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Seine Aktionen waren von Sytania und Telzan durch den Kontaktkelch beobachtet worden. „Habe ich Euch zu viel versprochen, Milady?“, fragte der Vendar mit einem gemeinen Grinsen. „Ist er nicht gut in dem, was er tut?“ „Oh ja.“, antwortete die Prinzessin. „Er hat den naiven Diran ganz schön aufs Kreuz gelegt! Das hätte ich wohl nicht besser machen können.“ „Da muss ich Euch leider beipflichten.“, sagte Telzan. „Ich denke, Ihr hättet nicht die Geduld für solcherlei Ränkespiele.“ Er sah sie an, denn er erwartete jetzt wohl eine Strafpredigt. Die kam aber nicht. Im Gegenteil. „Du hast Recht.“, sagte Sytania. „Ich hätte nicht die Geduld für so etwas. Aber deshalb habe ich es ja auch ihn erledigen lassen. Ich bin eben auch lernfähig.“ „Ja, das seid Ihr.“, sagte Telzan und verkniff sich den Rest seiner Gedanken. Er hatte nämlich noch gedacht: Wenn es auch sehr lange gedauert hat, bis es dazu gekommen ist. Er hatte nämlich Sorge, doch noch bei ihr in Ungnade zu fallen. Einmal war ihm das nämlich schon passiert und er erinnerte sich noch sehr gut daran. So etwas wollte er kein zweites Mal erleben. Natürlich hätte Sytania seine Gedanken in seinem Geist nachlesen können, aber er wusste, dass kein Mächtiger ihres Schlages freiwillig geistigen Kontakt zu einem Vendar aufnehmen würde. Es ging nämlich die Legende um, dass man dann automatisch bis zum Tod ausgesaugt würde. Davor hatte sogar sie große Angst. Die Tindaraner und Joran hatten zwar bewiesen, dass dies nur eine Legende war, aber das mussten sie ja ihr, dem Feind, nicht gerade auf die Nase binden.

Eine Fanfare kündigte Besuch an. Dann trat der Herold vor und rief in den Raum: „Mirdan, ein Novize des Telzan, Euer Hoheit!“ „Er ist schon zurück?“, äußerte Sytania ihr Erstaunen. „Offensichtlich.“, antwortete Telzan. „Der Herold wird ja wohl keinen Geist gesehen haben.“ „Dann soll er vortreten!“, befahl die Königstochter.

Der Herold winkte Mirdan, der daraufhin den Thronsaal betrat. Vorher hatte er ruhig am Eingang gewartet. „Mirdan.“, begrüßte ihn Telzan erstaunt. „Wo kommst du denn jetzt schon her?“ „Ich komme von meiner Mission, Ausbilder.“, antwortete der Novize. „Sie war leichter, als ich zuerst dachte.“ „Berichte uns.“, sagte Telzan und deutete auf Sytania und sich. „Sehr gern.“, sagte Mirdan, der ein teuflisches Grinsen nicht verstecken konnte. „Zuerst möchte ich bemerken, dass mir Eshlan das wohl älteste Schiff gegeben haben muss, das wir haben. Aber das war sehr förderlich für das, was ich tun wollte.“ „Ich hatte ihn genau über deine Mission informiert.“, sagte Telzan. „Das erklärt es wohl.“, antwortete der Novize. „Es war wirklich sehr hilfreich, Ausbilder. Bitte sag mir, ob ihr beide mich beobachtet habt.“ „Das haben wir.“, sagte Telzan. „Wir wissen also, was du dem naiven dummen Diran für eine rührselige Story aufgetischt hast. Du hast fürwahr ein sehr großes schauspielerisches Talent.“ „Ich danke dir, Ausbilder.“, sagte Mirdan.

Er griff in seine Tasche, in der er den Datenkristall verborgen hatte. „Deine Frau hat übrigens Recht gehabt mit Diran.“, sagte er dann, während er Telzan den Kristall hinhielt. Er stand tatsächlich unter dem Bannwort. Sonst würde sich eine Szene wohl nicht erklären lassen, die sich auf seinem Schiff zwischen uns abgespielt hat.“ „Dann wollen wir uns diese besagte Szene mal ansehen.“, sagte Telzan und zog ein Pad, in das er den Datenkristall legte und dann die sich darauf befindende Aufzeichnung abspielen ließ.

