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Zirell und Jenna hatten nebeneinander den Turbolift verlassen, der sie von der Kommandozentrale zum Maschinenraum und den Andockrampen gebracht hatte. „Warum denkst du, dass mein Gesicht Tabran und Shiranach beruhigen könnte, wenn sie es sehen?“, fragte die hoch intelligente Halbschottin bescheiden. „Weil das bisher bei allen so war, die wir kennen.“, antwortete die tindaranische Kommandantin zuversichtlich. „Meine Regierung und auch die der Föderation halten große Stücke auf dich, Jenna McKnight. Du bist unsere Expertin für interdimensionale Physik und alles, was damit zusammenhängt. Tabran und Shiranach wissen das auch und sie vertrauen dir genauso.“ „Warum denkt nur jeder, dass ich übers Wasser laufen kann?!“, stöhnte Jenna. „Aber solange ich die Ursache nicht wirklich kenne, kann ich auch niemandem eine Lösung bieten.“

IDUSA ließ die Türen zur Andockrampe vorsichtig vor ihnen zur Seite gleiten. Jetzt betraten sie ein für Laien sicher extrem undurchsichtiges Gewirr von Gängen. Zielstrebig ging Zirell auf einen zu, an dessen Tür sie ein Blinklicht gesehen hatte. Dass passierte immer dann, wenn ein Schiff gedockt hatte. Jenna folgte ihr.

Die Luke des Andockrings und die von Tabrans und Shiranachs Schiff glitten synchron zur Seite. Dann sahen Zirell und Jenna in die Gesichter der beiden ihnen sehr wohl bekannten Vendar, die müde, aber erleichtert ihrem Schiff entstiegen.

„Hallo, meine Freunde!“, begrüßte Zirell sie lächelnd und streckte ihnen die Hand entgegen. „Auch wir grüßen dich, Zirell El Tindara.“, sagte Tabran und gab ihr die Hand. Auch seine Frau tat dies. „Shannon wird sich gleich um euer Schiff kümmern.“, sagte Zirell. „Jenna und ich bringen euch zu Maron, der euch vernehmen wird. Am SITCH haben wir ja schon darüber gesprochen, dass wir uns alle fragen, wie ihr es geschafft habt, hierher zu kommen.“ „In Ordnung, Anführerin Zirell.“, sagte Shiranach. „Die Situation hat sich verändert, weißt du? Wir glaubten zuerst, die Wächterin sei krank, aber das ist sie wohl nicht. Es muss also eine andere Ursache dafür geben, dass …“ „Telshanach!“, unterbrach Tabran sie bestimmt, aber dennoch sehr sanft. „Ich kann verstehen, dass du sehr aufgeregt bist. Aber Anführerin Zirell und Jenna McKnight können das sicher nicht so schnell alles verarbeiten. Wir sollten zuerst mit ihnen zu Maron El Demeta gehen. Er wird uns mit Sicherheit die richtigen Fragen stellen und dann ist alles sicher nur eine Frage der Beweise.“ „Warum will uns Maron El Demeta überhaupt vernehmen?“, fragte Shiranach. „Glauben er und du, Anführerin Zirell, etwa, dass wir ein Verbrechen an der Wächterin begangen haben, damit der SITCH mit Shannon O’Riley überhaupt möglich war?!“ „Aber nein, Shiranach.“, tröstete Zirell. „Wie kommst du denn darauf? Das würde ich niemals vermuten. Die Wächterin schützt euch. Warum solltet ihr die Hand beißen, die euch füttert? Außerdem entspricht das überhaupt nicht eurem Charakter. Aber wenn man es so betrachten will, dann hat es tatsächlich eine Art Verbrechen gegeben. Ein Verbrechen an der interdimensionalen Schicht. Jedenfalls ist sie die Geschädigte und wir müssen klären, ob es ein Unfall, also eine natürliche Ursache, war, oder ob jemand seine Finger im Spiel hatte. Aber ihr seid in diesem Fall bestimmt keine Täter oder gar Tatverdächtige, sondern eher Zeugen. Die Schicht hat ja euch gegenüber das gleiche merkwürdige Verhalten gezeigt, nämlich einen Zugang zum Tembraâsh zu erlauben, wie sie es gegenüber Shannon getan hat Und sitzt die vielleicht jetzt in der Sicherheitszelle?“

Zirell deutete nach rechts. Von hier aus konnten Tabran und Shiranach jetzt sehr gut das Gesicht Shannons ausmachen, die sich gerade in ihre Richtung bewegte. „Hi, allerseits!“, flapste die blonde Irin. „Ich habe gehört, hier sei ein Schiff zu warten?“ „Da hast du richtig gehört, Shannon.“, sagte Zirell und deutete hinter sich. „Alles klar.“, sagte Shannon lakonisch, schulterte ihre Werkzeugtasche und machte sich in Richtung des Shuttles auf den Weg.

„Wir sollten dann auch mal gehen.“, sagte Zirell. Dann winkte sie den beiden alten Vendar, die sich sogleich hinter ihr und Jenna einreihten.

