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Kate, Jaden und Data hatten inzwischen den Daily First Contact, die Tageszeitung von Little Federation, erreicht. Vor dem Gebäude, einem grün gestrichenen Haus in Backsteinoptik mit hellgelben Sprossenfenstern, stellte die künstliche Lebensform jetzt sein Fahrzeug ab und bedeutete seinen beiden Fahrgästen, ihm zu folgen. Dass er für die Beiden den Taxifahrer gab, war für den Androiden kein Problem. Schließlich konnte er ja auch sicher eine Menge zu dem beitragen, was sie vorhatten.

Sie hatten das Haus durch die große Flügeltür, die sich automatisch vor ihnen geöffnet hatte, betreten. Jetzt standen sie in einer Art Vorhalle, in der sich, gleich der Tür gegenüber, eine Art Pförtnerhäuschen befand. Aus diesem Glaskasten blickte sie freundlich lächelnd ein Demetaner an. Er trug ein weißes Hemd, eine schwarze Jeans und rote Schuhe. Er maß ca. 1,80 m und war von schlanker Statur. Sein braunes Haar war ordentlich frisiert, wie es sich für einen Büroangestellten gehörte. „Sie wünschen bitte?“, sprach er die drei lächelnd an, die sich jetzt vor seinem Arbeitsplatz postiert hatten.

Jaden gab Kate einen Stoß: „Sie is’ Ihre Schwester! Aber bitte ziehen Sie nich’ gleich Ihren Dienstausweis. Sonst kriegt der Bürohengst da noch ’n Schreck fürs Leben.“ „Ich mache das schon.“, flüsterte Kate peinlich berührt ob Jadens Äußerung zurück. Dann räusperte sie sich und sagte: „Ich bin Agent Kate Malcovich. Meine Schwester Karen arbeitet bei Ihnen. Diese Gentlemen hier und ich würden gern mit ihr sprechen.“ „Ich werde sehen, ob Ihre Schwester Zeit hat, Agent Malcovich.“, sagte der Demetaner und wandte sich dem Fenster ab und einer Sprechanlage zu.

Wenige Sekunden später drehte er sich wieder zu den noch immer Wartenden mit den Worten: „Mrs. Malcovich erwartet Sie. Sehen Sie die Tür, auf der allgemeine Redaktion steht? Durch die gehen Sie bitte und dann sehen Sie schon die Beschilderung, die Sie zu ihrem Büro führen wird.“ „Danke, Mister.“, sagte Jaden und ging forsch voran. Die anderen Beiden folgten ihm.

Tatsächlich war der Weg nur kurz, den sie zurücklegen mussten. Vor der Tür blieben sie stehen und Kate betätigte die äußere Sprechanlage. Die Stimme einer älteren Frau antwortete von drinnen: „Herein!“ Dann öffnete sich die Tür. Alle drei betraten das freundlich eingerichtete Zimmer. Nun standen sie jener älteren Frau gegenüber, die schätzungsweise Mitte 40 war, ca. 1,70 m maß und einen braunen Faltenrock trug. Mit der dazugehörigen Ton in Ton mit dem Rock gehaltenen Bluse und den leicht erhöhten dunkelblauen Schuhen sah sie etwas streng aus. „Kate!“, wandte sie sich an ihre erheblich jüngere Schwester. „Was tust du denn hier? Und wer sind die beiden Gentlemen in deiner Begleitung?!“ „Das sind Commander Jaden H. Huxley und Commander Data.“, stellte Kate ihre Begleitung vor. „Wir brauchen deine Hilfe, Karen. Wir müssen zusammen einen Krieg verhindern!“ „So, müssen wir das.“, sagte die Ältere etwas gelangweilt. „Also wirklich, Kate! Manchmal habe ich das Gefühl, dir ist deine Arbeit für die Sternenflotte zu Kopf gestiegen. Was kann ich, als kleine Reporterin für den Unterhaltungsteil, schon tun, um einen Krieg zu verhindern? Ich wusste außerdem gar nicht, dass wir kurz vor einem stehen.“