Gegen Ende ließ er diese plötzlich stoppen und befahl dem Computer des Pads, die Aufzeichnung einzufrieren. Dann ließ er ein bestimmtes Gitter des Bildschirms auf Maximum vergrößern. „Seht her, Milady.“, sagte er zu Sytania und hielt es ihr unter die Augen. „Seht Ihr Dirans Gesichtsausdruck?“ „Ja, mein guter Telzan.“, sagte Sytania. „Den sehe ich sehr wohl. So schaut nur jemand, der unter dem Bann steht. Dein holdes Eheweib ist wirklich eine hervorragende Lippenleserin. Tolea hat diesen Fehler also wirklich gemacht! Das hätte ich ihr nicht zugetraut! Sie ist doch sonst immer so genau und will dafür sorgen, dass den Sterblichen auf keinen Fall ein Haar gekrümmt wird. Wie kann ihr denn da nur so etwas passieren?!“ „Nun ja.“, sagte Mirdan. „Dass ihr dieser Fehler passiert ist, kann uns ja nur zum Vorteil sein.“ „Das ist richtig, Mirdan.“, sagte Sytania und Telzan nickte beifällig.

Die Prinzessin wandte sich wieder dem Pad zu. „Lass die Aufzeichnung weiterlaufen, Telzan!“, befahl sie. Der Vendar nickte und gab dem Pad die entsprechenden Befehle. Nun hörten alle auch die Weissagung.

Sytania machte ein wütendes Gesicht. „Lass diese verdammte Weissagung noch einmal abspielen, Telzan!“, befahl sie. „Ich kann nicht glauben, was ich da gerade gehört habe!“ Wie Milady befehlen.“, sagte der Vendar ruhig und wenige Sekunden danach ließ der Computer des Pads auf Telzans Geheiß die Weissagung noch einmal hören: „Die Hydra der Eifersucht wird erwachen. Entfesseln wird sie des Krieges Drachen. Sodann werden alle Lande beben. Es wird viel Leid und Kummer geben. Doch Recken, die Kommen auf vielen Wegen, werfen sich tapfer dem Bösen entgegen. Wen das Schicksal sich wünschen will in diesem Stand, den wird es erwählen durch Kindeshand.“ „Ein Kind!“, erboste sich Sytania. „Ein Kind soll meine Pläne durchkreuzen?! Nein, nein! Das werde ich nicht zulassen! Das darf und werde ich nicht zulassen!“ „Aber was wollt Ihr denn tun, Hoheit?!“, fragte Telzan. „Was ich tun will?!“, fragte Sytania mit hoch erregter Stimme. „Du wirst gleich sehen, was ich tun will!“

Sie sprang von ihrem Thron herab und schaute konzentriert auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand des Thronsaals. Alsbald fuhr ein schwarzer Blitz durch den Raum. Dann zeigte sich ein wolkenförmiges Wesen, das Telzan und sein Schüler nur als Nebelwand wahrnehmen konnten. „Was ist das, Milady?“, fragte der Novize, den dieses Geschehen sehr beeindruckt hatte. „Kannst du schon mit einem Erfasser umgehen?“, fragte Sytania. Mirdan bejahte. „Dann benutze ihn!“, befahl Sytania.

Der angehende Vendar-Krieger nickte und zog das Gerät aus der Tasche. Dann begann er, die Nebelwand damit zu scannen. „Ihr habt ein Wesen geschaffen, Milady.“, stellte er fest. „Genau das habe ich.“, sagte Sytania. „Und wenn wir uns jetzt gleich an meinen Audienztisch begeben, werden dein Ausbilder und du auch erfahren, was dieses Wesen tun soll!“