„Wirst du bei der Vernehmung anwesend sein, Jenna McKnight?“, fragte Tabran die ganz in seiner Nähe gehende Technikerin. „Ja, das werde ich.“, antwortete Jenna. „Sie brauchen mich als Expertin. Sie glauben, ich könnte aus euren Antworten etwas lesen, das uns der Lösung näher bringt. Sie denken, ich könnte vielleicht die Ursache für die Ladungsverschiebung in der Schicht finden, wenn ich euch nur lange genug zuhöre.“ „Könntest du uns das mit der Ladungsverschiebung erklären?“, fragte Tabran. „Sicher kann ich das!“, versicherte Jenna. „Aber das sollten wir tun, wenn wir bei Maron sind. Dann muss ich nicht alles zweimal erzählen. Oder bist du etwa zu neugierig?“ „Oh nein.“, antwortete Tabran. „Noch kann ich warten. Es wäre ja wirklich sehr umständlich und ich weiß genau, wie sehr du etwas Umständliches hasst, Jenna McKnight.“ „Das stimmt allerdings.“, gab Jenna zu. „Ich bin eine Freundin der Effizienz. Die Xylianer und die Borg hätten bestimmt ihre Freude an mir.“ Sie grinste.

„Dass du in einer solchen Situation noch scherzen kannst.“, warf Shiranach mit besorgtem Ausdruck im Gesicht ein. „Ach, so schlimm wird es schon nicht werden.“, tröstete Jenna. „Wir haben doch bisher alles überstanden. Da werden wir mit dieser Geschichte doch spielend fertig werden! Oder meint ihr etwa nicht?“ Skeptisch zuckten die beiden Vendar mit den Schultern. Sie hatten zwar ein merkwürdiges Bauchgefühl, aber noch nicht einmal sie ahnten, was für Ausmaße die Sache noch annehmen sollte. Zirells und Jennas Versuch, bei ihnen Zuversicht zu verbreiten, war eigentlich nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man betrachtete, was noch auf alle zukommen würde.

Shimar und IDUSA waren jetzt so weit weg von der Station, dass es, im Normalfall zumindest, durchaus möglich gewesen wäre, die Dimension der Tindaraner zu verlassen und in die interdimensionale Schicht zu fliegen. Weder der talentierte Flieger noch sein Schiff ahnten allerdings, dass dies mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein würde. Aber im Moment führten sie ohnehin eine ganz andere Diskussion.

„Was halten Sie von der Entwicklung bezüglich des Kontaktes zwischen Ms. O’Riley und Tabrans Rufzeichen?“, wollte IDUSA wissen. „Glauben Sie etwa auch, dass es sich um einen Vorboten der Apokalypse handelt, wie es Techniker McKnight angedeutet hat?“ „Mir darfst du solche Fragen nicht stellen, IDUSA.“, antwortete der junge Pilot. „Ich bin nur ein einfacher Flieger.“ „Spüren Sie telepathische Auswirkungen, die unter Umständen daran schuld sein könnten?“, fragte das Schiff weiter nach. Sie konnte sich nicht erklären, was hier gerade passierte. So etwas war vorher noch nie vorgekommen und sie war bestrebt, die Situation irgendwie mathematisch einzuordnen.

Ihre Frage hatte Shimar aufhorchen lassen. Diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht in Betracht gezogen und die Anderen hatten es wohl auch nicht. Aber vielleicht ließ sich ja so beweisen, ob Sytania ihre Finger im Spiel hatte.

Er strich mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand über einige leere Ports, um ein Massesignal bei IDUSA auszulösen. Dann sagte er: „Das war eine sehr gute Idee von dir! Mich wundert allerdings, dass noch nicht einmal unsere Intelligenzbestie darauf gekommen ist. Aber vielleicht ist das ja auch viel zu einfach für sie.“ „Ich hoffe.“, sagte IDUSA und ihr Avatar vor Shimars geistigem Auge schlug die Hände über dem Kopf zusammen und machte ein verschämtes Gesicht. „Dass Techniker McKnight nie erfahren wird, wie Sie gerade über sie gelästert haben.“ „Von mir wird sie kein Sterbenswörtchen erfahren!“, versicherte Shimar. „Und solange du dichthältst von dir bestimmt auch nicht. Oder hast du etwa vor, mich in die Pfanne zu hauen?“ „Natürlich nicht.“, sagte IDUSA. „Schließlich bin ich Ihr Schiff und als ein solches zunächst einmal Ihnen verpflichtet. Ich sehe keinen Grund, Sie anzuschwärzen. Sie haben ja sicher nur einen Scherz gemacht. Eine Eigenschaft, die ich erst durch den Eingriff Ihrer Freundin in meine Programmierung fähig bin zu erkennen.“