„Dann sollten Sie mal den Nachrichtenteil aufmerksamer lesen, den Ihre Kollegen so bedienen, Mrs. Malcovich!“, mischte sich Jaden schnodderig ein. „Dann werden Sie sehen, was los is’!“ Data knuffte ihn in die Seite. „Also.“, sagte Karen immer noch sehr ruhig. „Ich lasse mir nicht unterstellen, ich hätte von Politik keine Ahnung! Nur damit das klar ist! Aber ich verrate euch jetzt mal ein kleines Journalistengeheimnis. Gerade die politischen Nachrichten werden oft in der Presse ziemlich aufgebauscht, damit sie die Leute auch lesen. Mit so ’nem trockenen Kram würde man sonst doch keinen hinter’m Ofen vorlocken. Dann würde unsere Zeitung wohl höchstens nur noch von ’n paar Vulkaniern gelesen und das reicht nicht. Dann könnten wir gleich dicht machen. Wir Medienmacher wollen vielleicht manches heißer essen, als es auf dem Krisenherd gekocht wird, aber …“ „Das hier ist aber wirklich wichtig, Karen!“, sagte Kate etwas bestimmter. „Und, auch wenn du nur eine Reporterin für den Unterhaltungsteil bist, so bist du doch die Einzige, die da noch was machen kann.“

Karen gab einen Laut von sich, der darauf hindeutete, dass sie ziemlich genervt war. „Also gut.“, sagte sie. „Wie ich dich kenne, kleine Schwester, wirst du ja sonst keine Ruhe geben. Also, setzt euch mal da rüber.“ Sie deutete auf eine kleine Sitzgruppe, die an der hinteren Wand ihres Büros stand. Kate, Jaden und Data nickten und taten, wozu sie gerade aufgefordert worden waren. Karen aktivierte nur noch rasch einen Bildschirmschoner an ihrem Rechner und gesellte sich dann auch zu ihnen. Bei sich hatte sie ein Pad, das sie aus ihrer Schreibtischschublade geholt hatte. „Also, worum geht es?!“, fragte sie und sah Kate bohrend an. Diesen Blick kannte die junge Agentin von ihrer älteren Schwester nur zur Genüge. „Du hast doch diese Artikelserie über die Statuen geschrieben, die auf sämtlichen Planeten der Föderation aufgetaucht sind, inklusive der Erde.“, sagte Kate. „Jetzt glaubt die Regierung der Tindaraner, dass Sytania was damit zu tun hat und beschuldigt sie, ihnen eine Falle stellen gewollt zu haben, was eines ihrer vielleicht mythischen Schwestervölker angeht. Aber wir können beweisen, dass dem nicht so ist. Commander Data hat sogar Bilder, die es beweisen.“ „OK.“, sagte Karen. „Dann zeigen Sie mal her, Commander Data.“

Der Androide nickte und dann folgte die gleiche Prozedur wie im Büro der Agentin. Mit geschultem Blick sah sich die Journalistin die Bilder an. Dann aber blieben ihre Augen plötzlich an einem hängen. „Was ist dass für ein Fleck auf dem Kopf der Statue?“, fragte sie. „Das sind die Reste eines Happens Thunfisch.“, sagte Data wahrheitsgemäß. „Thunfisch!“, rief Karen aus, stand auf und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Oh nein! Meine Lieben, da habt ihr euch ja selbst ein dickes Ei ins Nest gelegt. Jeder weiß doch, dass Katzen für Thunfisch nahezu alles tun! Das weiß die Regierung auch! Die werden, gerade in dieser Situation, meinen Artikel auseinander nehmen, wenn ich einen schreibe. Wenn die das mit dem Thunfisch erfahren, ist meine ganze Gegendarstellung wertlos!“ „Den haben wir doch nur benutzt, um Caruso den langen Weg über den Baum schmackhaft zu machen, damit er nicht durch das Kraftfeld zu seinem neuen Lieblingsplatz muss.“, sagte Jaden. Dann wendete er sich Data zu: „Musstest du das mit dem Thunfisch sagen?!“ „Es ist die Wahrheit.“, verteidigte sich Data. „Und wir wollen doch eine ehrliche Darstellung, oder?“

Jaden stand auf und trat näher zu Karen, die jenes verhängnisvolle Bild immer noch auf dem Schirm ihres Pads hatte. „Diesen Fleck da.“, sagte er. „Den kann man doch sicher ganz leicht entfernen, Karen. Das schaff’ sicher sogar ich, wetten! Lassen Sie mich mal.“ Damit markierte er den Fleck per Touchscreen und ließ ihn vom Programm einfach entfernen. „Jetzt stimmen aber bestimmte Details der Frisur nicht mehr.“, sagte Karen. „Und auch das Pixelraster stimmt sicher nicht mehr. Das wird Fragen aufwerfen.“ „Ach.“, sagte Jaden. „Wer achtet denn schon auf so was?!“ „Es gibt Mitglieder diverser Spezies in Little Federation.“, begann Data. „Die Augen mit viel höherer Auflösung besitzen, als der durchschnittliche Terraner. Denen würde es bestimmt auffallen. Außerdem wird die Regierung das Bild sicher auch untersuchen wollen und dann wird die Manipulation auch ihnen auffallen. Damit schneiden wir uns nur selbst ins eigene Fleisch. Immerhin weiß man, wer wir sind, und dass wir schon oft skeptisch gegen die Pläne der Regierung waren.“

