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Einige Tage später waren Mikel und ich tatsächlich wieder auf die 817 zurückgekehrt. Das war aber kein Problem, denn Vargas und Farina hielten mich per SITCH-Mail immer auf dem Laufenden, was den Gesundheitszustand ihres Kindes anging. Über jede Untersuchung, die Vargas in Cupernicas Praxis über sich ergehen ließ, wurde ich durch ihn persönlich informiert. Dass ich Vargas und Farina das Rufzeichen der Basis gegeben hatte, hatte ich Commander Kissara vorsorglich gleich gestanden. Ihre Reaktion hatte mich allerdings sehr überrascht. „Wissen Sie, Allrounder.“, hatte sie gesagt. „Ich wüsste keinen Grund, der dagegen spräche. Schließlich sind Sie, zumindest aus der Sicht der cryalischen Kultur gesehen, ein Teil von Farinas und Vargas‘ Familie. Somit sind auch sie Ihre Angehörigen. Und was wäre ich für eine Sternenflottenkommandantin, wenn ich so etwas nicht akzeptieren würde. Schließlich haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, fremde Bräuche zu akzeptieren. Ich hätte Sie gerade dann getadelt, wenn Sie das nicht getan hätten. Außerdem ist es ja die Pflicht der Cantira, über jeden Zyklus der Brut und über den Gesundheitszustand des Kükens und seines brütenden Vaters informiert zu sein. Wie hätten Sie dieser Pflicht denn nachkommen können, frage ich Sie, ohne die technische Möglichkeit, sich mit den werdenden Eltern auszutauschen? Meines Wissens hat dieser Austausch den Sinn, dass die Cantira rechtzeitig jemanden Neues suchen, oder eine medizinische Möglichkeit suchen kann, jemanden Neues zu finden, der das Brutgeschäft weiter übernimmt, falls der Vater aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht mehr in der Lage sein sollte. Wenn er mit seiner eigenen Gesundheit zu tun hätte, könnte er sich schließlich nicht auch noch damit belasten. Cupernica müsste das Ei dann zwar operativ entfernen und es genauso dem anderen in die Brutfalte setzen, aber das wäre ja nur nebensächlich und für eine gestandene Ärztin wie sie sicher kein Problem. Würden sich die Eltern während des Brutzyklus trennen wollen, ist es die Aufgabe der Cantira, zwischen ihnen zu vermitteln. Gelingt dies nicht, so muss sie ein Urteil über das spätere Sorgerecht fällen. Das darf sie laut den cryalischen Gesetzen, da sie das absolute Vertrauen der Familie genießt. Und wie wollen Sie an diese doch so wichtigen Informationen kommen, ohne sich mit Ihren Freunden auszutauschen?“

Erstaunt hatte ich in ihrem Bereitschaftsraum gesessen und mir ihren Vortrag angehört. Sie musste sich sehr genau informiert haben. Wahrscheinlich wollte sie, als Kommandantin des dritten Flaggschiffs der Sternenflotte, sich nicht vor einer Untergebenen die Blöße geben, weniger zu wissen als sie selbst. „Danke, Commander.“, sagte ich erleichtert und drehte mich zum Gehen, warf ihr aber noch ein fragendes Kopfnicken nach rückwärts zu. „Das wäre alles, Allrounder!“, sagte sie förmlich. „Zurück auf Ihren Posten!“ „Aye, Madam!“, sagte ich und ging wieder in die Kommandozentrale der Basis an die Kommunikation, wo ich meinen Dienst versah, wenn wir nicht mit der Granger unterwegs waren.