Shimar schluckte, gab einen irritierten Laut von sich und sagte dann: „Wieder eine Sache, die sie mir gekonnt verschwiegen hat. Ich wusste gar nicht, dass Betsy die Programmiersprache des tindaranischen Betriebssystems beherrscht, geschweige denn, dass sie überhaupt programmieren kann. Aber jetzt verrate mir doch mal, wie sie das gemacht haben soll! Ich meine, an dem Versuch, euch Humor beizubringen, haben sich die Ingenieure bis heute die Zähne ausgebissen und da soll ausgerechnet eine kleine Raumschiffpilotin und Kommunikationsoffizierin der Sternenflotte das Problem gelöst haben?“ „Offensichtlich ja.“, sagte IDUSA. „Wie das?“, fragte Shimar leicht verwirrt. „Nehmen wir einmal dieses Beispiel.“, sagte IDUSA. „Meine Datenbank enthält genug Beispiele dafür, was für ein gutes Verhältnis Sie zu Techniker McKnight haben. Biologische Wesen neigen im Allgemeinen nicht dazu, diejenigen, die sie mögen, böswillig zu diskreditieren. Allrounder Scott hat mir beigebracht, in solchen unklaren Situationen zunächst meine Datenbank zu konsultieren und nach Referenzdaten zu suchen, die etwas mit dem dargestellten Faktum zu tun haben. Das habe ich getan und bin auf diese Daten gestoßen. Andererseits steht dem entgegen, dass es durchaus Genies gibt, die sehr Lebensuntüchtig sind, weil sie in ihrer Kindheit falsch gefördert wurden. Manche von denen scheitern sogar am Binden einer Schleife. Aber das trifft auf Techniker McKnight nicht zu. Sie ist gleichermaßen praktisch wie theoretisch veranlagt. Da diese Daten also in einem negierenden und somit unlogischen Verhältnis zu dem stehen, was Sie gerade gesagt haben, muss ich davon ausgehen, dass Sie es nicht ernst gemeint haben können, zumal Sie dieses Wissen über Jenna auch teilen. Auch Sie wissen, wie praktisch veranlagt sie trotz ihrer hohen Intelligenz ist.“ „Da hast du Recht.“, sagte Shimar. „Das weiß ich genau. Trotzdem ist mir schleierhaft, wie Betsy das lösen konnte bei ihrem Kenntnisstand.“ „Nun.“, antwortete das Schiff. „Der Allrounder weiß, dass die Grundfunktionen eines jeden Computers das Suchen und Vergleichen sind. Ihr Lösungsvorschlag zielte genau darauf ab. Ich denke, dass es auch nur deswegen funktioniert hat.“ „Das denke ich auch.“, bestätigte Shimar. „Aber nun sollten wir wirklich mal deinen Vorschlag ausprobieren. Übernimm das Steuer!“ IDUSAs Avatar vor Shimars geistigem Auge nickte und die Steuerkonsole geriet in den Hintergrund, ein klares Zeichen Dafür, dass das Schiff seinen Befehl ausgeführt hatte.

Der junge Tindaraner lehnte sich zurück und begann damit, sich auf die Energie seiner Heimatdimension zu konzentrieren. Als Telepath war es ihm ja durchaus möglich, diese wahrzunehmen. Er versuchte seine telepathischen Fühler bis ans Limit zu beanspruchen, aber er war sich absolut nicht sicher über das, was er da fühlte. Er hatte durchaus das Gefühl, dass etwas sein könnte, aber so sicher war er sich nicht.

„IDUSA, ich bin nicht sicher.“, sagte er schließlich. „Ich spüre zwar, dass irgendwas auch mit unserer Dimension passiert, aber es ist meiner Meinung nach nicht eindeutig.“ „Wenn es etwas Dimensionales ist.“, schlussfolgerte IDUSA. „Dann lässt das meiner Meinung nach nur den logischen Schluss zu, dass sich die Quelle in der interdimensionalen Schicht befinden muss. Da ich weiß, dass Sie Ihre telepathischen Fähigkeiten nicht nach außerhalb der Dimension ausdehnen können, in der Sie sich gerade befinden, liegt nur der logische Schluss nah, dass wir uns in die interdimensionale Schicht begeben müssen.“ „Absolut logisch, IDUSA.“, urteilte Shimar. „Bedeutet das, dass Sie mit meinem Vorschlag einverstanden sind?“, versicherte sich das Schiff. Shimar nickte. „Soll ich eine bestimmte Dimension anfliegen?“, fragte sie. „Vielleicht wäre es ganz gut, wenn du uns ins Raum-Zeit-Kontinuum bringen könntest.“, überlegte Shimar halblaut. Er hatte nämlich Zirells Befehl auch nicht vergessen. Schließlich sollte er herausfinden, ob Sianachs Angst bezüglich des Bannes, unter dem Diran wahrscheinlich stand, berechtigt war oder nicht. „In Ordnung.“, sagte IDUSA und begann damit, ihren interdimensionalen Antrieb zu konfigurieren. Dann aktivierte sie ihn, aber das, was in diesem Moment geschah, irritierte sie und Shimar zunächst gleichermaßen.

Sie legte einen seltsamen Holperflug hin, an dessen Ende sie sich halb in der Dimension der Tindaraner und halb in der interdimensionalen Schicht befand. Das bedeutete im Klartext, dass sie halb außer Phase war. Dies wiederum hatte starke Scherkräfte auf den Plan gerufen, die jetzt drohten, ihre Hülle zu verformen. Da hierdurch wiederum Leitungen zu bersten drohten, war ein Großteil ihrer Systeme vom Ausfall bedroht, wenn nicht bald etwas getan würde, um sie aus dieser sehr unangenehmen Situation zu befreien.

„Bitte helfen Sie mir, Shimar.“, bat das Schiff. Sie war mit der Situation sichtlich total überfordert. „Ich verstehe nicht, was hier gerade passiert! Ich habe meinen Antrieb korrekt konfiguriert, trotzdem stecken wir hier fest! Das fällt in keine mathematische Kategorie! Ich denke, jetzt bin ich mal wieder auf einen Piloten mit Bauchgefühl und fliegerischen Instinkten angewiesen, der nicht nur mit dem Kopf fliegt! Bitte, Shimar! Bitte! Das hier überleben wir sonst beide nicht!“ „Schon gut.“, tröstete Shimar, dem es durch das Schaukeln seines Schiffes auch etwas unheimlich geworden war. Aber er wusste auch, dass er jetzt der Souveräne sein musste, der ihr aus dieser Situation half. Also fragte er: „Ist dein Impulsantrieb intakt, IDUSA?“