Jaden begann tatsächlich zu grübeln, was für ihn eigentlich sehr selten war. Dann sagte er schließlich: „Du hast ja Recht, Data. So, wie die im Moment drauf sind, … Aber was sollen wir jetzt denn dagegen machen?“ Resignierend sahen sich alle an. Schließlich sagte Karen: „Also gut. Ihr kriegt eure Gegendarstellung zur Meinung der Regierung. Obwohl ich glaube, dass sie den Speicherplatz nicht wert sein wird, den sie einnimmt, unter diesen Umständen. Aber man soll mir ja nicht vorwerfen, ich hätte die freie Meinung unterdrückt. Aber ihr müsst euch jetzt schon wirklich was einfallen lassen, um Nugura und Co. zu überzeugen.“ „Danke, Karen!“, lächelte Kate und umarmte ihre Schwester. „Du bist echt die Beste!“ „Ich werde euch dann noch ein paar Fragen stellen müssen.“, sagte Karen. „OK.“, nickten alle drei, um zu zeigen, dass sie mit dem Interview einverstanden waren.

Zirell hatte inzwischen in der Kommandozentrale von 281 Alpha ein sehr interessantes Gespräch geführt. Joran hatte Shashana zu ihr durchgestellt, die, wie sie es Sedrin angekündigt hatte, dringend mit ihr reden wollte. „Du weißt, was mit deinem Patrouillenflieger passiert ist!“, unterstellte die Genesianerin der älteren tindaranischen Kommandantin. „Ich weiß, dass er auf der Krankenstation liegt und dass wir Sedrin zu verdanken haben, dass er überhaupt noch lebt.“, sagte Zirell. „Und aus der Vernehmung, die mein erster Offizier mit Allrounder Betsy Scott hatte, weiß ich, dass er sicher nicht mit Absicht die Grenze zu Eurem Reich übertreten hat, oberste Prätora.“ „Dann haben wir ja beide den gleichen Wissensstand.“, stellte Shashana fest. „Ich möchte auch nur, dass du weißt, dass wir euch nicht allein lassen werden! Egal, was die Ehrlose auch immer tut, wir werden an eurer Seite stehen und mit euch gegen sie kämpfen!“ „Vielen Dank.“, sagte Zirell, bedeutete Joran, die Verbindung schnellstens zu beenden und seufzte. Dass der Vendar und Maron, ihr demetanischer erster Offizier, auch bei dem Gespräch zwischen Shashana und Zirell anwesend sein durften, war eigentlich gegen das Protokoll, wenn es um Gespräche mit Genesianerinnen ging. Die Anwesenheit von Männern wurde von sehr konservativen Charakteren vielleicht als Beleidigung empfunden, aber nicht von Shashana. Schließlich hatte sie ja selbst eine völlig neue Glaubensrichtung geprägt, in der Männer vom Status unterhalb eines Tieres zum Status eines Kleinkindes aufgestiegen waren, um es mal etwas überspitzt zu sagen. Unter weiblicher Aufsicht durften sie also durchaus Informationen erhalten.

Maron sah seine Vorgesetzte mit einem fragenden und fast mitleidigen Blick an. „Was ist los, Sea Tindarana?“, fragte er tröstend. „Es entwickelt sich alles in eine Richtung, die keiner von uns gut heißen kann.“, sagte Zirell. „Die Genesianer mischen sich jetzt auch noch ein und Sytania, die wird uns angreifen, was ja ironischerweise auch ihr gutes Recht ist nach dem Bock, den die Zusammenkunft geschossen hat. Wie steht eigentlich die Föderation genau dazu, Maron? Du, als mein Verbindungsoffizier, müsstest das ja eigentlich beurteilen können.“ „Dann mach dich bitte auf ein Urteil gefasst, dass dir nicht gefallen wird, Zirell.“, warnte der Demetaner sie. „Ich schätze, dass die Föderation alles tun wird, um euch beizustehen. Wenn man die Zusammenhänge nicht genauer kennt, könnte man meinen, das sei ja recht positiv, aber …“ „Aber um so naiv zu sein, wissen wir einfach zu viel.“, fiel ihm eine nervöse Zirell ins Wort. „Und ich stelle den Genesianern ja auch gar nicht in Abrede, dass sie das Recht haben, ihre Ehre zu verteidigen. Schließlich hat Sytania versucht, sie für ihre Spielchen zu benutzen und sie wären ja Feiglinge, wenn sie sich das gefallen ließen.“ „Aus ihrer Sicht stimmt das sicher.“, stimmte Maron ihr zu.