Der Erste, der mir ansichtig, oder besser -hörig, wurde, war Mikel. „Na.“, scherzte er. „Hat sie dich schlimm zusammengefaltet wegen der Sache mit dem Rufzeichen?“ „Oh nein.“, lächelte ich zurück. „Im Gegenteil. Sie fand es aus der Sicht der cryalischen Kultur sehr löblich, dass ich …“

Zu einer weiteren Fortführung des Gesprächs sollte es nicht mehr kommen, denn das Sprechgerät der Station kündigte einen externen Ruf an. „Rufzeichen vorlesen, Computer!“, befahl ich dem Rechner. „Cu321.ter.“, kam es nüchtern zurück. „Das ist Cupernicas Praxis!“, stellte Mikel fest, der auch gut im Auswendiglernen war. Da Cupernica auch unsere Hausärztin war, wenn wir nicht unter Loridanas Fürsorge standen, musste auch er ihr Rufzeichen kennen. „Warum geht sie den offiziellen Weg? Ich dachte, du hättest ihr, Vargas und Farina das Unterrufzeichen deines Quartiers …“, wunderte sich Mikel. „Das habe ich auch!“, gab ich alarmiert zurück. „Es muss etwas passiert sein!“ „Aber wer sagt denn, dass es etwas mit Ihren Freunden zu tun haben muss, Madam?“, sagte Kang, der mich wohl trösten wollte. Mich, die einen Rang über dem Waffenoffizier stand, die also eigentlich jetzt aus seiner klingonischen Sicht als schwach gelten müsste. Aber Kang hatte sich an die Sternenflottengepflogenheiten gewöhnt und so war es für ihn sicher nicht schlimm. Zumal er sich ja auch mit mir, zumindest auf einer dienstlichen kameradschaftlichen Ebene, angefreundet hatte. „Vielleicht will der Scientist auch nur mit Ihnen über Ihre letzte Blutuntersuchung reden.“ „Aber dann würde sie sicher nicht über das Hauptrufzeichen gehen, Warrior.“, sagte Mikel. „Aber wir werden ja gleich sehen, was los ist.“

Das Ende seines Satzes war für mich gleichzeitig das Signal, das Gespräch entgegenzunehmen. Am anderen Ende der Verbindung war zunächst Oxilon, Cupernicas talaxianischer Assistent. „Ich stelle Sie sofort ins Sprechzimmer, Allrounder.“, sagte er. „Aber vorher muss ich wissen, wer bei Ihnen ist und ob diese Personen dem Schlupf von Vargas‘ und Farinas Kind beiwohnen dürfen.“ „Was?!“, fragte ich irritiert. „Ist denn …“ „Ja.“, sagte Oxilon. „Heute ist Ostersonntag. Das Kleine ist also ausgesprochen pünktlich. Ich muss Sie bitten, sich schnell zu entscheiden, Betsy. Es kann sein, dass Sie sonst alles verpassen!“ „Wieso darf ich das entscheiden, Oxilon?“, fragte ich etwas verwirrt, denn ich war sehr aufgeregt geworden. „Sie, als Cantira der Familie, haben jedes Recht zu entscheiden, Wer in Ihrem Umfeld von dem Ereignis wissen darf und wer nicht. Wir, also Cupernica und ich, haben bereits mit Farina und Vargas gesprochen und sie hätten kein Problem damit, wenn sogar Ihre gesamte Crew dabei wäre. Natürlich nur via Bildschirm, aber …“ „Nun.“, sagte ich. „Ich denke, es wird bei der Brückenmannschaft bleiben, Mr. Oxilon.“ Dann flüsterte ich zu Mikel hinüber: „Bitte hol Kissara, schnell!“ Er wischte mir nur ein kurzes: „OK!“, zu und witschte aus dem Raum. Erst jetzt hatte ich Gelegenheit, meine Gedanken zu sortieren. Erst jetzt war mir nämlich aufgefallen, dass ich wohl komplett das Zeitempfinden verloren haben musste. Ich hatte wirklich nicht glauben können, dass es schon Ostersonntag war.

Wenig später war Mikel mit Kissara zurück. „Jetzt bin ich aber wirklich gespannt, was wir gleich zu sehen bekommen werden.“, sagte die Thundarianerin und setzte sich auf ihrem Platz zurecht. „Auf den Hauptschirm, Allrounder!“ „Sofort, Commander!“, antwortete ich schmissig und nahm an meiner Arbeitskonsole die notwendigen Schaltungen vor. Da diese Schaltung auch die Freischaltung aller Mikrofone auf die laufende Verbindung beinhaltete, konnten somit auch alle Fragen stellen, wenn sie wollten.