Sie nahm eine kurze Selbstdiagnose vor. Dann sagte sie: „Positiv, Shimar.“ „Na wenigstens etwas.“, sagte der Angesprochene. „Gib mir die Kontrolle über dessen Steuerung.“ „Was haben Sie vor?“, fragte das Schiff, dem seine neuesten Befehle sehr merkwürdig vorkamen. „Ich habe vor.“, sagte Shimar. „Uns aus dieser Situation zu befreien! Bitte vertrau mir jetzt! Auf mein Zeichen wirst du alle Energie aus dem interdimensionalen Antrieb in andere Systeme umleiten! Dann …“ „Dann, Shimar.“, unterbrach ihn das Schiff. „Werden wir in die Dimension zurückstürzen, aus der wir gekommen sind. Sehen Sie sich bitte meine Fluglage an. Ich werde mit der Nase zuerst auftreffen und das macht mich sehr instabil. Sollte es Ihnen nicht gelingen, mich abzufangen, werden wir unkontrolliert trudeln und vielleicht sogar in die nächste Gravitationsquelle stürzen! Außerdem sollte Ihnen bekannt sein, dass ich, als künstliche Intelligenz, nicht in der Lage bin, Vertrauen zu Empfinden!“ „Das ist mir klar, IDUSA.“, sagte Shimar. „Aber du hast eine Datenbank, in der du nachsehen kannst, in wieviel Prozent der Fälle meine wenn oft auch sehr merkwürdig anmutenden Aktionen uns gerettet haben! Ich denke, dass die mathematische Wahrscheinlichkeit mir Recht geben wird! Also, sieh nach!“

Tatsächlich konsultierte das Schiff ihre Datenbank und kam zu dem Schluss, dass er wohl wirklich Recht haben musste. In allen ihr bekannten Situationen hatte er es geschafft, sie durch zwar in keinem Handbuch stehende, aber dennoch erfolgreiche fliegerische Tricks vor dem Absturz zu bewahren. Die Wahrscheinlichkeit war also sehr groß, dass dies auch jetzt wieder funktionieren könnte.

„Also gut.“, wendete sich IDUSAs Avatar an Shimar. „Ich lasse mich auf Ihren neuesten Versuch ein. Aber wir sollten trotzdem nach einer Möglichkeit suchen, dass mein interdimensionaler Antrieb wieder zuverlässig funktioniert. Sonst könnte ein Flug mit mir lebensgefährlich für Sie oder jeden anderen enden. Techniker McKnight müsste mich für den Patrouillendienst sperren.“ „Keine Sorge.“, versicherte Shimar. „So weit wird es nicht kommen! Zumindest nicht, wenn ich es verhindern kann! „Also gut.“, sagte IDUSA und zeigte ihm einen Teil der Flugkonsole. Allerdings war das nur der, den er auch verlangt hatte, nämlich nur alle Kontrollen, die zum Impulsantrieb gehörten.

„Ich brauche auch noch den Höhenregler und Kontrolle über die elektronische Trimmung.“, sagte Shimar, nachdem er sich angesehen hatte, was sie ihm zeigte. Auch dies zeigte ihm IDUSA bereitwillig. „OK.“, sagte Shimar und gab ihr den Gedankenbefehl zum Abschalten der elektronischen Trimmung. Würde er sie jetzt hochziehen, würde sich zuerst nur ihre Nase bewegen, da nur die vordere Antriebsspule angesprochen würde. Solche Manöver waren eigentlich nur im Kunstflog erlaubt. Aber Shimar hatte ja auch hier eine umfangreiche Ausbildung genossen. Das war eine Tatsache, die dem Schiff durchaus bekannt war. Schließlich kannten sie und ihr Pilot sich bereits seit dessen Zeit als Kadett.

IDUSA verdankte Shimar in gewisser Hinsicht, dass es sie überhaupt noch gab. Da niemand sonst mit ihrer Diskussionsfreudigkeit zurechtgekommen war, hatte das Oberkommando schon fast beschlossen gehabt, sie wieder demontieren zu lassen und dass man wieder einen Schritt in der Serie zurückgehen würde. Der Flieger, der mit ihr zurechtkommen würde, müsste erst noch geboren werden, so fand man zumindest, aber dann kam er! Durch die Reihen der Techniker, die das Schiff gebaut hatten, musste zu diesem Zeitpunkt ein mächtiges Aufatmen gegangen sein, denn er hatte auch verhindert, dass sie eine rechtlich etwas fragwürdige Prozedur durchführen mussten. Da künstliche Intelligenzen in der tindaranischen Rechtsprechung den Organischen gleichgestellt waren, wäre ihre Demontage nur unter ganz genau definierten Umständen möglich gewesen. Oder würdet ihr die Tötung eines Arbeitskollegen beantragen, nur weil euch seine Nase nicht passt, oder er euch auf manche Dinge hinweist? Sicher doch nicht, oder? Na seht ihr.