Sie warf den beiden Vendar einen auffordernden Blick zu, auf den sie ihr zu dem kleinen runden Tischchen folgten, das wie immer an seinem Platz in der Ecke des großen Saals stand. Hier setzten sie sich im Kreis hin und fassten sich an den Händen. Dann nahm Sytania geistigen Kontakt zu ihrer Schöpfung auf: Ich grüße dich, meine Schöpfung! Auch ich grüße Euch, meine Schöpferin., gab das Wesen mit verzerrter weiblicher Stimme zurück. Warum habt Ihr mich geschaffen? Wie lautet mein Auftrag? Dein Auftrag lautet., antwortete Sytania. Alle Kinder in allen Dimensionen zu töten, denen du habhaft werden kannst! Beginne hier im Dunklen Imperium und arbeite dich dann weiter vor. Warum stellt Ihr mir keine Artgenossen zur Seite?, fragte das Wesen. Dann könnten wir doch viel effizienter arbeiten. Im Prinzip hast du Recht., meinte Sytania. Aber Effizienz ist nicht immer alles im Leben. Man muss auch mal genießen können und ich genieße nichts mehr, als wenn ich langsam Angst und Terror verbreiten kann. Wenn sich die Kunde über deine Existenz erst einmal verbreitet hat, dann werden sich viele überlegen, ob sie sich mit mir anlegen wollen. So kann ich viele meiner Feinde besiegen, ohne selbst einen Handstreich oder einen Gedanken daran verschwänden zu müssen. Das ist doch viel besser, als wenn ich meine Kraft sinnlos vergeuden würde. Meinst du nicht auch? Wenn Ihr das so sehen wollt?, erwiderte das Wesen. Dann habt Ihr natürlich Recht. Ich werde mich also an Eure Befehle halten. Ab welchem Alter soll ich beginnen. Beginne am besten schon bei den Säuglingen in der Wiege!, sagte Sytania und ihre Augen funkelten gemein. Die können zwar noch nicht sprechen, aber wir sollten trotzdem sicher gehen. Wer weiß, was für Möglichkeiten diese verdammten Quellenwesen in Petto haben! Wie Ihr wünscht., antwortete das Wesen. Aber ab welchem Alter soll ich die Sterblichen verschonen? Eine interessante Frage., entgegnete Sytania. In der Weissagung heißt es eindeutig Kindeshand und nicht etwa Hand eines Jugendlichen. Du wirst also alle verschonen, bei denen die Pubertät bereits eingesetzt hat. Ich habe verstanden., sagte das Wesen und erhob sich in die Lüfte. Dann durchdrang es die Wand und hatte das Schloss verlassen.

Mirdan hatte aufgeatmet. „Und ich hatte schon Angst, dass ich ihr erstes Opfer werde.“, sagte er erleichtert. „Oh das wäre schon nicht geschehen.“, tröstete Telzan. „Oder hattest du etwa vor, zum Verräter an deiner Herrin zu werden, he?!“ Er sah ihn streng an. „Nein, Ausbilder.“, sagte Mirdan und senkte beschwichtigend den Kopf. „Natürlich nicht.“ „Das will ich dir auch geraten haben.“, sagte Telzan.

Sytania winkte ihrem Mundschenk, der darauf mit einem Tablett mit weißen bauchigen Gläsern und einer ebensolchen Karaffe gefüllt mit imperianischem Wein in den Saal kam. „Wir sollten auf das gute Gelingen unserer Pläne anstoßen.“, sagte die Prinzessin und machte eine auffordernde Handbewegung gegenüber dem Imperianischen Mundschenk, der stumm zuerst ihr und dann Telzan einschenkte. Er war ein kleiner Mann in abgewetzter Kleidung, dessen Erscheinung selbst für Sytania ansonsten nicht weiter wichtig war.

Als er zu Mirdans Platz gekommen war, blieb er stehen und schaute zu Telzan herüber, der ihm nur zunickte. „Aber Ausbilder.“, stammelte der Novize. „Ich …“ „Ach was!“, fuhr ihm Telzan über den Mund. „Wenn ich es dir erlaube, dann darfst du zur Feier des Tages auch mal einen mit uns trinken. Ein bis zwei Gläser werden dir schon nicht schaden und jetzt runter damit!“ Dann stießen Sytania, Mirdan und er miteinander an.

