ich geholfen hatte, sie zu besiegen. Aber auf der anderen Seite waren dort viele potente Telepathen, die dafür sorgen hätten können, dass sie erkannt würde. Diese hätten das auf keinen Fall zugelassen! Die Tindaraner und sogar vielleicht die Aldaner hätten seines Wissens bestimmt interveniert, wenn auch nur ein Hauch von Sytania zu spüren gewesen wäre. Außerdem waren da noch König Dill von Zeitland, König Logar vom Dunklen Imperium oder Kairon und Tolea aus dem Raum-Zeit-Kontinuum, die sicher auch alle vier kein Interesse daran hätten, dass die Sterblichen von Sytania übers Ohr gehauen wurden. Aber gerade von diesen vieren wusste er auch, dass sie sich nicht ohne weiteres einmischen würden, da sie ganz genau wussten, wie gut die Sterblichen ihrer Meinung nach mit einer solchen Situation selbst fertig wurden. Sie wussten auch genau, dass, wenn Sytania von den Sterblichen direkt besiegt wurde, dies eine viel größere psychologische Wirkung hatte, als wenn sie dies für uns erledigten.

Nun rangen diese beiden Argumentationen in schweren Schlachten um die Vorherrschaft in seinem Geist und das bedauernswerteste Opfer dieses Krieges war er selbst, denn der arme Shimar war total übernächtigt, als IDUSA am nächsten Morgen pünktlich um 06:00 Uhr das Wecksignal ertönen ließ. „Muss das jetzt sein, IDUSA?!“, beschwerte sich Shimar. „Gib mir bitte noch fünf Minuten.“ „Die hatten Sie schon.“, sagte der Avatar des Stationsrechners kühl. „Sie wissen, dass Commander Zirell sehr ungehalten werden kann, wenn Sie nicht pünktlich zur morgendlichen Offiziersbesprechung erscheinen. Sie hatten das Signal auf 05:30 Uhr gestellt. Da ich aber Ihre gedankliche Situation beobachten konnte, hielt ich es für besser, die Zeit, die Sie sich selbst immer als Spielraum einräumen, bis zum Ende auszureizen.“ „Wieso konntest du meine Gedanken beobachten?“, fragte Shimar irritiert, dem immer noch nicht bewusst war, dass er die ganze Zeit über den Neurokoppler aufbehalten hatte. „Mit Verlaub.“, sagte der Rechner. „Aus demselben Grund, aus dem Sie jetzt meinen Avatar sehen können. Sie hatten die gesamte restliche Nacht über den Neurokoppler auf. Das bedeutet für mich, dass Sie nach wie vor eine Verbindung mit mir wollten.“ „Du hättest meine Tabelle löschen können!“, entgegnete Shimar unwirsch. „Laut den Richtlinien der Lex Technologica.“, sagte IDUSA. „Hätte ich das nicht so einfach gedurft. Solange Sie den Koppler noch auf haben, muss ich wenigstens nachfragen, ob Sie eine Löschung Ihrer Tabelle und somit ein Ende der Verbindung zwischen uns wünschen. Da dieser Befehl aber trotz meiner wiederholten Anfragen nicht erfolgt ist, musste ich davon ausgehen, die Verbindung war gewollt.“ „Sorry. War wohl in Gedanken. Dann bist du ja informiert.“, sagte der tindaranische Patrouillenflieger und quälte sich aus dem Bett. „Nicht nur ich.“, sagte IDUSA. „Ich informierte auch meine Kollegin, die IDUSA-Einheit Ihres Schiffes. Auch sie weiß über Ihre nächtlichen Überlegungen Bescheid. Wir hielten das beide für effizienter, damit sie Ihnen im Notfall bessere Unterstützung zukommen lassen kann.“ „Was meinst du damit?“, gähnte Shimar, während er seine Uniform locker überwarf. „Commander Zirell wird Sie, wie jeden Montag, ins Gebiet der Föderation entsenden, damit Sie dort tindaranische Präsents beweisen.“, sagte der Rechner, dem die Routine der Dienstpläne ja durchaus geläufig war. „Das trifft sich gut.“, sagte Shimar und legte jetzt endgültig den Neurokoppler ab, um dann ins Bad zu gehen. Eine kräftige Schalldusche würde schon dafür sorgen, dass er wieder munter würde. Das musste auch schleunigst passieren, denn die neuen Informationen rückten die Situation in ein ganz anderes Licht. Niemand durfte sehen, wie müde er war, damit Ishan nicht noch auf die Idee kam, ihn für heute dienstunfähig zu schreiben. Er musste diese Patrouille einfach fliegen, denn dann griff auch die Schutzverbindung zwischen uns und er würde genau wissen, was sich in meiner unmittelbaren Umgebung abspielte. Er konnte einfach nicht zulassen, dass, sollte es denn so sein, Sytania mich als einen Teil ihrer Falle missbrauchte! Er wusste, ich würde es niemals verwinden können, dafür verantwortlich zu sein, meine Kameraden in ihre Hand manövriert zu haben! Zwar gab es da noch den Rest der Kom-Abteilung der Sternenflotte, aber die würden meiner Anregung sicher gern folgen.