Die Türsprechanlage kündigte Besuch an. „Wer ist draußen?!“, fragte Zirell. „Ich bin es.“, sagte eine ihr wohl bekannte Stimme. „Sedrin!“ „Komm rein.“, meinte Zirell erleichtert und hieß IDUSA, die Tür zu entriegeln, welche sich dann sogleich öffnete und eine ruhig dreinschauende Demetanerin herein ließ. „Hallo, Sedrin!“, begrüßte Zirell diese erleichtert. „Ich denke, jetzt, wo du bei uns bist, kann uns nichts mehr passieren!“ „Hängt sicher davon ab, wie du es definierst.“, sagte Sedrin. „Ich nehme an, Shashana hat sich bereits bei dir gemeldet?“ „Ja, das hat sie.“, gab Zirell zu. „Und ich bin offen gestanden nicht sehr erbaut über diesen Umstand. Sicher ist es zu begrüßen, wenn Alliierte im Kriegsfall zusammenstehen, aber …“ „Aber dieser Krieg ist total unnütz.“, beendete Sedrin Zirells Satz. „Ich gehe davon aus, dass du das genau so siehst.“ „Das tue ich.“, sagte Zirell. „Aber was können wir tun?“ Die Frauen sahen sich resignierend an.

Ich war sofort nach meiner Vernehmung durch Agent Maron auf die Krankenstation geeilt, denn mir war von Nidell berichtet worden, dass Shimar dort sei. Sie war es auch gewesen, die mich dann zu ihm gebracht hatte. „Hey, Kleines!“, lächelte mir Shimar entgegen. „Hey, Srinadar.“, gab ich zurück. „Was machst du denn für Sachen?“ „Das Gleiche könnte ich dich fragen.“, gab er zurück und setzte sich im Bett auf. „Du tust immer so harmlos, aber dann machst du Sachen ohne Apparat, aber dafür mit Paukenschlag!“ „Was meinst du?“, fragte ich etwas irritiert. „Ich habe doch gar nichts gemacht?“ „Gar nichts gemacht?! Gar nichts gemacht?!“, wiederholte er mit einer Mischung aus viel gespielter Empörung, aber auch genau so viel ernst gemeintem Stolz in der Stimme. „Erst vermittelst du einen ersten Kontakt zu den Saloranern, dann erstehst du mit Pauken und Trompeten und viel Getöse von den Toten auf, dass man allein schon vom Zusehen nicht mehr kann und dann schickst du dich auch noch an, uns auch noch zu zeigen, dass es auch die Nidari-Travelers wirklich gibt! Was denkst du dir eigentlich bei so was, du aufregendes Wesen?! Willst du mich um Gnade flehen sehen?!“ „Na.“, erwiderte ich grinsend. „Für die Pauken, die Trompeten und das Getöse bei meiner Auferstehung warst ja wohl eher du zuständig, wenn ich Scottys Erzählungen glauben darf!“ Ich piekste ihn in den Bauch. „Oder kann ich vielleicht etwas dafür, wenn du deine telepathische Nase in Dinge steckst, die drei Nummern zu groß für dich sind und dass du es vor lauter Neugier nicht schaffst, rechtzeitig aufzuhängen, he?!“ „Wen soll er aufhängen?!“, fragte eine völlig erschrockene Nidell, deren Anwesenheit ich gar nicht mehr wirklich registriert hatte. „Ups.“, machte ich verschämt, denn mir war erst jetzt aufgefallen, dass mir da wohl ein Begriff aus dem frühen Telefonzeitalter meines Heimatjahrhunderts dazwischen gerutscht war. „Es bedeutet nur, dass er es nicht geschafft hat, rechtzeitig die Verbindung zu beenden, Nidell.“, tröstete ich. „Ach so.“, sagte die junge Tindaranerin erleichtert und ging wieder an ihre Arbeit.

Ich blieb Shimar zugewandt. „Ist ja auch egal.“, sagte er. „Jedenfalls hast du mir oft genug bewiesen, dass du mehr kannst und mehr bist, als du selbst zugeben willst. Ich nehme dir die Nummer mit der lieben harmlosen Miezekatze schon lange nicht mehr ab. Wenn du das bist, dann bist du aber eine, die auch von Zeit zu Zeit mal die Krallen zeigt, wenn sie einen Anlass sieht, aber auch nur dann.“ „Kann schon sein.“, sagte ich. „Alles andere wäre ja auch Energieverschwendung.“ „Das stimmt wohl.“, sagte er und zog mich näher, so dass ich mich auf das Bett setzen musste. Dann drückte er mir einen dicken Kuss auf den Mund.