Dem Novizen war es plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen. Sofort stellte er sein Glas hin und sah Sytania erschrocken an. „Was ist mit den Kindern der Genesianer?!“, fragte er. „Habt Ihr an die auch gedacht? Ich mache mir ja nur Sorgen, dass Eure neu gewonnene Freundin Valora es eventuell sehr übel nehmen könnte, wenn Ihr …“ „Das mit den Kindern der Genesianer lass mal dahingestellt.“, sagte Sytania. „So weit ist meine Schöpfung ja auch noch nicht. Es gibt hier genug einfältige Bauern, bei denen sie erst mal üben kann. Bis dahin werde ich auch wissen, wie sich die Sache mit dem Glaubenskrieg auf dem Heimatplaneten der Genesianer entwickelt. Dann werde ich entscheiden, wie wir mit den Kindern der Genesianer verfahren. Ich bin sicher, Valora wird Verständnis für jede meiner Entscheidungen haben. Aber danke, dass du mich auf diesen Umstand aufmerksam gemacht hast.“ „Das habe ich doch gern getan, Hoheit.“, sagte Mirdan.

Sytania nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas und wandte sich dann Telzan zu: „Du hast dort wirklich einen aufmerksamen Schüler, mein Freund. Er wird sicher einmal ein guter Krieger werden.“ „In der Tat, Herrin.“, bestätigte Telzan und alle drei hoben erneut die Gläser.

Der Novize hatte erneut eine Möglichkeit gesehen, durch Aufmerksamkeit zu glänzen. „Ihr habt doch wissen wollen, woher ich so schnell gekommen bin.“, sagte er in Richtung von Telzan und Sytania gleichermaßen gewandt. Das war möglich, weil die Prinzessin und sein Ausbilder ihn in die Mitte genommen hatten. „Das stimmt.“, sagte Telzan. „Ich habe Eshlan das Schiff übergeben und mich dann mit einem Transporter herbeamen lassen.“, sagte der Novize. „Ich wollte einfach gewährleisten, dass die Information so schnell wie möglich hier ankommt. Sicher hätte ich sie auch per SITCH-Mail übermitteln können, aber dann wäre ich ja nicht da gewesen, um sie gleich vor Ort zu interpretieren.“ „Gute Entscheidung, mein Schüler!“, lobte Telzan. „Ich hätte es nicht anders gemacht. Aus dir wird fürwahr einmal ein guter Stratege werden.“ „Danke, Ausbilder.“, sagte Mirdan verlegen. Sie setzten die Feier fort, nachdem der Mundschenk allen noch einmal nachgeschenkt hatte.

Diran war der Verzweiflung näher als der Hoffnung. Immer und immer wieder hatte er sich die Aufzeichnung angesehen. Jene Aufzeichnung, die ihm schwarz auf weiß offenbarte, dass er gerade zum Verräter geworden war. Wenn es ihm auch nicht bewusst war, so war es doch geschehen. Schließlich konnte der Mishar nicht lügen. Was er in seinen Datenbanken hatte, war die reine Wahrheit, außer man half technisch nach, indem man Passagen herausschnitt oder änderte. Aber Diran hatte nichts dergleichen getan. Warum hätte er das auch tun sollen? Damit hätte er sich, so wie sich die Situation jetzt darstellte, doch nur ins eigene Fleisch geschnitten.

Die aufgestellten Gesichtshaare des Vendar verrieten seine nicht gerade gute Verfassung, als er zu überlegen begann, was er tun konnte, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passierte. Er konnte und durfte nicht zulassen, dass Sytania und ihre Schergen an noch mehr Informationen kamen! Aber er wusste nicht, wie er das anstellen sollte. Tolea danach zu fragen und sie zu bitten, den Bann aufzuheben, wäre wohl für uns, die wir normal und besonnen denken können, das Mittel der Wahl gewesen. Aber Diran war hierzu viel zu verzweifelt. „Ich muss verhindern, dass es noch einmal geschieht!“, sagte er entschlossen und ging zum Replikator, wo er sich ein Röhrchen mit einer grünen Flüssigkeit replizierte. Die Flüssigkeit war das Gift der Neshar-Rose, einer auf der Heimatwelt der Vendar häuslichen Pflanze. Dieses Gift wurde dazu benutzt, sich zu töten oder sich ins Koma zu versetzen, falls man zum Verräter an seiner Herrin oder seinem Herrn geworden war und das eigentlich nicht gewollt hatte. Er wusste, jetzt brauchte er Hilfe und die konnte ihm, wenn überhaupt, nur von den Tindaranern oder ihren Verbündeten auf New-Vendar-Prime gegeben werden. Nur jemand, der sich mit den Ritualen der Vendar auskannte, konnte wissen, was jetzt zu tun war und warum er eben getan hatte, was er getan hatte.