Langsam kam die Inneneinrichtung von Cupernicas Sprechzimmer ins Bild. Zuerst wurden alle Vargas ansichtig, der in einer Art grünem Nest aus Schaumstoff mit leicht gespreizten Beinen stand, das auf einem drehbaren Gestell befestigt war, das auch sonst in alle Richtungen gedreht und geneigt werden und auch in der Höhe verstellt werden konnte. Dies war eine große Hilfe, falls Cupernica eingreifen musste, was sie uns auch gleich darauf erklärte. Neben dem Nest stand eine sehr aufgeregte Farina, die Vargas hin und wieder etwas in ihrer gemeinsamen Muttersprache zuflüsterte. Cupernica trug ein drahtloses Headset, das ihr optimale Bewegungsfreiheit gab. Darüber referierte sie nun: „Ladies und Gentlemen, ich begrüße Sie sehr herzlich und auch meine Patienten tun dies. Sie werden jetzt einem sehr intimen Familienereignis beiwohnen. Ich bitte Sie also, dies entsprechend zu würdigen. Ich werde Das Ei jetzt ein letztes Mal untersuchen.“

Sie zog einen Erfasser, den sie zwar eigentlich nicht nötig hatte, ihn aber trotzdem oft benutzte, wenn sie uns etwas zeigen wollte. Sie wusste, dass das notwendig war, da wir ihr ja nicht in den Kopf sehen konnten. Den Erfasser hielt sie Vargas vor den Bauch. Dann deutete sie auf das Display und sagte: „Die Blutgefäße, die das Küken mit der Eihaut unter der Schale verbunden haben, sind zu 99 % geschlossen. Das Ei liegt mit der richtigen, der flachen Seite, zum Ausgang der Brutfalte. Das Küken hat begonnen, eine kreisrunde Linie in die Schale zu picken. Vargas, es ist jetzt sehr wichtig, dass Sie sich nicht bewegen, damit sie es nicht irritieren und der Kreis schön rund wird. Umso leichter wird es Ihr Nachwuchs dann haben, die Schale zu sprengen. Farina, bitte stellen Sie sich hinter ihn und helfen Sie ihm beim Stillstehen, indem Sie sein Becken halten, so wie ich es Ihnen im Schlüpfkurs gezeigt habe und wie Sie es ja so vorbildlich daheim geübt hatten.“ „Wie lange, meinen Sie, wird es noch dauern, Cupernica?“, fragte Farina, während sie sich ihrem Mann von hinten näherte und mit ihren Flügeln seine Hüften umklammerte. Ihre Füße verankerte sie mit Hilfe ihrer Krallen sehr fest in dem Teppich, den Oxilon extra zu diesem Zweck herangeschafft hatte, und der durch seine Beschaffenheit auch rutschfest war. „Stütz dich ruhig bei mir ab, Liebling.“, flüsterte sie Vargas zu. „Ok.“, sagte dieser erleichtert, der durch das ständige Ausgleichen der Bewegungen seines Kindes im Ei schon ziemlich erschöpft war.

Cupernica, die dies auch zur Kenntnis genommen hatte, ließ erneut den Erfasser kreisen. Dann sagte sie: „Gute Nachrichten! Die Blutgefäße sind jetzt zu 100 % geschlossen und Ihr Kind hat den Kreis fast vollendet. Die Linie ist sehr regelmäßig. Sie gehört zu den geradesten Linien, die ich je gesehen habe! Keine einzige Welle! Ich erwarte ein leichtes Sprengen der Schale. Ich schätze, es wird in wenigen Sekunden so weit sein.“

Mikel hob die Hand. Über die Kamera des Sprechgerätes konnte Cupernica das gut sehen und wandte sich an ihn: „Ja, Agent?“ „Welche Aufgabe haben die von Ihnen erwähnten Blutgefäße, Scientist?“, fragte Mikel. „Sie versorgen das Küken während der Brut mit Sauerstoff, Agent.“, antwortete sie. „Vielleicht wissen Sie, Dass auch die Haut eines jeden Organismus einen Austausch von gasförmigen Stoffen, also Stick- und Sauerstoff, vornimmt. Dies gilt auch für die Eihaut unter der Schale. Durch die feinen Poren der Schale gelangt Sauerstoff von außen ins Ei und wird von dort durch den Capillareffekt in die Eihaut geleitet. Hier strömt er dann in den Blutkreislauf des Kükens. Sonst würde es ja in dem abgeschlossenen Ei ersticken. Wird diese Eihaut zu früh zerstört, kann das Küken während des Schlupfs verbluten. Natürlich wird das in diesem Fall nicht passieren!“