Ishan betrat das Krankenzimmer. „Wie geht es unserem Patienten denn heute?“, fragte er und begann damit, Shimar von Kopf bis Fuß zu scannen. „Geht schon wieder besser, Ishan.“, flapste Shimar und deutete auf mich. „Ihre Anwesenheit wirkt wohl Wunder.“ „Wenn man eure Schutzverbindung bedenkt.“, setzte der Arzt an. „Dann kann ich mir das durchaus vorstellen. Aber Sedrins Operation hat sicher auch ihren Teil dazu beigetragen. Allerdings hat sie großes Glück gehabt. Wäre es zu Komplikationen aufgrund deines Zustandes gekommen, Shimar, dann hätte es auch ganz anders ausgehen können. Vielleicht hätte euch das Erste-Hilfe-Programm dann auch nicht weiterhelfen können. Warum habt ihr eigentlich nicht gleich Verbindung zu mir aufgenommen?“ „Das ging nicht.“, sagte ich. „Die Trümmer von Sytanias Phänomen und die Strahlung aus dessen Vernichtung durch die Genesianer haben es wohl verhindert.“ „Dann waren die Umstände wohl noch um so glücklicher.“, sagte Ishan und Shimar fügte bei: „Da seht ihr mal, wie lieb ich zu euch war.“ „Das könnte sogar in gewisser Hinsicht stimmen.“, sagte ich. „Ihr Telepathen habt ja einen ganz anderen Einfluss auf euren Körper, zumindest sagen das manche. Ich denke, du hast auch noch während deiner Bewusstlosigkeit irgendwie gemerkt, worum es geht.“ „Jetzt romantisierst du die Situation aber.“, sagte Shimar. „Ich habe nichts gewusst. Gar nichts! Auch nicht unterbewusst. Ishan und Nidell sagen, ich lag bereits im Sterben. Wenn Sedrin nichts getan hätte, dann würde ich jetzt sicher nicht mehr mit euch reden können. Akzeptieren wir doch einfach mal, dass das Glück einfach auf unserer Seite war.“ „Also gut.“, sagte ich. „Aber ich hoffe, dass Sedrin deshalb jetzt keinen Höhenflug bekommt.“ „Oh, das glaube ich nicht.“, sagte Shimar. „Dafür ist sie viel zu abgeklärt. Ich weiß, dass sie weiß, dass sie trotzdem keine Ärztin ist und das weiß jeder von uns auch.“ „Oh, was ’ne Menge Wissen.“, flapste ich. „Vielleicht sollten wir ’ne Bibliothek aufmachen.“ Die Männer grinsten.

Ich holte tief Luft, um das Thema zu wechseln. Dann sagte ich: „Wie reisen die Nidari-Travelers der Sage nach noch mal, Shimar?“ „Ach.“, stöhnte er. „Angeblich sollen sie sich in andere Dimensionen teleportieren. Dann generieren sie sich dort mittels ihrer Kräfte Körper, die unseren sehr ähnlich sind und …“ „Das ist es!“, fiel ich ihm ins Wort. „Die Schicht! Die interdimensionale Schicht! Dort müssen sie doch dabei Energiepfade hinterlassen!“

Ich drehte mich dem Computermikrofon zu: „IDUSA, wo ist Agent Sedrin?!“ „Agent Sedrin befindet sich in der Kommandozentrale.“, kam es nüchtern zurück. Mangels eines Neurokopplers meinerseits hatte auch der Stationsrechner den Bordlautsprecher benutzt. „Leite mich per Sprechanlage!“, befahl ich und stand ruckartig auf. „Hey, Kleines!“, sagte Shimar erschrocken, der wohl mit so einer Reaktion von mir überhaupt nicht gerechnet hatte und griff nach meinem rechten Handgelenk. „Was willst du und wo willst du hin?!“ „Ich glaube, wir sollten das Pferd mal von der anderen Seite aufzuzäumen versuchen!“, sagte ich atemlos und versuchte, mich aus dem Griff zu befreien, in dem er meine Hand gehalten hatte. Das gelang mir auch und ich wuselte aus der Tür davon.

„Sie tut es schon wieder, Ishan!“, sagte mein Freund perplex. „Siehst du? Sie tut es schon wieder! Lass mich sofort hier raus! Ich muss hinterher! Das kann ich mir doch nicht entgehen lassen!“ „Na gut.“, sagte Ishan. Aber nur mit Gehhilfe. Dein Kreislauf ist noch extrem angeschlagen.“

Er holte das Gerät selbst aus dem Schrank, schnallte es Shimar um und gab ihm eine kurze Einweisung in die Steuerung. Dann beobachteten er und Nidell, wie Shimar die Krankenstation verließ, um mir zu folgen.