Tage lang hatte Shimar seiner Flugprofessorin also in den Ohren gelegen, dem Schiff eine letzte Chance geben zu dürfen. Schließlich hatte diese mit den richtigen Leuten Kontakt aufgenommen und es ihm ermöglicht. Später, als man ihn gefragt hatte, wie er das denn hinbekommen hatte, sagte er nur bescheiden: „Man tut, was man kann. Vielleicht ist es auch einfach meine Art, an die Situation heranzugehen. Vielleicht habe ich ja ganz einfach einen anderen Blickwinkel.“ „Wenn.“, hatten sie darauf geantwortet. „Dann ist dein Blickwinkel aber eindeutig eine Nummer zu steil für den Rest von uns. Aber gut, Kadett Shimar. Du darfst sie behalten.“ Damit hatte man für Shimar eine Ausnahmeregelung getroffen, denn normalerweise bekam man erst als ausgebildeter Flieger ein Schiff zugeteilt. Das hatte auch dazu geführt, dass er mit ihr seine Flugprüfung ablegen durfte. Die Erinnerungen an diese spezielle Situation hatten die Beiden sehr stark zusammengeschweißt. Sie lieferte jetzt auch den wohl überzeugendsten Grund für IDUSA, Shimars Befehle, so ungewöhnlich sie auch sein würden, ohne Wenn und Aber auszuführen.

„Also dann, IDUSA!“, sagte Shimar. „Auf mein Zeichen wirst du die Energie umleiten. Das wird ein hartes Abschalten deines interdimensionalen Antriebs zur Folge haben. Sobald wir in unsere Dimension zurückgefallen sind, zünde ich deinen Impulsantrieb durch und ziehe deine Nase hoch. Warte mit dem Einschalten der elektronischen Trimmung, bis ich es dir sage. Den richtigen Moment kannst du nicht sehen oder errechnen, aber ich kann ihn fühlen, vorausgesetzt, du lässt die Umweltkontrollen wie sie sind.“ „Die G-Kräfte könnten Sie beim Sturz zu sehr in den Sitz drücken.“, sagte IDUSA und ihr Avatar schaute besorgt. „Es besteht außerdem die Gefahr, dass Sie dadurch vielleicht innere Blutungen erleiden, da der Druck auf Ihre Organe bei einem derartig schnellen Sturz sehr stark steigen könnte. Ich muss mit den Umweltkontrollen gegensteuern, damit das gesundheitliche Risiko für Sie …“ „Ich weiß, dass die Lex Technologica dir befiehlt, das Leben deines Piloten zu schützen.“, sagte Shimar ihr ins Wort fallend. Und ich danke dir auch dafür, dass du mich noch einmal darauf aufmerksam machst.“

Er gab ihr den Gedankenbefehl zur Aktivierung des Sicherheitskraftfeldes, das quasi einen Gurt ersetzt. „Schon besser.“, sagte IDUSA und ihr Avatar vor seinem geistigen Auge machte ein erleichtertes Gesicht. Außerdem nahm Shimar die Hände nach vorn, was ihm ermöglichte, sich an der vorderen Wand des Cockpits nach hinten zu drücken. Auch seine Füße stellte er fest und flach auf den Boden. Dann sagte er: „Du siehst also, dass ich mich gut vorbereitet habe. Das wäre aber sicher nicht möglich gewesen, wenn du mich nicht erinnert hättest.“ „Vielen Dank, Shimar.“, sagte IDUSA.

Ein Geräusch von Ihrer Hülle ließ Shimar aufhorchen. „Jetzt oder nie!“, beschloss er. Dann holte er tief Luft, um genug Gegendruck auf seine Lunge zu bringen, damit er gleich trotzdem noch atmen konnte, ohne das Gefühl zu haben, ersticken zu müssen, denn das hätte es für ihn unmöglich gemacht, sich auf die Befehle an sie zu konzentrieren, da sein Gehirn mit dem Überlebenskampf beschäftigt sein würde, wenn er es nicht verhinderte und danach gab er ihr die schon angekündigten Gedankenbefehle, die IDUSA auch prompt ausführte.

Tatsächlich stürzten sie in die tindaranische Dimension zurück. Das war aber genau das, auf das Shimar gewartet hatte. Die Auswirkungen, die IDUSA geschildert hatte, traten zwar ein, aber da er sich sowohl körperlich, als auch psychisch von ihr gut vorbereitet sah, machte es ihm wenig aus. Es gelang ihm sogar, sich auf die nachfolgenden Befehle an sie stark genug zu konzentrieren, dass sie ihn gut verstehen konnte.

Genau beim Wiedereintritt in die tindaranische Dimension zündete er ihren Impulsantrieb durch und brachte sie durch eine kontrollierte große ruhige Steuerbewegung wieder in die gerade waagerechte Position. Dann gab er ihr noch den Befehl, die elektronische Trimmung wieder einzuschalten und atmete kontrolliert und langsam aus.

„Genauso habe ich mir das vorgestellt.“, sagte Shimar, der durch die Aktion auch etwas angestrengt war, leicht außer Atem. „Sind Sie OK?“, wollte das Schiff wissen. „Ihr Puls ist leicht erhöht und Sie weisen Symptome psychischen und körperlichen Stresses auf.“ „Es geht schon.“, sagte Shimar. „Schalte den Antrieb aus und setz den Ankerstrahl. Und dann gib mir Jenn’. Sie muss das ja auch gesehen haben, vielleicht findet sie ja eine Lösung.“ „In Ordnung.“, sagte das Schiff und führte aus, was er ihr soeben gesagt hatte.