Diran entkorkte das kleine dünne Röhrchen, das selbst aus weißem Glas bestand und einen braunen kleinen Korken enthielt. Es war etwa 20 cm lang und hatte einen Durchmesser von ca. 3 cm. Dann setzte er es an die Lippen und leerte es in einem Zug. Die Flüssigkeit schmeckte bitter, aber das störte ihn nicht. Er wusste, was immer jetzt auch geschah, er war sicher. Er würde Sytania keine Informationen mehr verraten können! Ob nun freiwillig oder unfreiwillig. Entweder, er würde rechtzeitig von den Tindaranern oder den Vendar-Rebellen von New-Vendar-Prime gefunden, oder er würde sterben, bevor sie etwas tun könnten. „Ihr legt mich nicht noch einmal herein, Sytania!“, rief Diran aus. „Die Götter mögen wissen, woher Ihr wusstet, dass mich meine Herrin unter den Bann gestellt hat und wie genau der aussieht, Aber von mir werdet Ihr nichts mehr erfahren! Das war das allerletzte Mal, dass ich auf eine Eurer Maschen hereingefallen bin. Das allerletzte Mal!“

Leider hatte Diran nicht bedacht, dass der Umstand, dass er sich aufregte, seinen Blutdruck in die Höhe schnellen ließ. Leider hatte das auch Auswirkungen auf den Rest seines Stoffwechsels. Sein Blut verteilte jetzt nämlich auch das Gift viel schneller in seinem Körper. Er spürte, wie es ihm schwindelig wurde. „Nein!“, rief er aus. „Jetzt noch nicht! Ich muss doch noch etwas vorbereiten!“

Sein Kreislauf versagte und er fiel hin. Jetzt konnte er sich nur noch auf allen Vieren zum nächsten Computermikrofon schleppen. Mit letzter Kraft zog er sich auf den Sitz davor. Dann stammelte er ins Mikrofon: „Mishar, das Sprechgerät auf die tindaranischen Notruffrequenzen und die der Vendar auf New-Vendar-Prime justieren! Dann einen automatischen Notruf in Vendarisch, Englisch und Tindaranisch absetzen! Außerdem möchte ich eine Nachricht diktieren.“

Er musste eine Pause machen, denn ein scharfer Schmerz hatte seinen Körper durchzuckt. Es geht zu schnell., dachte er. Hoffentlich kriege ich das noch hin.

Die Stimme des Rechners holte ihn aus seinen Gedanken: „Programm geladen und bereit. Bitte diktieren Sie Ihre Nachricht.“ Diran atmete tief durch. Er war froh, dass das Gerät ihm sozusagen einen Strohhalm gereicht hatte, zumindest im übertragenen Sinn. Jetzt hatte er etwas, auf das er sich fokussieren konnte. Er war dem Rechner noch nie so dankbar gewesen wie jetzt.