Data, Jaden und Kate waren wieder mit dem Jeep des Androiden unterwegs. Ihr Weg führte sie jetzt quer durch die Stadt, denn sie wollten Kate noch an ihrem Arbeitsplatz absetzen, bevor sie sich selbst wieder auf den Weg zu ihren Wohnhäusern machten. Dort wollten sie, oder besser vor allem Jaden, über eine Lösung des Problems nachdenken, wie er Data und Kate gerade eröffnet hatte. Der den Jeep fahrende Androide war über diesen Umstand sehr überrascht und die auf der Rückbank sitzende Kate lächelte Jaden auffordernd und motivierend zu. Der Terraner aber hatte von ihrer aufmunternden Geste nicht wirklich Kenntnis genommen, denn er war die ganze Zeit über mit Fluchen und Schimpfen beschäftigt. Lasst es mich bitte einmal so ausdrücken: Wäre für jedes Mal, wenn er das böse Wort mit Sch benutzte, ein Blitz auf Little Federation herab gefahren, würde die Stadt jetzt lichterloh in Flammen stehen.

„Bitte halt an dich, Jaden.“, versuchte Data, seinen aufgebrachten Kollegen und Freund zu beruhigen. „Schließlich ist eine Dame anwesend.“ „Das ist mir im Moment echt scheißegal!“, schrie Jaden ihm entgegen. „Agent Malcovich wird in ihrem Scheißjob als Agentin der Sternenflotte sicher schon viel Schlimmeres gehört haben. Spätestens dann, wenn sie mal einen verdammten Klingonen verhört hat. Du brauchst gar keine solche Scheißangst um ihre Scheißkinderstube zu haben! Aber du brauchst dich gar nicht so aufzuführen. Es ist nämlich alles deine Scheißschuld. Warum musstest du die Sache mit dem Scheißthunfisch auf dem Scheißphoto denn überhaupt erwähnen, he?! Hättest du nicht einfach sagen können, es war ein verfluchter Scheißfliegenschiss?!“

Data wollte etwas erwidern, aber eine kleine Hand legte sich ihm energisch und schnell von hinten auf den Mund. Dabei hatte er die Wahrnehmung, buchstäblich in einen Würgegriff genommen zu werden. Dann sagte Kates hohe junge Stimme, die jetzt auf einmal gar nicht mehr so lieb klang, langsam energisch und deutlich: „Den Scheißthunfisch auf dem Scheißphoto hat er deswegen erwähnt, Commander Huxley, weil Androiden nun einmal nicht lügen können! Das hätten Sie sich vor Augen führen müssen, bevor Sie ihn zu Ihrem Mitwisser machten! Wenn Sie jemanden gesucht hätten, der für Sie lügt, dann hätten Sie sich nicht gerade eine künstliche Lebensform aussuchen dürfen! Er kann nun einmal nichts dafür, dass er ist, was er ist! Keiner von uns kann bekanntlich aus seiner Haut, Sir! Aber zu lügen halte ich sowieso für keine gute Strategie! Meine Schwester hat schon Recht! Dann würde man uns das alles nicht abnehmen und wir hätten nicht den Hauch einer Chance! So aber, wie sich die Situation jetzt darstellt, haben wir zumindest noch einen ehrlichen Leumund und können so vielleicht noch Punkte in den Augen der Regierungen sammeln! Schon mal drüber nachgedacht?!“

Jaden gab nur noch einen geplätteten Seufzer von sich. Diese Reaktion hatte er der so klein und zerbrechlich wirkenden Kate nun wirklich nicht zugetraut. „Sie können ganz schön auf den Putz hauen, meine Liebe, wenn Sie wollen!“, stammelte er schließlich. „Ihrem Erscheinungsbild und Ihrem bisherigen Verhalten nach hätte ich nicht geglaubt, dass Sie so mit mir reden würden.“ „Ich denke, das geflügelte Wort: klein, aber oho ist hier zutreffend.“, mischte sich Data ein. „Ganz recht, Commander Data.“, sagte Kate und grinste zufrieden. „Und, machen Sie sich bitte keine Sorgen mehr um meine gute Kinderstube. Der geht es nach wie vor hervorragend! Sie haben Recht. Als ich mich dafür entschied, Agentin der Sternenflotte zu werden, tat ich das mit Rücksicht auf alle Konsequenzen. Während meiner Prüfung hatte ich sogar einen Soldaner zu vernehmen und Sie wissen ja, dass gegenseitige Beleidigungen bei denen zum guten Ton gehören. Also können Sie sich ja wohl jetzt logisch zusammenreimen, dass mir die Fluchattacken eines gewissen hier anwesenden Commanders nichts ausmachen dürften.“ „Danke für Ihren Trost, Agent Malcovich.“, sagte Data sachlich und lenkte den Jeep auf den Parkplatz vor dem Polizei- und Geheimdienstgebäude von Little Federation. „Oh, nennen Sie mich doch einfach Kate.“, sagte die Agentin, stieg lächelnd aus, winkte den Männern noch einmal zum Abschied und verschwand dann im Haus.