Im Maschinenraum von 281 Alpha nahm Shannon den SITCH entgegen. „Hi, Fliegerass.“, scherzte die blonde Irin in ihrer fast unverwechselbaren Art. „Was verschafft ’ner einfachen technischen Assistentin wie mir die Ehre?“ „Hast du gesehen, was gerade passiert ist?“, fragte Shimar. „Ich meine, durch die technische Verbindung müsstest du ja auch auf dem Laufenden sein.“ „Das bin ich auch.“, sagte Shannon. „Aber ich hab’ keinen blassen Schimmer der Spur einer Ahnung, was wir machen sollen. Meiner Meinung nach hast du euch aber schon ganz cool gerettet, Fliegerass. Zumindest is’ IDUSA noch ganz und du bist noch so lebendig wie ein Fisch im Wasser! Aber so bleiben kann das nich’. Das steht fest. Na, ich schaue mal wo Jenn’ is’. Dann geb’ ich das Problem ganz vertrauensvoll in ihre zarten Hände. Bleib mal kurz dran.“

Sie wandte sich IDUSA, dem Rechner der Station, zu: „IDUSA, wo is’ Techniker McKnight?“ „Techniker McKnight befindet sich in Commander Zirells Bereitschaftsraum.“, gab der Rechner der Station zurück. „Sag ihr, sie wird hier unten gebraucht.“, sagte O’Riley. Wir haben ein echt kniffliges Problem!“ „In Ordnung, Shannon.“, gab der Stationsrechner nüchtern und gewohnt sachlich zurück.

Zirell, Jenna, Shiranach und Tabran waren inzwischen auf Maron getroffen, der sie bereits in Zirells Bereitschaftsraum erwartet hatte. Nachdem sie sich gesetzt und ihre Personalien gegenüber dem Demetaner bestätigt hatten, fragte Maron: „Und wie hat das nun alles angefangen?“ „Ich denke, da kann ich dir am besten weiterhelfen, Maron El Demeta.“, sagte Shiranach, stand auf und machte einen Schritt auf den vor ihr auf einem Sitzkissen sitzenden Maron zu. „Dann erzähl mal!“, forderte dieser die alte Vendar auf und hielt ihr sein Pad, das er inzwischen vorbereitet hatte, vor den Mund. An der Leuchte und am Symbol auf dem Display konnte Shiranach gut sehen, dass es aufnahmebereit war.

Sie holte tief Luft. Die Dinge, an die sie sich jetzt erinnern musste, waren noch immer sehr beängstigend für sie. Sie hatte nicht verstanden, was da geschehen war. Deshalb war ihr das Ganze sehr unheimlich. Gleichzeitig schämte sie sich aber auch, denn das Gefühl der Angst war bei den Vendar nach wie vor verpönt. „Du brauchst dich für deine Angst nicht zu schämen, Shiranach.“, sagte Maron mit einem verständigen und milden Seitenblick in ihre Richtung. „Ich denke, dass das, was hier gerade passiert, für uns alle nicht sehr schön ist. Und was hier in diesem Raum passiert, dringt sowieso nicht nach außen. Du musst also keinerlei Befürchtungen wegen deines guten Rufes haben.“ „Ich danke dir, Maron El Demeta.“, sagte Shiranach erleichtert.

Er hatte gesehen, dass sie kurz davor war, in Ohnmacht zu fallen. „Tabran, hilf mal!“, wendete er sich an Shiranachs Ehemann, der noch immer im Hintergrund saß. Dieser stand jetzt auf und fing sie auf, um sie dann vorsichtig auf das ihr von Maron hingeschobene Sitzkissen gleiten zu lassen. Dann schob er das Kissen samt Shiranach in Marons Richtung. „Ich glaube, es wäre besser, wenn du mich erzählen ließest, Maron El Demeta.“, schlug Tabran vor. „Es tut mir leid.“, sagte der demetanische Agent. „Das darf ich leider nicht. Deine Frau ist für den ersten Moment dieses Geschehens, den ihr erlebt habt, die einzige leibhaftige Zeugin. Was du uns erzählen könntest, hast du ja nur von ihr selbst erfahren, aber du hast es ja dann inzwischen schon wieder selbst interpretiert. Das verfälscht eine Zeugenaussage leider sehr. Sie wäre dann ungültig. Chief-Agent Zoômell würde das auf keinen Fall gelten lassen und vor einem Gericht hätte eine solche Aussage auch keinen Wert.“ „Was können wir denn da nur tun?“, fragte Tabran.

Zirell war jetzt aufgestanden und hatte sich zu ihnen gesellt. „Soweit ich weiß.“, sagte sie. „Ist es auch bei euch nicht schlimm, wenn eine Freundin ihre Hilfe anbietet.“ Sie streckte Shiranach vorsichtig ihre Hand hin, die diese dann auch aufnahm. „Das hier ist eine Sache, die uns allen wohl etwas unheimlich sein dürfte.“, sagte sie. „Da muss es auch mal in Ordnung sein, Angst zu haben.“

Die Tindaranerin spürte, wie Shiranach ihre Hand fester griff. Dann sagte die alte Vendar: „Tabran war hinausgegangen, um unser Schiff zu warten. Ich sollte auf das Sprechgerät aufpassen, weil wir noch einen Ruf von Freunden erwarteten, die weiter weg im Tembraâsh wohnten. Das Gerät hat dann irgendwann gepiept und ich habe nicht wirklich auf das Display geachtet, als ich mich gemeldet habe. Ich habe mich total erschrocken, als ich plötzlich das Gesicht von Shannon O’Riley gesehen habe. Ich hatte immer gedacht, so etwas sei unmöglich. Aber jetzt war es das plötzlich nicht mehr. Ich habe weder aus noch ein gewusst. Ich habe sie nur schnell abgewimmelt und bin dann raus gegangen zu Tabran.“ „Du hast sie also abgewimmelt.“, versicherte sich Maron. „Wie genau ist denn das abgelaufen?“ „Wozu ist das wichtig?“, fragte Shiranach. „Es ist möglich, dass ich Shannon zu dem Thema auch noch vernehme.“, sagte Maron. „Unsere Regierung möchte es immer ganz genau wissen, wenn etwas ist, was eigentlich nicht sein darf. Wenn sich ihre Aussage mit der deinen deckt, haben wir noch größere Chancen, dass sie uns glauben.“ „Ach so.“, erkannte die Vendar. „Dann werde ich es dir natürlich erzählen. Ich habe so getan, als hätte ich keine Zeit. Du musst wissen, Maron El Demeta, dass mir die Sache sehr unangenehm war. Ja, sie war sogar etwas beängstigend für mich.“ „Das kann ich gut verstehen, Shiranach.“, sagte Maron gewohnt demetanisch verständig.