„Meine Freunde.“, begann Diran sein Diktat in Englisch. „Wenn einer von euch diese Nachricht findet, weile ich vielleicht nicht mehr unter den Lebenden, oder ich liege im Koma. Ich habe mich selbst gerichtet, denn es darf nicht sein, dass ich Sytania weitere Informationen gebe. Offenbar hat mich meine Herrin versehentlich unter die falsche Art von Bann gestellt. Ich bin mir dessen natürlich nicht bewusst und kann es nur anhand der Geschehnisse vermuten, denn ich habe aus Versehen einem von Sytanias Vendar eine wichtige Information übergeben. Was genau geschehen ist, werdet ihr in den Aufzeichnungen meines Rechners finden. Es dauert zu lange, euch das zu erklären. Ich habe das Gift der Neshar-Rose zu mir genommen, das bereits seine Wirkung entfaltet. Ich habe nicht mehr viel Zeit!“

Er machte eine Pause, die mindestens fünf Sekunden dauerte. Das war lange genug, um den Rechner dazu zu bringen ihn zu fragen: „Haben Sie Ihre Nachricht beendet?“ „Ja.“, antwortete Diran, dem langsam die Sinne zu schwinden begannen. Es wurde immer schwerer für ihn, sich auf sein Vorhaben zu konzentrieren. Irgendwie musste er es aber noch hinbekommen, dem Rechner mitzuteilen, wie er mit der Nachricht verfahren sollte.

„Mishar.“, sagte Diran schon ziemlich erschöpft. „Sind in deiner Datenbank Beispiele der DNS von Vendar enthalten, die auf New-Vendar-Prime leben?“ „Affirmativ.“, sagte der Rechner. „Gibt es dort auch Beispiele für die DNS der Besatzung von Basis 281 Alpha?“, fragte Diran. Wieder bejahte der Rechner.

Der Vendar atmete auf. „Interne Sensoren scharf stellen!“, befahl Diran. Das Programm für Nachrichten mit dem Sicherheitsprogramm verknüpfen! Die zuletzt diktierte Nachricht abspielen, wenn eine der vorher genannten DNS-Gruppen in Reichweite der internen Sensoren kommt!“ „Befehl wird ausgeführt.“, sagte der Mishar sachlich und nüchtern.

Diran gab einen erleichterten Seufzer von sich: „Das wäre geschafft!“ Es ging ihm immer schlechter. Lange hätte er das bestimmt nicht mehr durchgehalten. Jetzt ließ er sich nur noch vom Sitz gleiten und robbte - aufrecht gehen konnte er schon nicht mehr - zu jener Tür, die Achterkabine und Cockpit voneinander trennte. Da der Sensor auf seine Gesamtmaße und nicht nur auf seine Körperhöhe programmiert war, öffnete sich die Tür trotzdem. Diran kroch hindurch und hievte sich auf eine der Bänke. Dort legte er sich auf den Rücken und entspannte sich. Derweil dachte er noch: Ihr Götter, ich befehle mich in eure Hand. Bitte gebt, dass sich alles wieder zum Guten wendet. Dann tat er noch einen letzten tiefen Atemzug, bevor das Gift ihn endgültig in den tiefen todesähnlichen Schlaf zwang.

Shimar und sein Schiff hatten das Raum-Zeit-Kontinuum ohne konkrete Ergebnisse durchstreift. IDUSA hatte zwar viele Werte gesehen, die auf eventuelle Spionagetechnik hindeuten könnten, in der gegenwärtigen Situation hatten sich diese aber vielfach als Sensorengeister entpuppt. Das war wahrscheinlich der Veränderung innerhalb der Dimension zuzuschreiben. Jedenfalls gab es dort aber auch keine eindeutigen Hinweise. Dass Sytanias Vendar getan hatten, wessen Sianach sie beschuldigte, konnte aber auch nicht eindeutig ausgeschlossen werden.