Der noch immer stark geplättete Jaden wandte sich wieder Data zu: „Fahren wir!“ Die künstliche Lebensform nickte nur und setzte das Fahrzeug wieder in Bewegung. Dann sagte er: „Du solltest etwas aufpassen, wie sehr du dich in diese Sache hineinsteigerst, Jaden. Schließlich kannst du dir durch deine Emotionen jetzt nur selbst schaden. Wenn wir gemeinsam überlegen wollen, was wir tun, dann werden sie nur hinderlich sein.“ „Du hast gut Reden!“, fuhr Jaden ihn an. „Du kannst deine Gefühle ein- und ausschalten, wie es dir passt, weil du so einen Scheißchip hast. Aber den hab’ ich nich’!“ „Ich habe eine Neuigkeit für dich, Jaden.“, informierte Data ihn. „Ich habe mich vor langer Zeit entschieden, die Routine, die mir das ermöglichen würde, zu löschen. Ich wollte ja schon immer sehr nah an einer menschlichen Lebensform sein und das bringt mich einem von euch doch sehr viel näher, nicht wahr? Wenn ich also eine Emotion erlebe, dann mit all ihren Konsequenzen und jetzt gerade empfinde ich große Wut über deine Unvernunft!“

Er ließ den Jeep am rechten Fahrbahnrand stoppen. Dann sagte er: „Du kannst es dir aussuchen! Entweder, du beruhigst dich, oder ich werde dich hier an die frische Luft setzen und dann kannst du sehen, wie du nach Hause kommst. Vielleicht kühlt ja ein Spaziergang an frischer Luft dein heißes Gemüt!“

Jaden hatte sich umgesehen. Ihm war klar geworden, dass er von hier aus mindestens drei Stunden brauchen würde, bis er zu Fuß wieder an seinem Haus angekommen war. Das war etwas, das er beileibe nicht wollte. Also holte er tief Luft, lehnte sich zurück und sagte betont langsam und freundlich: „Du hast gewonnen, Data. Ich werde versuchen, mich zu beruhigen. Aber versprechen kann ich dir nichts. Du weißt ja, wie ich drauf bin. Ach! Ich wünschte, Sedrin wäre hier. Die hätte mir wahrscheinlich eine Standpauke gehalten, die sich gewaschen hat, aber dann hätten wir zusammen überlegt und sie hätte uns früher oder später sicher eine Spitzenlösung präsentiert. Es geht doch manchmal nichts über den Rat einer einem treu zur Seite stehenden Ehefrau!“ „Ich könnte uns die Dienste einer Solchen offerieren.“, sagte Data. „Nämlich der Meinen. Cupernica hat sich auch immer als sehr gute Beraterin in Krisensituationen bewiesen. Ich denke sogar, dass sie es mit Agent Sedrin in jedem Fall aufnehmen könnte.“ „Sie würde sie sicher sogar noch locker in die Tasche stecken.“, sagte Jaden. „Und beide zusammen wären ideentechnisches Dynamit. Du hast also ganz Recht. Fahren wir also zu dir!“ „Das wollte ich hören.“, sagte Data, klopfte Jaden auf die Schulter und steuerte sein Fahrzeug dann in Richtung der Sisko Road zu seinem Haus.

Ich war in den langen Korridoren von Basis 281 Alpha unterwegs. Wie ich es ihr befohlen hatte, überwachte IDUSA jeden meiner Schritte mit den internen Sensoren, um mir über die sich jeweils in meiner Nähe befindenden Sprechanlagenterminals Anweisungen zur Änderung meiner Richtung zu erteilen. So kam es, dass ich mich hauptsächlich auf ihre Stimme aus dem Lautsprecher konzentrierte, und den Rest um mich herum einfach ausblendete. Aus diesem Grund erschreckte mich auch Shimars Stimme sehr, als ich hinter mir plötzlich ein atemloses: „Halt, Kleines!“, wahrnahm. Allerdings war der Schreck schnell verflogen und ich hatte auch den Ausruf wieder schnell vergessen, denn im gleichen Moment hatte mich IDUSA freundlich angewiesen, nach rechts in einen Gang zu schwenken.