Jenna war noch einmal auf die Regierungen zurückgekommen. „Na, die Zusammenkunft ist da doch noch ganz human, Sir.“, warf Jenna ein. „Die tindaranische Regierung ja, McKnight.“, sagte Maron. „Aber mit der Regierung der Föderation der vereinten Planeten sieht es da schon ganz anders aus. Die schalten manchmal gern auf stur. Denen müssen wir schon hieb- und stichfeste Beweise liefern und selbst dann ist es manchmal doch sehr fraglich, ob sie uns glauben oder nicht.“ „Wovon hängt das denn ab, Maron El Demeta?“, wollte Tabran wissen. „Das weiß leider niemand so genau.“, sagte Maron und grinste. „Ich hoffe, dir ist klar, dass du gerade deinen ehemaligen Arbeitgeber ziemlich in die Pfanne haust.“, sagte Zirell aus dem Hintergrund. „Ja, das ist mir klar.“, sagte Maron. „Aber ich finde, mit der Wahrheit kann man nicht offen genug umgehen. Shiranach und Tabran sollten schon wissen, worauf sie sich einlassen und dass die Welt, die man ihnen versucht vorzuspielen, nicht immer so heil ist, wie sie auf den ersten Blick aussieht.“

Tabran hatte seiner Frau ein Zeichen gegeben und dann mit ihr den Platz getauscht. „Ich glaube, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem ich dir am besten weiterhelfen kann, Maron El Demeta.“, sagte er. „Dann leg mal los!“, forderte der Demetaner ihn auf und hielt Tabran ebenfalls das Pad hin. „Sie war total aufgelöst.“, begann dieser zu erzählen. „Ich habe sie gefragt, was geschehen sei, aber sie konnte mir kaum etwas sagen, so aufgeregt war sie. Sie hatte sogar Angst, dass die Wächterin krank sein könnte, oder dass ihr etwas zugestoßen sei. Es war mir kaum möglich, sie wieder zu beruhigen.“ „Was habt ihr dann gemacht?“, fragte Maron. „Wie hast du sie dann doch noch beruhigen können?“ „Ich habe sie zunächst abgelenkt.“, sagte Tabran. „Und dann sind wir gemeinsam ins Haus gegangen und haben Kontakt zur Wächterin aufgenommen. Da haben wir gesehen, dass sie, den Göttern sei Dank, doch nicht krank war. Sie ist dann zu uns gekommen und wir haben uns mit ihr über die Situation unterhalten. Sie hat uns gesagt, dass sie nicht verstehen kann, warum sie die Dimension nicht mehr abschotten könne. Aber das dürften wir keinem weiteren Vendar aus dem Tembraâsh sagen.“ „Verstehe.“, sagte Maron, dessen politisches Verständnis an sich eigentlich recht gut war. „Das hätte eine Massenpanik auslösen können. Schließlich seid ihr alten praktizierunfähigen Vendar deshalb im Tembraâsh, um vor Nachstellungen eurer früheren Opfer geschützt zu sein. Auch wenn der eine oder andere von euch Mächten gedient hat, die es nicht sonderlich gut mit ihren Mitgeschöpfen meinen, so weiß doch die Wächterin, dass ihr alle irgendwo einen guten Kern in euch habt. Deshalb schützt sie euch dort seit Tausenden von Jahren und ihr könnt in Ruhe euren Lebensabend genießen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sie ein sehr großes Interesse daran hat, dass es so bleibt. Sie hofft wohl, dass alles eine vorübergehende Episode ist, die wir leicht wieder in den Griff bekommen können. Aber wenn das den Mächtigen noch nicht einmal gelingt, wie sollen wir es dann schaffen? Meiner Meinung nach sollte sie zumindest mit den anderen Mächtigen, die auf unserer Seite sind, Kontakt aufnehmen. Wenn sie das nicht tut, dann sollten wir es versuchen.“ „Darüber hat sie uns nichts gesagt.“, sagte Tabran. „Wir wissen nur, dass sie wollte, dass wir euch informieren. Zuerst wollte sie uns sogar die Barriere öffnen, aber ich habe das abgelehnt. Wenn sie das getan hätte, musst du wissen, hätten wir das alle gespürt und das hätte genau die ungeliebten Fragen aufgeworfen, von denen du gerade geredet hast.“ „Tut die Wächterin das nicht immer dann, wenn ein Neuankömmling im Anmarsch ist?“, fragte Zirell. „Genau das.“, bestätigte Tabran. „Es soll uns alle zusammenholen, damit wir ihn oder sie begrüßen können. Dann muss sich der oder diejenige nicht so allein und verloren vorkommen. Die Person wird zwar auch von der Wächterin begrüßt, aber wenn es Leute tun, die von der gleichen Art sind, dann ist es doch noch angenehmer für sie.“ „Rein Logisch.“, antwortete Zirell. „Ich würde mich auch viel wohler fühlen, wenn mich jemand an einem fremden Ort willkommen heißen würde, den ich schon kenne und wenn es nur jemand von meiner Art ist.“