Kang meldete sich. Eigentlich war es ja ein ganz harmloser Vorgang, wenn er eine Frage hatte. Ein unbestimmtes Gefühl ließ mich aber sofort die Handhaltung einnehmen, die zum Ausführen der Tastenkombination, mit der ich dem Computer eine Stummschaltung befehlen konnte, notwendig war. Wie gut das noch sein würde, stellte sich auch gleich heraus, denn Kang fragte ganz unverblümt: „Die flache Seite ist die richtige, Scientist? Eigentlich hatte ich mir das anders vorgestellt. Wenn ich sehe, wie Mr. Jannings morgens sein Frühstücksei köpft, dann …“ „Stummschaltung, Allrounder!“, befahl Kissara so laut, dass Mikel und ich zusammenzuckten. Wahrscheinlich wollte sie Kangs Ausführungen übertönen. Ich aber nickte nur langsam, tat einen tiefen Atemzug und machte auf entspannt. „Hast du etwa schon?“, zischte mir Mikel auf Deutsch zu. „Ja. Schon längst.“, flüsterte ich zurück. „Ich habe so was irgendwie schon geahnt bei unserem Klingonen.“ Mikel gab einen erleichterten Seufzer von sich und meinte: „Uff! Wenn wir dich nicht hätten und die dicken Kartoffeln!“ „Dann würdest du sicher Nudeln essen, oder Reis.“, scherzte ich.

Eine der Personen, denen allerdings gar nicht nach Scherzen zumute war, war Kissara. Sie hatte sich vor Kang hingestellt und sah ihn streng an. Dann sagte sie langsam und sehr bestimmt: „Ich muss doch sehr bitten, Mr. Kang! Sie sind ausgebildeter Offizier der Sternenflotte! Ja sogar Brückenoffizier! Ihre Ausbildung in Diplomatie sollte Ihnen jetzt eigentlich sagen, dass Sie mit Ihrer Äußerung eine fremde Kultur gerade bis ins Mark beleidigt haben! Wie zur Hölle kommen Sie dazu, vor zwei Mitgliedern einer Spezies, die sich durch das Legen von Eiern fortpflanzt, das Köpfen von Frühstückseiern zu erwähnen! Sie erklären uns jetzt sofort, was in Sie gefahren ist, und zwar vor versammelter Crew! Ich weiß, dass das für einen Klingonen sehr demütigend sein muss, aber Strafe muss sein! Danach werden Sie sich im Beisein von Agent Mikel und mir augenblicklich bei Farina und Vargas entschuldigen! Und nun raus damit, Warrior! Das ist ein Befehl!“

Langezeit geschah nichts. Wahrscheinlich war auch Kang überrascht über die Tatsache, dass sie, die sonst eigentlich als sehr verständnisvoll bekannt war, ein so strenges Regiment führen konnte. Der Einzige, dem ich es persönlich noch zugetraut hatte, war Captain Picard von der Enterprise gewesen. „Wir warten!“, bohrte Kissara nach.

Wieder passierte nichts. Ich persönlich stellte die Theorie auf, dass es Kang, als einem Klingonen, wohl zu schwer fallen musste, eine Entschuldigung zu formulieren. Als Angehöriger eines Kriegervolkes war er das vielleicht einfach nicht gewohnt.

„Findest du nicht, wir sollten es sagen?“, fragte mich Mikel nach einer Weile, in der Kang Kissaras bohrendem Blick ausgesetzt war und im Raum ein eiskaltes Schweigen geherrscht hatte. Der blinde Mann konnte Kissaras Blick zwar nicht sehen, konnte sich aber aus dem Zusammenhang heraus einiges zusammenreimen. Offenbar empfand er langsam Mitleid mit Kang.