IDUSAs Avatar wendete sich an ihren Piloten: „Ich denke, wir werden hier nichts Eindeutiges finden, Shimar. Ich halte es für effizienter, wenn wir zurückkehren. Wir können Sianach zwar keine eindeutige Entwarnung geben, aber angesichts der Spurenlage ist es wohl besser. Vielleicht finden wir ja auch irgendwo anders einen Hinweis.“ „Das Gefühl habe ich auch langsam.“, sagte Shimar. „Aber ich möchte erst einmal wissen, was Maron und Zirell dazu meinen. Verbinde mich mit ihnen!“ “Wie Sie wünschen.“, sagte IDUSA und schaltete die gewünschte Verbindung. Dann sah der junge Patrouillenpilot die Gesichter seiner Kommandantin und des ersten Offiziers vor seinem geistigen Auge über den Neurokoppler. „Was konntest du herausfinden, Shimar?“, wollte Zirell wissen. „Leider nicht sehr viel, Zirell.“, musste Shimar zugeben. „Die Spuren sind nicht eindeutig. IDUSA kann kaum ihr eigenes Sensorenecho vom Rest unterscheiden, geschweige denn, dass sie eindeutige Werte gefunden hätte, die Sianachs Angst bestätigen würden. Wir haben Jenna die Werte gegeben. Sie meint, die Dimension sei sehr angegriffen, aber das führt sie auf die ohnehin gerade herrschende Schieflage in den elektrischen Ladungen zurück. Zumindest geht das aus einer Mail hervor, die sie mir geschickt hat. Ich denke, wir werden zurückkehren. Wenn sich das nicht anders beweisen lässt, dann wird sich Sianach hoffentlich geirrt haben.“ „So einfach ist das leider nicht, Shimar.“, mischte sich Maron ins Gespräch. „Du darfst nicht vergessen, wie lange das schon her ist. Die Energiewerte können ebenso gut schon zerfallen sein, aber das heißt nicht, dass da nichts war. Ich bin lange nicht mehr so naiv zu glauben, dass Sytania, wenn sie auch vielleicht nicht die Ursache gesetzt hat, sicher gern ein Stück vom giftigen bösen Kuchen abhaben würde und alles dafür täte, was es ihr irgendwie erleichtern würde. Wir denken, dass so eine massive Ladungsverschiebung nicht allein von ihr verursacht werden kann. Zumindest nicht, ohne dass ihr Vater sich einmischen würde, wenn er etwas davon merken würde und das würde er mit Sicherheit. Es muss also etwas am Werk sein, das noch mächtiger ist als Logar oder Sytania.“ „Mächtiger als Logar oder Sytania?“, wiederholte Shimar fragend und mit fast ungläubigem Staunen. „Da fallen mir nur die Quellenwesen und ihre vielen Verwandten ein. Aber den Propheten oder den Palgeistern traue ich das nicht zu.“ „Ich denke auch, dass es jemand anderes aus der berühmten Familie sein muss.“, sagte Maron, der seinen kriminalistischen Spürsinn eingesetzt hatte. „Zumal die Palgeister wissen, dass sie, obwohl sie Sytanias Hilfe hatten, damals kläglich gegen uns verloren haben.“

Er hatte den Sendeknopf losgelassen. Wahrscheinlich wartete er auf eine Antwort Shimars. Dieser aber war dazu gerade nicht in der Lage, denn er kämpfte mit einem Lachanfall, der so langsam die Oberhand zu gewinnen drohte. Dann prustete ein völlig fertiger Tindaraner ins Mikrofon: „Oh ich hoffe, du hast das nicht ernst gemeint, Maron! Sytania und ihnen geholfen! Dass ich nicht lache! Sytania hat doch nur sich selbst geholfen! Mich wundert, dass die Palgeister das damals nicht gerafft haben. Aber na ja. Gier frisst Hirn, sagt Betsy immer. Machtgier tut das eben auch!“ „Genauso ist es, Shimar.“, sagte Maron. „Ich wollte ja nur sicher gehen, dass du aufpasst.“ „Dann ist ja gut.“, sagte der tindaranische Pilot erleichtert. „Für einen Augenblick hatte ich nämlich ernsthaft gedacht, du würdest glauben, was du da eben gesagt hast.“ „Keine Angst, mein Freund.“, versicherte Maron. „Ich habe zwar den Ruf weg, etwas naiv zu sein, aber das bin ich nicht mehr. Ich bin nämlich lernfähig. Aber du hast Recht. IDUSA und du, ihr solltet wirklich zurückkehren. Jede weitere Ermittlung dort wird wohl, nicht zuletzt auch aus physikalischen Gründen, ins Leere führen.“ „OK.“, sagte Shimar und beendete die Verbindung.