Er war der Schalldusche wieder entstiegen und verpasste sich jetzt noch eine anständige Rasur. Dann zog er sich an und fragte in Richtung des nächsten Mikrofons: „IDUSA, wie sehe ich aus?!“ „Nun.“, entgegnete der Avatar des Stationsrechners. „Eigentlich schon wieder recht frisch. Nur Ishan werden Sie noch anders überzeugen müssen. Er kann schließlich Ihre hormonellen Werte auf einen Blick erkennen und wird sehen, dass Sie wenig geschlafen haben. Ich habe mein Möglichstes getan, um Ihnen trotzdem noch den Weg für die Patrouille zu ebnen. Sie wissen, Ishan könnte Ihnen Medikamente geben, aber eine Patrouille unter Drogen kann jemanden an Ihrer Zurechnungsfähigkeit zweifeln lassen, wenn es hart auf hart käme und etwas passieren würde. Das Einzige, was wir tun können, ist, Ishan und Zirell zu versichern, dass Ihr Schiff Sie notfalls entsprechend unterstützt, wenn Sie einschlafen sollten.“ „Schon gut, IDUSA.“, sagte Shimar lächelnd und ging aus der Tür.

In der Offiziersmesse der Basis 281 Alpha saßen bereits fast alle gemeinsam beim Frühstück. Wie gesagt, fast alle außer Shimar, der jetzt etwas abgehetzt den Raum betrat. Sein Weg führte ihn zunächst an dem Tisch vorbei, an den sich die Crew des Maschinenraums gesetzt hatte. Zwar hatte Zirell eigentlich nichts dagegen, wenn sich ihre Leute beim Frühstück vermischten, aber Jenna hatte das angeregt. So konnten sie und Shannon in aller Ruhe über die Technik der Station oder der beiden Schiffe fachsimpeln. „Oh Backe!“, flapste die blonde Irin Shimar hinterher, nachdem sie gesehen hatte, wie müde er vorbeigeschlurft war. „Schwere Nacht gehabt, Fliegerass, wie?!“

Jenna stupste ihrer Untergebenen den Ellenbogen in die Seite und sah sie tadelnd an. Dann sagte sie zwar leise aber fest: „Das geht uns bestimmt nichts an, Assistant, klar?! Außerdem muss es nicht gleich die halbe Station erfahren!“ Dann verwickelte sie Shannon schnell wieder in ein Gespräch über die Fehlersuche bei den Umweltkontrollen in Frachtraum sechs.