„Bleibst du vielleicht mal stehen?!“, hörte ich bald darauf erneut eine bekannte Stimme hinter mir und dann das typische Geräusch eines Antriebs für eine medizinische Gehhilfe. Aber dieses Geräusch wechselte mal hier- und mal dorthin Richtung und Geschwindigkeit. Es schien mir, als käme jener Benutzer, den ich schon längst erkannt hatte, damit gar nicht zurecht, eine Tatsache, die mir ein merkwürdig schadenfrohes Grinsen entlockte. Dieser Mister Superflieger, der sonst alles steuern konnte, was einen Antrieb hatte, kam offensichtlich nicht mit einer einfachen Gehhilfe zurecht. Natürlich war meine Schadenfreude nicht wirklich böswillig, sondern eher der Natur, dass ich ihn damit etwas aufziehen wollte. Wenn ich bemerkt hätte, dass er wirklich Hilfe gebraucht hätte, hätte ich ihm die sicher auch zukommen lassen, sofern es mir möglich gewesen wäre. Er musste ja nur fragen und ich war sicher, wenn es sein müsste, wäre er sich auch dazu nicht zu fein. Dafür war er zu vernünftig.

Ich verlangsamte also nur leicht meinen Schritt und sagte dann nach hinten gewandt: „Wenn du mich einholen willst, Srinadar, dann musst du dich schon etwas mehr beeilen! Hier bin ich! Komm! Miez, Miez, Miez!“ „Bin ja schon unterwegs!“, kam es hektisch zurück. Dann hörte ich noch etwas, das wohl nicht mehr an mich gerichtet war: „Jetzt mach schon! Begreif endlich, was ich von dir will, du schwerfälliges Mistding! Na geht doch!“

Er war neben mir. „Ich wusste, dass du das schaffst!“, sagte ich freudig und umarmte ihn. „Na mindestens eine.“, sagte er. „Ich selbst war mir da nämlich gar nicht so sicher. Aber bitte verrate mir doch, Kleines, was du von Sedrin willst und was du vorhin meintest.“ „Wenn du das erfahren willst.“, erwiderte ich. „Dann musst du mir schon weiter folgen.“ Damit setzte ich mich wieder in Bewegung.

IDUSA zeigte sich uns beiden über den Simulator im Flur. „Warum verhalten Sie sich eigentlich so gegenüber Shimar, Allrounder?“, wollte sie wissen. „Gerade von Ihnen, als einer Person mit Handicap, hätte ich mehr Rücksichtnahme auf einen Kranken erwartet! Aber es gibt noch etwas, das ich nicht verstehe: Eigentlich müsste Shimar jetzt mit großer Trauer reagieren, was sich auch in seinen hormonellen Werten widerspiegeln müsste. Aber statt der üblichen Werte bei Trauer und Enttäuschung empfange ich von ihm Werte, als sei es das höchste Glück für ihn, dass Sie so mit ihm umgehen und ihn im Unklaren über Ihre eigentlichen Ziele lassen.“ „Ich stehe nun mal drauf, wenn sie mich so überrascht!“, erklärte Shimar. „Wenn sie von dem harmlosen Etwas zu einem Probleme auf unkonventionelle Art lösenden Monster mutiert. Ihre Art, so mit mir umzugehen, soll mich nur bei der Stange halten. Sie sagt damit eigentlich nur, dass ich ihr weiter folgen muss und dass ich mir das Ende dieser Sache auf keinen Fall entgehen lassen kann, was ich ja auch nicht will!“

Er atmete tief durch und fixierte einen Punkt. Dann sagte er: „Oh, ihr Götter! Kleines, du machst mich ganz …“ Dann gab er einen eindeutig doppeldeutigen Laut von sich. „Ich denke.“, sagte IDUSA. „Das ist ein Thema, das Sie beide nach Möglichkeit nicht in der Öffentlichkeit erörtern sollten. Schließlich werden Sie bald den Brückenoffizieren entgegentreten und da wäre das ziemlich ungehörig.“ „Du hast Recht, IDUSA.“, sagte Shimar. Dann ermahnte er sich noch auf Tindaranisch, sich jetzt zu konzentrieren und gefälligst nicht mehr daran zu denken, was meine neueste Anwandlung mit ihm anstellte, eine Satzfolge, die ich aufgrund meiner Kenntnisse seiner Muttersprache gut verstehen konnte und die mich verschmitzt grinsen ließ. Deshalb grinste ich ihm nur motivierend zu.

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