Der Avatar seines Schiffes sah ihn plötzlich alarmiert an. „Was ist los, IDUSA?!“ fragte Shimar, der genau wusste, dass sie so ein Verhalten nicht ohne Grund zeigte. „Ich habe über das interdimensionale Sprechgerät einen Notruf empfangen.“, sagte das Schiff. „Er ist automatisch und wird auf den tindaranischen Notruffrequenzen und auch auf denen der Vendar von New-Vendar-Prime gesendet. Er wird auf Englisch, Vendarisch und Tindaranisch gesendet. Er kommt vom Rufzeichen von Dirans Schiff!“ „Diran?“, fragte Shimar verwundert. „Der dient doch Tolea. Wo ist die Quelle des Notrufs, IDUSA?“ „Sie befindet sich in unserer Dimension.“, sagte das Schiff. „Sie ist nicht weit von unserer Basis entfernt.“ „Was macht Diran denn bei uns?“, wunderte sich Shimar erneut. „Seine Frau lebt auf New-Vendar-Prime.“, rief ihm IDUSA die familiäre Situation seines Freundes in Erinnerung. „Ich halte für möglich, dass er sie besuchen wollte.“ „Na, dann müssen sie sich aber saftig gestritten haben.“, sagte Shimar mit fast neutralem Ausdruck im Gesicht. Nur ein kaum sichtbares Grinsen umspielte die Lippen des jungen tindaranischen Fliegers. „Wenn er seinen Computer dann gleich dazu bringt, einen Notruf abzusetzen. Funktionieren deine interdimensionalen Sensoren einwandfrei? Ich wüsste gern, ob sie hinter ihm her ist, um ihm die Bratpfanne über den Kopf zu ziehen.“ Er ahnte nicht, dass er bald eine Situation vorfinden sollte, in der ihm das Scherzen wohl sehr schnell verging.

Einige Zeit verging. Shimar sah das Gesicht des Avatars vor sich. Sie schaute in den Raum. Das war das gleiche Bild, das er immer von ihr sah, wenn IDUSA etwas scannte. „Das tust du jetzt nicht wirklich, oder?“, fragte er. „Ich muss Ihnen sagen, dass ich außer Dirans Schiff kein weiteres gesehen habe.“, sagte IDUSA. „Auch ist von Sianach nichts zu sehen und ich sehe auch kein antikes Kochgerät.“ „Ach du Schande, IDUSA!“, rief Shimar aus. „Und ich dachte, du hättest gelernt zu unterscheiden, ob jemand einen Scherz macht, oder ob das, was er sagt, ernst gemeint ist! Was ist mit suchen und vergleichen, he?!“ „Das habe ich getan.“, sagte das Schiff unschuldig. „Dabei ist herausgekommen, dass ich Sianach aufgrund ihres Temperaments so etwas durchaus zutrauen würde. Sie regt sich zwar selten auf, aber wenn, dann richtig. Das weiß auch ich. Das von Ihnen geschilderte Szenario ist also durchaus wahrscheinlich.“ „OK.“, sagte Shimar und schaute etwas bedient. „Das funktioniert also auch nicht immer. Aber hast du dir nicht mein Gesicht angeschaut? Hast du da nicht ein kleines Grinsen wahrgenommen?“ „Ihre Gesichtsmimik war nicht eindeutig.“, sagte das Schiff. „Upsi.“, machte Shimar. „Dann muss ich ja zu einem verdammt guten Schauspieler geworden sein. Aber das ist jetzt nebensächlich. Gib mir noch einmal Zirell!“

Der Avatar nickte und IDUSA führte Shimars Befehl aus. Bald darauf sah er wieder in das Gesicht seiner Kommandantin. „Zirell, IDUSA hat einen Notruf von Diran empfangen. Wir sollten uns darum kümmern.“ „In Ordnung.“, sagte Zirell. „Du dürftest ja schnell vor Ort sein können. Aber wir haben den Notruf auch gehört. Er kommt auf allen Notruffrequenzen herein. Also dann! Kümmere dich!“ „OK, Zirell.“, sagte Shimar und gab IDUSA den Gedankenbefehl zum Beenden der Verbindung. Dann flogen sie in die tindaranische Dimension zurück.

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