Shimar hatte sich am nächsten Replikator sein übliches Frühstück repliziert und war dann damit an seinen Platz am Tisch der Brückenoffiziere gegangen. Hier sah ihn eine erstaunte Zirell direkt an und meinte: „Da haben wir ja unseren Nachzügler! Was hat dich aufgehalten, Shimar? Es sieht dir doch sonst nicht ähnlich, zu spät zu kommen.“ „Ich wette, es hat etwas mit dem zu tun, auf das uns O’Riley schon aufmerksam gemacht hat.“, sagte der erste Offizier, Agent Maron. „Ist schon richtig.“, gab Shimar zu. „Ich habe diese Nacht nicht wirklich gut geschlafen, Zirell. Aber über den Grund dafür würde ich lieber mit dir und Maron allein reden.“ „Es ist also nichts Persönliches.“, schloss Maron. Shimar, der gerade in sein typisches tindaranisches Frühstücksgebäck gebissen hatte, schüttelte nur wortlos und mit dicken vollen Backen den Kopf. „Dann würde ich sagen, dass wir uns gleich nach dem Frühstück mal in meinen Bereitschaftsraum begeben.“, sagte Zirell. „OK.“, sagte Shimar. „Aber ich finde, Joran sollte auch dabei sein. Er ist schließlich unser Experte für Sytanias Verhalten.“

Zirell nahm einen riesigen Schluck der quietschgrünen Flüssigkeit aus ihrer Tasse und sagte dann mit leichter Irritation in der Stimme: „Moment! Sytania hat was mit deiner Schlaflosigkeit zu tun? Aber warum haben Nidell und ich dann nichts bemerkt?!“ „Vielleicht.“, sagte Shimar. „Aber ich möchte hier vor allen nicht so ins Detail gehen müssen. Das sorgt nur wieder für Gerüchte.“

Maron hatte Ishan gewunken, der vom Tisch der Mediziner jetzt herüberkam. Zwar konnte er, als Androide, nicht essen oder trinken, aber aus sozialen Gründen wohnte er den Malzeiten immer bei. Außerdem konnte er so auch besser Dinge mit Nidell, seiner tindaranischen Assistentin, besprechen, die für den morgendlichen Dienstablauf wichtig waren. Nidell konnte nämlich frühstücken und war daher fast immer hier zu finden. Es kam nur ganz selten vor, dass sie allein in ihrem Quartier frühstückte. Dafür war sie viel zu gern mit den anderen zusammen.

Der androide Arzt hatte seinen scannenden Blick jetzt über Shimar schweifen lassen. Dabei hatte er festgestellt, dass dieser nicht unter Sytanias Einfluss geraten war. Dies teilte er auch sofort Zirell und Maron mit. „Es hätte ja sein können, dass Sytania direkt und ausschließlich Shimar kontaktiert hätte.“, sagte der demetanische Spionageoffizier zur Erklärung. „Sie ist immerhin eine trainierte Telepathin. Sie kann sicher sehr gut selektieren, was ihre Opfer angeht.“ „Aber dagegen hätte sich Shimar doch auch gut wehren können.“, sagte Ishan. „Wenigstens das hättet ihr anderen Tindaraner mitbekommen können. Ich sehe aber keinen Anhalt dafür. Du musst allerdings vor ca. sechs Stunden sehr aufgeregt gewesen sein, Shimar. Hattest du Albträume? Die Menge der Abbauprodukte von Stresshormon in deinem Blut lässt solche Schlüsse zumindest zu.“ „Albträume?!“, fragte Shimar etwas hektisch. „Nein, die hatte ich nicht. Bitte schreib mich nicht krank, Ishan! Ich muss diese Patrouille fliegen!“ „Was ist denn heute mit dir los, Shimar?!“, fragte Zirell mit leichter Empörung in der Stimme. „Nicht hier.“, sagte Shimar. „Bitte, Zirell!“ „Schon gut.“, sagte die Kommandantin beruhigend. Dann winkte sie Maron, der ebenfalls schon sein Frühstück beendet hatte, wie sie gesehen hatte und auch Joran und Shimar: „Lasst uns gehen, Jungs!“