Maron hatte aus dem Augenwinkel Jenna beobachtet, die wieder jene typische Haltung eingenommen hatte, die sie immer dann einnahm, wenn sie nachdachte. Ihren Kopf hatte sie in ihre linke Hand gestützt. Ihre Augen waren halb geschlossen und es war kaum Bewegung in ihrem Körper und Gesicht. Mit der anderen Hand kratzte sie sich hin und wieder an der Stirn. Er wusste, wenn das passierte, dauerte es nicht mehr lange und sie würde irgendeinen intelligenten Beitrag beisteuern, über den alle stutzen würden, der aber letztendlich den entscheidenden Hinweis liefern würde, um die Situation zu lösen, die jetzt wohl ein wenig festgefahren schien.

Genauso plötzlich, wie Jenna diese Haltung eingenommen hatte, löste sie sich wieder aus ihr. Auch das kannten Maron und Zirell bereits zur Genüge von ihr. Jetzt würde es gleich so weit sein. Das ahnte der Agent. Jetzt würde sie ihm und allen Anwesenden gleich die Lösung der Lösungen präsentieren. Erwartungsvoll sah Maron sie an: „Ja, McKnight?“ „Was ist.“, sagte Jenna. „Wenn es ausgerechnet wir Sterblichen sind, die das Problem besser verstehen, als es jeder Mächtige könnte?“ „Ist das dein Ernst, Jenna?“, fragte Zirell irritiert. „Mein totaler und voller Ernst, Zirell!“, sagte die hoch intelligente Halbschottin mit viel Überzeugung in der Stimme. „Für die Mächtigen ist das Ganze schon zu alltäglich geworden und sie müssen sich ja außerdem keine Gedanken darüber machen, warum etwas passiert, wenn es passiert. Ihnen reicht die Erklärung, dass es ihr bloßer Wille ist, der es ermöglicht. Was ist aber, wenn sich die äußere Situation so verändert, dass ihr Wille es nicht mehr ermöglichen kann, weil sich die Grundsituation grundlegend verändert hat? Also, weil die Energieladung, die sie ausschicken, ihr Ziel aufgrund der Konfiguration der Ladung, auf die sie trifft, nicht mehr erreichen kann. Dann bleibt die Reaktion einfach aus. Da wir das aber erst zu verstehen beginnen, sind wir an diesem Faktum sicher viel näher dran. Wir sind einfach nicht so betriebsblind, weil wir noch wacher sind, was das angeht.“ „Deine Erklärung klingt absolut logisch, Jenna McKnight.“, sagte Tabran. „Ich wusste, dass es die richtige Entscheidung war zu euch zu kommen. Ich wusste, dass du eine Erklärung finden würdest.“ „Diese Erklärung wird aber manchem Mächtigen von Sytanias Schlag nicht passen.“, sagte Maron.

McKnight stand auf, stellte sich in die Raummitte und sah alle ernst und fest an. Dann holte sie tief Luft und sagte langsam und deutlich: „Glauben Sie ernsthaft, dass die Physik daran interessiert ist, Sytanias Ego zu streicheln, Agent?! Auch wenn meine Erklärung die eventuellen Allmachtsfantasien einer gewissen Lady S. ad Absurdum führt, so beruht sie doch nur auf den kalten harten Fakten und die habe ich hier nur weitergegeben! Es interessiert mich einen feuchten Kehricht, wie Sytania damit zurechtkommt! Wer weiß! Vielleicht hat sie ja sogar die Ursache gesetzt! Aber das wissen wir ja nicht genau und solange wir das nicht so genau wissen, müssen wir in alle Richtungen ermitteln. Denn, auch wenn einige es hier vielleicht nicht hören wollen, auch für den größten Feind gilt die Unschuldsvermutung, bis man das Gegenteil beweisen kann!“ „Bravo, McKnight!“, sagte Maron. „Ich sehe also, die physikalische Seite unseres Problems ist bei Ihnen in den besten Händen.“

Tabran schaltete sich wieder ins Gespräch ein. „Wir schweifen ab, Maron El Demeta.“, stellte er fest. „Willst du denn gar nicht erfahren, wie es uns gelungen ist, trotz diverser Widrigkeiten hierher zu gelangen?“ „Oh doch.“, sagte der Agent. „Das würde mich wirklich interessieren.“

Der alte Vendar zog lächelnd einen Datenkristall aus der Tasche. „Hier drauf ist ein Profil, das den interdimensionalen Antrieb unseres Schiffes so angepasst hat, dass es uns möglich war.“ Er sah Shiranach stolz an: „Und das haben wir nur ihr zu verdanken. Sie ist auf die Idee gekommen, dass wir die Schicht wie ein krankes Wesen behandeln sollen, das für alles mehr Zeit benötigt. Wenn es nicht die Wächterin ist, die krank ist, dann muss es die interdimensionale Schicht sein. So hat auf jeden Fall Shiranach gedacht und das war, wie sich herausgestellt hat, ja auch richtig. Das Profil trägt deswegen auch ihren Namen.“ „Darf ich es mir ansehen, Tabran?“, fragte Jenna interessiert. „Natürlich, Jenna El Taria.“, sagte Tabran fast ehrfürchtig und übergab ihr langsam und feierlich den Kristall.

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