Kissara war auf unser Gespräch aufmerksam geworden. Da Mikel sich mit mir aus Routine in Englisch unterhalten hatte, hatte sie seine Frage gegenüber mir sehr gut verstehen können. „Allrounder Betsy Scott hat soeben durch ihr geistesgegenwärtiges Eingreifen einen diplomatischen Zwischenfall verhindern können, Kissara! Ihr allein haben wir zu verdanken, dass Warrior Kang jetzt nicht das tun muss, was einem Klingonen im Allgemeinen doch sehr schwer fällt, nämlich sich zu entschuldigen.“, erklärte der erste Offizier mit nicht wenig Stolz in der Stimme. „Erklären Sie das!“, befahl Kissara immer noch hoch erregten Zustands.

Ich gab einen negierenden Laut in Mikels Richtung von mir, stand auf und sagte salutierend: „Commander, Allrounder Betsy Scott bittet um Erlaubnis, es selbst zu erklären.“ „Was sind Sie heute förmlich.“, stellte Kissara fest. „Dann sagte sie: „Erteilt, Allrounder!“ „Ich weiß ja, wie direkt Klingonen manchmal sind.“, begann ich. „Da ich Kang ja schon eine Weile kenne, ahnte ich wohl schon, worauf das hinauslaufen würde und habe dem Computer rechtzeitig eine Stummschaltung befohlen. Von der Sache mit den Frühstückseiern ist bei Vargas und Farina nichts angekommen. Das ist eben so, wenn der Kom-Offizier im richtigen Moment die richtigen Knöpfe drückt. Bitte vertrauen Sie meiner fachlichen Qualifikation.“ „Das tue ich.“, sagte Kissara erleichtert und setzte sich wieder auf ihren Platz. Derweil warf sie mir noch ein geschmeicheltes: „Gut gemacht, Allrounder.“, zu. „Wo kein Kläger ist, da ist auch schließlich kein Richter und nun heben Sie die Stummschaltung aber schleunigst wieder auf, bevor wir noch den Rest verpassen.“ Ich nickte und tat, was sie mir soeben befohlen hatte.

Endlich schien auch Kang seine Sprache wiedergefunden zu haben, denn er sagte langsam und förmlich: „Ich bitte um Entschuldigung, Commander. Mein Verhalten war ehrlos und taktlos zugleich.“ „Na geht doch, Mr. Kang.“, sagte Kissara. „Gehen Sie doch nachher mal mit Ihrer Frage zu Loridana.“, schlug ich ihm vor. „Sie wird sie Ihnen sicher diskret und unter vier Augen beantworten.“ „Vielen Dank, Allrounder.“, sagte Kang. „Obwohl ich Ihre Hilfe sicher nicht verdiene.“ „Nun aber langsam, Warrior.“, sagte ich. „Wie Sie gerade schon sagten ist es meine Hilfe und wer die bekommt, darüber entscheide ich immer noch selbst, weil ich schließlich diejenige bin, die sie verteilt.“

Cupernicas Stimme im Sprechgerät verlangte nach unserer Aufmerksamkeit: „Bitte schauen Sie jetzt alle hin, Ladies und Gentlemen!“ Sie deutete in Vargas‘ Richtung. Dann hörten wir auch schon das Zerbrechen der Eierschale und dann einen zirpenden Laut. Oxilon war sofort herbeigeeilt und hatte die Reste der Eierschale aus dem Nest und aus der Brutfalte entfernt, während Cupernica das Küken in Empfang genommen hatte und das kleine hilflose nasse mit Flaum bedeckte Wesen jetzt eingehend untersuchte. Danach wandte sie sich Vargas und Farina zu: „Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem gesunden Sohn!“

Sie winkte Oxilon, der den Raum verließ, um wenig später mit einem Pad zurückzukehren. In diesem Pad war eine Geburts-, oder in diesem Fall besser gesagt eine Schlupfurkunde, vorbereitet, in die der medizinische Assistent bereits die bekannten Angaben eingetragen hatte. Jetzt hielt er Vargas und Farina das Pad unter die Augen und fragte: „Wie soll der Kleine denn nun heißen?“ Farina lächelte und wandte sich über Cupernicas Headset mir zu, nachdem sich die Androidin in ihre Richtung gedreht hatte: „Betsy, du weißt ja, dass die Cantira in die Entscheidung der Namensgebung einbezogen wird. Vargas und ich haben zwei favorisierte Varianten, können uns aber nicht für eine entscheiden. Was klingt in deinen ausgebildeten sensiblen Kommunikationsoffizierinnenohren besser? Mikel-Heroito, oder Heroito-Mikel? Nimm dir ruhig Zeit.“