Wenig später waren sie in Zirells Bereitschaftsraum angekommen. Dort setzten sie sich um deren Schreibtisch herum. Dann sah Zirell ihren Untergebenen erwartungsvoll an. „Glaubst du an die Existenz der Nidari-Travelers?“, fragte Shimar. „An was?!“, lachte Zirell. „Oh, Shimar! Du weißt doch seit deiner frühesten Kindheit, dass die ein Mythos sind!“ „Das hat dein Volk von den Saloranern auch geglaubt, Anführerin Zirell.“, äußerte Joran kurz und prägnant, wie es seine Art war, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Er mochte nicht viel reden, was vielleicht auch der Tatsache geschuldet war, dass sein Englisch und sein Tindaranisch noch nicht sehr gut waren und er aus guten Gründen keinen Universalübersetzer benutzen wollte. Das war aber nicht nur Ehrgeiz, sondern er wusste auch ganz genau, dass seine ehemalige Gebieterin die Abhängigkeit von Technologie, in die alle seiner Meinung nach geraten waren, sehr gut für sich nutzen konnte. Mit ihrer Macht war sie ja durchaus in der Lage, die Naturgesetze aus den Angeln zu heben und schon würde all diese schöne Technik nicht mehr funktionieren. Seine Weigerung war also auch eine Mahnung.

Zirell hatte eine Weile überlegt. Dann hatte sie gesagt: „Das stimmt. Da hast du Recht, Joran. Aber erzähl mal von Anfang an, Shimar. Wie kommst du auf die Sache mit den Nidari-Travelers? Was ist passiert?“ „Ich habe mit Allrounder Betsy und Agent Sedrin gesprochen.“, sagte Shimar und wurde dabei wiederum sehr aufgeregt. „Auf der Erde ist etwas passiert! Betsy sagt, ein Nidari-Traveler hätte ihre Heimatstadt aufgesucht und hätte ihr bescheinigt, einen sehenden Geist zu haben. Daran hat sie erkannt, dass es sich wirklich um einen Traveler handeln könnte. Sie sagt, wenn wir Schwestervölker sind, müssten wir ja auch ähnliche sprachliche Entwicklungen genommen haben.“ „Und warum sollten die Nidari-Travelers gerade mit den Terranern oder der Föderation Kontakt aufnehmen, wenn sie doch eigentlich unser Schwestervolk sind?!“, fragte Zirell, die angesichts dieser Tatsache schon fast etwas beleidigt war. „Weil.“, setzte Shimar an. „Und jetzt wird’s pikant! Sie uns für einen Mythos halten.“ „Für einen Mythos!“, entrüstete sich Zirell, sprang auf und warf ihr Sitzkissen unsanft nach hinten. „Beruhige dich bitte, Sea Tindarana!“, sagte Maron und faste sie, die empört von ihrem typischen Sitzkissen aufgesprungen war, bei der Hand, um sie ruhig, aber bestimmt wieder an ihren Platz zurückzuführen, nachdem er ihr Kissen aufgefangen und wieder zurechtgerückt hatte. „Soweit ich weiß, war das bezüglich der Saloraner nicht viel anders zwischen euch. Ich gebe zu, es ist schon alles etwas merkwürdig, aber wenn wir dieses Thema zu stark emotionalisieren, übersehen wir vielleicht wichtige Details. Du solltest die Sache sowieso erst mal der Zusammenkunft melden. Schließlich müssen die entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Das klingt schon alles etwas merkwürdig, aber wir müssen es gerade deshalb eingehend erforschen, um beispielsweise eine Falle von Sytania eindeutig ausschließen zu können.“ Er sah Joran fragend an. „Meine ehemalige Gebieterin.“, begann der Vendar. „Könnte durchaus eine solche Falle stellen. Die Erde wäre ein guter Platz, um sie dort zu deponieren. Dort gibt es keine Telepathen, die dies bemerken könnten. Aber auch das Argument, das Betsy El Taria und Sedrin El Demeta benutzt haben, dürfen wir nicht außer Acht lassen.“

„In Ordnung.“, entschied die Kommandantin, nachdem sie allen zu Ende zugehört hatte. „Ich werde der Zusammenkunft erst mal Meldung machen. Mal sehen, was sie davon halten. Shimar, du gehst erst mal ganz normal auf Patrouille im Grenzgebiet zwischen den Genesianern und der Föderation! Joran, sobald wir in der Kommandozentrale sind, verbindest du mich mit der Zusammenkunft! Wenn die zu einem Entschluss gekommen sind, werde ich auch Betsy und Sedrin informieren. Das war’s! Wegtreten!“ Alle verließen befehlsgemäß den Raum.

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