Ich flüsterte die Namenskombinationen einige Male vor mich hin. Dann sagte ich: „Ich wäre für Mikel-Heroito. Das fließt irgendwie mehr. Heroito-Mikel klingt für mich etwas holprig.“ „OK.“, sagte Farina lächelnd. „Dann nehmen wir Mikel-Heroito, Mr. Oxilon.“ Bereitwillig schrieb der Talaxianer den Namen in die Urkunde und überreichte Farina dann einen Datenkristall mit einer Version der Datei.

„Es ist Tradition bei uns.“, wendete sich Farina dann noch einmal an mich. „Dass der Schlupf eines neuen Familienmitglieds gebührend gefeiert wird. Aber leider kannst du ja nicht dabei sein, weil dich deine Pflicht davon abhält.“ „Wartet mal.“, sagte Mikel. „Wir können doch hier auch eine kleine Partie feiern. Schließlich sind wir das Umfeld eurer Cantira.“ „Eine wunderschöne Idee, Agent.“, sagte Kissara. „Genauso werden wir es machen.“

„Ich werde der Feier aber fernbleiben.“, sagte Kang. „Ich verdiene es nach meinem Ausrutscher nicht, an ihr teilzunehmen.“ „Und was ist, wenn ich, als Cantira der Familie und hiesige Hauptperson der Feier, Sie persönlich einlade, Warrior?“, fragte ich. „Schließlich haben Sie sich in aller Form entschuldigt und das vor uns allen. Das ist etwas, was einem Klingonen sicher nicht leicht fällt und ich finde, dieser Sprung über Ihren Schatten sollte belohnt werden.“ „Na gut.“, stimmte Kang schlussendlich doch zu. „Dann wäre das ja geklärt.“, sagte Kissara. „Und nun alle wegtreten zum Kleiderwechsel! Ich will Sie in 10 Minuten alle in Galauniform im großen Konferenzraum sehen, den wir etwas anders dekorieren werden zum Festsaal. Betsy, machen Sie eine stationsweite Ansage! Heute wird auf meiner Basis ein freudiges Ereignis gefeiert und dazu ist die gesamte Crew eingeladen!“ Dabei schnurrte sie und das so laut, dass das Mikrofon, das ich bereits aktiviert hatte, ihre Lautäußerung auffing. „Mit Verlaub, Commander.“, sagte ich. „Dass Sie das freut, weiß jetzt die ganze Station.“ „Na und?!“, fragte sie mit fast trotzigem Unterton. „Alle wissen, dass sie eine Thundarianerin als Commander haben und wir äußern unsere Freude ebenso. Wem das nicht passt, der kann sich gern versetzen lassen.“

Wir feierten, wie es nach der cryalischen Tradition üblich war, einen Tag und eine Nacht. Kissara hatte uns für diesen Zeitraum beim Oberkommando für nicht missionsfähig erklärt, was sie nach ihrem Hinweis auf die Achtung fremder Kulturen, zu der die Sternenflotte ja verpflichtet war, auch brav schluckten. Auch Kang hatte sich bei mir für mein umsichtiges Handeln bedankt. Seine Frage wurde ebenfalls geklärt. Mikel und ich hatten still und heimlich mit List und Tücke arrangiert, dass er mit Loridana einige Runden tanzte und sie ihm somit diskret erklären konnte, dass im Allgemeinen bei den meisten Eiern die dünnste Stelle eben an der flachen Seite sei und das wir unsere Frühstückseier nur deshalb an der Spitze köpften, weil sie eben anders herum nicht im Eierbecher stehen würden. Im Grunde war ja jetzt alles wieder gut. Aber über unsere Abhängigkeit von Technologie, so fand ich wenigstens, sollten wir im Hinblick auf die Geschehnisse in den Straßen von Little Federation dringend noch einmal nachdenken.

ENDE

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